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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Ein Name – Drei Orte des Schreckens

Morija, so hiess das Krankenhaus in der Anstalt, in dem ich gelernt und einige Jahre meines Berufslebens lang auch gearbeitet habe:
Eine Klapse, deren  Namen sich von einem alttestametarischen  Ort ableitete, wie es bei allen Häusern dieser Anstalt damals üblich war. Wobei die Namen mit Bedacht gewählt waren und es immer einen Bezug zwischen biblischen Geschehen und dem Auftrag des jeweiligen Hauses gab.

Im Falle dieses Krankenhauses also zu dem Land,  in dem Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte, von Gott geprüft, um seinen Gehorsam zu beweisen, wie in der Bibel in epischer Breitereit geschildert wird.  Wobei diese biblische Geschichte am Ende doch gut ausgeht und Isaak überlebt, weil Gott als Opfer an seiner Stelle einen Hammel akzeptiert, nachdem er von Abrahams Gehorsam überzeugt ist.

Und genau um diesen Gehorsam Gott gegenüber ging es den Namensgebern wohl auch bei ihrer Wahl zum Namen des Krankenhauses – als Symbol, dass man (also die Patienten) bereit sein müsste, jede Prüfung zu akzeptieren und alles zu opfern, um am Ende gerettet (also gesund) werden zu können.
Typisch für die Zeit, in der das Krankenhaus gebaut wurde, denn psychisch Krank zu sein wurde damals – Ende des 19. Jahrhunderts – als Strafe Gottes verstanden, die unabwendbar war….. Was sich auch in vielen sehr unmenschlichen Behandlungsmethoden ausdrückte, die es zu jener Zeit gab – lange, bevor man begann, wirkungsvolle Medikamente und Behandlungsmethoden zu entwickeln und psychische Erkrankungen als das zu sehen, was sie wirklich sind: Fehlfunktionen des Gehirnes, für die es immer einen „natürlichen“ Auslöser gibt, ohne das Gott dabei die Finger im Spiel gehabt hätte.

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Moria ist (in dieser leicht abgewandelten Schreibweise)  aber auch ein Ort in Tolkins „Herr der Ringe“ – ein Höhlensystem, ehemals Königreich der Zwerge, das von den Orks (also den Bösen) erobert wurde und im Verlauf der Geschichte von der Gemeinschaft des Ringes (also den Guten) durchquert werden muss.
Auch dies eine Prüfung, die es zu bestehen gilt und bei der es auf Opferbereitschaft, Gehorsam  und den Zusammenhalt der Gemeinschaft ankommt, um ans Ziel zu kommen. Eine Prüfung,  die in manchen Punkten Parallelen zur biblischen Abraham-Geschichte aufweist, auch wenn hier kein gestrenger Gott eine Rolle spielt. Und auch hier geht die Geschichte am Ende gut aus und die Welt Mittelerdes wird mit der Vernichtung des Ringes gerettet.
Wobei ich mir jetzt nicht sicher bin, ob Tolkin diese Parallelen so beabsichtigt hat, als er den biblischen Namen für diesen Ort gewählt hat, wie er das ja noch öfter in der Geschichte auch mit anderen Orten gemacht hat. Zutrauen würde ich ihm das aber.

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Ein Ort des Schreckens auch das Moria, welches wir heute kennen, jenes Flüchtlingslager auf der griechischen Insel  Lesbos, in dem seit mehr als fünf Jahren über 12.000 Menschen zusammengepfercht sind, obwohl es nicht mal für ein Viertel dieser Menge ausreicht. Unmenschlich und ein Schandmal für die Europäische Flüchtlingspolitik – weit jenseits dessen, was in den Verfassungen fast aller Länder der Europäischen Gemeinschaft oder in Christlichen Werten verankert ist :
Die Würde der Menschen zu schützen und zu wahren und ihre Unversehrtheit zu garantieren.

Ein Wunder fast, wie lange die Menschen das ausgehalten haben, dort eingesperrt  zu sein und in den Köpfen der meisten Europäer allenfalls als Randgruppe vorzukommen oder gar als lästiges Feindbild wahrgenommen zu werden. Wieviel schlimmer müssen wohl die Zuständen in ihren Herkunfts-Ländern sein, wenn sie das Elend von Moria bisher so klaglos ertragen konnten und immer noch dahin streben, wo sie so offensichtlich unwillkommen sind?

Kein Wunder allerdings, dass nun nach dieser langen Zeit das passiert ist, was schon lange befürchtet wurde: Das Lager ist verbrannt, angesteckt wohl von denen, die es da nicht mehr aushalten konnten, vermutlich in der Hoffnung  Tatsachen zu schaffen, die Politik und die Europäer (also uns alle) nun endlich zum handeln zwingen.
Mit dem zweifelhaften Ergebnis, dass nun alle Menschen vor dem Nichts stehen, die dort gelebt haben – ohne Essen, Wasser, Kleidung und Dach über dem Kopf. Und ohne Perspektive, was Ihre Zukunft angeht.Es ist also mehr als überfällig, jetzt endlich etwas zu tun und die Prüfung zu beenden, der die Menschen dort nun schon so lange unterworfen sind

Und gehandelt wird – im Kleinen, weil Kreise und Bundesländer zum wiederholten Mal  spontan anbieten auch grössere Flüchtlingsgruppen aufzunehmen (was vermutlich eine gute Lösung im Sinne auch vieler Bürger wäre, die dem nicht mehr tatenlos zusehen wollen – und auch zügig über die Bühne gehen könnte) – und im Grossen (also auf Bundes- und europäischer Ebene) in dem man mal wieder „miteinander reden“ will (zum wievielten Mal eigentlich?) und vor „einem Vorpreschen Einzelner“ gewarnt wird – was vermutlich auf ein weiteres Aussitzen hinauslaufen wird.
Da wird also gebremst, bis die Hacken qualmen – statt erneut zu sagen:

„Wir schaffen das!“

Eine Schande nicht nur für die Politiker, die sich „Christlich“ nennen (und denen „Nächstenliebe“ dennoch ein Fremdwort ist), sondern auch für uns, die wir in Europa leben, warm und geborgen im Netz einer halbwegs gut funktionierenden sozialen Gemeinschaft. Daran werden auch die 13000 Stühle nichts ändern, die neulich vor dem Bundestag standen, um auf die vergessenen Menschen in Moria aufmerksam zu machen. Ein Mahnmal zwar für uns alle, aber offenbar völlig  ignoriert von denen, die wirklich entscheiden könnten.

Einzige greifbare Ergebnisse bisher:
Griechenland stellt ein paar Wohnschiffe und Zelte zur Verfügung als neue Unterkunft für die Menschen, die nun ohne Hab und Gut auf der Strasse kampieren müssen – und Lebensmittelspenden (nicht mehr als ein Tropfen auf dem heissen Stein) werden von Nicht-Regierungsorganisationen organisiert, weil die Offiziellen sich dazu nicht in der Lage sehen.
Nach einer schnellen und nachhaltigen Lösung sieht das alles nicht aus.

Und die könnte es ja auch nur nur geben, wenn die Politik auf Bundes- und auf der europäischen Ebene endlich ihr Mikado-Spiel aufgibt und zu greifbaren Ergebnissen kommt, ohne Rücksichten auf die Bedenkenträger zu nehmen, die  – obwohl scheinbar in der Minderheit – immer noch das Sagen haben.
Denn „von alleine“ wird es wohl keine Lösung geben und weiteres Warten auf die Nein-Sager macht die Sache nur noch schlimmer.

Also kein grosses Happy End in Sicht  für die Menschen im Moria unserer Tage, ganz anders als damals bei Abraham oder in grossen Fantasy-Romanen, wo am Ende alles gut war.
Kein Happy End, heute nicht und morgen auch nicht.
Fragt sich nur, wohin das noch führen wird.?

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Bleibt aber noch der Gedanke, was ich – was wir – im Kleinen dafür tun können, damit die Menschen in Moria mit ihrer Not nicht alleine bleiben?
Und wenn gar nichts geht, was wir direkt für sie tun könnten, dann gibt es immer noch den Umweg, mit etwas Geld zu helfen in Form einer Spende für Nahrungsmittel, Kleidung oder einen Schlafsack – beispielsweise hier:

Space Eye

Wobei jeder Euro hilft, denn in der Menge kann auch einiges zusammen kommen, wenn jeder nur ein wenig gibt.

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Und gleichzeitig tobt im Netz mal wieder der Mob.
Orks, die jedes Anzeichen von Menschlichkeit vermissen lassen.
Wie üblich, möchte ich sagen, nachdem ich die Kommentare zum Thema nicht nur auf Tagesschau.de gelesen habe, wo es ja noch „relativ“ gesittet zugeht…..

 

In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns
Der Wilhelm


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- 15 Bemerkungen zu “Ein Name – Drei Orte des Schreckens

  1. Es ist zum verrückt werden was da passiert ist.
    Regierungen sind weder in der Lage für das Tierwohl zu sorgen noch für das wohl der anvertrauten Menschen.
    Nach der Berichterstattung bin ich hier wie da geschockt.
    Die Reihenfolge Tier und Mensch habe ich gewählt weil kürzlich erst die Misshandlungen der Tiere uns alle geschockt hat jedenfalls habe ich das so empfunden und jetzt diese ganz neue noch viel schrecklichere Meldung.

    Fassungslosigkei macht sich breit.

    Und im Hintergrund jaulten schreckliche beängstigende Sirenentöne.

    1. Tierschutz und Tierrechte… auch so ein Thema nicht nur im Zusammenhang mit den Mitgeschöpfen, die auf unseren Tellern landen.

      Wobei ich gerade zugeben muss, dass mein persönliches Augenmerk mehr auf unseren Mitmenschen liegt als auf den Tieren – zumal ich glaube, dass es den Tieren wirklich nur besser gehen kann, wenn es vorher allen Menschen gut geht.

  2. Das Elend auf dieser, unserer Erde nimmt kein Ende.Griechenland wird wie ich gelesen habe , keine dieser Flüchtlinge von der Insel , bzw. aus ihrem Land lassen. Denn dann fallen viele Gelder, die von überall herkommen weg. Ich möchte noch viel mehr dazu schreiben, aber ich lasse es, weil ich mich zu sehr aufregen würde.

    1. Geld ist in dem Zusammenhang wohl das grösste Thema – und in jedem Fall ein Argument, mit dem Politiker Punkte machen können.
      Entweder, weil man es einspart, oder weil man sich als grosszügiger Spender präsentieren kann – ohne einen weiteren Gedanken an das zu verschwenden, was eigentlich nötig wäre.

  3. Moria ist der Offenbarungseid der sog. europäischen Werte. Und dieses unwürdige Geschacher darum, ob und wer Menschen von dort aus aufnimmt, ist einfach nur widerwärtig. Schon vor einiger Zeit haben Berlin, Thüringen und auch Hamburg angeboten, Menschen von dort aufzunehmen. Ausgebremst von dem alten senilen bösartigen Seehofer. Nun fällt ihm immerhin sein Parteifreund Müller in den Rücken. Das, was da passiert ist, war mit Ansage. Die Menschen haben es lange ausgehalten unter diese unwürdigen Umständen, jetzt auch noch mit Corona. Mich macht die jetzt zur Schau gestellte Betroffenheit einfach nur wütend. Als die Grünen vor einiger Zeit im Bundestag einen Antrag zur Aufnahme von Menschen aus Moria gestellt haben, haben fast ALLE Abgeordneten von SPD, CDU/CSU und FDP dagegen gestimmt. AfD natürlich sowieso. Die können sich ihre Betroffenheit getrost in den Allerwertesten stecken.

  4. Ich schäme mich zutiefst für unsere so unchristlichen, unmenschlichen, engstirnigen, empathielosen Sesself***er in Berlin und ganz Europa… Ich kann meine Gedanken grad so gar nicht in Worte fassen…

    1. Scham ist auch das , was ich empfinde, wenn ich die Bilder aus Moria sehe – Bilder, die man jedem dieser sogenannten Volksvertreter an die Wand Hängen und auf den Nachtschrank stellen sollte, versehen mit der Frage, ob es das gewesen ist, was sie gewollt haben, als sie in die Politik gegangen sind?

      Aber sicher wäre bei einigen auch dann noch Hopfen und Malz verloren…..

  5. Bei aller Wut und Ohnmacht, ich habe jetzt mal ein paar Taler locker gemacht. Space Eye ist quasi ein Ableger von Sea Eye. Ich denke, da ist das Geld gut aufgehoben. Gerade habe ich gelesen, das die Caritas vom letzten Spendenaufruf erst mal Klopapier gekauft hat…. etwas, was Menschen aus islamischen Ländern nicht benutzen. Und die meisten Flüchtlinge dort sind aus Afghanistan, Syrien und dem Irak….

    1. Dicht daneben ist auch vorbei – nicht nur bei der Caritas, sondern auch beim roten Kreuz, das von seinen Spendengeldern erst mal die Verwaltungskosten und den grossen PR-Apparat bezahlt, der zum Spendensammeln nötg ist. https://der-wilhelm.de/wp-content/plugins/wp-monalisa/icons/wpml_scratch.gif

      1. Das Rote Kreuz kriegt von jeher nicht mal den Dreck unter meinen Fingernägeln. Da geht das Geld nämlich auch mal gerne direkt in die oberen Etagen. Und ausserdem machen die z.B. mit Klamotten richtig Kohle und einheimische Märkte in Afrika kaputt

  6. Juhu, hab eben gelesen, dass Deutschland die unfassbar große Menge von 150 Flüchtlingen aus Moria aufnehmen will… von 12-13.000… was sind wir doch hilfsbereit! Warum ist mir bloß plötzlich so zum Würgen? Kann mal jemand Seehofer in die Ecke schicken zum Schämen? So viel Fremdschämen schaff ich nicht!

    1. Das habe ich auch vorhin gelesen, genau wie Du mit grossem Schamgefühl und Ungläubigkeit.
      Sowas darf doch wohl nicht wahr sein!

      ———–

      Übrigens:
      Herzlich willkommen in meinem neuen Zuhause :-)

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