– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

„Keiner wird leben“ & „Und dann gab’s keines mehr“ – zwei Romane

Aloha zusammen.

Hin und wieder mal ein kleines Novum, sonst wir das Bloggen ja auf Dauer langweilig :-)
Und deshalb gibt es heute mal eine doppelte Buchvorstellung von gleich zwei Autorinnen – aus gutem Grund, wie Ihr gleich erfahren werdet:

Keiner wird Leben
von Loreth Anne White
Und dann gab’s keines mehr
von Agatha Christie

Denn beide Bücher haben (obschon mit zeitlichem Versatz von einem guten dreiviertel Jahrhundert erscheinen) gleich auf mehrfache Art etwas miteinander zu tun, was schon bei der Thematik anfängt:
An einem abgelegenen Ort in einen Buch in der kanadischen Wildnis, im Anderen auf einer einsamen Insel treffen auf Einladung eines „grossen Unbekannten“ eine Reihe einander fremder Menschen aufeinander, die dennoch alle eine Verbindung zueinander haben:
Ein Verbrechen in lange vergangenen Zeiten, von allen verdrängt und verschwiegen, dass nun gesühnt werden soll. Anfangs noch diffus und nur als vager Grund für die Einladung von einigen der Gäste erkannt, dann aber – nachdem es die ersten Toten und Verschwundenen gegeben hat – immer deutlicher in den Vordergrund tretend und mit wechselnden Koalitionen, gegenseitigem Misstrauen und Verdächtigung durchsetzt, wird den übrig gebliebenen klar, dass letztendlich nur einer von Ihnen derjenige sein kann, der auf Rache sinnt.
Wobei man auch als Leser niemals schlauer ist, als die Protagonisten der Geschichte selb
st…

Insofern sind beide Bücher für sich genommen schon richtig spannende Geschichten, die – das eine mehr, das andere weniger – das Lesen lohnen.
Wobei das Neuere der Beiden noch ein zusätzliches Bonmot bereit hält, weil Loreth Anne White in ihrem Buch von 2021 immer wieder auch Anklänge an an das 1939 erstmalig erschienene Werk von Agatha Christie verarbeitet – und dieses Buch auch innerhalb ihrer Handlung einen prominenten Platz einnehmen lässt, der den Protagonisten in der Wildnis auf der Suche nach einer Lösung (und vielleicht auch einer Rettung?) bisweilen recht hilfreich ist, ohne jedoch vordergründig an ihrem Schicksal Grundlegendes zu ändern…
Im Gegenteil, denn oft wirkt diese olle Schmöker (zusammen mit anderen Requisiten und ohne dass Frau White wesentliche Teile der Handlung daraus übernimmt) eher wie ein Omen oder der düstere Hinweis auf eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich im Lauf der Geschichte mehr und mehr zur Wahrheit heraus kristallisiert.

Grund genug also, auch das Buch der Frau Christie nochmal zu lesen, das ich zuletzt als Jugendlicher in der Hand hatte – und auch Anlass, beide Bücher hier gemeinsam vorzustellen.

Allerdings gibt es auch einige Punkte, in denen sich beide Bücher gravierend unterscheiden:
Während Agatha Christie ihre Handlung nur auf den kleinen Personenkreis auf der Insel beschränkt (von denen jeder seine eigene Verfehlung zu verantworten hat), verlagert Loreth Anne White einen grossen Teil ihrer Handlung (um eine alle Protagonisten miteinander verbindende Tat) auf eine immer breiter werdende und äusserst spannende Rahmenhandlung, bei der es gleichzeitig um die Suche nach der Gruppe der Vermissten und um die Aufklärung dessen geht, was ihnen und warum ihnen das passiert ist.


Beginnen wir also mit dem neueren Buch, das mir per se schonmal richtig gut gefallen hat, genauso wie die beiden anderen Thriller von Loreth Ann White, die ich bisher schon gelesen habe:

Wobei es für mich hier gerade die gut recherchierte und immer wieder Überraschungen bereithaltende Rahmenhandlung war, die den grossen Reiz an der Geschichte ausmacht. Denn die ist so konstruiert, dass man sich als Leser mehr und mehr dem Rettungstrupp zugehörig fühlt, der von aussen auf das Geschehen in der Lodge in der Wildnis guckt und aus den polizeilichen Ermittlungen auch einen grossen Teil des Hintergrundwissens bezieht, mit dem schlussendlich alles aufgeklärt wird.

Und so gilt auch hier (wie schon in den anderen Büchern der Autorin) wieder der Satz, dass am Ende doch wieder alles ganz anders ist, als es am Anfang scheint. Denn der (wirklich überraschende) Knalleffekt kommt auch in diesem Buch wieder ganz zum Schluss, selbst wenn man bei Lesen immer mal wieder glaubt, der Lösung schon sehr nahe zu kommen. (und es gelegentlich sogar schon ist, ohne es zu merken)

Deshalb auch für dieses Buch – ohne wenn und aber:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Acht Gäste. Jeder von ihnen hat etwas zu verbergen. Jeder hat etwas zu fürchten.

Das Versprechen auf einen Luxusurlaub in einem abgeschiedenen Resort mitten in der Wildnis hat acht Gäste zusammengebracht. Als ein heftiges Unwetter losbricht und die Gäste von der Außenwelt abschneidet, beginnen sie zu ahnen, dass dies keine Erholungsreise ist, sondern eine Falle. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Jeder hat etwas zu verbergen. Und nun, während sich die Dunkelheit um sie schließt, wird deutlich, dass sie alle etwas zu fürchten haben – vor allem einander.

Mason Deniaud, Ermittler der Mordkommission, und Callie Sutton, Leiterin des örtlichen Such- und Rettungsteams, müssen sich den erbarmungslosen Elementen der Berge stellen, um die Eingeschlossenen zu finden. Doch nicht einmal Mason und Callie ahnen, wie kostbar die Zeit ist. Denn die Gäste der Forest Shadow Lodge werden einer nach dem anderen zur Strecke gebracht.

Amazon

Und nun die „Vorlage“ , die in England zuerst unter dem politisch inzwischen völlig unkorrekten Titel „Ten Little Niggers“ erschien und später auf viel öffentlichen Druck hin umbenannt werden musste:

Ein Schicksal, was auch der deutschen Übersetzung blühte, die zwar schon immer unter diesem Titel lief, aber dennoch im Lauf mehrerer Übersetzungen mehr und mehr „entschärft“ wurde und in der aktuellen Ausgabe sogar einen vorangestellten Disclaimer enthält, der darauf ausdrücklich hinweist.

Wobei ich persönlich die rassistisch anmutende Form des ursprünglichen Titels und den heutzutage ebenfalls anstössig wirkenden Namen der Insel („Nigger Island“) jetzt gar nicht mal so tragisch finde, genausowenig wie die Rollenklischees, die Christie ihren Figuren zugeordnet hat.
Denn im Grunde sind Beides nur ein Spiegel der Zeit, in der das Buch entstanden ist und teils auch nötig, damit die Handlung funktioniert. Und so sollte man sie wohl auch verstehen, ohne der Autorin dabei gleich Böses zu unterstellen.
Anders allerdings, wäre das Buch erst in den letzten Jahren entstanden: Dann wäre ein ordentlicher Shitstorm sicher redlich verdient.

An der Handlung des Buches gibt es derweilen aber wenig auszusetzen, denn die ist mindestens genau so spannend wie in dem neueren Buch.
Und ähnliches gilt auch für die Auflösung am Ende.

Was mir allerdings im direkten Vergleich auffällt, ist die deutlich knappere und straffere Form, die Frau Christie in ihrem Werk verwendet. In kurzen Kapiteln, oft fast nur aus Dialogen bestehend, baut sie ein Szenario, das nicht minder bedrohlich wirkt als in dem breiter aufgestellten und durch ausführliche Beschreibung der Umgebung auch besser illustriert wirkenden Buch der Frau White.
Was sicher eine Geschmacksfrage ist und auf mich anfangs auch etwas störend wirkte, was mir aber im weiteren Verlauf der Geschichte durchaus auch Spass zu machen begann, so dass ich die letzte Hälfte des Buches wirklich in einem Rutsch weg gelesen habe.

Störend dabei allenfalls die Sprache der Übersetzung von Sabine Deitmer (entstanden 2014/2015), die an manchen Stellen viel zu betulich wirkt und fast schon so, als seien als Zielgruppe des Buches mehr Kinder als Erwachsene gemeint, der „grauslichen“ Handlung also eher nicht so angemessen scheint.
Das ist Diana Bürgel, der Übersetzerin von Frau White, wesentlich besser gelungen und für mich auch ein Grund, Frau Christies Buch als Ganzes etwas schlechter zu bewerten:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Zehn Männer und Frauen aus ganz unterschiedlichen Kreisen bekommen eine Einladung, die sie auf eine abgeschiedene Insel vor der Küste Devons lockt. Der Gastgeber, ein gewisser U. N. Owen, bleibt unsichtbar. Erst als die Gesellschaft beim Dinner zusammensitzt, ertönt seine Stimme aus einem alten Grammophon und verheißt Unheil. Ein Gast nach dem anderen kommt zu Tode, während die Verbleibenden verzweifelt versuchen, den Mörder zu enttarnen …

Amazon

Bleibt aber als gemeinsames Fazit für beide Bücher, dass jedes auf seine Art sehr lesenswert war und mir eine Reihe unterhaltsamer Stunden geschenkt hat. Allerdings mit der Anmerkung, dass ich persönlich (so sehr Agatha Christies Buch auch seine Qualitäten hat) mich doch eher zu der moderneren Variante hingezogen fühle, die in mir als Genussleser in ihrer breiteren, erzählerischen Form und ihrer wesentlich gelungeneren Übersetzung einfach besser gefällt.


So, nun aber genug davon für heute :-)
Habt alle einen zauberhaften Rest des Sonntages ohne grosse Mysterien und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der gerade in einer „Thriller-Phase“ ist und wohl noch ein wenig bei dem Genre (und auch bei den Büchern von Loreth Anne White) bleiben wird….


-995-

Einsortiert in: - ausgelesen, historisch, Krimi, Roman