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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Zitat 16/23: Steter Tropfen

Guten Tag zusammen!

Nein, es lässt mir keine Ruhe, dieses Thema, was ich gestern schon hier aufgeworfen hatte – und ich mag deswegen auch nicht sofort zur üblichen Tagesordnung zurück kommen und Small-Talk machen.

Denn gestern im Lauf des Tages fiel mir ein alter Song-Text von Reinhard Mey wieder ein, der ziemlich genau beschreibt, was ich – neben der Scham für die immer unmenschlicher werdende Flüchtlings-Strategie der EU – gerade auch empfinde:

Ich weiß nicht, was mich dazu bringt
Und welche Kraft mich einfach zwingt
Was ich nicht sehen will, zu seh’n
Was geh’n mich fremde Sorgen an
Und warum nehm ich teil daran
Statt einfach dran vorbeizugehn
Ich schließ die Fenster, schließ die Tür’n
Damit die Bilder mich nicht rühr’n
Doch sie geh’n mir nicht aus dem Sinn
Mit jedem Riegel mehr vor’m Tor
Dringt es nur lauter an mein Ohr
Und unwillkürlich hör ich hin

Aus: „Aber Deine Ruhe findest Du trotz alledem nicht mehr“ von Reinhard Mey

Denn weggucken kann ich einfach nicht – und will ich auch nicht mehr – mit dem Wissen, dass sich das gleiche Drama wie in der letzten Woche schon morgen, in der nächsten Woche oder in den nächsten Monaten wiederholen könnte – oder vielleicht schon jetzt gerade wieder anbahnt…
Und dann wird es wieder Tote geben, wieder Familien, die trauern müssen und wieder betroffenes Schweigen in der Öffentlichkeit – zu dem, wozu man eigentlich nicht schweigen kann.

Weil viele meinen, doch nichts bewegen zu können, gegen den Willen der Politik nicht anzukommen, keine Macht zu haben, etwas zu ändern:

Hab‘ ich mir denn nicht selbst erzählt
Dass meine Hilfe gar nicht zählt
Und was kann ich denn schon allein?
Was kann ich ändern an dem Los
Ist meine Hilfe denn nicht bloß
Ein Tropfen auf den heißen Stein?

Ebenda

Aber, so frage ich mich:
Kann das ein Grund sein, gar nichts zu tun, sich zu ducken und einfach weiter zuzuschauen, wie Menschen sterben?

Oder wäre nicht doch das wenigstens einen Versuch wert, was Reinhard Mey als hoffnungsvolle Perspektive in seiner letzten Strophe vorschlägt?

Und doch kann, was ich tu‘ vielleicht
Wenn meine Kraft allein nicht reicht
In einem Strom ein Tropfen sein
So stark, dass er Berge versetzt
Sagt denn ein Sprichwort nicht zuletzt
Höhlt steter Tropfen auch den Stein

Ebenda

Denn wo einer von uns nichts erreichen mag, kann es die Kraft von vielen vielleicht doch schaffen.
Da bin ich sicher!


Das fängt mit einer kleinen Spende für die Seenotrettung oder die ebenso wichtige entsprechende Lobbyarbeit an
und hört vielleicht mit einem Blogbeitrag (der ausser ein wenig Mühe überhaupt nichts kostet) oder Stellung beziehen auf anderen sozialen Plattformen noch lange nicht auf.

Möglichkeiten zur Mitwirkung gibt es viele – und alles ist besser als einfach zu schweigen und weg zu gucken.
Selbst wenn man meint, damit alleine nichts zu bewirken…

Aber ich will hier auch niemandem Vorschriften oder gar Vorwürfe machen, sondern Euch allenfalls einen kleinen Denkanstoss geben. Schliesslich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er mit dem Thema umgehen mag…..


Dennoch:
Habt einen angenehmen und wohlbehaltenen Tag!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der auch heute den Flüchtlingen auf dem Meer wünscht, dass sie gesund und behütet bleiben mögen und nichts mehr hofft, als dass auch für ihre Probleme endlich menschlichere Lösungen gefunden werden.


-987-

- 9 Bemerkungen zu “Zitat 16/23: Steter Tropfen

  1. Ich kann dich so gut verstehen, das hatte ich dir ja schon zum Ausdruck gebracht – aber ich denke nach wie vor, dass ich nicht viel mehr als spenden kann. Ich habe gleich deinen ersten Link genutzt, denn ich finde diese Arbeit so immens wichtig. Aber wie du sagst, vielen Politikern und noch viel mehr Leuten geht das nicht mehr unter die Haut, denn UNS geht es ja eben noch ZIEMLICH gut, der Klimawandel ist zwar auch schon in Deutschland angekommen und hat durch Brände und Überschwemmungen schon kräftigen Schaden angerichtet, aber eben nur bei wenigen. Die Leute aus dem Ahrtal warten jetzt noch auf tatkräftige Hilfe.
    Und tschüss sagt Clara, die in dieser Situation eher weint und sehr betreten ist als aufschreit.

      1. Es wäre doch eine wirklich gute Sache, wenn sich einige deiner Leser angesprochen gefühlt hätten und an die Seenotrettung gespendet haben. Egal wie viel Geld damit zusammen gekommen ist – es kann helfen, ob viel oder wenig, sei jetzt erst einmal dahin gestellt.

  2. Wir spenden seit Jahren für die Seenotrettung. Früher mal ein kleiner Schein ins „Schiffchen“, heute per Überweisung oder wenn wir an der Küste sind und es ist irgendwo Tag der offenen Tür bei denen, wird vor Ort gespendet oder gekauft. Ich gebe mein Geld und vertrete meine Meinung. Das diese sich z.B. nicht in meinem Blog wiederfindet, hat einfach den Hintergrund, das mich im Moment einfach andere Probleme belasten. Was ich darüber hinaus machen kann, tue ich. Das einzige was ich nicht mache (noch nie gemacht habe), ich gehe nicht auf Demos.

    1. Wenn das so ist, dann ist das so…..

      Wobei ich den Begriff „Seenotrettung“ eigentlich hier so verstanden wissen will, dass damit nicht die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger „gemeint war, sondern Organsitationen wie SeaWatch & Co, die ihre Aufgabe darin sehen, das im Mittelmeer zu übernehmen, was die EU den Flüchtlingen verweigert…
      Beides sicher unterstützenswerte Organisationen – wobei allerdings die DGzRS auch reichlich staatliche Gelder bekommt und auf Spenden eher nicht so angewiesen ist wie die Seenotretter der NGOs im Mittelmeer, die keine anderen Einnahmequellen haben und zudem auch immer wieder einsatzbereite Schiffe wegen politisch gewollter Blockaden verlieren….

      1. Danke für den Einwand, das war mir echt nicht so bewußt. Ich glaube, ich werde meine Spendenbereitschaft für einige Organisationen mal mehr hinterfragen müssen. Man ist einfach immer noch viel zu blauäugig oder wie man schon sagt, was interessiert es mich, was da passiert, ich hab selber mit mir genug zu tun. Dabei sollte man sich bewußt machen, egal wie sehr man über die Regierung schimpft, das wir in einem sicheren Land leben und keiner von uns gezwungen wird, auf so einem Seelenverkäufer zu steigen, um in ein vermeintlich besseres Leben zu schippen. Vermeintlich deshalb, weil man nicht weiß, wo kommt man hin und überlebt man.

        1. Natürlich haben wir alle auch unsere eigenen Probleme, die auf die eine oder andere Art auch existenzbedrohlich sein können – aber dennoch in den allermeisten Fällen ein Leben in unserem Land nicht unmöglich machen.
          Immerhin gibt es prinzipiell genug für jeden zu essen, bis auf wenige Ausnahmen auch ein eigenes Dach überm Kopf und wegen Religion, sexueller Ausrichtung oder politischer Meinung muss man auch nicht um seine Gesundheit oder um sein Leben fürchten. Insofern also geht es uns meistenteils doch ganz gut – verglichen mit den Herkunftsländern der Menschen, die sich auf die Flucht begeben.

          Anderseits aber – und das ist das, was ich an den politische Entwicklungen der letzten Jahre kritisiere – sind es genau diese Dinge, die man den Menschen vehement verweigert, die keinen anderen Ausweg sehen, als vor den Zuständen in ihren Herkunftsländern flüchten. Mit Massnahmen, die in fast allen Ländern der EU strafbar sind (unterlassene Hilfeleistung, Freiheitsberaubung in Flüchtlingslagern, zumindest fahrlässige Tötung, wenn nicht gar Mord durch Push-Backs und bewusstes Verweigern von Hilfe und Asyl usw.usw.)
          Wo bleiben denn da die humanistischen und auch die christlich geprägten Werte, die immer wieder als wesentliches Merkmal europäischer Kultur hochgehalten werden?

          Und das ist dann für mich auch Grund genug, dieses perfide System mit seiner Doppelzüngigkeit nicht zu stützen, sondern durch Spenden und auch durch gelegentliche Hinweise ( wie mit meinen Blogbeiträgen) diejenigen zu unterstützen, die sonst hier keine Lobby haben. Eben in dem Rahmen, in dem ich das kann, wenn schon aus gesundheitlichen Gründen mehr für mich nicht geht.
          Wobei ich früher auch öfter mal auf Demos war und jetzt, als Rentner, gerne auch tätig helfen würde, wenn ich denn könnte.
          Aber was nicht ist, das ist halt nicht.

          ——-

          Und es ist ja auch nicht so, dass ich da nur „in den Wind“ schreibe. Immerhin wurden die beiden Texte zu diesem Thema zusammen bis jetzt schon weit über hundert mal aufgerufen (und gelesen?) wenn auch die Resonanz darauf nicht allzu gross zu sein scheint.
          Aber das habe ich auch nicht erwartet.
          Denn wichtig ist mir vor allem, dass die Menschen auf dem Meer nicht vergessen werden – und vielleicht auch noch, dass manch einer meiner Leser still und heimlich sein Portemonnaie aufmacht und seine Tropfen zum Strom der Hilfe beiträgt, auch wenn er selbst nichts dazu schreiben will oder kann…

        2. Deshalb spenden wir monatlich einen festen Betrag an Ärzte ohne Grenzen, die sich vor allem in den Ländern selber um die medizinische Versorgung kümmern und an United4Rescue, unter deren Regie eines der Rettungsschiffe fährt. Spontan haben wir auch schon an die Heilsarmee für konkrete Projekte oder für die Hotelunterbringung von Obdachlosen gespendet.

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