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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Spielverderber

Und nochmal: Hallo zusammen!

Eigentlich hatte ich mir ja für heute vorgenommen, ein wenig Roller zu fahren, an meiner Lieblings-Fischbrötchenbude an der Fähre in Hoopte ein leckeres Matjesbrötchen zu verzehren und auf dem Rückweg noch ein wenig einzukaufen, um für heute Abend einen schönen frischen Melonensalat zu machen.

Aber soweit bin ich gar nicht gekommen, denn der erste Teil des Planes ging zumindest schon mal nicht auf. Offenbar – und das ist uns letzte Woche schon aufgefallen – hat der Kreis Harburg, in dem meine Hausstrecke nach Hoopte liegt, in den letzten Wochen eine ganze Schiffsladung Split und eine paar Tankwagen voll Sprühasphalt spendiert bekommen – so viel, dass dort momentan jede verfügbare Kreisstrasse damit „verziert“ wird, die nicht bei drei auf dem Baum ist.

Und das ist äusserst unangenehm, wenn man auf zwei Rädern unterwegs ist:
Denn auf dem Split, der teils Zentimeterdick auf den Strassen liegt, fährt es sich wie auf rohen Eiern :-)
Das fand übrigens auch ein Harley-Fahrer, der mich noch auf Hamburger Gebiet zügig überholt hatte und auf dem niedersächsischen Split plötzlich mit 20km/h vor mir her bummelte, weil er seine schwere Maschine auf dem Zeug kaum noch auf der Strasse halten konnte. Schlussendlich haben wir dann im nächsten Ort – in Bullenhausen – beide wieder umgedreht, weil weiterfahren einfach keinen Sinn machte, wenn man heile Knochen behalten wollte.
Da sah es nämlich in den Kurven aus, als ob sie ihren Splitlaster auf den Rücken gedreht hätten.

War also nichts mit dem Fischbrötchen, aber das erwies sich im Nachhinein auch gar nicht mal als soo schlimm:

Denn wieder zuhause angekommen, traf ich unseren Briefträger, der mir ein Schreiben des Standesamtes in Bielefeld in die Hand drückte…..

Da sage noch einer, Ostwestfalen seien lahm und drömmelig:
Montag nach Amtsschluss online beantragt, vorgestern bearbeitet, gestern versandt und heute schon zugestellt – schneller konnte das nicht gehen mit den beantragen Geburtsurkunden meiner Kinder :-)

Grund genug für mich, die Dinger direkt einzuscannen und samt „nett formuliertem“ wenn auch im Tenor leicht unverschämten Anschreiben online bei der Krankenkasse einzureichen.
Und nun bin ich mal gespannt, was von denen als nächstes kommt. Vermutlich erst wieder nach wochenlanger Bearbeitungszeit – wie alles, was die Knalltüten in ihrem Arbeitsalltag überfordert.
Sollte mich jedenfalls wundern, wenn die raketengleiches ostwestfälisches Arbeitstempo toppen können, obwohl die Sachlage nun eigentlich klar und eindeutig ist ;-)

Schaunmermal….


Und nochmal: Habt einen schönen Tag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der natürlich trotzdem noch eingekauft hat und nun den Salat zubereiten wird ;-)


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Viertel nach Zehn –
mehr Uhrzeit braucht kein Mensch.

Hallo, Ihr Lieben!

Wenn mich etwas wirklich stresst – auch heute noch, wo ich nicht mehr dutzende von Kundenkontakten am Tage habe – dann ist es die blöde Erfindung, die man „Pünktlichkeit“ nennt. Zum Zeitpunkt „X“ am Ort „Y“ zu sein, das war Zeit meines Lebens noch nie mein Ding, egal, ob es da um das morgendliche Läuten der Schulglocke ging, um Abfahrtszeiten von Bus und Bahn oder berufliche Termine und erst recht, wenns um private Verabredungen ging.

(Meine Liebste kann sicher ein Lied davon singen, denn schon bei unserer ersten realen Begegnung war ich ein paar Minuten zu spät am Bahnhof, weil ich mal wieder die Strassenbahn verpasst hatte)

Wobei ich zu meiner Ehrenrettung gestehen muss, dass ich trotzdem meistens zum verabredeten oder vorgegebenen Zeitpunkt am richtigen Ort anwesend war, wenn auch oft reichlich abgehetzt und eher unglücklich darüber, dass die Verwendung sekundenminutengenauer Uhrzeiten (die ihren Ursprung in unserem Land übrigens unter anderem beim Militär hatte – Preussen und der alte Fritz waren da prägend für alle nachfolgenden Generationen) zu einer Kulturtechnik geworden ist, mit der man Menschen bestens gängeln kann.
Und wenn etwas seinen Ursprung im militärischen Bereich hat – mal ehrlich, das kann doch nicht gut sein, oder ? Mir jedenfalls sind Regelungen aus diesem Umfeld immer reichlich suspekt.

Wie schön war es doch, als noch ungenauere Zeitbestimmungen das tägliche Leben bestimmten:
„Bei Sonnenaufgang“ – „Wenn der Hahn kräht“ – „Zur Mittagsstunde“ – „Wenn die Sonne untergegangen ist“ – „Beim Abendläuten“- all das klingt doch viel unbestimmter und schafft auch Freiräume für gewisse Toleranzen, die sicher jedem eine Menge Hektik erspart haben in der guten alten Zeit, wo das Leben nicht so durchgetaktet war wie heutzutage – und manchem Menschen täte es auch heute sicher gut, die Zeiger ihrer Uhr nicht zum Diktator werden zu lassen, der ihr Leben ( und damit auch das Leben ihrer persönlichen Umgebung) bestimmt.

Glücklich auch die Bewohner südlicherer Gefilde, denen Pünktlichkeit nach Stechuhr noch heute völlig fremd ist und für die eine schöne Armbanduhr eher ein Schmuckstück als ein lebensnotwendiges (???) Instrument ist.
Also sollten wir uns daran vielleicht mal ein Beispiel nehmen….

Nun mag vielleicht der Eine oder Andere einwenden, dass ich ja leicht Krähen habe als Einer, den das Thema Pünktlichkeit nur noch höchst selten betrifft, seit er nicht mehr arbeiten muss – und dieser Einwand ist in weiten Teilen sicher auch berechtigt, denn als Rentner muss ich mich tatsächlich nur noch selten nach der Uhrzeit richten und kann vieles einfach dann erledigen, wenn mir gerade danach ist.
Was mein Leben tatsächlich sehr entspannt.

Aber dennoch gibts Termine wie etwa bei meinen Arztbesuchen oder – wie gestern – bei einer Verabredung mit meiner Haarkünstlerin, die mich gelegentlich noch in Zeitstress bringen – um so mehr, je später am Tag sie liegen.
Denn dann ist es plötzlich wieder da, dieses alte widerliche Gefühl, dass ich in meinem Arbeitsleben jeden Tag hatte:

Nur nicht zu spät kommen!

Und es ist wirklich unschön, wenn mich das nach dem Aufstehen den ganzen Tag über begleitet, bis es endlich soweit ist und ich losfahren kann – vergleichbar wohl nur mit Lampenfieber, wie Künstler es vor ihren Auftritten kennen. Mit ein Grund, warum ich Spätdienste mit ihrem Arbeitsbeginn am Nachmittag immer gehasst habe, zumal die „freien“ Vormittage mir aufgrund dieses Unruhe-Gefühles auch wenig gebracht haben. „Gebacken bekommen“ habe ich an solchen Tagen eigentlich nichts, weil ich mit dem Kopf ständig schon auf meinem Arbeitsweg war.
Und inzwischen hat sich dieses merkwürdige Phänomen leider sogar so weit ausgeprägt, dass ich immer viel zu früh losfahre, weil der gefühlte Druck zu gross wird. Wie gestern nachmittag, als ich eine Verabredung zum Haare schneiden um Halb Vier hatte, aber schon vor Zwei losgefahren bin und selbst nach einem kleinen vorher eingeschobenen Wocheneinkauf noch reichlich zu früh vor dem Friseurgeschäft aufgeschlagen bin – und dann doch noch ein paar Minuten extra warten musste, weil meine Lieblingsfriseurin mit ihrer vorhergehenden Kundin noch nicht fertig war.

Schon irgendwie verrückt, zu was einen dieses Zeitdiktat der Moderne verleiten kann, auch wenn man das alles mit etwas mehr Toleranz bei allen Beteiligten viel gelassener handhaben könnte…..
Das akademische Viertel beispielweise wäre doch eine gute Zeit-Konvention, die man gerne überall einführen könnte.

Meine Armbanduhr trage ich übrigens schon lange nicht mehr, nachdem mich vor vielen Jahren mal eine Kundin darauf angesprochen hatte, warum ich ständig auf die Uhr gucke:

„Ich habe dann immer das Gefühl, Sie haben gar keine Zeit für mich und sind im Kopf immer schon beim nächsten Kunden“

Und damit hatte sie unzweifelhaft recht.
Zumal das keine gute Voraussetzung ist, wenn man mit Menschen arbeitet und diese – insbesondere bei intimen Pflegesituationen – das Gefühl brauchen, dass man in der viertel oder halben Stunde ganz bei Ihnen ist, die man für den Einsatz zur Verfügung hat.
Also habe ich meine Uhr beim nächsten Besuch bei ihr vorher abgenommen – und das ging wirklich gut, so dass ich das bei ihr zur bleibenden Einrichtung gemacht habe und später auch bei anderen Kunden so gehandhabt habe, wo entspanntes und ruhiges Arbeiten im Vordergrund stand.
Bis zu dem Punkt, wo ich meine Uhr im Zuge einer solchen Aktion mal im Auto verschusselt hatte und ein paar Tage ganz ohne arbeiten musste…
Mit dem erstaunlichen Effekt, dass ich nach teils zehn oder elf Stunden „Schicht“ deutlich weniger gestresst war als mit Uhr und trotzdem nicht mehr Zeit für meine Tour gebraucht hatte als vorher – samt dem erfreulichen Nebeneffekt, dass auch meine Kunden bei meinen Einsätzen viel gelassener wurden und viele Arbeiten mir viel besser von der Hand gingen, nachdem Zeit dabei nicht mehr im Vordergrund stand.

Es geht also auch ohne Zeitdruck, wenn man nur will ;-)

Die verloren geglaubte und nach ein paar Tagen kaum noch vermisste Uhr (die oben abgebildete) fand sich letztendlich viele Wochen später unter dem Rücksitz meines Dienstwagens wieder, als ich diesen mal umklappen musste, weil es etwas Grosses zu tranportieren gab.
Inzwischen war sie stehen geblieben, weil die Batterie leer war und zeigt seither immer die gleiche Zeit:
Viertel nach Zehn.
Mehr Uhrzeit braucht vermutlich kein Mensch :-)


Habt alle einen entspannten Tag und bleibt gesund und behütet ;-)
Wir lesen uns!

Euer Wilhelm,

der nichts mehr hasst, als zum Zeitpunkt X am Ort Y sein zu müssen……


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