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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

„Keiner wird leben“ & „Und dann gab’s keines mehr“ – zwei Romane

Aloha zusammen.

Hin und wieder mal ein kleines Novum, sonst wir das Bloggen ja auf Dauer langweilig :-)
Und deshalb gibt es heute mal eine doppelte Buchvorstellung von gleich zwei Autorinnen – aus gutem Grund, wie Ihr gleich erfahren werdet:

Keiner wird Leben
von Loreth Anne White
Und dann gab’s keines mehr
von Agatha Christie

Denn beide Bücher haben (obschon mit zeitlichem Versatz von einem guten dreiviertel Jahrhundert erscheinen) gleich auf mehrfache Art etwas miteinander zu tun, was schon bei der Thematik anfängt:
An einem abgelegenen Ort in einen Buch in der kanadischen Wildnis, im Anderen auf einer einsamen Insel treffen auf Einladung eines „grossen Unbekannten“ eine Reihe einander fremder Menschen aufeinander, die dennoch alle eine Verbindung zueinander haben:
Ein Verbrechen in lange vergangenen Zeiten, von allen verdrängt und verschwiegen, dass nun gesühnt werden soll. Anfangs noch diffus und nur als vager Grund für die Einladung von einigen der Gäste erkannt, dann aber – nachdem es die ersten Toten und Verschwundenen gegeben hat – immer deutlicher in den Vordergrund tretend und mit wechselnden Koalitionen, gegenseitigem Misstrauen und Verdächtigung durchsetzt, wird den übrig gebliebenen klar, dass letztendlich nur einer von Ihnen derjenige sein kann, der auf Rache sinnt.
Wobei man auch als Leser niemals schlauer ist, als die Protagonisten der Geschichte selb
st…

Insofern sind beide Bücher für sich genommen schon richtig spannende Geschichten, die – das eine mehr, das andere weniger – das Lesen lohnen.
Wobei das Neuere der Beiden noch ein zusätzliches Bonmot bereit hält, weil Loreth Anne White in ihrem Buch von 2021 immer wieder auch Anklänge an an das 1939 erstmalig erschienene Werk von Agatha Christie verarbeitet – und dieses Buch auch innerhalb ihrer Handlung einen prominenten Platz einnehmen lässt, der den Protagonisten in der Wildnis auf der Suche nach einer Lösung (und vielleicht auch einer Rettung?) bisweilen recht hilfreich ist, ohne jedoch vordergründig an ihrem Schicksal Grundlegendes zu ändern…
Im Gegenteil, denn oft wirkt diese olle Schmöker (zusammen mit anderen Requisiten und ohne dass Frau White wesentliche Teile der Handlung daraus übernimmt) eher wie ein Omen oder der düstere Hinweis auf eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich im Lauf der Geschichte mehr und mehr zur Wahrheit heraus kristallisiert.

Grund genug also, auch das Buch der Frau Christie nochmal zu lesen, das ich zuletzt als Jugendlicher in der Hand hatte – und auch Anlass, beide Bücher hier gemeinsam vorzustellen.

Allerdings gibt es auch einige Punkte, in denen sich beide Bücher gravierend unterscheiden:
Während Agatha Christie ihre Handlung nur auf den kleinen Personenkreis auf der Insel beschränkt (von denen jeder seine eigene Verfehlung zu verantworten hat), verlagert Loreth Anne White einen grossen Teil ihrer Handlung (um eine alle Protagonisten miteinander verbindende Tat) auf eine immer breiter werdende und äusserst spannende Rahmenhandlung, bei der es gleichzeitig um die Suche nach der Gruppe der Vermissten und um die Aufklärung dessen geht, was ihnen und warum ihnen das passiert ist.


Beginnen wir also mit dem neueren Buch, das mir per se schonmal richtig gut gefallen hat, genauso wie die beiden anderen Thriller von Loreth Ann White, die ich bisher schon gelesen habe:

Wobei es für mich hier gerade die gut recherchierte und immer wieder Überraschungen bereithaltende Rahmenhandlung war, die den grossen Reiz an der Geschichte ausmacht. Denn die ist so konstruiert, dass man sich als Leser mehr und mehr dem Rettungstrupp zugehörig fühlt, der von aussen auf das Geschehen in der Lodge in der Wildnis guckt und aus den polizeilichen Ermittlungen auch einen grossen Teil des Hintergrundwissens bezieht, mit dem schlussendlich alles aufgeklärt wird.

Und so gilt auch hier (wie schon in den anderen Büchern der Autorin) wieder der Satz, dass am Ende doch wieder alles ganz anders ist, als es am Anfang scheint. Denn der (wirklich überraschende) Knalleffekt kommt auch in diesem Buch wieder ganz zum Schluss, selbst wenn man bei Lesen immer mal wieder glaubt, der Lösung schon sehr nahe zu kommen. (und es gelegentlich sogar schon ist, ohne es zu merken)

Deshalb auch für dieses Buch – ohne wenn und aber:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Acht Gäste. Jeder von ihnen hat etwas zu verbergen. Jeder hat etwas zu fürchten.

Das Versprechen auf einen Luxusurlaub in einem abgeschiedenen Resort mitten in der Wildnis hat acht Gäste zusammengebracht. Als ein heftiges Unwetter losbricht und die Gäste von der Außenwelt abschneidet, beginnen sie zu ahnen, dass dies keine Erholungsreise ist, sondern eine Falle. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Jeder hat etwas zu verbergen. Und nun, während sich die Dunkelheit um sie schließt, wird deutlich, dass sie alle etwas zu fürchten haben – vor allem einander.

Mason Deniaud, Ermittler der Mordkommission, und Callie Sutton, Leiterin des örtlichen Such- und Rettungsteams, müssen sich den erbarmungslosen Elementen der Berge stellen, um die Eingeschlossenen zu finden. Doch nicht einmal Mason und Callie ahnen, wie kostbar die Zeit ist. Denn die Gäste der Forest Shadow Lodge werden einer nach dem anderen zur Strecke gebracht.

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Und nun die „Vorlage“ , die in England zuerst unter dem politisch inzwischen völlig unkorrekten Titel „Ten Little Niggers“ erschien und später auf viel öffentlichen Druck hin umbenannt werden musste:

Ein Schicksal, was auch der deutschen Übersetzung blühte, die zwar schon immer unter diesem Titel lief, aber dennoch im Lauf mehrerer Übersetzungen mehr und mehr „entschärft“ wurde und in der aktuellen Ausgabe sogar einen vorangestellten Disclaimer enthält, der darauf ausdrücklich hinweist.

Wobei ich persönlich die rassistisch anmutende Form des ursprünglichen Titels und den heutzutage ebenfalls anstössig wirkenden Namen der Insel („Nigger Island“) jetzt gar nicht mal so tragisch finde, genausowenig wie die Rollenklischees, die Christie ihren Figuren zugeordnet hat.
Denn im Grunde sind Beides nur ein Spiegel der Zeit, in der das Buch entstanden ist und teils auch nötig, damit die Handlung funktioniert. Und so sollte man sie wohl auch verstehen, ohne der Autorin dabei gleich Böses zu unterstellen.
Anders allerdings, wäre das Buch erst in den letzten Jahren entstanden: Dann wäre ein ordentlicher Shitstorm sicher redlich verdient.

An der Handlung des Buches gibt es derweilen aber wenig auszusetzen, denn die ist mindestens genau so spannend wie in dem neueren Buch.
Und ähnliches gilt auch für die Auflösung am Ende.

Was mir allerdings im direkten Vergleich auffällt, ist die deutlich knappere und straffere Form, die Frau Christie in ihrem Werk verwendet. In kurzen Kapiteln, oft fast nur aus Dialogen bestehend, baut sie ein Szenario, das nicht minder bedrohlich wirkt als in dem breiter aufgestellten und durch ausführliche Beschreibung der Umgebung auch besser illustriert wirkenden Buch der Frau White.
Was sicher eine Geschmacksfrage ist und auf mich anfangs auch etwas störend wirkte, was mir aber im weiteren Verlauf der Geschichte durchaus auch Spass zu machen begann, so dass ich die letzte Hälfte des Buches wirklich in einem Rutsch weg gelesen habe.

Störend dabei allenfalls die Sprache der Übersetzung von Sabine Deitmer (entstanden 2014/2015), die an manchen Stellen viel zu betulich wirkt und fast schon so, als seien als Zielgruppe des Buches mehr Kinder als Erwachsene gemeint, der „grauslichen“ Handlung also eher nicht so angemessen scheint.
Das ist Diana Bürgel, der Übersetzerin von Frau White, wesentlich besser gelungen und für mich auch ein Grund, Frau Christies Buch als Ganzes etwas schlechter zu bewerten:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Zehn Männer und Frauen aus ganz unterschiedlichen Kreisen bekommen eine Einladung, die sie auf eine abgeschiedene Insel vor der Küste Devons lockt. Der Gastgeber, ein gewisser U. N. Owen, bleibt unsichtbar. Erst als die Gesellschaft beim Dinner zusammensitzt, ertönt seine Stimme aus einem alten Grammophon und verheißt Unheil. Ein Gast nach dem anderen kommt zu Tode, während die Verbleibenden verzweifelt versuchen, den Mörder zu enttarnen …

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Bleibt aber als gemeinsames Fazit für beide Bücher, dass jedes auf seine Art sehr lesenswert war und mir eine Reihe unterhaltsamer Stunden geschenkt hat. Allerdings mit der Anmerkung, dass ich persönlich (so sehr Agatha Christies Buch auch seine Qualitäten hat) mich doch eher zu der moderneren Variante hingezogen fühle, die in mir als Genussleser in ihrer breiteren, erzählerischen Form und ihrer wesentlich gelungeneren Übersetzung einfach besser gefällt.


So, nun aber genug davon für heute :-)
Habt alle einen zauberhaften Rest des Sonntages ohne grosse Mysterien und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der gerade in einer „Thriller-Phase“ ist und wohl noch ein wenig bei dem Genre (und auch bei den Büchern von Loreth Anne White) bleiben wird….


-995-

Einsortiert in: - ausgelesen, historisch, Krimi, Roman

Vorsicht (Stolper-)Falle :-)

Moin zusammen!

Gestern meinte meine Liebste, wir könnten wirklich von Glück sagen, dass wir nur zwei Katzen als Mitbewohner haben.

Weil die lediglich ihr piecksiges Katzenstreu durch die Wohnung schleppen und nicht den halben Hausrat, um sich daraus – ihrem Instinkt folgend – eine Wohnstätte zu bauen wie dieser breitschwänzige Zeitgenosse:

Stolpergefahr für unvorsichtige Zweibeiner nicht ausgeschlossen :wacko:

Und sie hat recht.
Dagegen ist Katzenstreu wirklich das kleinere Übel, auch wenn ich es oft genug verfluche, weil ich es so unangenehm an den Füssen finde.

(Und was das Stolpern angeht: Das schaffe ich auch ohne zahmen Biber in der Wohnung, selbst wenn ich diese Nager ansonsten ganz possierlich finde :redheart: )


Habt alle einen stolperfallenfreien Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der diesmal sein Versprechen von gestern einhalten konnte B-)


-994-

Zitat 17/23: Über die Dummheit

Guten Morgen am Samstagmorgen!

Etwas Erfreuliches wollte ich heute schreiben, so hatte ich mir gestern vorgenommen – als Kontrapunkt zu dem doch eher traurigen Thema, das gestern hier an erster Stelle stand. Also etwas seichtes, einfaches, eine kleine Alltags-Anekdote vielleicht oder über Musik oder Bücher vielleicht – und auf jeden Fall etwas, was düstere Grundstimmung wieder etwas hebt, die gestern in meinem Posting mitschwang…

Aber so einfach ist das gar nicht, wie ich gerade merke, zumal ich auch noch auf einem Satz aus Kommentar, genauer: auf einer darin aufgeworfenen Frage herumdenke, die gestern etwas unterging:

Was mir bei aller Anteilnahme allerdings viel mehr Sorgen macht, ist die unakzepable Zustimmung zu den Kackblauen. Was soll man dagegen tun? Einfach ignorieren und versuchen, die Politik so auszurichten, dass dieser Verein wieder zurückgedrängt wird, dem Verein und seinen Vertreten in den Medien keine Bühne mehr geben?

Hans-Georg in einem Kommentar am 23.06.23

Ums gleich vorweg zu nehmen: Eine Antwort auf diese Frage habe ich auch nicht, denn ich stehe genauso ratlos vor diesem Phänomen, wie Hans-Georg es tut.
Und ich teile auch die Sorge, die er damit verbindet. Zumal uns dieses Problem ja nun auch schon seit Jahren begleitet, ohne das irgendjemandem eine schlüssige und wirksame Lösung dafür eingefallen wäre.
Im Gegenteil, wie die aktuellen Umfragen zeigen mit den Kackblauen im Allzeithoch als zweitstärkste Kraft hinter der konservativ-populistisch geprägten CDU:

Erschreckend, zutiefst erschreckend.

Und plötzlich fällt mir dazu wieder ein Zitat des grossen Theologen Dietrich Bonhoeffer ein, geschrieben als er sich – schon in Haft sitzend und den Tod vor Augen – Gedanken darüber machte, wie es zu dem kommen konnte, was unser Land während der Nazizeit prägte:

Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt.

Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden.

Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich.

……

So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Sie ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse.

Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen.
Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte – also etwa intellektuelle – Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun – mehr oder weniger unbewußt – darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden.

Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist.
Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt.
So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen.

Aus „Ergebung und Widerstand – Briefe aus der Haft“ von Dietrich Bonhoeffer /Hrsg. Eberhard Bethge

Ein Zitat, das zumindest erklärt, was gerade auch hier bei uns und in unserer Zeit passiert, selbst wenn Bonhoeffer dafür keine Lösung anbieten kann ausser – wie sich aus dem weiteren Text ergibt – der Hoffnung auf eine Befreiung, die von innen heraus kommen muss und nach Bonhoeffers Ansicht auch durch den Glauben an Gott geprägt sein könnte.

Eine Meinung, die ich nicht so ganz zu teilen vermag, obwohl ich gläubiger Christ bin und zumindest die Hoffnung auf ein Wunder in dieser Beziehung auch nicht ganz aufgeben mag. Denn das wird es möglicherweise brauchen, wenn die politische Entwicklung so weiter geht, wie sie gerade geht.
Aber ich bin auch nicht der Meinung, dass man der Dummheit der kackblauen Wählerschaft nichts entgegegensetzen kann, auch wenn sie für Argumente nicht zugänglich scheint.

Denn immerhin leben wir – anders als Bonhoeffer in seiner Zeit – in einem freien Land und können offen unsere Meinung dazu sagen – und wir sind viele, immer noch die Mehrheit, die gegen die Ziele dieser „Partei“ steht.
Wir müssen nur den Mut haben, das auch offen zu sagen…

Und das ist immerhin erfreulich, wenn auch nicht ganz in dem Sinne, wie ich es mir gestern vorgenommen hatte…


Habt also ein feines Wochenende und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der morgen zumindest versuchen will, mal was ganz leichtes zu schreiben…..


-993-

Das Selbe ist nicht das Gleiche

Guten Tag zusammen!

Sicher hat jeder von uns in den letzten Tagen die Meldungen um das verschollene U-Boot vor Neufundland verfolgt, in dem fünf Abenteurer das Wrack der Titanic besuchen wollten. Was nicht gut ausgegangen ist, wie wir seit gestern Abend wissen.

Genauso wenig gut, wie der Versuch von neununddreissig Menschen, die fast gleichzeitig – auf der anderen Seite des Atlantiks, vor den Kanarischen Inseln – gestorben sind bei ihrem Versuch, vor den Lebensumständen in ihren Herkunftsländern zu fliehen – und von über fünfhundert Menschen, die beim gleichen Unterfangen gerade ein paar Tage zuvor im Mittelmeer ertrunken sind.

Wobei schon auffällt wie unterschiedlich der Widerhall auf diese Ereignisse ist. Auf der einen Seite die Abenteurer, über die gross und breit in allen Medien berichtet wird und deren Tod nun grosse mediale Anteilname auslöst – und auf der anderen Seite die vielen Namenlosen, nach deren Schicksal man in den Medien regelrecht suchen muss, wenn man mehr darüber erfahren will.
Weil es offenbar niemanden so richtig interessiert?

(c) Klaus Stuttman – mal wieder bitterböse, aber dafür um so treffender

Schlimm für alle Beteiligten, hier wie dort, das ist überhaupt keine Frage. Denn jedes Menschenleben ist zuviel, was auf dem Meer verloren geht – egal, ob es nun Millionäre auf ihrer Luxusreise trifft oder Menschen auf der Flucht, die für die gefährliche Überfahrt ihr letztes Hemd gegeben haben.

Schlimm auch die Doppelzüngigkeit, die zur Zeit in der Berichterstattung (und auch in der „öffentlichen Meinung“ ?) zutage tritt – denn offenbar zählt darin tatsächlich mehr, wer genug Geld hat, um ohne Not ein hohes Risiko eingehen zu können.
Doch immerhin fällt das inzwischen sogar der Presse auf – wie etwa hier in einem Beitrag der neuen Züricher Zeitung:

Medien pushen sich gegenseitig hoch

Und dann sind da, natürlich, die Medien. Die Geschichte der «Titan» hat Seltenheitscharakter, während tote Migranten längst zur Gewohnheit geworden sind. Die Komplexität der Suche, Hintergründe, Finanzen, Technik oder der stupende menschliche Grössenwahn. Da ist so viel Stoff, der sich gut erzählen lässt. Der nie so erzählt wurde.

Ein alter Medien-Mechanismus setzt ein, der durch die sozialen Netzwerke und den Online-Journalismus verstärkt worden ist. Die grossen Medienhäuser der Welt schreiben über eine Geschichte, und weil das eine Newsportal seinen Text ganz oben auf die Website stellt, muss das andere nachziehen. Die Leser klicken auf die Texte, weil sie die prominent platzierte Meldung für wichtig halten. Die Klickzahlen schiessen in die Höhe, und die Medienhäuser wiederum sehen sich in ihrer Priorisierung bestätigt. Man pusht sich gegenseitig hoch.

NZZ

Wobei mich daran am meisten schockiert, dass dennoch niemand kritisiert, was da im Hintergrund abläuft:
Millionen über Millionen, die für ein äusserst zweifelhaftes Vergnügen verpulvert werden (und Millionen, die auch durch die reisserischen Pressemeldungen dazu verdient werden), stehen da gegen die blanke Not und das Schicksal derjenigen, die manchmal nicht mal wissen, wo sie die Lebensmittel und das Wasser für den nächsten Tag herbekommen sollen.

Was sich selbst noch in den Rettungsaktionen widerspiegelt: Für die einen ist kein Aufwand hoch genug, während man für die anderen nicht mehr als ein betroffenes Schulterzucken übrig hat.

Irgendwas läuft da ziemlich verkehrt auf unserer Welt….


Euer Wilhelm,

der Euch das Thema gerne erspart hätte,
es aber dennoch für wichtig genug hält um es Euch zuzumuten;
dem heute deswegen allen guten Wünsche nur schwerlich in die Tatstatur fliessen wollen,
der Euch aber dennoch wünscht, dass ihr auch heute gesund und behütet bleibt;
und der morgen hoffentlich wieder über etwas erfreulicheres schreiben kann….

Wir lesen uns :bye:


-992-

Regentraum

Moin allerseits!

Heiter bis wolkig, trocken, (sehr) warm, wenig Wind – und dazu den ganzen Tag zur freien Verfügung, während die Liebste bei Ihrem Betriebsausflug heute über den Ratzeburger See schippert…..

Im Prinzip also beste Bedingungen, um den Tag angenehm und auf einer ausgedehnten Rollertour zu verbringen.

Allerdings werde ich das heute wohl nicht machen, sondern den Tag lieber in der halbwegs kühlen Wohnung an mir vorbei ziehen lassen und mein etwas verknautschtes Ego pflegen, dem genau das gerade etwas zu schaffen macht, was am Anfang des ersten Satzes über das Wetter steht.
Mir ist es nämlich inzwischen viel zu heiter, viel zu trocken und viel zu warm!
Das macht mich müde, schlapp und etwas knatschig (und Kopfweh hab ich auch), so dass ich wirklich keine Lust auf irgendwelche grösseren Aktivitäten habe. Und schon gar nicht auf den Anblick vertrockneter Wiesen oder Bäumen mit hängenden Blättern… *Grummel*

Und selbst wenn: Schlapp und müde (und entsprechend unkonzentriert) sind ohnehin keine gute Voraussetzungen um auf zwei Rädern unterwegs zu sein…

Ergo werde ich den Tag heute wohl meist im Liegen verbringen, etwas Lesen oder auf dem Sofa vor mich hindösen und dabei vielleicht von einem langen, sanften, ausdauernden Landregen träumen, der es draussen etwas abkühlt und die Welt wieder etwas grüner werden lässt.

Mehr will ich heute gar nicht.

-_-_-_-

Oder doch:
Denn wenn Petrus mir den Wunsch nach einem ordentlichen Landregen schon nicht erfüllen will und für heute abend lediglich mal wieder kurze Starkregen-Ereignisse und heftige Gewitter angekündigt sind, die auch keine nachhaltige Abkühlung bringen werden, dann erfülle ich mir meinen Traum davon eben selbst.

Also hab ich mir flugs im Netz ein paar kurze Regenclips, etwas Musik und passendes Hintergrundgeräusch zusammengesucht, meinen unerfüllten Wunschtraum einfach mal visualisiert und ein kleines Video daraus gebacken:

Siehste, Petrus:
Es geht doch, wenn man nur will B-)


So, nun aber wirklich aufs Sofa…..

Euer Wilhelm,

Der Euch für heute einfach mal einen sanften, feinen und hoffentlich ergiebigen Landregen wünscht – und selbstverständlich auch wieder, dass Ihr gesund und behütet bleibt!
Und ja, auch das: Wir lesen uns :bye:


-991-

Aufs amtliche Augenmass kommt wohl es an

Tagchen ihr Lieben!

Vorhin auf der Zulassungstelle dachte ich ja schon, ich hätte ein Deja Vu!

Weil sich exakt das Gleiche anbahnte wie im letzten Jahr, als ich bei der Einbürgerung meiner Frau Honda auch schon mal erleben durfte, was mir vorhin erneut begegnet ist, als ich auch den Herrn Honda amtlich zum Hamburger machen lassen wollte.

Denn beide Roller tragen Kennzeichen, die sich lediglich in der letzten Zahl unterscheiden und beide Mal gab es (bei ansonstem völlig unproblematischen Verlauf der Aktionen) Probleme wegen eines kleinen Details auf dem Nummernschild, was man getrost schon als Haarspalterei bezeichnen kann:

Man achte auf den Abstand zwischen dem „O“ und der „7“ :wacko:

Mit dem kleinen Unterschied allerdings, dass der „Herr der Siegel und Schilder“ damals

„Gnade vor Recht ergehen liess“ , (seine Formulierung)
„um der Schildermacherin zu ersparen, das unbrauchbare Schild aus eigener Tasche zahlen zu müssen“

diesmal aber nach Zurateziehen von Massband und amtlicher Normentabelle (die gibts wirklich) wutschnaubend und höchstselbst in den nebenan liegenden Laden der Schildermacherin stiefelte und kurz darauf mit einem neuen – und diesmal auch in seinen Augen normgerecht hergestellten – Schild wiederkam….

Nicht ohne etwas brummelige Erklärung, während er anschliessend – und wieder ganz in sich selbst ruhend – das Zulassungssiegel und den TÜV-Stempel aufklebte:

„Damit keiner Ihren Roller für ein Behördenfahrzeug hält. Wenn das jetzt kein „O“, sondern ein anderer Buchstabe gewesen wäre, dann hätte es ja so bleiben können“

Aha…
Als ob eine Hamburger Behörde ihre Mitarbeiter auf uralten Motorrollern ihren Dienst versehen lassen würde. Sooooo arm ist unsere Hansestadt ja denn doch noch nicht :wacko:


Fragt sich halt nur, ob die Normentabelle das wirklich hergibt, dass für ein simples „O“ andere Abstandregeln gelten als für alle anderen Buchstaben? Oder ob das nun einfach eine negativ geprägte Ermessenssache war, weil der beamtete Siegelkleber heute einen seiner weniger guten Tage oder gar verdorbene Milch im Frühstückskaffee hatte?

Jedenfalls beträgt der Unterschied im Abstand zwischen Buchstaben und erster Zahl (ich habs zuhause nochmal nachgemessen) gerade mal fünf Millimeter, die er auf Frau Hondas Nummernschild kleiner ist (und wohl auch auf der ersten Version der Schildermacherin heute war). Und ist mit nicht verbeamteten Augen eigentlich auch kaum wahrnehmbar…

Bleibt als Erkenntnis:
Das Auge eines deutschen Beamten ist hochpräzise, unbestechlich und verzeiht nicht mal die kleineste Unkorrektheit, selbst wenn die nur im Millimeterbereich liegt und für den oberflächlichen Betrachter kaum zu erkennen ist.
Und wo kämen wir auch hin, wenn hier jeder einfach macht, was er will???
Ganz besonders, wenn ein etwas zu aufdringliches „O“ im Spiel ist, dass man mit zuviel Phantasie auch für eine „Null“ halten könnte….. :wacko:


Dennoch:
Habt einen wunderfeinen Nachmittag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

dem bei dieser Geschichte nur die arme Schildermacherin leid tut, die das überscharfe Augenmass des amtlichen Siegelbewahrerers nun wohl 22,50 Euro aus eigener Tasche kosten wird…. :cry: ;
der aber trotzdem froh ist, dass in nächster Zeit keine weiteren Behördenangelegenheiten anstehen, die pünktliches Erscheinen erfordern :yes:


-990-

Drei auf einen Streich

N’abend miteinander!

Eigentlich liebe ich es ja, wenn Dinge so ineinandergreifen, dass man sie Eins nach dem Anderen und halbwegs in Ruhe abarbeiten kann. So wie heute, wo ich gleich drei Vorhaben miteinander verbinden konnte, wenn ich ohnehin schon mal aufs Festland muss.
Eigentlich, denn Fahrten aufs Festland sind auch immer etwas stressig, wenn man unbedingt pünktlich sein und weil man dazu irgendwie die Norderelbe überqueren muss. Denn irgendwo ist ja immer Stau in dieser Stadt – und um den Elbtunnel oder die Elbbrücken herum sowieso-, so dass selbst sehr frühes Losfahren keine Garantie für Pünktlichkeit ist.

Wobei mein erster Tagesordnungspunkt ausgerechnet die Zulassungsstelle in Bahrenfeld jenseits des Elbtunnels war (wo Termine sofort verfallen, wenn man zu spät kommt), zum Abmelden und Entstempeln des Nummernschildes des Herrn Peugeot, der uns ja am Samstag überraschend schnell verlassen hat:

Aber da war ich zum Glück rechtzeitig, und auch die eigentliche Amtshandlung ging zügiger als erwartet vonstatten, so dass ich fast noch pünktlich bei meinem zweiten Termin bei meiner Haarkünstlerin in der Nähe des Michel ankam, um mir einen den Temperaturen angepassten Sommerhaarschnitt verpassen zu lassen.

Gut, weil ich so morgen etwas manierlicher auf dem Kopf aussehend zum Amt fahren kann um mit erfolgter Ummeldung und nach Montage des neuen Nummernschildes den letzten Akt des Themas „Neuer Wegbegleiter für meine Liebste“ abzuschliessen zu können…

Und anschliessend konnte ich auch gleich noch zur Rindermarkthalle auf St. Pauli, um bei der Post die Papiere an den neuen Besitzer des Herrn Peugeot zu schicken – und zum Einkaufen in meinem Lieblingssupermarkt gehen, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen.

-_-_-_-

Alles in Allem hab ich dafür zwar nur dreieinhalb Stunden gebraucht (eigentlich eine gute Zeit, wenn man bedenkt, dass ich davon fast zwei Stunden im Auto gesessen habe, wie eigentlich fast immer, wenn ich auf dem Festland etwas zu erledigen habe – und anschliessend noch einen fussläufig gut erreichbaren Parkplatz finden muss), aber sehr angenehm war das dann trotzdem nicht, weil ich mich nicht mehr gerne unter Zeitdruck setzen lasse und inzwischen einen echte Aversion gegen das Wort „Pünktlichkeit“ habe, das lange genug mein Leben bestimmt hat…
Aber was muss, das muss wohl, zumal zumindest die Sache mit der Abmeldung dank des hamburgtypischen Terminchaoses bei den Zulassungsstellen sonst deutlich länger gebraucht hätte.
Schliesslich hat es ja inzwischen fast sechs Wochen Wartezeit gebraucht, um Herrn Honda einbürgern zu dürfen…

Doch dafür wird es morgen wohl deutlich schneller gehen, auch wenns auf der Zulassungsstelle vermutlich länger dauern wird. Denn da muss ich ja nur über die Süderelbe nach Harburg, wo deutlich weniger Verkehr ist und wohin ich ganz entspannt auf Frau Honda reiten kann….

Praktisch immerhin:
Ich konnte bei der Gelegenheit auch gleich die Buchstaben/Zahlen-Kombination wieder reservieren, so dass ich morgen bei der Ummeldung des Herrn Honda eigentlich nur neue Stempel auf das alte Schild brauchen würde, wenn es denn von der Grösse her zu montieren wäre. Allerdings sähe das riesige „Kuchenblech“ an dem zierlichen Gefährt wohl doch etwas überkandidelt aus, so dass ein kleineres Schild ( wie das von Frau Honda) vermutlich die bessere Wahl ist….

Schaunmermal…


Habt alle einen angenehmen Abend und bliebt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der solche Aktionen einfach nicht mehr gewohnt ist und froh, anschliessend in Ruhe die Füsse hochlegen zu können B-)


-989-

In dunklen Tiefen – Roman

Guten Abend Euch Allen!

Nachdem mir schon das erste Buch der Autorin aus der Kindle-Unlimited-Bibliothek sehr gut gefallen hat und weil es dort noch weitere Werke von ihr gibt, war es eigentlich logisch , genau an dieser Stelle Lesetechnisch noch ein wenig weiter zu machen:

In dunkeln Tiefen
von Loreth Anne White

Wobei ich mich zum Inhalt jetzt mal weitgehend zurückhalte, um nicht mehr zu spoilern, als nicht auch schon im unten zitierten Klappentext zu lesen ist.

Was ich Euch darüber hinaus aber noch verraten kann:
Dass auch hier am Ende alles ganz anders ist, als es am Anfang scheint.
Auch wenn die Geschichte recht gradlinig ( viel gradliniger) geschrieben ist und man als Leser eigentlich immer meint, das Ende schon voraus ahnen zu können, selbst wenn die Perspektiven (und damit die eigene Empathie) immer wieder zwischen drei der handelnden Personen wechseln.
Spannend daran, wie sich ein Mordmotiv entwickeln kann, wie die Aussensicht auf das Geschehen ist und wie man sich fühlt, wenn man nach verbrachter Tat offenbar schuldig auf der Anklagebank sitzt. Am Anfang voller Hoffnung und am Ende voller Verzweiflung.

Dennoch bleibt lange offen, wer nun hier „nur Täter“ und wer hier „nur Opfer“ ist, zumal (ausser der Ermittlerin) auch alle zur Eskalation beitragen….

Wobei – in diesem Buch noch mehr als im vorher gelesen – auch einen Reihe manipulativer Psychospiele eine Rolle spielen (die sowohl beim Täter als auch beim Opfer auf Ängsten und Traumata aus ihrer Vergangenheit fussen und diese teilweise subtil, teilweise fast schon brutal ausnutzen, um selbst einen Vorteil zu bekommen). Allerdings wirklich gut und zurückhaltend geschrieben., ohne dass das Buch damit jetzt übermässig grausam wirken würde.
Im Gegenteil: es liest sich trotzdem (oder gerade deswegen(!)) richtig gut!
Und ohne diesen Kniff würde die Geschichte wohl auch nicht so gut funktionieren, wie sie funktioniert.

Insofern auch hier:

selbst wenn ich das zuerst gelesen Buch der Autorin von der Handlung her noch einen kleinen Ticken spannender fand…

-_-_-_-

Der Klappentext

Ist sie eine heimtückische Mörderin, ein Opfer – oder beides?

Immobilienmogul Martin Cresswell-Smith ist das Beste, was Ellie je passiert ist. Ihr Leben mit ihm in einem australischen Küstenstädtchen scheint wie ein Märchen. Doch hinter verschlossenen Türen spielt sich eine ganz andere Geschichte ab, die mit dem brutalen Mord an Martin endet.

Ellie ist die Hauptverdächtige. Aber Senior Constable Lozza Bianchi hat Zweifel. Während der Fall eine komplizierte Wendung nach der anderen nimmt, wird die Ermittlerin das Gefühl nicht los, dass sie manipuliert wird. Dass Ellie etwas zu verbergen hat. Dass einige Geheimnisse noch nicht an die Oberfläche gekommen sind.

Amazon

Habt noch einen wunderbaren Abend und eine annehme Nacht!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der inzwischen schon das dritte Buch der Autorin ausgeliehen und auf dem Ebook-Reader hat….


-988-

Einsortiert in: - ausgelesen, Krimi, Roman

Zitat 16/23: Steter Tropfen

Guten Tag zusammen!

Nein, es lässt mir keine Ruhe, dieses Thema, was ich gestern schon hier aufgeworfen hatte – und ich mag deswegen auch nicht sofort zur üblichen Tagesordnung zurück kommen und Small-Talk machen.

Denn gestern im Lauf des Tages fiel mir ein alter Song-Text von Reinhard Mey wieder ein, der ziemlich genau beschreibt, was ich – neben der Scham für die immer unmenschlicher werdende Flüchtlings-Strategie der EU – gerade auch empfinde:

Ich weiß nicht, was mich dazu bringt
Und welche Kraft mich einfach zwingt
Was ich nicht sehen will, zu seh’n
Was geh’n mich fremde Sorgen an
Und warum nehm ich teil daran
Statt einfach dran vorbeizugehn
Ich schließ die Fenster, schließ die Tür’n
Damit die Bilder mich nicht rühr’n
Doch sie geh’n mir nicht aus dem Sinn
Mit jedem Riegel mehr vor’m Tor
Dringt es nur lauter an mein Ohr
Und unwillkürlich hör ich hin

Aus: „Aber Deine Ruhe findest Du trotz alledem nicht mehr“ von Reinhard Mey

Denn weggucken kann ich einfach nicht – und will ich auch nicht mehr – mit dem Wissen, dass sich das gleiche Drama wie in der letzten Woche schon morgen, in der nächsten Woche oder in den nächsten Monaten wiederholen könnte – oder vielleicht schon jetzt gerade wieder anbahnt…
Und dann wird es wieder Tote geben, wieder Familien, die trauern müssen und wieder betroffenes Schweigen in der Öffentlichkeit – zu dem, wozu man eigentlich nicht schweigen kann.

Weil viele meinen, doch nichts bewegen zu können, gegen den Willen der Politik nicht anzukommen, keine Macht zu haben, etwas zu ändern:

Hab‘ ich mir denn nicht selbst erzählt
Dass meine Hilfe gar nicht zählt
Und was kann ich denn schon allein?
Was kann ich ändern an dem Los
Ist meine Hilfe denn nicht bloß
Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ebenda

Aber, so frage ich mich:
Kann das ein Grund sein, gar nichts zu tun, sich zu ducken und einfach weiter zuzuschauen, wie Menschen sterben?

Oder wäre nicht doch das wenigstens einen Versuch wert, was Reinhard Mey als hoffnungsvolle Perspektive in seiner letzten Strophe vorschlägt?

Und doch kann, was ich tu‘ vielleicht
Wenn meine Kraft allein nicht reicht
In einem Strom ein Tropfen sein
So stark, dass er Berge versetzt
Sagt denn ein Sprichwort nicht zuletzt
Höhlt steter Tropfen auch den Stein

Ebenda

Denn wo einer von uns nichts erreichen mag, kann es die Kraft von vielen vielleicht doch schaffen.
Da bin ich sicher!


Das fängt mit einer kleinen Spende für die Seenotrettung oder die ebenso wichtige entsprechende Lobbyarbeit an
und hört vielleicht mit einem Blogbeitrag (der ausser ein wenig Mühe überhaupt nichts kostet) oder Stellung beziehen auf anderen sozialen Plattformen noch lange nicht auf.

Möglichkeiten zur Mitwirkung gibt es viele – und alles ist besser als einfach zu schweigen und weg zu gucken.
Selbst wenn man meint, damit alleine nichts zu bewirken…

Aber ich will hier auch niemandem Vorschriften oder gar Vorwürfe machen, sondern Euch allenfalls einen kleinen Denkanstoss geben. Schliesslich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er mit dem Thema umgehen mag…..


Dennoch:
Habt einen angenehmen und wohlbehaltenen Tag!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der auch heute den Flüchtlingen auf dem Meer wünscht, dass sie gesund und behütet bleiben mögen und nichts mehr hofft, als dass auch für ihre Probleme endlich menschlichere Lösungen gefunden werden.


-987-

Wo bleibt eigentlich der Aufschrei?

Guten Morgen am Sonntagmorgen!

Schon seit ein paar Tage denke ich darauf herum, warum sich anscheinend kaum jemand dafür interessiert, was da gerade vor der griechischen Küste passiert ist?

Ein Schiff, ein maroder Fischdampfer ist gesunken, es waren siebenhundert Menschen an Bord, darunter viele Kinder, eingesperrt unter Deck. Menschen die nach Europa wollten, weg von dem, was ihnen ein Leben in ihrer Heimat unmöglich gemacht hat.


Menschen, die auch hier nicht gewollt waren, denen Hilfe einfach verweigert wurde, obwohl sie möglich gewesen wäre.

-_-_-_-

Sind wir eigentlich alle schon so abgestumpft, dass es lediglich ein paar trockene Pressemeldungen wert ist und fast überhaupt keinen Widerhall in anderen Medien (unser aller Blogs eingeschlossen) findet, dass da vermutlich fünfhundert Menschen vor den Augen der Küstenwache ertrunken sind, davon über hundert Kinder, ohne Chance auf Rettung?

Sind wir schon so abgestumpft, dass es uns nichts mehr angeht, was da unmittelbar vor den Grenzen unserer Europäischen Union passiert, die sich mehr und mehr abschottet und hofft, mit einem faulen , nur aufs eigene Wohl bedachten Kompromiss die Probleme des wirtschaftlichen Gefälles und der politisch oder religiös motivierten Verfolgungen in den afrikanischen und asiatischen Ländern in den Griff zu bekommen, die Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen und sich in die Hände von geldgierigen Schleusern zu begeben, um vielleicht ein besseres oder sicheres Leben zu finden?

Sind es nicht wir alle, die privilegierten Bürger der Europäischen Union, die wir durch unser Schweigen das Handeln unserer Politiker erst legitimieren, die sich die menschenunwürdigen Massnahmen ausgedacht haben, die in Zukunft das „Elend“ von uns fern halten sollen und damit auf Länder verlagern wollen, die keineswegs sicher für Menschen auf der Flucht sind: auf Anrainerstaaten des Mittelmeeres wie Tunesien, die Türkei usw., die dafür auch noch reich entlohnt werden?

Sind es nicht wir alle, die wir uns daran mitschuldig machen, weil wir die Politik einfach so gewähren lassen – immer nach dem Motto: „Aus dem Auge, aus dem Sinn?“

Und dann frage ich mich unwillkürlich, wo eigentlich der Aufschrei bleibt von denen, die das anders sehen und so nicht mittragen wollen – so wie damals, als überall in unserem Land grosse Demos liefen und das Logo der Seebrücke (das schon seit dieser Zeit und aus gutem Grund* in den Seitenleisten unserer Blogs seinen festen Platz hat) und die orangen Fahnen allenthalben zu sehen waren:

Wo bleibt der Aufschrei, der noch vor ein paar Jahren durch unser Land ging, als das Flüchtlingslager in Moria brannte?

Gilt das Motto denn nicht mehr, sichere Häfen zu schaffen, die verhindern könnten, dass sich das immer wieder aufs Neue wiederholt, was gerade vor der griechischen Küste passiert ist?
Zählen die vielen Toten denn nichts, die letztendlich auch Opfer unser aller Schweigens sind?
Zählt das Elend der Kinder nichts, die dem hilflos ausgeliefert sind, was am grünen Tisch über sie entschieden wird, wo man nur noch mit anonymen Zahlen argumentiert, die man möglichst niedrig halten will, wo man Rettungsaktionen der NGOs möglichst unterbinden will und wo stattdessen über Kontingente, Ausnahmeregelungen und andere faule Kompromisse diskutiert, aber ein verlorenes Kinderleben allenfalls als Kollateralschaden abgetan wird – wenn überhaupt?

Wo also bleibt der Aufschrei, um diesem grausamen Spiel endlich ein Ende zu bereiten?
Sind wir nicht alle gefordert, dazu endlich klar und deutlich Stellung zu beziehen und Menschlichkeit von den Politikern einzufordern?

-_-_-_-

*) Nein, das Logo ist nicht nur Dekoration, sondern steht für unsere feste Meinung, dass sich dringend was ändern muss im Umgang mit den Menschen, die übers Meer zu uns kommen wollen.
Aussperren und Freikaufen durch milliardenschwere Zahlungen an zwielichtige Drittländer ist nun mal keine tragfähige Lösung. Das sollte nach den vielen Jahren erfolgloser Versuche in dieser Richtung inzwischen auch der dümmste Politiker gemerkt haben..


Dennoch:
Habt einen angenehmen Sonntag.
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der auch den Flüchtlingen auf dem Meer wünscht, dass sie gesund und behütet bleiben mögen und nichts mehr hofft, als dass auch für ihre Probleme endlich menschlichere Lösungen gefunden werden.


-986-