– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Die Morde des Herrn ABC – Roman

Projekt „Acht perfekte Morde“ 3/8

Guten Morgen am Sonntagmorgen!

Um es gleich vorwegzunehmen:
Von diesem Buch war ich nicht sonderlich begeistert, obwohl ich Agatha Christies Grundidee dahinter durchaus brilliant finde und diese Geschichte – die ich tatsächlich zum ersten Mal gelesen habe – auch sehr viel Spannung beinhaltet:

Die Morde des Herrn ABC
Von Agatha Christie

Eine merkwürdige Mordserie erschüttert England, als sich an verschiedenen Orten immer wieder Tote finden, die offenbar alle eines gemeinsam haben: Die Initialen ihrer Vor- und Zunamen sind die gleichen wie der Anfangsbuchstabe der Tatorte – und bei den Toten findet sich auch jedesmal ein „ABC-Fahrplan“ als Erkennungszeichen, mit dem sich der Mörder eindeutig identifiziert, der seine Taten vorab in annonymen Briefen dem grossen Detektiv Hercule Poirot ankündigt, um ihn herauszufordern.

Soweit, so gut.. Oder eben auch nicht.

Denn weitere Teile des Inhaltes sind durchaus vorhersehbar, wenn man vorher irgendwann auch nur eine einzige der Geschichten um Hercule Poirot oder um die sagenumwogene Miss Marple (eine andere Roman-Figur und Titelgeberin in Christies Werken) gelesen hat, die häufig nach dem selben Muster gestrickt sind:

Ein schlauer, beinahe allwissender Detektiv sucht zusammen mit seinem stichwortgebenden Adlatus den Mörder, um der zwar ebenso fleissig wie dümmlich agierenden Polizei helfend unter die Arme zu greifen.

Ein Muster übrigens, das schon weit vorher in Sir Arthur Conan Doyles Romanen um Sherlock Holmes und Dr. Watson auftauchte und bis zum Erbrechen ausgereizt wurde.
Und genauso ist es auch in diesem Buch, das gleich auch noch ein paar andere Stereotypien aus Christies Nähkästchen mit bedient. Allem voran ihre – damals, 1936, wohl zeittypische – Sichtweise auf die Welt mit klaren Perspektiven nach unten und oben:
Während wohlhabende oder gar adelige Menschen immer als nobel und stilvoll dargestellt werden, kommt das einfache Volk („die Unterschicht“- das Wort findet sich in der Übersetzung wiederholt in abwertenden Zusammenhängen) dabei alles andere als gut weg, genau wie Christies Geschlechtsgenossinnen, die meist als der männlichen Intelligenz unterlegen beschrieben werden.
Eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass Christie ja selbst gleichen Geschlechtes ist und zumindest mit Miss Marple ein ganz anders Frauenbild propagiert.

Was aus heutiger Sicht in diesem Buch schon fast skurrile Ausmasse annimmt und zusammen mit dem beinahe karikaturhaft überspitzt dargestellten Habitus der Hauptpersonen diese Form des Romanes noch mehr aus der Zeit gefallen erscheinen lässt.

Poirot als eitler, selbstgefälliger, herablassender Geck, Captain Hastings als sein Adlatus staunend an den Lippen seines Herrn und Meisters hängend und dessen Worte teils mit trockenem Humor kommentierend und – schon erwähnt – Polizisten, die trotz ihres hohen Ranges kaum konstruktives beizutragen haben und sich gelegentlich sogar als Bremsklötze der Handlung erweisen.

Ein Eindruck, an dem im Übrigen auch die altertümliche, scheinbar voll auf Christies Linie gesellschaftlicher Ressentiments liegende Übersetzung (1962 von Gertrud Müller) ihren Anteil hat, wenn beispielsweise kluge und mit beiden Beinen Im Leben stehende 30-jährige Frauen immer wieder herabwürdigend als „Mädchen“ (vulgo „dumme Gänse“) tituliert werden – und weniger wohlhabende Menschen sich heutzutage schon durch die sehr abwertende Wortwahl der Übersetzung zurecht brüskiert fühlen würden. („Unterschicht“ grrr…. )

Dagegen wirkt das halbherzige Lektorat der von mir gelesenen billigen Recycling-Ausgabe von 2007 (das Buch ist in hohen Auflagen in der gleichen Übersetzung vorher schon mehrfach von anderen Verlagen auf den Markt geworfen worden) dann fast noch als Lappalie, wenn es nicht mal gelingt, Titel und Anrede einzelner Personen konsequent von Anfang bis Ende durchzuhalten:

Adlatus und Stichwortgeber Hastings beispielsweise (warum hat der eigentlich einen militärischen Rang???) ist mal „Hauptmann“, mal „Captain“ ohne dass darin eine Regelmässigkeit zu erkennen wäre – und auch bei der Bezeichnung von Geschlechtern wird munter zwischen deutsch und englisch hin und her gewechselt. MIster oder Herr, Mistress oder Frau , Miss oder Fräulein – wen interessierts?

Kurz und gut:
Ein echter Genuss war diese Lektüre für mich jedenfalls nicht, zumal sie mich auch immer wieder reizte, per Textverarbeitung wenigstens die Fehler der Lektorates zu korrigieren.
Mit „Suchen und Ersetzen“ wäre das ja schnell gemacht gewesen B-)

Deshalb reicht es für dieses Buch in dieser Ausgabe auch nur für dreieinhalb Sternchen

und die Anmerkung, dass man es tatsächlich auch aktuell als Ebook kaufen kann. In einer neuen Übersetzung, die hoffentlich in Wortwahl und Lektorat etwas zeitgemässer ist als die von mir gelesene und digitalisierte Ausgabe….

-_-_-_-

Der Klappentext:

»Monsieur Hercule Poirot – Sie lösen doch die heiklen Fälle, denen unsere schwerfällige englische Polizei nicht gewachsen ist, oder Sie brüsten sich jedenfalls damit, nicht wahr? Jetzt wollen wir einmal sehen, kluger Mr. Poirot, wie klug Sie sind! Vielleicht ist sogar Ihnen diese Nuss zu hart. Richten Sie ihr Augenmerk auf Andover am 21. dieses Monats. Vorzügliche Hochachtung, ABC«

Er mordet in alphabetischer Reihenfolge: Nach Alice Ascher aus Anford und Betty Barnard aus Bexhill-on-the-Sea ist Carmichael Clarke aus Churston sein Opfer. Und jedes Mal findet Scotland Yard einen aufgeschlagenen ABC-Fahrplan in der Nähe der Leiche. Ist der Mörder einfach ein Psychopath, ein verrückter Serienkiller? Will er der Polizei beweisen, wie überlegen er ihnen ist? Hercule Poirot braucht nicht weiter als bis zum Buchstaben «D» um zu erkennen, was das wahre Motiv des Täters ist.

Klappentext des Fischer Taschenbuches von 2007

Habt alle einen erholsamen Tag und bleibt gesund und behütet
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

schon in den nächsten Krimi eingetaucht……..


-1095-

„Keiner wird leben“ & „Und dann gab’s keines mehr“ – zwei Romane

Aloha zusammen.

Hin und wieder mal ein kleines Novum, sonst wir das Bloggen ja auf Dauer langweilig :-)
Und deshalb gibt es heute mal eine doppelte Buchvorstellung von gleich zwei Autorinnen – aus gutem Grund, wie Ihr gleich erfahren werdet:

Keiner wird Leben
von Loreth Anne White
Und dann gab’s keines mehr
von Agatha Christie

Denn beide Bücher haben (obschon mit zeitlichem Versatz von einem guten dreiviertel Jahrhundert erscheinen) gleich auf mehrfache Art etwas miteinander zu tun, was schon bei der Thematik anfängt:
An einem abgelegenen Ort in einen Buch in der kanadischen Wildnis, im Anderen auf einer einsamen Insel treffen auf Einladung eines „grossen Unbekannten“ eine Reihe einander fremder Menschen aufeinander, die dennoch alle eine Verbindung zueinander haben:
Ein Verbrechen in lange vergangenen Zeiten, von allen verdrängt und verschwiegen, dass nun gesühnt werden soll. Anfangs noch diffus und nur als vager Grund für die Einladung von einigen der Gäste erkannt, dann aber – nachdem es die ersten Toten und Verschwundenen gegeben hat – immer deutlicher in den Vordergrund tretend und mit wechselnden Koalitionen, gegenseitigem Misstrauen und Verdächtigung durchsetzt, wird den übrig gebliebenen klar, dass letztendlich nur einer von Ihnen derjenige sein kann, der auf Rache sinnt.
Wobei man auch als Leser niemals schlauer ist, als die Protagonisten der Geschichte selb
st…

Insofern sind beide Bücher für sich genommen schon richtig spannende Geschichten, die – das eine mehr, das andere weniger – das Lesen lohnen.
Wobei das Neuere der Beiden noch ein zusätzliches Bonmot bereit hält, weil Loreth Anne White in ihrem Buch von 2021 immer wieder auch Anklänge an an das 1939 erstmalig erschienene Werk von Agatha Christie verarbeitet – und dieses Buch auch innerhalb ihrer Handlung einen prominenten Platz einnehmen lässt, der den Protagonisten in der Wildnis auf der Suche nach einer Lösung (und vielleicht auch einer Rettung?) bisweilen recht hilfreich ist, ohne jedoch vordergründig an ihrem Schicksal Grundlegendes zu ändern…
Im Gegenteil, denn oft wirkt diese olle Schmöker (zusammen mit anderen Requisiten und ohne dass Frau White wesentliche Teile der Handlung daraus übernimmt) eher wie ein Omen oder der düstere Hinweis auf eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich im Lauf der Geschichte mehr und mehr zur Wahrheit heraus kristallisiert.

Grund genug also, auch das Buch der Frau Christie nochmal zu lesen, das ich zuletzt als Jugendlicher in der Hand hatte – und auch Anlass, beide Bücher hier gemeinsam vorzustellen.

Allerdings gibt es auch einige Punkte, in denen sich beide Bücher gravierend unterscheiden:
Während Agatha Christie ihre Handlung nur auf den kleinen Personenkreis auf der Insel beschränkt (von denen jeder seine eigene Verfehlung zu verantworten hat), verlagert Loreth Anne White einen grossen Teil ihrer Handlung (um eine alle Protagonisten miteinander verbindende Tat) auf eine immer breiter werdende und äusserst spannende Rahmenhandlung, bei der es gleichzeitig um die Suche nach der Gruppe der Vermissten und um die Aufklärung dessen geht, was ihnen und warum ihnen das passiert ist.


Beginnen wir also mit dem neueren Buch, das mir per se schonmal richtig gut gefallen hat, genauso wie die beiden anderen Thriller von Loreth Ann White, die ich bisher schon gelesen habe:

Wobei es für mich hier gerade die gut recherchierte und immer wieder Überraschungen bereithaltende Rahmenhandlung war, die den grossen Reiz an der Geschichte ausmacht. Denn die ist so konstruiert, dass man sich als Leser mehr und mehr dem Rettungstrupp zugehörig fühlt, der von aussen auf das Geschehen in der Lodge in der Wildnis guckt und aus den polizeilichen Ermittlungen auch einen grossen Teil des Hintergrundwissens bezieht, mit dem schlussendlich alles aufgeklärt wird.

Und so gilt auch hier (wie schon in den anderen Büchern der Autorin) wieder der Satz, dass am Ende doch wieder alles ganz anders ist, als es am Anfang scheint. Denn der (wirklich überraschende) Knalleffekt kommt auch in diesem Buch wieder ganz zum Schluss, selbst wenn man bei Lesen immer mal wieder glaubt, der Lösung schon sehr nahe zu kommen. (und es gelegentlich sogar schon ist, ohne es zu merken)

Deshalb auch für dieses Buch – ohne wenn und aber:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Acht Gäste. Jeder von ihnen hat etwas zu verbergen. Jeder hat etwas zu fürchten.

Das Versprechen auf einen Luxusurlaub in einem abgeschiedenen Resort mitten in der Wildnis hat acht Gäste zusammengebracht. Als ein heftiges Unwetter losbricht und die Gäste von der Außenwelt abschneidet, beginnen sie zu ahnen, dass dies keine Erholungsreise ist, sondern eine Falle. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Jeder hat etwas zu verbergen. Und nun, während sich die Dunkelheit um sie schließt, wird deutlich, dass sie alle etwas zu fürchten haben – vor allem einander.

Mason Deniaud, Ermittler der Mordkommission, und Callie Sutton, Leiterin des örtlichen Such- und Rettungsteams, müssen sich den erbarmungslosen Elementen der Berge stellen, um die Eingeschlossenen zu finden. Doch nicht einmal Mason und Callie ahnen, wie kostbar die Zeit ist. Denn die Gäste der Forest Shadow Lodge werden einer nach dem anderen zur Strecke gebracht.

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Und nun die „Vorlage“ , die in England zuerst unter dem politisch inzwischen völlig unkorrekten Titel „Ten Little Niggers“ erschien und später auf viel öffentlichen Druck hin umbenannt werden musste:

Ein Schicksal, was auch der deutschen Übersetzung blühte, die zwar schon immer unter diesem Titel lief, aber dennoch im Lauf mehrerer Übersetzungen mehr und mehr „entschärft“ wurde und in der aktuellen Ausgabe sogar einen vorangestellten Disclaimer enthält, der darauf ausdrücklich hinweist.

Wobei ich persönlich die rassistisch anmutende Form des ursprünglichen Titels und den heutzutage ebenfalls anstössig wirkenden Namen der Insel („Nigger Island“) jetzt gar nicht mal so tragisch finde, genausowenig wie die Rollenklischees, die Christie ihren Figuren zugeordnet hat.
Denn im Grunde sind Beides nur ein Spiegel der Zeit, in der das Buch entstanden ist und teils auch nötig, damit die Handlung funktioniert. Und so sollte man sie wohl auch verstehen, ohne der Autorin dabei gleich Böses zu unterstellen.
Anders allerdings, wäre das Buch erst in den letzten Jahren entstanden: Dann wäre ein ordentlicher Shitstorm sicher redlich verdient.

An der Handlung des Buches gibt es derweilen aber wenig auszusetzen, denn die ist mindestens genau so spannend wie in dem neueren Buch.
Und ähnliches gilt auch für die Auflösung am Ende.

Was mir allerdings im direkten Vergleich auffällt, ist die deutlich knappere und straffere Form, die Frau Christie in ihrem Werk verwendet. In kurzen Kapiteln, oft fast nur aus Dialogen bestehend, baut sie ein Szenario, das nicht minder bedrohlich wirkt als in dem breiter aufgestellten und durch ausführliche Beschreibung der Umgebung auch besser illustriert wirkenden Buch der Frau White.
Was sicher eine Geschmacksfrage ist und auf mich anfangs auch etwas störend wirkte, was mir aber im weiteren Verlauf der Geschichte durchaus auch Spass zu machen begann, so dass ich die letzte Hälfte des Buches wirklich in einem Rutsch weg gelesen habe.

Störend dabei allenfalls die Sprache der Übersetzung von Sabine Deitmer (entstanden 2014/2015), die an manchen Stellen viel zu betulich wirkt und fast schon so, als seien als Zielgruppe des Buches mehr Kinder als Erwachsene gemeint, der „grauslichen“ Handlung also eher nicht so angemessen scheint.
Das ist Diana Bürgel, der Übersetzerin von Frau White, wesentlich besser gelungen und für mich auch ein Grund, Frau Christies Buch als Ganzes etwas schlechter zu bewerten:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Zehn Männer und Frauen aus ganz unterschiedlichen Kreisen bekommen eine Einladung, die sie auf eine abgeschiedene Insel vor der Küste Devons lockt. Der Gastgeber, ein gewisser U. N. Owen, bleibt unsichtbar. Erst als die Gesellschaft beim Dinner zusammensitzt, ertönt seine Stimme aus einem alten Grammophon und verheißt Unheil. Ein Gast nach dem anderen kommt zu Tode, während die Verbleibenden verzweifelt versuchen, den Mörder zu enttarnen …

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Bleibt aber als gemeinsames Fazit für beide Bücher, dass jedes auf seine Art sehr lesenswert war und mir eine Reihe unterhaltsamer Stunden geschenkt hat. Allerdings mit der Anmerkung, dass ich persönlich (so sehr Agatha Christies Buch auch seine Qualitäten hat) mich doch eher zu der moderneren Variante hingezogen fühle, die in mir als Genussleser in ihrer breiteren, erzählerischen Form und ihrer wesentlich gelungeneren Übersetzung einfach besser gefällt.


So, nun aber genug davon für heute :-)
Habt alle einen zauberhaften Rest des Sonntages ohne grosse Mysterien und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der gerade in einer „Thriller-Phase“ ist und wohl noch ein wenig bei dem Genre (und auch bei den Büchern von Loreth Anne White) bleiben wird….


-995-

Einsortiert in: - ausgelesen, historisch, Krimi, Roman

Bonjour, Saint Ex! – Roman

Guten Morgen liebe Lese-Freunde!

Hmm…..
Bei diesem Buch weis ich nicht so recht, was ich damit nun anfangen soll, auch wenn die Geschichte weiten Teilen eine eher simple ist, weitgehend auf realen Fakten beruht und bis auf ihren ziemlich surrealistisch anmutenden Mittelteil durchaus eingängig und gut lesbar für mich war:

Bonjour, Saint Ex!
Von Jörg H.Trauboth

Denn ich habe so meine leise Zweifel, ob es „legitim“ ist, sich auf diese Art und Weise dem Mysterium um den Tod von Antoine de Saint-Exupéry (dem wortgewaltigen Autor einiger Fliegerbücher und nicht zuletzt auch dem poetischen Schöpfer des „Kleinen Prinzen„) nähern, der im Juli 1944 als Soldat auf einem Einsatzflug über dem Mittelmeer verschollen ist.
Einem Mysterium, das in der Realität zum Teil entzaubert wurde, als kurz vor der Jahrtausendwende ein Fischer Saint-Exupéry’s silbernes Armband in seinem Netz fand, daraufhin ein paar Jahre später sein abgestürztes Flugzeug in der Nähe von Marseille im Mittelmeer gefunden wurde und noch ein paar Jahre später ein ehemaliger Kampfflieger der deutschen Luftwaffe behauptete, ihn dort abgeschossen zu haben, ohne dass es Belege in irgendeiner Form dafür gegeben hätte, wie man auf Wikipedia nachlesen kann

Und es ist genau dieses Mysterium, um die herum der Autor – selbst Pilot und ehemaliger Offizier – seine Geschichte aufbaut. In Ich-Form geschrieben aus der Sicht eines fiktiven Sohnes des angeblichen Todesschützen, den im Nachhinein Gewissensbisse plagten, weil er am Tod des grossen Autors schuldig war.
Was der Sohn, selbst auch Pilot und Saint-Exupéry-Fan, zum Anlass nimmt, den letzten Flug des grossen Franzosen nochmal nachzufliegen, wohl in der Hoffnung, Saint-Ex und damit der Geschichte seines inzwischen verstorbenen Vaters ein Stück näher zu kommen….

Wobei man im ersten Teil des Buches tatsächlich (und gut aufbereitet) Einiges über Saint-Exupéry und sein nicht immer ganzgradlinig verlaufenes Leben erfährt und ergänzend dazu auch, unter welchen Umständen sein letzter Flug zustande kam, obwohl er eigentlich schon viel zu krank zum Führen seines (gerade dieses) Flugzeuges(typs) war und ihn die komplizierte Technik des hochgezüchteten Fluggerätes überforderte…

Im zweiten Teil des Buches (der so surreal wirkt) kommt es dann während dieses Erinnerungsfluges zu einer wundersamen Begegnung, als plötzlich neben dem Flugzeug des Ich-Erzählers ein zweites Flugzeug auftaucht, das sich tatsächlich als das verschollene Flugzeug Saint-Exupéry’s entpuppt, an dessen Steuer der Erfinder des kleinen Prinzen selbst sitzt und „von Pilot zu Pilot“ ein Gespräch mit dem Sohn seines vorgeblichen Mörders aufnimmt..

Woran ja eigentlich nicht auszusetzen wäre – an der Geschichte nicht und auch an ihrem zweiten Teil nicht -, würde nicht Trauboth Saint-Exupéry bei dieser Gelegenheit Worte in den Mund legen, die zwar genauso so poetisch klingen wie die Weisheiten aus dem kleinen Prinzen, mir aber doch eher Trauboths Wunschvorstellungen zu entsprechen scheinen, wie er sie schon von Anfang des Buches an seinem Helden, dem Ich-Erzähler in den Mund legt.

Das kann man sicherlich so machen, und es entspricht auch der dichterischen Freiheit, aber ich frage mich schon, ob es dem grossen, hier förmlich auf einen Podest gestellten „Saint-Ex“ in all seinen Facetten und damit auch in seinen Zweifeln wirklich gerecht wird?

-_-_-_-

Ganz sicher nicht gerecht wird es dem (auch schon lange verstorbenen) ehemaligen deutschen Kampfpiloten und vorgeblichen Todesschützen Horst Rippert, dessen Rolle in der Geschichte fast gar nicht zur Sprache kommt (ausser in Form des angesprochenen Schuldkomplexes), der aber auch in anderen Dingen eher „dubios unterwegs war“ und bezüglich seines Lebenslaufes wohl auch immer wieder zu schönfärberischen Übertreibungen geneigt hat…..

Und so bleibt für mich bei diesem Buch trotz aller Spannung der Handlung und einigen sehr poetisch wirkenden Passagen doch ein leicht bitter Beigeschmack…
Deshalb reicht es für mich auch nur zu einer eher mässigen Wertung:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Am 31. Juli 1944 hebt der physisch und psychisch angeschlagene Kriegspilot Major Antoine de Saint-Exupéry auf dem Flugplatz Bastia-Borgo (Korsika) mit einem Aufklärungsflugzeug ab und kehrt nicht mehr zurück. Ein deutscher Jagdpilot gibt an, ihn abgeschossen zu haben. Jahrzehnte später fliegt Fabian, der Sohn des Jagd­piloten, die Route seines Idols, Major „Saint-Ex“, nach. Am Himmel über Frankreich wird Fabian mit seinem Flugzeug in ein Universum jenseits von Raum und Zeit geschleudert. An seiner Seite erscheint ein mysteriöser Flügelmann und beginnt mit ihm ein sehr persönliches Gespräch …

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Und dennoch:
Habt alle einen feinen Tag, freut Euch schon mal aufs lange Feiertagswochenende – und bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der gerade zwar (animiert durch diese Lektüre) mal wieder den kleinen Prinzen vor der Nase hat, aber vermutlich nicht darüber schreiben wird.

Was sollte dabei schliesslich auch herauskommen, was nicht auch schon viele andere darüber geschrieben haben?


-957-

Lenin kam nur bis Lüdenscheid – Autobiographie

Guten Abend zusammen!

Anfangs fand ich ja noch ganz lustig, was Richard David Precht aus seinem jugendlichen Leben berichtet, aber je weiter ich in diesem Buch vorankam, um so unerquicklicher und wirrer wurde es für mich – bis irgendwann, etwa hundert Seiten vor Schluss der Punkt erreicht war, wo ich die Lektüre entnervt abgebrochen habe:

Lenin kam nur bis Lüdenscheid
von Richard David Precht

Dabei hätte die Geschichte vielleicht auch das Zeug zu einer guten Satire gehabt, wenn Precht seine witzig-liebevolle Linie vom Anfang weiter verfolgt und nicht zunehmend weltanschauliches Geschwurbel hineingemixt hätte

Denn es ist schon eine besondere Welt, die er da beschreibt als Kind von Eltern, die versuchen ihre stark links gerichtete, ja bisweilen sogar marxistische Einstellung im kleinbürgerlich-konservativen Umfeld des westfälischen Solingens zu leben, als Intellektuelle mit auskömmlichen Einkommen zwischen Mietwohnungen und Eigenheim und dabei fast jedes Klischee bedienend, was man sich in dem Zusammenhang nur vorstellen mag.
Was den Autor und auch seine Geschwister gelegentlich in heftige innere Konflikte stürzt, wenn es darum geht, auf der einen Seite der elterlichen Weltanschauung gegenüber loyal zu sein und diese auch der Aussenwelt gegenüber zu vertreten – und dem anderseits mehr als verstehbaren Wunsch, einfach so zu sein wie alle anderen , statt sich ständig in einer Aussenseiterrolle zu befinden…

Das traurige daran: leider ist das keine Satire, sondern beruht wohl auf realen Erfahrungen des Autors, die ich bis zu einem gewissen Punkt sogar nachvollziehen kann als jemand, der in einem streng christlichen, wenn auch deutlich liberaleren Umfeld aufgewachsen ist, sich aber dennoch gelegentlich in einer ähnlichen Aussenseiterrolle wiederfand.
Denn im Unterschied zu Precht hatte ich zmindest ab einem gewissen Punkt auch immer eine Wahlmöglichkeit und wurde nicht dazu genötigt, Dinge zu vertreten, die ich damals weder verstanden noch als mir eigen betrachtet habe.

-_-_-_-

Und das ist es auch, was mir an diesem Buch so missfällt:
Dass der Autor viele Aspekte einer Jugend zwar kritisch beleuchtet (und offenbar auch häufig darunter gelitten hat), aber wohl zu keiner Zeit ernsthaft dagegen opponiert und eine eigenständige Weltsicht dagegen setzt… denn zumindest darüber schreibt er nichts.
Dabei wäre es doch ganz natürlich gewesen (so sagt mir zumindest meine Erfahrung sowohl mit meinen Eltern als auch mit meinen eigenen Kindern), sich davon zu emanzipieren und eigene Wege zu suchen. Aber an diesen Punkt kommt es in diesem Buch gar nicht – und er deutet sich auch nicht an bis zu der Stelle, wo ich die Lektüre abgebochen habe.
Stattdessen scheint es eher so, dass Precht vieles von dem als Erwachsener einfach stumpf übernimmt und als gegeben setzt, was seine Eltern ihm auf teils fragwürdige Rat und Weise vorgelebt haben und was ihm vorher zumindest Anlass zu zaghaftem Zweifel gab….

Bleibt also die Frage, was Precht seinen Lesern mit diesem Buch vermitteln will, das von einer Welt erzählt, die mir viel fremder scheint als die, welche Marion Brasch in ihren Erinnerungen an ihre Jugend in der DDR beschreibt – obwohl ich mit Precht im selben Land und in derselben Gegenwart gelebt habe und manche seiner Erfahrungen sogar teilen kann?
Mir zumindest erschliesst sich das nicht, zumal meine Weltsicht sicher auch eine ganz andere ist als die teils sehr misanthropisch geprägte des Herrn Precht, die ja auch heute noch in seinen „philosphischen“ Ansichten durchscheint – gut zwei Jahrzehnte nach Erscheinen des Buches und vermutlich auch immer noch in dem verhaftet, was er als Kind erlebt und später aufgeschrieben hat.

(Woraus ich ihm nicht mal einen Vorwurf mache – schliesslich haben wir ja auch ganz unterschiedliche Erfahrungen und politisch-weltanschauliche Sozialisationen)

Dennoch reicht es für mich auch nicht für mehr als gerade mal die halbe Punktzahl, weil ich das Buch in seiner Gesamtheit als ziemlich unausgegoren empfinde und es mir – gemessen an der Profession des Autors – auch viel zu einseitig und unkritisch in seiner weltanschaulichen Schwarz-Weiss-Malerei erscheint.

-_-_-_-

Der Klappentext:

Die Biographie einer Dekade – erzählt als Familiengeschichte: klug, einfühlsam und amüsant führt Richard David Precht durch seine linke Kindheit in den Siebzigern.

Lenin kam nur bis Lüdenscheid, bis Solingen ist er nie gekommen. Aber in den Zeltlagern der DKP in Lüdenscheid war die Weltrevolution schon geglückt. Liedermacher sangen von der großen Solidarität zwischen Kindern und Erwachsenen, man feierte den »Internationalen Tag des Kindes«, und die Schauspieler des Jugendtheaters »Rote Grütze« trugen Unterhemden mit aufgemalten Brüsten und redeten über Pipi. Geboren 1964 als Kind westdeutscher Linker im provinziellen Solingen, lernt Richard David Precht schon früh, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, zwischen Sozialismus und Faschismus. Und er wächst auf mit einem klaren Feindbild: den USA. Coca-Cola ist zu Hause ebenso verpönt wie Ketchup, »Flipper«, »Daktari« oder »Raumschiff Enterprise «, dafür gibt es aber das Grips Theater und Lieder von Degenhardt und Süverkrüp. Seine Eltern sind noch engagierter als viele ihrer Zeitgenossen – sie adoptieren zwei Kinder aus Vietnam und schicken ihren Nachwuchs ins Jugendkulturzentrum der SDAJ. Prechts Kindheits- und Jugenderinnerungen sind eine durchaus liebevolle Rückschau auf ein politisches Elternhaus, die bei allen Altersgenossen vertraute Erinnerungen an die Leidenschaften eines vergangenen Jahrhunderts wachrufen werden. Amüsant, nachdenklich und mit dem Gespür für die prägenden Details erzählt er das Gegenstück zur bürgerlichen Jugend der »Generation Golf«.

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Habt noch einen schönen Abend und ein schönes Wochenende – und bleibt gesund und behütet.
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich nun wieder erfreulicherer Lektüre zuwendet…..


-939-

Der Skandal um die Hitlertagebücher – Reportage/Dokumentation

Moin zusammen!

Und noch eins vom grossen Stapel, das schon länger dort rumlag und das ich nun aus gegebenen Anlass „mal eben dazwischen geschoben habe“. Ganz einfach, weil es mich interessiert hat, nochmal genauer nachzulesen, wie das damals vor vierzig Jahren war mit einem der grössten Skandale der deutschen Pressegeschichte.

Der Skandal um die Hitler-Tagebücher
von Michael Seufert

Zum Inhalt werde ich diesmal nicht viel schreiben, da ich denke, dass die meisten von Euch damals genauso verwundert wie ich mitverfolgt haben, wie ein grosses und für seine gute Recherchearbeit bekanntes Magazin einem durchgeknallten Reporter und seiner Räuberpistole von den Tagebüchern des grössten Verbrechers aller Zeiten aufgesessen ist (und fast 10 Millionen Mark dafür in den Sand gesetzt hat), die ein grossartiger Fälscher aus verschiedensten Quellen für ihn zusammengebastelt hatte.
Insofern verweise ich an dieser Stelle einfach mal auf den Klappentext am Ende des Beitrages

Und so liest sich diese bis ins letzte Detail aufgerdröselte Geschichte im Gesamtkontext des Buches zwar insgesamt recht spannend, hat aber auch merkliche Längen und „glänzt“ gelegentlich mit Wiederholungen, die eigentlich unnötig gewesen wären, etwa im ständigen Herumreiten auf dem Verhalten der Chefetage von Gruner&Jahr ( des dahinter stehenden Verlages) und der Chefredaktion mit Henry Nannen an der Spitze, die im NAchhinein sehr unglücklich agierte….
Zumal das Buch auch keine neuen Fakten auf den Tisch bringt, sondern im Grunde nur noch einmal zusammenfasst, was damals schon jeder von uns in der Zeitung gelesen hatte und viele von uns in groben Zügen wahrscheinlich auch nach der langen Zeit noch präsent haben.

Deshalb mein Fazit:
Kann man lesen, muss man aber nicht gelesen haben!

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Der Klappentext:

Die Fälschung des Jahrhunderts
Am 25. April 1983 präsentierte der STERN der staunenden Öffentlichkeit seinen Sensationsfund: die Hitler-Tagebücher. Nur kurze Zeit später entpuppten sie sich als Fälschung, und der größte Presseskandal der Bundesrepublik war geboren. Aber wie konnte es dazu kommen? Michael Seufert, damals Redakteur beim STERN, war dabei, und er kennt alle Beteiligten. Schonungslos und detailliert berichtet er, warum ausgerechnet im Fall Hitler-Tagebücher alle normalen Kontrollmechanismen beim STERN versagten. Michael Seufert ist die persönliche und ungemein spannende Aufarbeitung einer wahren Geschichte gelungen, die vor allem von Machtgelüsten, Geheimhaltungswahn und Karrieren, von Blindheit und der Gier nach dem großen Geld handelt.

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In diesem Sinne:
Habt alle ein feines Wochenende und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der bei diesem Buch das Gefühl hatte, dass es inzwischen ziemlich angestaubt und deutlich aus der Zeit gefallen ist….


-932-

Die Offenbarung – Roman

Tagchen , liebe Bücherfreunde!

Nach Schlafes Bruder ist dies nun der zweite Roman des Östereichers Robert Schneider, den ich gelesen habe:

Die Offenbarung
von Robert Schneider

Und wieder geht es um Musik, genauer gesagt um ein Spätwerk von Johann Sebastian Bach, dass kurz nach der Wende von einem Organisten in Naumburg in den Tiefen eines Orgelgehäuses gefunden wird.
Ein Werk, dass es wahrlich in sich hat mit einer Musik, die zum einen eine Essenz des Bach’schen Schaffens darstellt und zum Anderen auf vorher nie gekannte Art komponiert wurde: Denn die Musik, die sich textlich am letzten Kapitel der Bibel orientiert – der Offenbarung des Johannes – ist wahrhaft apokalyptisch und soll die Hörer in die tiefsten Tiefen des eigenen Ichs führen, damit sie ihre Schuld erkennen…

Und drum herum rankt sich die Geschichte des Organisten Jakob Kemper, einer mehr oder weniger verkrachten Existenz, der sich schon in vielem versucht hat und jedesmal gescheitert ist – im beruflichen. wie im privaten:
So wollte er ursprünglich ein Musikvirtuose sein, dann Komponist und Dirigent, um schlussendlich ein eher amateurhafter Musikwissenschaftler zu werden, der sich mehr schlecht als recht mit Klavierstunden durchschlägt und sich nebenher ehrenamtlich als Organist betätig, obwohl er mit „Glaube“ und „Kirche“ eigentlich nichts am Hut hat… .

Und auch im Privaten läuft es für ihn nicht so richtig rund :
Mit einem Nazi als übermächtigen Vater und einer früh verstorbenen Mutter findet er auch in der Familie keine rechte Unterstützung , wobei es zum völligen Bruch kommt, als sein Vater auch noch seine erste Liebe heiratet, in die Jakob grosse Hoffnungen gesetzt hat, wie auch in seine aktuelle Angebetete, die sich aber nach Jakobs Zögern ebenfalls anderweitig liiert.
Und dann ist da ja auch noch der in Kindertagen verunglückte Bruder, dessen Tod mit vielen Fragezeichen im Raum steht….

So also die Situation, als der völlig frustrierte Jakob Kemper das alte Manuskript in die Hände bekommt und in Konkurrenz zu den durchwegs aus Wessies bestehenden und sehr arroganten Vertretern der berühmten Bachgesellschaft zu studieren beginnt, ohne zu ahnen, was es damit auf sich hat. (Denn damit hätte er vielleicht die Chance, doch noch als grosser Wissenschaftler anerkannt zu werden.)
Und so kommt, was kommen muss:
Jakob durchlebt beim Eintauchen in diese sehr mysteriöse Musik ein wahres Wechselbad der Gefühle und kommt körperlich und seelisch an die Grenzen seines Ichs, bevor er sich entschliessen kann, das Manuskript doch noch aus der Hand zu geben.


Doch überraschend:
Auch die Vertreter der Bachgesellschaft wollen es nach einer ersten Euphorie eigentlich nicht. Denn es könnte ja ihr mühsam errichtetes und teils aus blossen Fiktionen bestehendes Gebäude der Bach’schen Musik-Theorie und -Historie zum Einsturz bringen….

Ziemlich verworren, die Geschichte!
So könnte man jedenfalls meinen, zumal darin immer wieder eine ganze Menge Dinge beinahe parallel passieren und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (in Form von Wünschen des Protagonisten) nicht immer klar von einander abgegrenzt scheinen.
Und doch ist es anders, als es scheint, auch wenn die teils recht mysteriöse Geschichte sich wirklich erst auf den letzten Seiten aufklärt, auf denen Johann Sebastian Bach selbst als griesgrämiger alter Mann noch seinen grossen Auftritt bekommt – eine gehörige Portion Situationskomik inklusive.
Denn damit erweist sich zum guten Schluss alles als folgerichtig, was vorher in dem Buch passiert ist.

Aber auch ohne dieses (für mich völlig unerwartete) Schlusskapitel hat dieser Roman eine Menge unterhaltsamer und teilweise auch lehrreicher Facetten. Denn man erfährt darin Einiges über Musikgeschichte im allgemeinen und Johann Sebastian Bach im Besonderen sowie auch über die Welt der Musikwissenschaften und das Verhältnis von Ost und West in den Jahren nach dem Mauerfall – eingebettet in eine Handlung, die mit viel Humor erzählt wird und auch für sich alleine genug Spannung aufweist, dass es schwer ist, das Buch aus der Hand zu legen, wenn man sich erst einmal darin zurecht gefunden – will sagen: die ersten, mit ihren Sprüngen recht chaotisch anmutenden Kapitel überstanden – hat. Denn damit macht der Autor es einem nicht so ganz leicht, den Einstieg in die Geschichte zu finden…

Deshalb reicht es für mich auch nicht so ganz zur vollen Punktzahl, obschon mir dieses Buch ansonsten wirklich viel Spass gemacht hat:

Denn das hätte auch ganz anders laufen können, wenn das Buch mich „auf dem falschen Fuss“ erwischt hätte….

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Der Klappentext:

Das Mysterium der Musik.

Am Heiligabend des Jahres 1992 entdeckt der Naumburger Organist Jakob Kemper im morschen Gehäuse der Kirchenorgel ein unbekanntes Oratorium von Johann Sebastian Bach: ein Jahrhundertfund, der sein Leben völlig aus der Bahn wirft. Je genauer der eigenbrötlerische Musikforscher und Organist die Melodien analysiert, desto Unerklärlicheres trägt sich zu. Bald ahnt er, dass die Partitur ein Geheimnis birgt: Sie ist nicht allein Musik, sondern vermag Erinnerungen an Vergangenes, Verdrängtes und Zukünftiges zu beschwören. Bach schien am Ende seines Lebens eine Art kosmisches Gesetz entdeckt zu haben, an dem die Seele des Menschen gesunden kann – oder in die tiefste Verzweiflung stürzen.

Noch hält Kemper seinen Fund geheim. Doch dann treffen vier Experten der Bachgesellschaft ein – sie überwachen die Restaurierung der Orgel, auf der Bach selbst einmal gespielt hat – und die Geschichte nimmt einen rasanten Lauf …

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Habt noch einen schönen Rest des Tages und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der Wetter das schöne Wetter schon genutzt und wieder eine nette kleine Rollertour gemacht hat B-)


-918-

Schlafes Bruder – Roman

Moin zusammen!

Ja, das war schon etwas merkwürdiges mit diesem Buch, bei dem der Titel offenbar auch Omen ist:

Schlafes Bruder
von Robert Schneider

Denn mehr als zehn, maximal auch fünfzehn Seiten davon am Stück zu lesen, ohne dabei einzuschlafen, das schaffe ich einfach nicht. Und so war es auch schon damals, in den Neunzigern, als die Verfilmung in den Kinos lief und ich es zum ersten mal lesen wollte. Dabei erzählt es doch eine durchaus phantastische und auch nicht unspannende Geschichte, die in weiten Teilen das Zeug zum epischen Drama hat und dabei teils auch recht robust zu Sache geht:

Johannes Elias Alder wird als leiblicher Sohn des liebestollen Dorfpfarrers Anfang des 19.Jahrhunderts in einem kleinen Dorf in Vorarlberg geboren, wo die meisten Bewohner miteinander verwandt sind und nur zwei Nachnamen haben. Seine Mutter, verheiratet mit einem Bauern, lehnt ihn deswegen ab und sperrt ihn sogar über Jahre hinweg ein, als er sich im Alter von fünf Jahren durch ein visionäres Erlebnis körperlich rasant zu verändern beginnt und eine beinahe übernatürliche Steigerung seiner Hörfähigkeit erfährt, die ihn im weiteren zum Aussenseiter des Dorflebens macht. Denn er hört Dinge, die andere Menschen nicht hören – wie etwa den Herzschlag seiner ungeborenen Cousine, in den er sich im Alter von fünf Jahren verliebt . Und er entwickelt gleichzeitig (und im Dorf lange unerkannt) ein musikalisches Talent, wie es das auf der Welt nur alle paar hundert Jahre mal gibt….
Doch das ändert sich nach einem grossen Brand im Dorf, während dessen Verlauf Elias auch erfährt, in wessen Herzschlag er sich verliebt hat und nachdem er, der in heimlichen nächtlichen Übungen das Orgelspiel erlernt hat, schon in Jungen Jahren zum Nachfolger des Organisten wird.
Elias bleibt zwar Aussenseiter mit äusserst merkwürdigen und geckenhaften Verhaltensweisen, wird aber respektiert und in gewisser Weise anerkannt, während sich seine Liebe zu seiner heranwachsenden Cousine Elsbeth zum Dilemma entwickelt, nachdem sich ihr Bruder Peter in Elias verliebt und sie aus Eifersucht zu einer anderweitigen Heirat gedrängt hat…..
Und so nimmt das Drama seinen Lauf bis hin zu einem beinahe furiosen Ende, als Elias beschliesst nicht mehr zu schlafen, weil „man ja nicht liebt, wenn man schläft“

Wobei dem Autor tatsächlich das Kunststück gelingt, seine Leser vermittels seiner teils archaisch wirkenden, mit vielen und leider auch manchmal unverständlichen Dialektausdrücken durchsetzten Sprache und seiner absolut authentisch wirkenden Szenerie des Dorflebens beim Lesen mitten hinein in Ort und Zeit der Handlung zu versetzen – als staunenden und mitfiebernden Beobachter, der an manchen Stellen mehr weis als die handelnden Personen und so auch Ereignisse voraus zu ahnen glaubt, ohne dass sie im späteren Verlauf wirklich eintreffen müssen. Dabei bleiben Fokus und Empathie meist beim Protagonisten Elias und dessen Sicht auf eine Welt, die ganz anders ist, als sein inneres Erleben, während viele Nebenfiguren eher undeutlich und unscharf bleiben, obwohl auch sei treibende Kräfte der Handlung sind.

Was vielleicht auch der Grund sein mag, dass man (ich) dieses in vielfacher Hinsicht sehr besondere Buch nicht an einem Stück lesen konnte, sondern manchmal auch Mühe hatte der Handlung zu folgen – bzw., wie oben schon beschrieben, gelegentlich auch darüber eingeschlafen bin.

Was aber manchmal auch an meinem bevorzugten Lese-Setting (gemütlich liegend im Bett) gelegen haben mag :wacko:

Trotzdem habe ich es gerne gelesen – und diesmal sogar bis zum bittersüssen Ende…

Bleibt noch – wie immer – ein Fazit in Form einer „Sternebewertung“, mit dem ich mich diesmal allerdings ein wenig schwer tue. Denn Handlung und Form der Geschichte begeistern mich sehr, während ich mit dem Stilmittel der Sprache (und insbesondere mit den teils unverständlichen Dialektausdrücken) manchmal so meine Probleme hatte und gelegentlich regelrecht „daran hängen geblieben bin“ – weshalb ich auch vermute, dass dies auch für andere Leser gelten und manchen den Genuss dieses Buches herzlich vermiesen mag, obwohl seine Lektüre durchaus lohnend wäre.
Und deshalb reicht es diesmal auch nur für vier Sterne, obwohl die Handlung eigentlich die volle Punktzahl verdient hätte:

-_-_-_-

Der Klappentext der von mir gelesenen E-Book -Ausgabe:

»Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen.«
So beginnt der Debütroman von Robert Schneider, mit dem ihm vor 30 Jahren ein literarischer Welterfolg gelang. Der Auftaktsatz nimmt die Geschichte über das Leben eines Genies in der Enge eines österreichischen Bergdorfs vorweg: Schon als Kind ist der 1803 geborene Elias Außenseiter, sein außergewöhnlich scharfes Gehör und sein musikalisches Talent sorgen bei den Dorfbewohnern für Aufsehen und Argwohn. Die unerfüllte Liebe zu seiner Cousine Elsbeth quält ihn im Laufe der Jahre, und sie treibt ihn an. Bei einem Orgelwettbewerb in Feldberg improvisiert Elias über den Bach-Choral »Komm, o Tod, du Schlafes Bruder« und entfacht eine ungeahnt starke Wirkung auf sein Publikum und sich selbst.

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Euch allen einen Feinen Tag (und bleibt gesund und behütet)
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der zur Abwechslung jetzt mal wieder etwas aus unserer Zeit liest…..


-890-

Das Parfum – Roman

Guten Morgen!

Für meinen Krankenhausaufenthalt hatte ich mir als Lektüre ja einige „Klassiker“ zum Wieder-mal-Lesen auf meinen E-Book-Reader geladen, darunter auch dieses Buch, das ich kurz nach seinem Erscheinen in den achtzigern zum ersten Mal gelesen hatte.

Das Parfum
von Patrick Süskind

Damals – das erinnere ich noch gut – hab ich es förmlich verschlungen und während zweier ruhiger Nächte im Nachtdienst fast in einem Rutsch durchgelesen. Aber das wollte mir diesmal irgendwie nicht gelingen und ich bin im Krankenhaus schon nach ein paar Seiten stecken geblieben, weil einfach zu viel anders um mich herum war – allerdings, nicht ohne mich mit dem Hören eines langen Podcasts auch weiter damit zu beschäftigen, in dem Süskinds Buch ausgesprochen kontrovers diskutiert wird und man u.A. zu der (wohl eher scherzhaft gemeinten) Meinung kommt, dies sei eines der „widerlichsten“ Bücher ever. ;-)

Ganz so schlimm fand ich das Buch allerdings doch nicht, als ich es in den letzten Tagen hier zu Hause endlich zu Ende gelesen habe, obwohl ich zugebe, dass es schon manchmal den sprichwörtlichen stabilen Magen braucht, um Süskinds seitenlange und wirklich gut ausgemalte Beschreibungen mancher eher unappetitlichen Gerüche geniessen zu können, die sicher einen wesentlichen Teil der Geschichte ausmachen und nicht unerheblich dazu beitragen, sich in die Person des Protagonisten hinein versetzen zu können:

Denn erzählt wird die Geschichte des Jean-Baptiste Grenouille, der in der Mitte des 18.Jahrhunderts am „stinkendsten Ort der Welt“ geboren wird – nämlich zwischen den Fischabfällen des Pariser Fischmarktes – und nach dem Tod seiner Mutter zunächst als Pflegekind hin- und hergeschoben und später als Helfer eines Gerbers sein Leben fristet, bis er aufgrund seiner besonderen Fähigkeit unzählige Düfte zu erkennen und nachbauen zu können zum Lehrling eines kurz vor dem Bankrott stehenden Parfümeurs avanciert und dort zum ersten mal mit der Möglichkeit in Kontakt kommt, Gerüche zu extrahieren und zu konservieren.
Was ihm, dem Jean-Baptiste, eine völlig neue Welt erschliesst und sich im Wunsch manifestiert, ein echtes „Super-Parfum“ zu kreieren, dass die Welt um ihn herum verändern und ihn selbst, den unscheinbaren und eigengeruch-losen Aussenseiter, zum akzeptierten Mitglied der Gesellschaft machen soll.
Und dafür ist er auch bereit über Leichen zu gehen, besonders über die junger Frauen, deren Körpergeruch er für einen der Grundbausteine seiner geplanten Kreation hält…
.

Wobei – zugegeben – Süskinds Schilderungen an manchen Stellen des Textes wirklich drastisch sind und der Blick in Jean-Baptists Innenleben bisweilen ziemlich düster wirkt.

Dennoch war die Lektüre in ihrer Gesamtheit wie schon beim ersten Lesen auch jetzt für mich wieder ein echter Genuss, zum einen der sehr bildhaften und bisweilen humoristisch bis witzig ausschmückenden Sprache und der wirklich spannenden Geschichte wegen, zum anderen aber auch, weil man beim Lesen tatsächlich auch einiges über die Techniken der Parfumherstellung lernt, was ich persönlich durchaus interessant finde.

(Ähnlich wie in Stefan Schmorttes „Enthüllung der Welt„, in der es ja u.a. auch um Optik und die Entdeckung von Mikroorganismen geht)

Und deshalb wäre mir dieses Buch eigentlich die volle Punktzahl wert, wenn auch mit einer kleinen Einschränkung:

Verglichen mit dem Rest des Buches fällt der Text am Ende im letzten Teil ziemlich stark ab und wirkt auf mich mit seiner knappen Sprache eher wie hektisch angeschustert. Also so, als ob der Autor froh gewesen sei, die Geschichte endlich zu einem Ende bringen zu können.
Das finde ich ein wenig schade – und deshalb ziehe ich auch einen halben Stern ab.

-_-_-_-

Der sehr knapp gehaltene und beinahe nichts sagende Klappentext der von mir gelesenen E-Book-Ausgabe:

Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Die spannende Geschichte – märchenhaft, witzig und zugleich fürchterlich angsteinflößend – vom finsteren Helden Grenouille.

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Da hätte man sich wohl mehr Mühe geben können :-(


Habt alle einen feinen und hoffentlich sonnigen Sonntag – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wihelm,

der lesetechnisch schon einen weiteren „Klassiker“ der achtziger Jahre vor der Nase hat……


-879-

Hau – Roman

Hallo und einen guten Morgen alle miteinander!

Nachdem dieses Buch ja neulich schon mal Thema war, weil es mir nicht gelingen wollte, es zu digitalisieren möchte ich nun wenigstens noch ein paar Worte zum Inhalt verlieren:

Zwar „offiziell“ ein Roman, aber auch wieder eine Nacherzählung eines wahren Kriminalfalles aus dem Jahr 1906, als so im weitesten Sinne ebenfalls „True Crime“, wie auch schon die letzten Bücher, die ich hier vorgestellt habe:

Denn im Prinzip handelt es sich dabei um eine Dreiecksgeschichte zwischen dem jungen aufstrebenden und sehr grossprecherischen Rechtsanwalt Carl Hau aus eher einfachen Verhältnissen und die zwei Töchter des verstorbenen und sehr wohlhabenden Medizinalrates Molitor aus Baden-Baden, in deren Verlauf dessen Witwe unter misteriösen Umständen ums Leben kommt.
Was man Carl Hau anlastet, dem unterstellt wird, seine Schwiegermutter aus Habgier ermordet zu haben, nachdem er aufgrund seines grosspurigen Lebens in ständigen finanziellen Schwierigkeiten ist und sich im Vorfeld des Mordes sehr merkwürdig verhalten hat, ohne dies begründen zu können.
Und so kommt, was kommen muss:
Hau wird gegen alle Unschuldbetreuerungen nur aufgrund von Indizien zunächst zu Tode verurteilt, später aber zu lebenslänglich Zuchthaus begnadigt und Mitte der Zwanziger Jahre aus der Haft entlassen, nachdem es seinem Anwalt nach vielen Versuchen gelungen ist, eine Wiederaufnahme des Falles zu erreichen.
Wobei allerdings immer im dunkeln bleibt, was sich in der Mordnacht wirklich ereignet hat.

Sicher Stoff für eine spannende Geschichte, die ich deshalb auch unbedingt lesen wollte, auch wenn sich das als teilweise recht mühsam erwies.

Nicht wegen des Inhaltes, sondern vor allem, weil ich lesen von Papier nun so gar nicht mehr gewohnt bin.

Dennoch hat sich die Lektüre dieses Buches durchaus gelohnt, zumal der Autor seinen Text kalleidoskopartig aufgebaut hat, mit wechselnden Perspektiven aus Sicht der beteiligten Personen und auch immer wieder mit heftigen, aber thematisch gut durchdachten Zeitsprüngen und eingefügten Zitaten von Briefwechseln und Gerichtsprotokollen, so dass ich mich als Leser förmlich aufgefordert gefühlt habe, mir am Ende ein eigenes Urteil zu bilden:

War Carl Hau der Mörder oder war es es nicht – und war die Verurteilung nun ein Fehlurteil oder war sie es nicht?

Fragen, auf die ich Euch meine Antwort allerdings vorenthalten möchte (wie auch der Autor kein Urteil fällt), falls jemand von Euch dieses Buch auch noch lesen will…
Denn diese Lektüre kann ich wirklich nur empfehlen: Gut geschrieben, gut zu lesen und spannender als die meisten Thriller!
Deshalb auch in diesem „Fall“:

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Der Klappentext der von mir gelesenen Taschenbuchausgabe:

Korsika, Mai 1901: Ein junger Mann im Leinenanzug, die Jacke über der Schulter, schlendert lässig über den weiten Strand. Zwei junge Frauen, Schwestern, folgen ihm mit den Blicken. Die eine, Lina Molitor, wird mit ihm fliehen, ihn heiraten, nach Amerika gehen.
Karlsruhe, sechs Jahre später: Der junge Mann, Karl Hau, steht vor Gericht. Er soll seine Schwiegermutter ermordet haben. Lina nimmt sich das Leben. Auf die Menschen in der badischen Provinzstadt wirkt Hau verstörend: selbstsicher, arrogant, hochintelligent, ein Hochstapler, Frauenheld und Verschwender, und zugleich ein liebevoller Familienvater. Obwohl er die Tat immer bestreitet, wird er zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Haft begnadigt. 1924 kommt er frei und verfaßt zwei heißumstrittene Bestseller über seinen Fall.
In einem mitreißenden Roman, der das Innerste seiner Figuren ausleuchtet, hat Bernd Schroeder die Geschichte eines rätselhaften Kriminalfalles geschrieben, eines der großen Sensationsprozesse im letzten Jahrzehnt des Deutschen Kaiserreiches. Der Roman entwirft ein ungeheuer dichtes Zeitbild, und selten kommt ein Autor so dicht an den Charakter von Menschen, die in ihrem Netz aus Liebe und Verrat, Verbrechen und Strafe zugrunde gehen.

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Habt alle einen zauberhaften Tag und ein erholsames Wochenende
– und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich lesetechnisch jetzt mal eine kleine Auszeit gönnt……


-868-

Der Fall Arbogast – Roman

Guten Morgen zusammen!

Krimis schreiben kann er also auch, der Thomas Hettche!
Wobei die Bezeichnung „Krimi“ im Falle dieses Buches dennoch nicht ganz zutreffend ist:

Der Fall Arbogast
Von Thomas Hettche

Denn für die Geschichte, welche dieses schon 2001 erschienene Buch behandelt, gibt es – ähnlich wie in Pfaueninsel und Herzfaden auch wieder eine reale Vorlage, an die der Autor sich weitgehend hält und um die herum er die Handlung seines Roman aufbaut:

Den historischen Kriminalfall um Hans Hetzel , der in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgrund eines Justizirrtumes zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt wird und sechzehn Jahre unschuldig in Haft sitzt, bis in einem aufsehenerregenden Prozess Ende der 60er Jahre durch neue Gutachten von Gerichtsmedizinern seine Unschuld bewiesen werden kann.

Und das auf wirklich grandiose Art und Weise in der Rolle eines distanzierten Erzählers, der beinahe emotionslos und ohne jegliche Wertung die realen Fakten des Falles Hetzel mit einer fiktiven Handlung um seinen Protagonisten Abrogast, den Schriftsteller Sarrazin , den Anwalt Klein und die in Ost-Berlin lebende Gutachterin Lavan verknüpft und daraus eine wirklich spannende Geschichte macht, die nicht nur eine Anklage auf Justiz und die Zustände im Strafvollzug jener Zeit darstellt, sondern mich als Leser auch immer wieder zu der Frage führte, wie ich selbst wohl Schuld oder Unschuld des Hans Abrogast beurteilt hätte.

Was Hettche durch zwei Kunstgriffe erreicht:

Zum einen stellt er der eigentlichen Handlung des Buches auf den ersten Seite eine Schilderung der kurzen Liebesgeschichte und dem daraus folgenden heftigen sexuellen Abenteuer zwischen Hans Abrogast und seinem „Opfer“ Marie Gurth voraus, die durch ihr Verhalten beide eigene Anteile am später als eher unfallhaft erscheinenden Geschehen haben – und zum Anderen ist die folgende Geschichte von erster Gerichtsverhandlung, Abrogasts Haftzeit und den Ereignissen um ein Wiederaufnahmeverfahren herum streng chronolgisch aufgebaut, so dass man als Leser (obschon man den Ausgang der Geschichte ja kennt) eigentlich nie mehr weiss als die handelnden Personen und auch die Zweifel teilt, die dadurch bei allen Beteiligten immer wieder auftauchen.

Zumal auch die vorausgeschickte und teils eher unappetitliche Schilderung der eigentlichen Tat einige (möglicherweise auch von eigenen Moralvorstellungen geprägte) Interpretationsspielräume lässt, obschon sie wirklich nur reine Fakten erzählt.

Was mir beim Lesen (also im chronologischen Verlauf der Handlung) sowohl die ursprüngliche Verurteilung als auch den späteren Freispruch als zum jeweiligen Zeitpunkt beinahe zwingend und plausibel erscheinen lies, auch wenn am Ende die Frage nach der Schuld des Hans Abrogast nicht wirklich geklärt erscheint und offen bleiben muss….

Alles in allem also ein wirklich tolles Buch, dass es mir wieder einmal schwer machen wird, ähnlich guten Lesestoff als Anschluss zu finden. Deshalb auch hier:

-_-_-_-

Der Klappentext, dessen letzten Satz ich wirklich nur bestätigen kann zumal das Buch auch eine gewisse „Mitschuld“ daran trägt, dass ich gestern hier nichts geschrieben habe…..:

Nur Hans Arbogast weiß, was damals wirklich geschah – am Abend jenes Spätsommertags 1953, als die junge Anhalterin Marie Gurth zu ihm in sein Borgward Coupé stieg. Das Gericht folgt dem Plädoyer des Oberstaatsanwalts: lebenslanges Zuchthaus für den »Lustmörder«.
Die Geschichte einer leidenschaftlichen Begegnung und ein Stück deutscher Justiz- und Nachkriegsgeschichte aus den Jahren 1953 bis 1969, zwischen Schwarzwald und Tessin, Frankfurt und Ostberlin. Thomas Hettches Roman erzählt eine Liebesgeschichte, deren Kehrseite der Tod ist, von einem Vertreter für Billardtische, dem das Zuchthaus in vierzehn Jahren zur zweiten Haut wird, von Publizisten, Anwälten und einer Gerichtsmedizinerin aus der DDR – von Menschen, die sich alle in den Fall Arbogast verstricken, in die bleibende Frage nach Unschuld oder Schuld.

»Ein Buch über eine Liebe, die die Welt nicht versteht. Man bleibt schlaflos, bis man zu Ende gelesen hat.« Buchjournal

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Habt alle einen feinen und friedvollen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

wieder einmal auf der Suche nach neuem Lesestoff…….


-858-