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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Die Würde der Flüchtlinge

Gestern war kein guter Tag für die Menschen im Lager von  Moria, die jetzt nach dem grossen Brand  irgendwie auf der Strasse überleben müssen und sich dazu auch noch zunehmenden Repressalien aus der Bevölkerung der Insel Lesbos ausgesetzt sehen – und auch kein guter Tag für unser Land nach der desaströsen Erklärung unseres Innenministers, mit der er klar gemacht hat, dass er nicht mehr als (lächerliche) „bis zu“ 150 Menschen aufzunehmen gewillt ist.

150 von 12.000!
Gerade mal ein Prozent,  also ein Tropfen auf den heissen Stein.

Gut, auch  Frankreich hat sich erbarmt, und die Schweiz nimmt ebenfalls ein kleines Kontingent – was aber zusammen mit den 150 hier in Deutschland auch nicht mehr als höchstens 400 Menschen ausmachen wird, die das Elend von Moria hinter sich lassen können.
Damit wird sich die die dramatische Lage dort in keiner Weise verbessern.

Interessant Seehofers eiskalte Begründung – sinngemäss:

Wenn man mehr als den angesagten 150 Menschen die Einreise gestatten und Deutschland wieder eine Vorreiterrolle übernehmen würde wie schon 2015, dann wäre kein anderes Land in Europa mehr bereit sich zu beteiligen – weshalb es ein zweites 2015 nicht geben werde und nicht geben dürfe.

Also kein

„Wir schaffen das!“

sondern im Chor mit Österreich, Ungarn, den NIederlanden, und all den anderen Nein-Sagern ein überdeutliches

„Wir wollen Euch nicht!“

in Richtung auf die Menschen im Lager von Moria. Zur Freude der Kackblauen und zum Entsetzen aller anderen Oppositionsparteien und  der Koalitionspartner von der SPD, aus deren Reihen sogar der Vorwurf fiel,  Seehofer verhalte sich „unchristlich.“
Eine Feststellung, die ich nur unterschreiben kann – auch unter dem Aspekt, dass inzwischen viele Kommunen in unserm Land Hilfe angeboten haben und  so mindestens die Hälfte  der 12.000 aufgenommen werden könnten, mit etwas gutem Willen wahrscheinlich sogar alle.

Aber das interessiert Seehofer offenbar nicht – für den geht es ums Prinzip und dass deswegen nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil er nicht begreifen will, dass es eine gesamt-europäsiche Lösung nicht geben wird mit Partnern wie Orban, Kurz und Konsorten.

„Prinzipien sind mehr wert als Menschenleben!“

lautet also die Botschaft, die er damit sendet, und mit ihm die Regierung, deren Sprecher er ist.

Eine fatale Botschaft nicht nur an die Menschen auf Lesbos,  sondern auch an die Mitbürger in unserer Republik, die schon immer dagegen waren, „Fremde ins Land zu lassen“. Denn die bekommen nun wieder hochoffiziellen Auftrieb, der sich sicher auch im Ergebnis der „rechten“ Parteien bei der  nächsten Bundestagswahl widerspiegeln wird.

Und gleichzeitig ist die – vermutlich letzte – Chance verspielt, wenigstens  noch mit einem Teil der europäischen Partner zu einer Einigung zu kommen, weil sich unser Land mit Seehofers Worten  endgültig an die Spitze der Nein-Sager gesetzt  hat. Die werden jetzt also mit allem Fug und  Recht sagen können:

„Wenn Deutschland nicht will, dann wollen wir auch nicht!“

Womit eine Kehrtwende in der europäischen  Asylpoitik und eine Verhandlungslösung wohl endgültig abgehakt ist, zumal die 150 Glücklichen auch nur ein schwaches Argument für eine Fortsetzung der Gespräche sind.
Was unter humanistischen und christlichen Aspekten eigentlich nur bedeuten kann, dass weiteres Warten auf eine „europäische Lösung“ spätestens ab jetzt keine Lösung mehr ist – angesichts der zunehmend brisanteren Lage auf Lesbos und bevor deswegen Menschen sterben müssen.

Als Christ – der unser Innenminister  ja vorgibt zu sein – und auch als massgeblicher Vertreter eines sozial geprägten Staates, der seinen Amts-Eid „mit Gottes Hilfe“ auf die Verfassung (und damit auch auf den 1. Artikel des Grundgesetzes) geleistet hat, hat Seehofer jedenfalls auf ganzer Linie versagt.
Würde er seinen Glauben, sein Amt und auch seinen Eid nur ein klein wenig ernst nehmen, dann hätte es heute eigentlich nur eine Ansage geben dürfen:

„Wir gehen mit gutem Beispiel voran und nehmen alle Menschen aus Moria auf!“

Punkt, aus, fertig, ohne Diskussion.
Denn auch die Menschen in Moria haben eine Würde, die es zu schützen gilt, mal ganz abgesehen vom christlichen Gebot der Nächstenliebe, das mindestens ebenso viel wiegt.
Wobei weder im Grundgesetz noch in der Bibel eine Einschränkung „nur auf Deutsche“ vorgesehen ist, sondern alle Menschen eingeschlossen sind, egal welcher Herkunft und welcher Nationalität.

In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns
Der Wilhelm


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- 12 Bemerkungen zu “Die Würde der Flüchtlinge

  1. Es ist so erbärmlich…. Seehofer pocht auf eine europäische Lösung, vermutlich wohlwissend, dass es die in absehbarer Zeit nicht geben wird. Und genau die haben die Menschen auf Lesbos nicht. Zeit.

  2. Ich habe mir die Presskonferenz angesehen und denke die Botschaft war deutlich. 150 Leute als Alibi Hilfe und ansonsten Frontex stärken und Lager bauen. Klare Botschaft, die sollen sehen wo sie bleiben und wenn sie trotzdem kommen, machen wir es ihnen so unbehaglich wie möglich. Widerlich und menschensverachtend.

    1. Allerdings.
      Aber warum sollte ein Seehofer sich auch änderen?
      2015 hat er ja auch schon den Bremsklotz gegeben, also wäre es wohl vermessen, nun etwas anderes von ihm zu erwarten.

      —————————-

      Auch Dir ein herzliches Willkommen :-)

  3. Sebastian Kurz sagt

    Die Aufnahme von Menschen aus Moria wäre „Fehler wie 2015“
    ==========

    …und wer denkt an die betroffenen Menschen ?

    frage ich

  4. Ein großer Teil der Schuld trifft aber auch Frau Merkel. Sie hätte dieses unsägliche Subjekt Seehofer schon längst entlassen müssen. Es scheint sie ja nicht einmal zu rühren, dass sich sogar Parteigenossen wie Herr Müller offen gegen den Vollhorst stellen.

    1. Das hätte die Mutti sicher tun können – bzw, ihn gar nicht erst zum Innenminsiter berufen:
      Dass eine humane Flüchtlingspolitik mit ihm nicht zu machen ist, hat er ja schon im Sommer 2015 als bayerischer Ministerpräsident bewiesen.

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