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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das geht gar nicht!

Inzwischen in den Medien schon wieder Schnee von gestern, aber doch immer noch aktuell – das Thema, was vor ein paar Wochen die Schlagzeilen beherrschte: Die Flüchtlinge auf der Insel Lesbos und der Umgang der EU damit, nachdem das Lager abgebrannt war (auch ich hatte seinerzeit darüber geschrieben).

Viel passiert ist seither nicht, wenn man davon absieht, dass inzwischen ein paar dutzend Menschen hier einreisen durften und abseits aller Schlagzeilen wohl auch weiter darüber geredet wird.
Das Thema scheint weitgehend „befriedet“ (zumindest aus Sicht der Politik) und ist sicher auch bei weiten Teilen unserer Mitmenschen in den Hintergrund gerückt, obwohl es nach wie vor skandalös ist und viel zu wenig Erwähnung findet, was da in Griechenland und im Mittelmeer immer noch passiert. Denn nach dem „Tropfen auf dem heissen Stein“ von Seehofers Gnaden rührt sich ja nur noch wenig in unserm Land – auch wenn ich die aktuellen Gespräche prinzipiell richtig finde, so sie denn weitere Möglichkeiten eröffnen. Was für mein Gefühl – trotz der anderen Probleme – viel zu langsam geht, denn die Menschen brauchen jetzt Hilfe – und nicht erst, wenn der Winter vorbei ist.
Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch ich nur noch selten daran gedacht habe – und wenn, dann eher unter dem Aspekt, ich könne gelegentlich nochmal darüber schreiben und ein kurzes Fazit ziehen, um es nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen.

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Dann allerdings las ich gestern im Spiegel eine Meldung, die mich wieder aufhorchen lies:

Da hat doch tatsächlich ein Theologe – ein evangelischer Pfarrer in Nürnberg – die Behauptung aufgestellt, dass man (einfach zusammen gefasst) als Christ ruhig zusehen könne, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, denn die wären ja selbst Schuld an der Situation, in der sie sich gebracht hätten. Zudem gäbe die Bibel nicht her, dass es eine Verpflichtung zur Rettung gibt – eine Rettung sei nur geboten, wenn die akute Gefahr bestände, dass sie

„alsbald untergehen und ertrinken müssten“

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter  (eine wesentliche Kernaussage der Bibel neben der Bergpredigt)  könne man also nicht auf Menschen beziehen, die ihre

„Verantwortung vernachlässigen“

wie eben auch die Flüchtlinge das getan hätten,  sich wohl wissend um die Gefahr aufs Meer begebend…..

Eine krude Begründung, wie ich finde, denn wenn man ihr folgt und sie zu Ende denkt, würde das ja auch bedeuten, dass man ruhigen Gewissens an jedem Obdachlosen,  jedem Betrunkenen und jeder hilflosen und verwirrten Person (ja, auch der dementen alten Oma im Nachthemd!) vorbeigehen kann, den/die man frierend auf der Strasse sieht, weil sein/ihr Tod ja nicht augenscheinlich bevorsteht und die sich (was für die Oma nicht gilt) ja wissentlich in Gefahr gebracht hätten. Was ja bei genauerer Betrachtung auch für viele andere, ganz alltägliche Situationen gelten würde in die sich jeder Mensch begibt, wohl wissend, dass sie ein Risiko bergen könnten – Fliegen, Autofahren oder Radfahren, auf eine Leiter steigen usw….. (und auch bezüglich der Schuldfrage hat der Herr Pfarrer da wohl Ursache und Auswirkung verwechselt)

Aber das ist meiner unmassgeblichen Meinung nach nicht das, was Jesus meinte, als  er von „seinen geringsten Brüdern“ sprach, sondern steht krassen Gegensatz dazu.  Wie es wohl auch nicht die Meinung einer Vielzahl seiner Amtsbrüder ist, die sich inzwischen Gott sei Dank in grosser Zahl von dieser Auslegung biblischer Werte distanziert und auf einen Satz berufen haben, der kurz und bündig beim letzten Kirchentag beschlossen wurde:Wobei man nicht mal  Christ und auch nicht gläubig sein muss, um die skandalöse Unmenschlichkeit zu erkennen, die in der zynischen Sichtweise des Pfarrers steckt:
Menschenrettung und Bewahren vor Gefahr ist schlicht eine moralische Pflicht, die auch ohne jede religiös geprägte Aufforderung für alle Menschen  gilt – und für Christen ganz besonders gelten sollte. Und damit sollte man anfangen, bevor jemand Gefahr laufen muss, zu Tode zu kommen. So einfach ist das!

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Immerhin wird es wohl – so der Spiegel weiter –  zu einem „klärenden Gespräch“ kommen, in dem es hoffentlich nicht nur um theologische Ansätze gehen wird, sondern auch um die Frage,  wie weit oben erwähnter Pfarrer nicht doch seinen Beruf verfehlt hat….

Und dennoch hat die Sache für mich einen unguten Beigeschmack:
„Schreckliche Theologen“ gab es ja auch früher schon bei uns: Deutschnational, Hitlertreu, mit Hakenkreuz am Talar – ohne das ich dazu jetzt weiter ausholen möchte. Insofern wundert mich heute auch nicht, dass es wieder (immer noch?) Geistliche gibt, die den Argumenten aus der braune Ecke näher stehen als dem was die Bibel vorgibt – in jeder Konfession.
Um so wichtiger wird es sein, darauf besonders zu achten und das zu thematisieren, damit wir nicht irgendwann wieder da sind, wo wir alle nicht wieder hin wollen…. auch wenn die Kirche heute keine soweit reichende und meinungsbildende Macht mehr hat wie noch vor achtzig Jahren.
„Wehre den Anfängen!“ gilt auch in diesem Fall…


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


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Foto der Woche: Gestern im Michel

Auch wenn Blogparaden sonst eher nicht mein Ding sind – manchmal überkommt mich doch die Lust, mich zu beteiligen, wenn ich zufällig gerade etwas passendes beisteuern kann. Wie heute zur Foto-der-Woche-Aktion von Aequitas et Veritas, auf die ich durch einen Beitrag bei Margot aufmerksam wurde
Ein schnelles Handy-Foto zwar nur, weil ich natürlich zum Friseurbesuch gestern keine Kamera dabei hatte, aber dafür recht typisch für das, was uns alle gerade bewegt:Die Geschichte dazu:

Bekanntlich leiden ja auch die Kirchen massiv unter der Pandemie, die gerade durchs Land wabert – mit teils drastischen Folgen, was dringend notwendige Spenden, aber auch was kirchliches Leben angeht. So auch der Hamburger Michel, ein Wahrzeichen unserer Stadt, welches ich gestern nach meinem Friseurbesuch zum ersten Mal seit langem wieder von innen gesehen habe – ein wenig erstaunt über die Veränderungen, die Corona auch hier zur Folge hat. Was schon damit beginnt, dass man den Kirchenraum nicht wie gewohnt durchs Turmportal betreten kann, sondern um das Gebäude herum zu einem Seiteneingang muss.

Drinnen war es dementsprechend gestern auch ungewohnt leer, während am Eingang zum Turm zumindest eine kleine Busladung stand.
Gelegenheit also, eine Kerze anzuzünden, ein kurzes Gebet zu sprechen, und  mich mal in Ruhe umzusehen und auch ein paar Bilder zu machen, die sonst in der Form eher selten möglich sind. (Mehr dazu in einer Extra-Galerie, die ich am Ende des Beitrages verlinke)
Für mich dabei am augenfälligsten die platzhaltenden  Fotos auf den Bänken und die orangenen Punkte, mit welchen markiert ist, wo Gottesdienstbesucher noch Platz nehmen dürfen, ohne die Hygieneregeln zu verletzen – weit auseinander, um Ansteckungen zu verhindern.
Wobei es mit den Fotos eine besondere Bewandnis hat, denn die wurden als Zeichen der Solidarität  von Gemeindemitgliedern zur Verfügung gestellt, welche nach dem Lockdown wenigstens virtuell an sonntäglichen Gottesdiensten teilnehmen möchten, wenn sie schon nicht einen der raren Plätze ergattern können, für die man sich extra anmelden muss. Eine gute Idee, wie ich finde, denn die (vom Hygienekonzept erlaubten) wenigen realen Gottesdienstbesucher werden sich doch in der zu normalen Zeiten relativ gut gefüllten Kirche  ziemlich einsam fühlen müssen  im grossen leeren Kirchenschiff, wenn sie das Glück hatten, überhaupt Einlass zu  finden…
Und ich kann mir gut vorstellen, dass die Fotos von möglicherweise bekannten Gesichtern aus der Nachbarschaft da eine Hilfe darstellen können, bis sich die Zeiten wieder ändern.

Mehr Bilder aus dem Michel gibt es auf einer Extra-Seite:

-> bitte hier vorsichtig klicken <-


Und wie immer:
Bleibt gesund und bleibt behütet in diesen Zeiten!
Wir lesen uns.
Der Wilhelm (der das nächste mal seine Kamera mitnimmt, wenn er zum Haare schneiden geht)


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