– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das geht gar nicht!

Inzwischen in den Medien schon wieder Schnee von gestern, aber doch immer noch aktuell – das Thema, was vor ein paar Wochen die Schlagzeilen beherrschte: Die Flüchtlinge auf der Insel Lesbos und der Umgang der EU damit, nachdem das Lager abgebrannt war (auch ich hatte seinerzeit darüber geschrieben).

Viel passiert ist seither nicht, wenn man davon absieht, dass inzwischen ein paar dutzend Menschen hier einreisen durften und abseits aller Schlagzeilen wohl auch weiter darüber geredet wird.
Das Thema scheint weitgehend „befriedet“ (zumindest aus Sicht der Politik) und ist sicher auch bei weiten Teilen unserer Mitmenschen in den Hintergrund gerückt, obwohl es nach wie vor skandalös ist und viel zu wenig Erwähnung findet, was da in Griechenland und im Mittelmeer immer noch passiert. Denn nach dem „Tropfen auf dem heissen Stein“ von Seehofers Gnaden rührt sich ja nur noch wenig in unserm Land – auch wenn ich die aktuellen Gespräche prinzipiell richtig finde, so sie denn weitere Möglichkeiten eröffnen. Was für mein Gefühl – trotz der anderen Probleme – viel zu langsam geht, denn die Menschen brauchen jetzt Hilfe – und nicht erst, wenn der Winter vorbei ist.
Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch ich nur noch selten daran gedacht habe – und wenn, dann eher unter dem Aspekt, ich könne gelegentlich nochmal darüber schreiben und ein kurzes Fazit ziehen, um es nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen.

-_-_-_-

Dann allerdings las ich gestern im Spiegel eine Meldung, die mich wieder aufhorchen lies:

Da hat doch tatsächlich ein Theologe – ein evangelischer Pfarrer in Nürnberg – die Behauptung aufgestellt, dass man (einfach zusammen gefasst) als Christ ruhig zusehen könne, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, denn die wären ja selbst Schuld an der Situation, in der sie sich gebracht hätten. Zudem gäbe die Bibel nicht her, dass es eine Verpflichtung zur Rettung gibt – eine Rettung sei nur geboten, wenn die akute Gefahr bestände, dass sie

„alsbald untergehen und ertrinken müssten“

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter  (eine wesentliche Kernaussage der Bibel neben der Bergpredigt)  könne man also nicht auf Menschen beziehen, die ihre

„Verantwortung vernachlässigen“

wie eben auch die Flüchtlinge das getan hätten,  sich wohl wissend um die Gefahr aufs Meer begebend…..

Eine krude Begründung, wie ich finde, denn wenn man ihr folgt und sie zu Ende denkt, würde das ja auch bedeuten, dass man ruhigen Gewissens an jedem Obdachlosen,  jedem Betrunkenen und jeder hilflosen und verwirrten Person (ja, auch der dementen alten Oma im Nachthemd!) vorbeigehen kann, den/die man frierend auf der Strasse sieht, weil sein/ihr Tod ja nicht augenscheinlich bevorsteht und die sich (was für die Oma nicht gilt) ja wissentlich in Gefahr gebracht hätten. Was ja bei genauerer Betrachtung auch für viele andere, ganz alltägliche Situationen gelten würde in die sich jeder Mensch begibt, wohl wissend, dass sie ein Risiko bergen könnten – Fliegen, Autofahren oder Radfahren, auf eine Leiter steigen usw….. (und auch bezüglich der Schuldfrage hat der Herr Pfarrer da wohl Ursache und Auswirkung verwechselt)

Aber das ist meiner unmassgeblichen Meinung nach nicht das, was Jesus meinte, als  er von „seinen geringsten Brüdern“ sprach, sondern steht krassen Gegensatz dazu.  Wie es wohl auch nicht die Meinung einer Vielzahl seiner Amtsbrüder ist, die sich inzwischen Gott sei Dank in grosser Zahl von dieser Auslegung biblischer Werte distanziert und auf einen Satz berufen haben, der kurz und bündig beim letzten Kirchentag beschlossen wurde:Wobei man nicht mal  Christ und auch nicht gläubig sein muss, um die skandalöse Unmenschlichkeit zu erkennen, die in der zynischen Sichtweise des Pfarrers steckt:
Menschenrettung und Bewahren vor Gefahr ist schlicht eine moralische Pflicht, die auch ohne jede religiös geprägte Aufforderung für alle Menschen  gilt – und für Christen ganz besonders gelten sollte. Und damit sollte man anfangen, bevor jemand Gefahr laufen muss, zu Tode zu kommen. So einfach ist das!

-_-_-_-

Immerhin wird es wohl – so der Spiegel weiter –  zu einem „klärenden Gespräch“ kommen, in dem es hoffentlich nicht nur um theologische Ansätze gehen wird, sondern auch um die Frage,  wie weit oben erwähnter Pfarrer nicht doch seinen Beruf verfehlt hat….

Und dennoch hat die Sache für mich einen unguten Beigeschmack:
„Schreckliche Theologen“ gab es ja auch früher schon bei uns: Deutschnational, Hitlertreu, mit Hakenkreuz am Talar – ohne das ich dazu jetzt weiter ausholen möchte. Insofern wundert mich heute auch nicht, dass es wieder (immer noch?) Geistliche gibt, die den Argumenten aus der braune Ecke näher stehen als dem was die Bibel vorgibt – in jeder Konfession.
Um so wichtiger wird es sein, darauf besonders zu achten und das zu thematisieren, damit wir nicht irgendwann wieder da sind, wo wir alle nicht wieder hin wollen…. auch wenn die Kirche heute keine soweit reichende und meinungsbildende Macht mehr hat wie noch vor achtzig Jahren.
„Wehre den Anfängen!“ gilt auch in diesem Fall…


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


-65-

Foto der Woche: Gestern im Michel

Auch wenn Blogparaden sonst eher nicht mein Ding sind – manchmal überkommt mich doch die Lust, mich zu beteiligen, wenn ich zufällig gerade etwas passendes beisteuern kann. Wie heute zur Foto-der-Woche-Aktion von Aequitas et Veritas, auf die ich durch einen Beitrag bei Margot aufmerksam wurde
Ein schnelles Handy-Foto zwar nur, weil ich natürlich zum Friseurbesuch gestern keine Kamera dabei hatte, aber dafür recht typisch für das, was uns alle gerade bewegt:Die Geschichte dazu:

Bekanntlich leiden ja auch die Kirchen massiv unter der Pandemie, die gerade durchs Land wabert – mit teils drastischen Folgen, was dringend notwendige Spenden, aber auch was kirchliches Leben angeht. So auch der Hamburger Michel, ein Wahrzeichen unserer Stadt, welches ich gestern nach meinem Friseurbesuch zum ersten Mal seit langem wieder von innen gesehen habe – ein wenig erstaunt über die Veränderungen, die Corona auch hier zur Folge hat. Was schon damit beginnt, dass man den Kirchenraum nicht wie gewohnt durchs Turmportal betreten kann, sondern um das Gebäude herum zu einem Seiteneingang muss.

Drinnen war es dementsprechend gestern auch ungewohnt leer, während am Eingang zum Turm zumindest eine kleine Busladung stand.
Gelegenheit also, eine Kerze anzuzünden, ein kurzes Gebet zu sprechen, und  mich mal in Ruhe umzusehen und auch ein paar Bilder zu machen, die sonst in der Form eher selten möglich sind. (Mehr dazu in einer Extra-Galerie, die ich am Ende des Beitrages verlinke)
Für mich dabei am augenfälligsten die platzhaltenden  Fotos auf den Bänken und die orangenen Punkte, mit welchen markiert ist, wo Gottesdienstbesucher noch Platz nehmen dürfen, ohne die Hygieneregeln zu verletzen – weit auseinander, um Ansteckungen zu verhindern.
Wobei es mit den Fotos eine besondere Bewandnis hat, denn die wurden als Zeichen der Solidarität  von Gemeindemitgliedern zur Verfügung gestellt, welche nach dem Lockdown wenigstens virtuell an sonntäglichen Gottesdiensten teilnehmen möchten, wenn sie schon nicht einen der raren Plätze ergattern können, für die man sich extra anmelden muss. Eine gute Idee, wie ich finde, denn die (vom Hygienekonzept erlaubten) wenigen realen Gottesdienstbesucher werden sich doch in der zu normalen Zeiten relativ gut gefüllten Kirche  ziemlich einsam fühlen müssen  im grossen leeren Kirchenschiff, wenn sie das Glück hatten, überhaupt Einlass zu  finden…
Und ich kann mir gut vorstellen, dass die Fotos von möglicherweise bekannten Gesichtern aus der Nachbarschaft da eine Hilfe darstellen können, bis sich die Zeiten wieder ändern.

Mehr Bilder aus dem Michel gibt es auf einer Extra-Seite:

-> bitte hier vorsichtig klicken <-


Und wie immer:
Bleibt gesund und bleibt behütet in diesen Zeiten!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm (der das nächste mal seine Kamera mitnimmt, wenn er zum Haare schneiden geht)


-64-

Corona geht immer – oder: Wie man als Kaninchen auf die Schlange starren kann

Im Prinzip hat man es als Blogger im Moment ja leicht, wenn einem gar nichts einfällt:

Entweder schreibt man – so wie ich heute Morgen – über Corona oder man nimmt sich den Potus zum Thema – samt der nun angekündigten Maulsperre – und hat reichlich Stoff für gleich mehrere Blogbeiträge. Und wenn das noch nicht reicht, ist auch das Thema Klopapier oder ersatzweise das Wetter sicher dankbarer Stoff  (ohne dass ich jetzt mit meinen einleitenden Gedanken jemandem zu nahe treten möchte)…

Glückliche Zeiten aus Bloggersicht, wo es eigentlich immer was zu schreiben gibt?
Weniger glücklich aber, wenn man die Realität beguckt und das, was diese Themen mit uns Menschen machen. Denn die Sichtweisen darauf sind wie in realen Leben sehr unterschiedliche und Bloggersdorf  ist ein Spiegel, in dem sich alle wiederfinden – wie das Beispiel Corona sehr schön belegt, auf dass ich meine weiteren Betrachtungen beziehen möchte:

Denn es zeigt mehr als deutlich, wie jeder einzelne aus der schreibenden Zunft damit umgeht – oft wohl auch, ohne sich bewusst zu sein, dass er auch seine Leser mit seiner Art zu schreiben beeinflusst. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne,  und manche mit ihrer Art durchaus triggernd für Menschen, die ohnehin schnell in Panik verfallen.
Womit ich gar nicht in Abrede stellen möchte, dass Corona reale Ängste auslöst und das diese Ängste sicher auch berechtigt sind – denn ich selbst bin auch nicht ganz frei davon und habe sie auch gelegentlich schon öffentlich geäussert.

Die Frage ist vielmehr, auf welche Art man sie (die Ängste) thematisiert – wobei ich Leugnen oder Schwarzmalen für die schlechtesten aller Varianten halte.

Leugnen geht sowieso schon mal nicht!
Darüber kann es keine zwei Meinungen geben angesichts der Million von Toten, die diese Krankheit schon (kaum be-)greifbare zur Folge hatte!

Schwarzmalen (als weitere Form des Realitätsverlustes) aber auch nicht, schon deshalb nicht, weil das oft auf eine sich selbst erfüllende Prophezeihung hinausläuft – wie sich (nicht nur) am aktuellen Run auf Klopapier mal wieder überdeutlich zeigt:
Einer fängt mit Hamstern an und viele laufen wie Lemminge hinterher mit dem Ergebnis, dass am Ende genau das eingetreten ist, was am Anfang befürchtet wurde:
Klopapier ist alle, obwohl eigentlich genug davon da gewesen wäre, wenn nicht  ein paar wenige Kopfscheue eine Panik ausgelöst hätten.
Ähnliches wird sich vermutlich auch wieder ereignen, wenn Weihnachten naht und die Dominosteine knapp werden – und auch (ich wage gar nicht darüber nachzudenken) wenn es endlich einen Impfstoff gibt.  Wobei zumindest dabei noch die Hoffnung besteht, dass wenigstens ein paar Impfgegner mit Freuden darauf verzichten werden. Schön für die, die deswegen schneller geimpft werden können, aber im Sinne einer wirkungsvollen Pandemiebekämpfung eben auch nicht der wahre Jacob. – schon deshalb nicht, weil diese Impfgegner ja auch wieder andere mitziehen werden, die sich gerne von schwachsinnigen Argumenten beeinflussen lassen.

Was in gleicher Weise  leider auch für alle gilt, die anderen Verschwörungstheorien anhängen und diese weiterverbreiten:
Frau Merkel ist nun mal nicht Schuld an der zweite Welle und Herr Gates auch nicht, selbst wenn das tausendmal im Internet geschrieben steht!
Denn Merkel und Gates tragen Masken und  dürften so deutlich weniger Aerosole in der Weltgeschichte verteilen als (falsche) Gesundheit predigende Veganköche mit braun gefärbter Weltanschauung oder vom Weg abgekommene Schlagerfuzzies…. (Was bezogen auf die Aerosole  sowohl im virtuellen als auch im realen Leben zutreffen dürfte)

Natürlich gibt’s  wie immer auch welche, die versuchen das Thema tot zu schweigen, teils wohl, um der eigenen Panik keinen Raum zu geben, teils aber auch, weil sie (was nicht unehrenhaft ist) den ganzen schlechten Nachrichten etwas „Gutes“ oder „Schönes“ entgegensetzen wollen. Wobei ich mich allerdings frage, ob zumindest die Paniker in dieser Gruppe sich damit nicht auch der Möglichkeit berauben, ihre Ängste zu teilen, um darüber Zuspruch und Unterstützung zu finden.
Aber das müssen sie schlussendlich selber wissen, auch wenn mir schöne Geschichten  oder Bilder ohne jeden Bezug zur Realität inzwischen mehr als fade schmecken…..

Fade wie auch die Witze derjenigen, die wie Clowns gar nichts ernst nehmen wollen und für die Corona ein einziger Anlass zum Jucksen ist. Lachen ist zwar gesund, aber doch bitte nicht so und schon gar nicht auf Kosten derjenigen, die ihrer Ängste kaum Herr werden!

Kommen wir also zur letzten (und meiner Beobachtung nach auch grössten) Gruppe, die ich gerne als „Realos“ bezeichnen würde – und die mir persönlich die Liebsten sind:
Sachlich bleibend, hin und wieder mal pointiert auch Pandemie-Dinge aufs Korn nehmend, ohne sich nur noch mit Corona zu beschäftigen, spiegeln diese Schreiber am ehesten, wie ich mir den Umgang mit diesem ernsten Thema  vorstelle. Denn auch im realen Leben ist es ja so, dass die Pandemie zwar unser aller Alltag bestimmt, aber bei weitem nicht das einzige Thema ist, welches wichtig ist und alle Energie binden sollte.
Darüber zu schreiben ist gut (und tut manchmal auch gut), solange dabei der Rest nicht vergessen wird und auch der Spass am Leben nicht völlig ins Hintertreffen gerät – genau so wenig, wie das, was uns Spass macht.

Und ich denke, genau darin liegt der Weg, wie man (schreibend und im realen Leben) mit Corona umgehen sollte könnte:
Nicht verharmlosen, aber auch nicht übertreiben und damit Ängste schüren.
Fake-Meinungen nicht unkommentiert lassen.
Sachlich schreiben und reden, auch über eigene Gefühle und Ängste,  und mitfühlend sein allen, die sich damit alleine gelassen fühlen.
Und darüber das Schöne im Leben nicht vergessen ;-)

Mehr ist eigentlich gar nicht nötig, um gut über diese Zeit zu kommen – vom Impfstoff mal abgesehen.


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


-63-

Ich blicke da nicht mehr durch

Hamburg ist also nun auch Risikogebiet – seit gestern!
Und da sollte ich als guter Bürger ja eigentlich wissen, wie ich mich verhalten muss, zumal ich ja nachher auch noch aufs Festland will, um endlich mal wieder zum Friseur zu gehen.
Das Problem dabei: Ich habe gerade schlicht keine Lust, mich durch die aktuell geltenden Verordnungen zu lesen. Und ich gebe zu, inzwischen bin ich es auch ziemlich müde, das herauszufiltern was gerade hier gilt und von dem zu trennen, was gerade woanders gilt.
Also werde ich es wohl machen, wie in der letzten Zeit immer:
Maske auf, Abstand halten und darauf hoffen, dass ich mich korrekt verhalte (und alle anderen auch!) – und ansonsten (im Friseurladen) brav das machen, was unsere Haarkünstlerin von mir verlangt.
Die wird wohl wissen, was richtig ist.

Immerhin gut, dass ich heute nicht noch gross einkaufen muss, denn DAS habe ich ja gestern schon unter akuter Lebensgefahr erledigt und sogar noch die Wunschversion (Die letzte Packung ohne Kamille-Geschmack und in extraweicher Ausführung) erwischt:
So kann ich die nächsten Tage zuhause bleiben und muss mich nicht ins Getümmel stürzen. (geschweige denn vorher nachlesen was sich nun schon wieder geändert hat.)

Und ja – manchmal kommt auch bei mir die Sehnsucht auf nach den alten Zeiten, als man einfach so losziehen konnte….. Aber es hilft ja nichts, denen nachzutrauern. Die Dinge sind nun mal so, wie sie sind.
Also : Augen zu und durch!
(Und darauf hoffen, dass auch wieder andere Zeiten kommen.)


(C) beider Karikaturen: Klaus Stuttmann 2020


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


-62-

Nicht mehr alle Latten am Zaun?

Vorhin im Insel-Einkaufs-Center konnte man erleben, dass Rasen und Rücksichtslosigkeit im Verkehr nicht unbedingt nur ein Privileg der Jugend ist –  wenn auch Senioren der Altersklasse 75+  hier in Hamburg üblicherweise eher damit auffallen, die Schaufensterscheiben in der der Waitzstrasse zu demolieren, welche damit in ganz Deutschland einen einsamen Rekord hält und zu zweifelhafter Berühmtheit gekommen ist.

Aber um zerstörte Schaufensterscheiben geht es hier nicht, sondern um zwei ältere Herrschaften ebendieser Altersklasse auf Rentner-Quads der schnellen Sorte, die sich – ihre Krücken hinten drauf geschnallt – in den langen Gängen des Einkaufzentrums ein wüstes Rennen lieferten – ohne Rücksicht auf ihre Altersgenossinen mit den Rollatoren oder die allgegenwärtigen Muttis mit den Kinderwagen. Wer nicht schnell genug beiseite springen konnte, wurde gnadenlos weggehupt, genau so wie der sonst immer sehr  gelassene Sicherheitsmann, der nur noch beiseite springen konnte, um nicht einfach über den Haufen gefahren zu werden  – und anschliessend den beiden Rasern nicht hinterher kam, als sie hintereinander vor seinen Augen das Center durch die grosse Autmatiktür verlassen hatten.

Immerhin dürfen die Dinger mit Versicherungskennzeichen (was beide dran hatten) bis zu 25 km/h schnell fahren, aber muss das eigentlich  im Einkauf-Center sein?
Und auch draussen war der Zweikampf offensichtlich noch nicht beendet.
Denn auf dem gut belebten Vorplatz wurde erst richtig aufgedreht und später – auf dem Heimweg – konnte ich beobachten, wie die beiden alternde Heisssporne einvernehmlich Jagd auf harmlose Radfahrer machten, die Ihnen offensichtlich  nicht schnell genug unterwegs waren….
Und da denkt man, auf unser Insel sei nichts los

Die Zwei hatten jedenfalls ganz sicher nicht mehr alle Latten am Zaun und man kann eigentlich nur hoffen, dass die Akkus ihrer „Renngeräte“ weit ab von jeder Steckdose den Geist aufgeben.
(Nein, ich gönne denen gar nichts schlechtes, aber ein wenig Lehrgeld zahlen müssen haben sie sich sicher verdient).

Wenn das Verhalten Schule machen sollte, wird sich die Autoposer-Soko der Hamburger Polizei wohl in Zukunft auch noch um durchgeknallte alte Männer auf tiefer gelegten E-Rollis kümmern müssen.
Prollige Luxus-Schlitten mit Migrationshintergrund waren gestern…..


In diesem Sinne:
Achtet auf Senioren im Strassenverkehr, bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns
Der Wilhelm


-61-

Henry persönlich – Roman

Nun also – im dritten Teil der „Maxwell-Trilogie“ – lernen wir Henry selbst kennen, den Mann von Emily und ehemaligen Besitzer des Sommerhauses in Chautauqua. Wieder eingebettet in eine Alltagshandlung ohne grosse Höhen und Tiefen sehen wir die Welt durch seine Augen und haben Teil an seinen Gefühlen und Gedanken.

Henry, zum Zeitpunkt der Handlung fünfundsiebzig Jahre alt, ist ein „typischer“ Mittelstands-Amerikaner, hat als Ingenieur eine erfolgreiche Karriere hinter sich gelegt, ohne dabei allzu grossen Ehrgeiz zu entwickeln und lebt nun im Ruhestand, der geprägt ist von alltäglichen Routinen und kleinen Highlights, wie den beinahe generalstabsmässig geplanten Fahrten zum Sommerhaus oder Besuchen von Kindern und Enkeln – aber auch überschattet von gelegentlichen gesundheitlichen Problemen, die er gerne verdrängt und nicht wahr haben möchte.
Arztbesuche sind ihm ein Greuel. Ohne Emily’s Druck (die auch die Termine für ihn macht), würde er wohl nicht hingehen –  selbst wenn sich in einem Kopf gelegentlich hypochondrische Gedanken breit machen und darauf fussend Horroszenarien entstsehen, die Ihm Angst machen.
Henry liebt Emily, an deren Eigenarten er sich angepasst hat, er mag Harmonie (und trotz seines Alters romatische Momente und Zärtlichkeiten) er schätzt gutes Essen, auch wenn es ihm nicht gut tut und organisiert sein Leben in Listen, die er pedantisch abarbeitet, weil ihm dies Sicherheit gibt. Zu seinen Kindern hat er selbst keinen guten Kontakt, obwohl er sich Sorgen um sie macht – was er darauf zurück führt, dass er durch seine Arbeit zu wenig von ihrer Entwicklung  mit bekommen hat – und er fühlt sich ausgeschlossen, wenn es um deren Probleme geht, die sie – zumindest teilweise – mit Emily besprechen. Anderseits ist er aber auch ganz froh, dass Emily diese Brücke zu seinen Kinder bildet, genau wie zu Nachbarn und Freunden, über die sie immer bestens informiert ist, während er selbst wenig von ihnen weis (und manchmal auch gar nicht alles wissen will, was Emily in Erfahrung gebracht hat….)

Insgesamt ist Henry jedoch zufrieden mit seinem Leben und dem, was er erreicht hat – mit zwei bescheidenen Häusern, seinem alten Auto, und dem kleinen Wohlstand, der allen zusammen ein auskömmliches Leben ermöglicht. Wären da nicht die Kriegserlebnise, über die er nicht reden kann, Ängste, die er Emily verschweigt und eine erste grosse Liebe lange vor Emily, für die er sich schämt, ohne dass es einen wirklichen Grund dafür gäbe…..

Henry perönlich
Von Stewart O’Nan

Und genau diese  Nebengeschichten in immer wieder fast unmerklich einfliessenden Rückblenden bis in die KIndheit  sind es, die das Buch für mich so lesenswert gemacht haben, weil sie einen so tiefen Einblick in Henrys Gefühlsleben bieten, welches er hinter seiner immer ruhig bleibenden Fassade  und seiner bedachtsamen Art versteckt.
Wobei ich zugeben muss, dass ich mich oft dabei ertappt habe, genauso zu empfinden wie er, ja manchmal mich sogar ähnlich verhalte…. Was vielleicht ein Grund war, warum ich das Gefühl hatte, dieses Buch nicht ganz so flüssig lesen zu können wie die beiden vorhergehenden Erzählungen:
Inspiriert von Henrys Gedanken hatte ich nämlich immer wieder die Tendenz, in eigene Erinnerungen und Überlegungen abzugleiten – oder (bezogen auf Henrys Kriegserlebnisse) an meinen Vater zu denken, der auch nicht darüber sprechen konnte, aber sicher auch gelegentlich unter seinen Traumata gelitten hat, ohne das wir als Kinder das gemerkt oder Rücksicht darauf genommen  hätten.
So gesehen wird mich dieses Buch vermutlich noch eine Weile beschäftigen und möglicherweise auch Anlass für den einen oder anderen Blogbeitrag werden  können – Schaunmermal.

Fasziniert hat mich auch Henrys Beziehung zu Emily und das tiefe Vertrauen und die Liebe zueinander, welche die beiden verbindet.  Womit sich auch erklärt, warum Emily in den beiden anderen Büchern immer ein wenig „unvollständig“ wirkt, obwohl sie ihr Leben als Witwe doch hervorragend meistert. Was Henry übrigens in kurzen Blicken in die Zukunft auch so vorher sieht, wobei er selbst den Gedanken für undenkbar hält, derjenige von Beiden zu sein, der „übrig bleibt“ – immer das Beispiel seines Vaters vor Augen, der als Witwer keine gute Figur gemacht hat….

Der Klappentext – zumindest nicht ganz unzutreffend:

Stewart O’Nan zeigt sich als ein Meister darin, das Leben eines gar nicht so besonderen Mannes und Ehemannes auf eine zärtliche, einfühlsame Weise zu beschreiben.
Seit fast fünfzig Jahren ist Henry Maxwell verheiratet – mit Emily, die wir schon aus O’Nans hinreißendem Bestseller „Emily, allein“ kennen. Da ist sie achtzig und schon Jahre verwitwet, führt in ihrem schönen, überschaubaren Routine-Universum ein ziemlich gleichförmiges Leben, allein mit Rufus, ihrem Hund. Nun hat O’Nan die Zeit zurückgedreht und Henry, dem Ehemann, ein eigenes Buch gewidmet, vielmehr ihm und Emily als Ehepaar.
Die beiden leben in Pittsburgh, und ihre Kinder und Enkel sind weit entfernt. Emily kocht, und Henry macht den Abwasch, sie hält die Kontakte zu Nachbarn und Familie, und wenn sie ihm davon erzählt, hört er ihr immer gerne zu. Er steht an seiner Werkbank und repariert, was im Haus kaputt geht, trifft sich mit Freunden zum Golfen, engagiert sich im Kirchenvorstand und lädt – zu besonderen Anlässen – Emily zu Restaurantbesuchen ein. Ein mit viel Puderzucker bestreuter Zitronenkuchen macht ihn glücklich, erfüllt ihn mit Wohlwollen gegenüber der ganzen Welt.
„Henry persönlich“ ist das Porträt eines liebenswert-verschrobenen Mannes, der am Ende seines Lebens erkennt, dass das Alter nicht etwa eine Sackgasse, sondern voller Überraschungen ist.

Denn für mich ist Henry keinesfalls verschroben, sondern in seiner gesamten Persönlichkeit ein Produkt dessen, was er erlebt hat. Liebenswert ist er allemal und deutlich vielschichtiger, als der Klappentext uns glauben machen will.

Bleibt als Fazit noch, dass im Kontext aller drei Maxwell-Bücher dieses Buch das für mich „anstrengendste“, aber auch lesenswerteste war, schon weil ich mich Henry beim Lesen sehr nahe gefühlt habe – Nicht nur, was die Probleme des älter werdens angeht.. ..
Und es könnte gut sein, dass ich es deswegen auch nochmal lesen werde.
Und schon deswegen:
Fünf Sterne dafür!


In diesem Sinne:
Euch allen eine gute Woche, bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns
Der Wilhelm


-60-

Luxusproblem zu später Stunde

Lesen oder fernsehen?
Keine einfache Entscheidung, zumal mich  beides gerade nicht fesselt, es für mich aber auch noch viel zu früh ist, um jetzt schon ins Bett zu gehen. Denn da weiss ich genau, wo das endet:
Dann bin ich nur wieder zu unchristlicher Zeit lange vor Morgengrauen  wach, kann nicht wieder einschlafen und werde schlussendlich aufstehen, um die Liebste nicht mit meinem Hin- und Her-Gewälze zu wecken, die ja morgen wieder arbeiten muss.

Aber vielleicht sollte ich mich jetzt einfach aufs Lesen konzentrieren – zumal es nicht mehr allzu viele Seiten sind, bis ich mit meinem Buch durch bin – und den Fernseher ausmachen, der eigentlich sowieso nur zur akustischen Untermalung läuft…. wie so oft, wenn ich zu faul bin, ihn abzuschalten, aber die Nase schon wieder in meinem E-Book steckt.
Denn  so unspannend ist mein Buch ja nicht, solange es nicht gegen die Konkurrenz eines drittklassigen Krimis in der Glotze ankämpfen muss, die verglichen damit  ohnehin eher banal ist.
Und für die Geräuschkulisse könnte auch gut leise klassische Musik sorgen – Barock oder Renaissance würde wohl ganz gut passen….. dann sollte es auch mit dem Lesen klappen und ich müsste mir auch nicht weiter über mein Luxusproblem Gedanken machen.
Mit dem netten Nebeneffekt, dass ich nachher weis, wie die Geschichte in meinem Buch ausgegangen ist…..


In diesem Sinne:
Habt eine gute Nacht, bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns
Der Wilhelm


-59-

Sonntagsaussichten und des Rätsels Lösung

Draussen alles grau in grau samt Nieselwetter – drinnen die Verlockungen  eines wunderbaren Frühstückes und des anschliessendnen kuscheligen Sofatages zu zweit.
Da ist doch klar, wo heute die Reise hin geht:
Lesen, Fernsehen, Faulenzen.
Mensch, was willst Du mehr?

-_-_-_-

Da fehlt eigentlich nur noch die Auflösung des Rätsels von gestern – mithin ein Grund, doch wenigstens kurz blogtechnisch tätig zu werden.
And the winner is : Christiane, die der Meinung war, dass es mehr Bohnen als Rosenkohlröschen waren.
Aber auch Isa lag ziemlich richtig mit den geschätzen Zahlen und ihrem Verhältnis zueinander: Es waren 136 Bohnen und 122 Rosenkohlröschen…..
Was die Gewichtsfrage angeht: Es waren zwei Pfund Bohnen und drei Pfund Rosenkohl.
So gesehen lagen also alle richtig, die der Meinung waren, das es mehr Kohl als Bohnen gewesen wären…


Bleibt nur noch, Euch allen einen wunderbaren Sonntag zu wünschen
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns
Der Wilhelm


-58-

Wochenendvergnügen

Seit ich nicht mehr am Hamsterrad drehen muss, hat es sich ja mehr und mehr eingebürgert, dass ich das Regiment in der häuslichen Küche übernommen habe.
Vorher habe ich zwar auch schon regelmässig gekocht, aber das war auch stark abhängig von meiner Arbeitsbelastung und der Lust, die ich nach zehn Stunden „on the Road“ noch hatte – bzw. nicht mehr hatte. Und wenn, dann habe ich gerne auf „Halbfertigprodukte“ zurück gegriffen – beispielweise auf tiefgekühltes Gemüse, welches aber trotzdem zumindest „Bio“ sein musste.
Aber das hat sich seither geändert, denn verarbeiten und einfrieren können wir unser Gemüse auch selbst, soweit wir im Hofladen nicht ohnehin nur soviel kaufen, wie wir auch im Lauf einer Woche verbrauchen können.
Wobei das „Verarbeiten“ meisst meine Aufgabe ist. In der Woche, wenn ich koche sowieso  – und am Wochenende, wenn die Liebste meist am Herd steht, in Form von „niederen Hilfstätigkeiten“ wie Kartoffelschälen, Salat vorbereiten, Küche aufräumen oder  – wie heute – mit Bohnenschnippeln für eines unserer gemeinsamen Lieblingsessen:

Birnen Bohnen und Speck.

Und weil ich gerade schon dabei war, habe ich auch gleich noch den Rosenkohl geputzt, von dem es einen Teil noch im Lauf der Woche geben wird und wir den  Rest für schlechte Zeiten (in denen es keinen frischen RK mehr gibt) einfrieren wollen:
Eine durchaus meditative Tätigkeit, Bohne für Bohne und Kohlröschen für Kohlröschen in der Hand zu halten und zu bearbeiten, schon in Vorfreude auf die leckeren Mahlzeiten, die damit entstehen werden.
Dabei kann ich gut die Gedanken schweifen lassen und nebenher auch noch jedes einzelne Stück zählen. (auch so eine Marotte von mir, die Lesern meines alten Blogs bekannt vorkommen dürfte).
So kam mir heute die Idee, Euch mal eine kleine Rätselfrage zu stellen:

Sind es mehr Bohnen oder ist es mehr Rosenkohl, was ihr da seht?
Und wieviel seht ihr
da jeweils?

Lasst Euch aber nicht vom Volumen täuschen – Rosenkohl kann man ja nicht so eng packen wie Bohnen…..
Und während Ihr Euch jetzt den Kopf zerbrecht, gehe ich die Küche aufräumen und blanchiere den Rosenkohl.

Bleibt nur noch zu erwähnen, dass ich Euch natürlich erst morgen verrate, wer am Besten geschätzt hat….


In diesem Sinne:
Bleib gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


-57-

Musik: John Stewart

Es mag mit meinem eigenen älter werden zu tun haben, dass es eine Nische in meinem Musikgeschmack  gibt, über die ich als kleinen Vorspann gerne berichten möchte, bevor ich mich dem Objekt meines heutigen Musik-Tipps zu wende:

Denn ich habe ein ausgesprochenes Faible für Spätwerke von Musikern, die mich schon von Jugend auf begleitet haben – und es fasziniert mich immer wieder, was da als Essenz eines Musikerlebens zustande kommt – beispielsweise mit Johnny Cash’s American Recordings (die ich hier sicher auch irgendwann nochmal näher betrachten werde)  mit Joan Baez letzten Alben oder- ja auch – die beiden letzten, von grosser Nachdenklichkeit zeugenden Scheiben von Reinhard Mey – alles Aufnahmen, die ich wirklich beeindruckend finde.
Anderseits gibt es natürlich auch Musiker, deren letzte Aufnahmen alles andere als gelungen sind und nur noch peinlich wirken, wenn da mit brechender Stimmer der gleiche Schmalz wie früher oft mehr gesprochen als gesungen wird. (aber die würde ich hier auch nicht vorstellen).

-_-_-_-

Eindeutig zur ersten Kategorie zählt für mich jedoch der 2008 verstorbene amerikanische Singer/Songwriter John Stewart, auf den ich Mitte der neunziger Jahre aufmerksam wurde, weil ein aus den USA stammender Kollege ein wirklicher Fan von ihm war. Sein letztes, 2006 erschienenes Album ist ein wahres Goldstück –

Musikalisch wirklich perfekt, mit Einschlägen von Country über Folk bis Jazz, viele wunderbare Balladen, die auch der nicht mehr ganz so kraftvollen Stimme des damals sechundsechzigjährigen und wohl schon nicht mehr so gesunden Mannes gut und optimistisch klingen, ja, sogar wirklich feine Laune machen:

John Stewart – The Day The River Sang

Und auch die Texte, soweit ich sie inzwischen gelesen habe (gesungen komme ich da nicht so ganz mit) sind richtig nett.

Natürlich darf auch hier der Link zu Spotify nicht fehlen:
Ein Klick aufs Bild genügt, dann kommt ihr dahin


Viel Spass beim Hören, und (falls wir uns vorher nicht mehr lesen) schon mal ein schönes Wochenende!
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns
Der Wilhelm


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