Gestern mussten wir ja erst mal unseren Wochenendeinkauf nachholen, nachdem wir am Freitag unterwegs nur das Nötigste eingekauft hatten und am Samstag Feiertag war, den ich grossenteils dazu genutzt habe die Reste der Dröhnung auszuschlafen, um tablettenmässig endlich wieder auf ein halbwegs normales Level zu kommen.
So gesehen ist also der Einheitstag eher im Halbschlaf an mir vorüber gegangen – wobei mir wohl auch unter normalen Umständen an diesem Tag noch nie wirklich feierlich zumute war und ich die Euphorie auch nicht so recht teilen mag, die manche zu diesem Thema empfinden.
Denn schliesslich hat sich ja im Nachhinein erwiesen, dass damals vor dreissig Jahren vieles falsch gelaufen ist und die anfängliche Euphorie über die „Wiedervereinigung“ sich für viele Menschen schnell in Katzenjammer verwandelt hat, der zum Teil noch bis heute nachhallt. Allen blühenden Landschaften zum Trotz, die uns damals von „Birne“ Kohl versprochen wurden und die sich nun so langsam auch zeigen, wie wir auch bei unserer Reise nach Rügen wieder feststellen konnten.
Insofern finde ich es wirklich bemerkenswert, dass sich endlich in einigen Festreden auch Ansätze gezeigt haben, die Abläufe von damals auch kritisch zu hinterfragen:
„Steinmeier erinnerte in seiner Rede auch daran, dass der Umbruch die Menschen im Osten des Landes ungleich härter als im Westen getroffen habe. Es gebe noch immer zu viele Geschichten von zerstörten Biografien, von entwerteten Qualifikationen, von Orten, in denen eine ganze Generation fehle, weil die Jungen dort keine Zukunft gesehen hätten und wegegangen seien.
Wie langlebig Benachteiligungen sein können, sei unterschätzt worden. Darüber müsse offen gesprochen werden. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sei man „noch längst nicht so weit, wie wir sein sollten. Aber zugleich sind wir viel weiter, als wir denken.“ „
Wobei ich allerdings nicht glaube, dass sich daraus heute noch grundlegende Veränderungen ergeben könnten. Der Zug ist einfach abgefahren.
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Wieder zuhause und zurück im Alltag ist seit heute Nacht auch der irre Grosssprecher in Amerika, der Potus (President of the United States), mit grossem Brimborium, wie man liest, welches sich nahtlos an seine Horroraktion vom Sonntag anschliesst, bei der er sich unter Missachtung aller Hygiene-Regeln mit seinen Sicherheitsbeamten in ein Auto gequetscht hat, um sich seinen Anhängern zu zeigen.
Dass der Typ völlig wirr ist, wissen wir ja alle, dazu wäre dieser letzte Beweis sicher nicht nötig gewesen, aber viel erschreckender finde ich die Tatsache, dass nicht mal diese Wahnsinnsaktion die Leute davon abhält, ihm weiter zu zujubeln. Und leider steht auch zu befürchten, dass sich der Wahnsinn in den noch verbleibenden vier Wochen bis zur Präsidentenwahl noch steigern wird. Sowohl bei ihm selbst, als auch bei seinen Anhängern.
Und was danach kommt, könnte wohl noch schlimmer werden, zumal er ja schon mehrfach angekündigt hat, seinen Posten nicht freiwillig räumen zu wollen.
Da ist es schon sehr schade, dass Corona nicht so gnädig war, seinem Treiben wenigstens vorläufig einen Riegel vorzuschieben, wenn es schon nicht für ein Ende des Irrsinns gereicht hat.
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Bleibt noch als letzte Anmerkung, dass es auch bei uns kein Ende des Irrsinnes zu geben scheint, der ebenso untrennbar mit der deutschen Geschichte verbunden ist wie Teilung und Wiedervereinigung. Das zeigt der Anschlag auf einen jüdischen Studenten am Sonntag hier vor einer Hamburger Synagoge mal wieder mehr als deutlich, auch wenn dem Attentäter jetzt wohl eine psychische Erkrankung attestiert wird.
Dazu sagte der Gemeindevorsitzende Philipp Stricharz:
„Darüber nachzudenken, ob der Täter geistig verwirrt war, sei nicht zielführend. „Das macht es nicht besser“, sagte Stricharz. „Im Internet kursiert so viel Hass. Da wird es immer den einen geistig Verwirrten geben, der diesen Hass in die Tat umsetzt. Wir brauchen mehr Konsequenz. Es darf nicht sein, dass Hetze verbreitet wird.“ „
Dem ist eigentlich nichts hinzu zu fügen.
Denn auch das ist ein Stück deutscher Alltag
Und auch heute wieder:
Bleibt gesund und bleibt behütet – auch und besonders in diesen irren Zeiten.
Wir lesen uns
Der Wilhelm
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