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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Corona geht immer – oder: Wie man als Kaninchen auf die Schlange starren kann

Im Prinzip hat man es als Blogger im Moment ja leicht, wenn einem gar nichts einfällt:

Entweder schreibt man – so wie ich heute Morgen – über Corona oder man nimmt sich den Potus zum Thema – samt der nun angekündigten Maulsperre – und hat reichlich Stoff für gleich mehrere Blogbeiträge. Und wenn das noch nicht reicht, ist auch das Thema Klopapier oder ersatzweise das Wetter sicher dankbarer Stoff  (ohne dass ich jetzt mit meinen einleitenden Gedanken jemandem zu nahe treten möchte)…

Glückliche Zeiten aus Bloggersicht, wo es eigentlich immer was zu schreiben gibt?
Weniger glücklich aber, wenn man die Realität beguckt und das, was diese Themen mit uns Menschen machen. Denn die Sichtweisen darauf sind wie in realen Leben sehr unterschiedliche und Bloggersdorf  ist ein Spiegel, in dem sich alle wiederfinden – wie das Beispiel Corona sehr schön belegt, auf dass ich meine weiteren Betrachtungen beziehen möchte:

Denn es zeigt mehr als deutlich, wie jeder einzelne aus der schreibenden Zunft damit umgeht – oft wohl auch, ohne sich bewusst zu sein, dass er auch seine Leser mit seiner Art zu schreiben beeinflusst. Sowohl im positiven als auch im negativen Sinne,  und manche mit ihrer Art durchaus triggernd für Menschen, die ohnehin schnell in Panik verfallen.
Womit ich gar nicht in Abrede stellen möchte, dass Corona reale Ängste auslöst und das diese Ängste sicher auch berechtigt sind – denn ich selbst bin auch nicht ganz frei davon und habe sie auch gelegentlich schon öffentlich geäussert.

Die Frage ist vielmehr, auf welche Art man sie (die Ängste) thematisiert – wobei ich Leugnen oder Schwarzmalen für die schlechtesten aller Varianten halte.

Leugnen geht sowieso schon mal nicht!
Darüber kann es keine zwei Meinungen geben angesichts der Million von Toten, die diese Krankheit schon (kaum be-)greifbare zur Folge hatte!

Schwarzmalen (als weitere Form des Realitätsverlustes) aber auch nicht, schon deshalb nicht, weil das oft auf eine sich selbst erfüllende Prophezeihung hinausläuft – wie sich (nicht nur) am aktuellen Run auf Klopapier mal wieder überdeutlich zeigt:
Einer fängt mit Hamstern an und viele laufen wie Lemminge hinterher mit dem Ergebnis, dass am Ende genau das eingetreten ist, was am Anfang befürchtet wurde:
Klopapier ist alle, obwohl eigentlich genug davon da gewesen wäre, wenn nicht  ein paar wenige Kopfscheue eine Panik ausgelöst hätten.
Ähnliches wird sich vermutlich auch wieder ereignen, wenn Weihnachten naht und die Dominosteine knapp werden – und auch (ich wage gar nicht darüber nachzudenken) wenn es endlich einen Impfstoff gibt.  Wobei zumindest dabei noch die Hoffnung besteht, dass wenigstens ein paar Impfgegner mit Freuden darauf verzichten werden. Schön für die, die deswegen schneller geimpft werden können, aber im Sinne einer wirkungsvollen Pandemiebekämpfung eben auch nicht der wahre Jacob. – schon deshalb nicht, weil diese Impfgegner ja auch wieder andere mitziehen werden, die sich gerne von schwachsinnigen Argumenten beeinflussen lassen.

Was in gleicher Weise  leider auch für alle gilt, die anderen Verschwörungstheorien anhängen und diese weiterverbreiten:
Frau Merkel ist nun mal nicht Schuld an der zweite Welle und Herr Gates auch nicht, selbst wenn das tausendmal im Internet geschrieben steht!
Denn Merkel und Gates tragen Masken und  dürften so deutlich weniger Aerosole in der Weltgeschichte verteilen als (falsche) Gesundheit predigende Veganköche mit braun gefärbter Weltanschauung oder vom Weg abgekommene Schlagerfuzzies…. (Was bezogen auf die Aerosole  sowohl im virtuellen als auch im realen Leben zutreffen dürfte)

Natürlich gibt’s  wie immer auch welche, die versuchen das Thema tot zu schweigen, teils wohl, um der eigenen Panik keinen Raum zu geben, teils aber auch, weil sie (was nicht unehrenhaft ist) den ganzen schlechten Nachrichten etwas „Gutes“ oder „Schönes“ entgegensetzen wollen. Wobei ich mich allerdings frage, ob zumindest die Paniker in dieser Gruppe sich damit nicht auch der Möglichkeit berauben, ihre Ängste zu teilen, um darüber Zuspruch und Unterstützung zu finden.
Aber das müssen sie schlussendlich selber wissen, auch wenn mir schöne Geschichten  oder Bilder ohne jeden Bezug zur Realität inzwischen mehr als fade schmecken…..

Fade wie auch die Witze derjenigen, die wie Clowns gar nichts ernst nehmen wollen und für die Corona ein einziger Anlass zum Jucksen ist. Lachen ist zwar gesund, aber doch bitte nicht so und schon gar nicht auf Kosten derjenigen, die ihrer Ängste kaum Herr werden!

Kommen wir also zur letzten (und meiner Beobachtung nach auch grössten) Gruppe, die ich gerne als „Realos“ bezeichnen würde – und die mir persönlich die Liebsten sind:
Sachlich bleibend, hin und wieder mal pointiert auch Pandemie-Dinge aufs Korn nehmend, ohne sich nur noch mit Corona zu beschäftigen, spiegeln diese Schreiber am ehesten, wie ich mir den Umgang mit diesem ernsten Thema  vorstelle. Denn auch im realen Leben ist es ja so, dass die Pandemie zwar unser aller Alltag bestimmt, aber bei weitem nicht das einzige Thema ist, welches wichtig ist und alle Energie binden sollte.
Darüber zu schreiben ist gut (und tut manchmal auch gut), solange dabei der Rest nicht vergessen wird und auch der Spass am Leben nicht völlig ins Hintertreffen gerät – genau so wenig, wie das, was uns Spass macht.

Und ich denke, genau darin liegt der Weg, wie man (schreibend und im realen Leben) mit Corona umgehen sollte könnte:
Nicht verharmlosen, aber auch nicht übertreiben und damit Ängste schüren.
Fake-Meinungen nicht unkommentiert lassen.
Sachlich schreiben und reden, auch über eigene Gefühle und Ängste,  und mitfühlend sein allen, die sich damit alleine gelassen fühlen.
Und darüber das Schöne im Leben nicht vergessen ;-)

Mehr ist eigentlich gar nicht nötig, um gut über diese Zeit zu kommen – vom Impfstoff mal abgesehen.


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


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- 16 Bemerkungen zu “Corona geht immer – oder: Wie man als Kaninchen auf die Schlange starren kann

    1. Wobei die anderen Themen sicherlich genau so wichtig sind, zumal sie schon viel länger brennen als das Virus – und auch danach nicht ausgestanden sein werden :-)

  1. Vermutlich bin ich ein bisschen was von allem, keine Ahnung warum. Aber auch ich habe ganz andere Probleme und Corona wird uns so schnell nicht verlassen, das Thema holt uns immer wieder ein.

    1. Ein bisschen was von allem?
      Ich glaube, das steckt auch in mir ein wenig drin und ist auch immer wieder Anlass, es irgendwie in Schach zu halten.
      Wobei meine persönlichen Probleme verglichen mit Deinen ja als relativ gering zu bezeichen sind. Immerhin trage ich letztendlich nur die Verantwortung für mich selbst….

  2. Ich würde mich auch als realo bezeichnen. Wobei ich auch versuche, andere wichtige Themen nicht vom Radar zu streichen, wie z.B. die Lage in Moria oder auch wichtige Themen im Inland. Gleichzeitig versuche ich aber auch, mich selber nicht ganz zu verlieren, denn die letzten Monate haben mich schon auch erschöpft und die Zeit jetzt tut es auch. Ich bin ja nicht frei von Ängsten, versuche aber das ganze trotzdem möglichst realistisch zu betrachten.

  3. Also ich bezeichne mich auch als Realo ! Direkt Angst – Nein – aber manchmal schon ein bisschen Unwohlsein vor allem wenn ich mehreren Leute begegne und keine Chance habe auszuweichen ! Im Alltag verhalte ich mich Coronakonform und mehr kann ich nicht tun ! Über Theorieren habe ich mich noch nie groß beteiligt . Für mich ist klar , Corona ist da und kein Fake und nun muß ich damit leben, ob ich das will oder nicht !
    Ich würde mir nur wünschen dass es bundesweite einheitliche Regelungen gibt und nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht ! Klar gibt es Bundesländer wo die Zahlen nicht so hoch sind und die dann evtl. benachteiligt werden, aber wo ist das nicht so bei einem Gesetzesentwurf oder Einführung. Es gibt für alles ein wenn und aber und es gibt immer Leute die davon profitieren und andere einfach weniger. Es ist in einer Solitargemeinschaft eben so ! Nur bei dem Hick-Hack blickt keiner mehr durch !

    1. Die einheiltliche Regelung ist auch, was ich mir wünsche – zumindest, was die grundlegenden Dinge betrifft. Schon weil damit auch dieser immer zum Nachbarn schielende Blick wegfallen würde, wenn es um Lockerungen geht.

      Und mal ernsthaft:
      Verglichen mit anderen Ländern in Europa sind doch vieles noch Kindergartenveranstaltungen, was hier von sogenannten Querdenkern moniert wird – dabei immer ausblendend, dass es uns noch so relativ gut mit Corvid19 geht, weil konsequent gehandelt wurde.

  4. Man kann über vieles schreiben. Mich beschäftigt aktuell eher noch das Entsetzen über den Mord an SamuelPaty. Auch den Mangel der Anteilnahme. Damals zu Charlie Hebdo gabs reichlich Resonanz. Solche Taten erschrecken mich. Darüber mache ich mir gerade mehr Gedanken als über als Corona.

    1. Die Geschichte um Samuel Paty beschäftigt mich auch sehr – bis hin dazu, das ich immer wieder das Gefühl habe, sie bildlich vor Augen zu haben.
      Nur leider gelingt es mir nicht (Nicht, ohne damit Trigger zu setzen für Menschen, die das möglicherweise noch schlechter ertragen können als ich), das Entsetzen darüber wirklich in Worte zu fassen, die über ein „Je suis Samuel“ hinausgehen würden. Und das wiederum erscheint mir zu wenig und nicht angemessen…

      ——

      Und ja, Du hat Recht, darüber wird in den Blogs zu wenig geschrieben – bzw. ich habe auch bisher keinen deutschen Blog gesehen, in dem auch nur der Ansatz eines Versuche dazu gemacht wurde. Warum das so ist, kann ich nur mutmassen – und ich denke , dass es nicht daran liegt, dass sich keiner dafür interessiert, sondern eher so ist, dass es niemandem leicht fällt, sich mit dieser unvorstellbaren Grausamkeit auseinanderzusetzen und sie bis in die letzte Konsequenz zu durchdenken.

      1. das ist auch bedingt richtig, denn man muss ja diese Tat nicht bis in die letzte Konsequenz durchdenken, um sich mit Frankreichs Trauer solidarisch zu zeigen. „Je suis Samuel“ wäre wenigstens eine Reaktion. Zu wenig Reaktion ist in dem Fall mehr als gar keine. Aufarbeitung kann erst nach einer gewissen Zeit anlaufen.

    1. Lesbos ist nicht weniger grausam. sofern man Grausamkeit an Quantität überhaupt messen kann.
      Aber – zumindest mir geht das so – es ist einfacher darüber zu schreiben, weil die Bilder in meinem Kopf dazu ganz andere sind.

      Konkret:

      Denke ich an Samuel Paty, sehe ich einem Mann mit einer Machete vor mir und überlege, was Paty wohl im letzten Augenblick gedacht haben mag. Und darauf würde ich auch abheben, wenn ich darüber schreiben würde. Und glaub mir, das habe ich schon versucht..

      Denke aber ich an die Menschen auf Lesbos, nehme ich eher eine Aussenperspektive an. Und so habe ich ja auch darüber geschrieben – immer mit der Hoffnung, dass meine unbedeutenden Sätze vielleicht auch zu einer Änderung beitragen könnten.
      Eine Änderung (im Sinne eines positiven Endes) in Bezug auf Samuel Paty ist aber nicht mehr möglich, denn sein Tod ist endgültig….

      ——————-

      Ps.: Danke Dir für diesen Denkanstoss, Isa.
      Denn bisher habe ich mich nur immer gefragt, warum ich über etwas schreiben will und welche Perspektive ich darauf habe (das ist immer ein Teil des Prozesses, wenn ich mir ein schwieriges Thema vornehme) – nicht aber, warum ich es nicht tue. Dazu kommt auch noch, dass ich rein gefühlmässig manche Themen ausklammere, die mich selbst vielleicht nur leicht triggern, aber für andere erheblich grössere Auswirkungen haben könnten.

    2. Das ist z.B. ein Thema, welche mich sehr umtreibt. Nicht, dass ich die Tat in Paris nicht entsetzlich finde. Es passieren tagtäglich so viele schlimme Dinge, sowohl hier bei uns als auch überall auf der Welt, es ist manchmal schwer, das und die eigene Ohnmacht zu ertragen.

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