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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Liebevolle Rituale und undenkbare Gedanken

Mein zuletzt gelesenes Buch hat mich doch nachhaltig beeindruckt – so nachhaltig, dass es mir momentan etwas schwer fällt, mich auf ein neues Lesethema einzustellen:

Der Grund dafür ist weniger, das es nun „schwere Kost“ gewesen wäre (was es nicht war) – als vielmehr, das ich zwischen der Hauptfigur (Henry) und mir immer wieder Parallelen entdeckt habe, die mich abschweifen liessen und Anlass zu weiterem Nachdenken geben – teils bei ganz alltäglichen Dingen, teils aber auch bei tiefer gehenden Überlegungen, die er gedanklich anstellt, um sein Leben zu meistern.

So sind Henry (genau wie mir)  die täglichen Rituale sehr wichtig, die das Zusammenleben mit Emily (seiner Frau) prägen und er vermisst sie sehr, wenn die beiden mal nicht zusammen sind.
Beispielsweise in dieser, uns sicher allen bekannten Situation:

„Sie konnten nicht auseinandergehen, ohne «Ich liebe dich» zu sagen, ein Ritual, das inzwischen fast eine Vorsichtsmaßnahme war, als würden sie sich vielleicht nicht wiedersehen.“

Ein Satz, bei dem ich mich unwillkürlich grinsend bei dem Gedanken ertappt habe, dass es mir genau so geht, denn man weis ja nie…
Wobei nach menschlichem Ermessen eigentlich nichts schlimmes passieren kann und Henry (auch wieder genau wie ich) die Welt mit viel Gottvertrauen betrachtet und den Glauben an einen guten Ausgang der Dinge nie aufgibt. Bis auf die kurze Momente, die ihm einen Stich ins Herz versetzen, weil die Frage

„Was wäre wenn?“

sich nicht mehr verdrängen lässt.
Ein Gedanke übrigens, der Henry im Lauf des Buchs immer wieder beschäftigt, schon aufgrund seines und Emily’s Alters und der Krankheiten, die beide haben.

Nun sind Henry und Emily zwar um einige Jahre älter als meine Liebste und ich, aber den Gedanken „Was wäre wenn?“ haben wir beide wohl auch schon gehabt.
Im Geheimen und jeder für sich, wie Henry das für sich handhabt, aber auch schon mal offen und zusammen  überlegend, was wirklich sein könnte, wenn das „Unvorstellbare“ eintreten sollte. Zumindest ansatzweise haben wir da schon über vieles geredet, manchmal im Scherz, manchmal aber auch sehr ernsthaft, aber doch nie bis in die letzte Konsequenz hinein.
Wobei wir realistisch genug sind zu erkennen, dass es noch ein sehr weiter Weg ist bis zu unserer goldenen Hochzeit, die wir uns beide ganz am Anfang unserer Beziehung als gemeinsames Ziel vorgenommen haben. Ein Wunschtraum, den zu erreichen schwer möglich sein wird, wenn er nicht ganz und gar unerreichbar bliebt, weil einer von uns die Kraft nicht mehr hat.
Und das ist – leider- wohl das wahrscheinlichere Szenario, wie auch, dass einer den anderen überleben wird – womit sich die Frage auftut, was mit dem wird, der „übrig bleibt“ – der Punkt übrigens, an dem auch Henry  scheitert, weil er jeden weiteren Gedanken darüber für undenkbar hält -zumindest bezogen auf seine eigene Person:
Er mag sich nicht – und er kann sich wohl auch nicht – mit dem Gedanken befassen, was wäre, wenn er selbst derjenige wäre, der Emily überlebt. Mehr als diffusen Nebel vermag er da nicht zu sehen, wenn er versucht sich das vorzustellen – verbunden mit einem ängstlichen-vorahnenden Gefühl des „Alleine-gelassen-werdens“, welches ihm schon seit Kindertagen bekannt ist. Ein Gefühl, dass er immer wieder schnell zu unterdrücken versucht, in dem er sich in Aufgaben flüchtet, die ihm näher liegen (und auch das kenne ich nur zu gut).

Anders jedoch, wenn er beginnt, über seinen eigenen Tod nachzudenken: Da plant er vor, achtet darauf, dass es Emily an „nichts fehlen soll“ und sieht selbst seine eigene Beerdigung sehr pragmatisch:

„Wie die Beerdigung gehörte ein Geburtstag nicht einem selbst, sondern war für die Menschen bestimmt, die einen liebten. Warum sich dem Unvermeidlichen widersetzen?“

Allerdings nicht, ohne sich darüber hinaus auch Sorgen um Emily zu machen, obwohl er im grossen und ganzen zuversichtlich ist, dass sie ohne ihn wohl besser zurecht kommen würde als er ohne sie  – dabei aber ausser Acht lässt, dass ihr sehr wohl etwas fehlen wird, nämlich er selbst.

Und an dieser Stelle kommen die beiden anderen Bücher der Reihe ins Spiel, bei denen insbesondere das zweite Buch (welches gut zehn Jahre später einsetzt und sich mit Emily beschäftigt) zeigt, dass Henry mit seiner Überlegung  in Bezug auf Emily wohl Recht gehabt hatte, aber gleichzeitig  auch ein Defizit offenbart, welches beide zusammen in ihrer Beziehung hatten. Nicht reden zu können über das, was unvermeidlich kommen würde: das Sterben und die Zeit danach.

Obschon Emily nach aussen hin gut mit Henrys Tod zurecht kommt und auch die Trauer um ihn gut verarbeitet zu haben scheint, gibt es in ihrem Leben immer wieder Momente der Sehnsucht und das bittere Gefühl, manches nicht zu Ende besprochen zu haben, ja sogar unvorbereitet gewesen zu sein auf die Einsamkeit und die Lücke, die er hinterlassen hat. Ein Vorwurf an ihn, der gelegentlich in ihren Gedanken wabert und nicht zu Ende gedacht, geschweige denn ausgesprochen wird, aber doch zeigt, dass die beiden sich keinen Gefallen damit getan haben, einander schonen zu wollen, indem sie dieses Thema weitgehend ausgespart haben und jeder nur versucht hat, alleine damit klar zu kommen.
Auch das wieder eine Parallele, die mir zu denken gibt, obschon ich glaube, das wir (die Liebste und ich) da ein kleines Stück weiter sind als Henry und Emily:

Nicht dass es akut einen Anlass gäbe, aber wenn es so kommt, dass einer alleine bleibt (alleine bleiben muss), dann könnte es doch hilfreich sein, sich darauf gemeinsam vorzubereiten. Nicht heute, nicht morgen und ganz sicher nicht in einem einzigen Gespräch, aber ganz langsam, peu-a-peu und ohne etwas übers Knie zu brechen?
Denn wenn wir alle Sorgen  gemeinsam tragen, warum also nicht auch dann, wenn es um dieses schwierige Thema geht?
Zumal wir wissen, was kommen wird – unvermeidlich, irgendwann….

Ich jedenfalls würde mir das wünschen (nicht nur meiner Ängste wegen) und ich glaube zu wissen, dass meine Liebste das auch tut.
Nur dass es noch keiner offen ausgesprochen hat…..

-_-_-_-

Noch eine Bemerkung zum Schluss:
Ja, ich weis, es ist ein schwieriges Thema, was ich Euch da gerade zugemutet habe – und ich war mir auch nicht sicher, ob ich es Euch zumuten kann, obschon es mich nicht erst seit  ein paar Tagen bewegt. Keine grau gefärbten  „Novembergedanken“ also – und das Buch war auch nicht die Initialzündung dazu, sondern „nur“ ein Anlass, meine Gedanken in Worte zu fassen, die  – zugegeben – auch nicht frei von Ängsten sind.
Aber wer hätte die nicht bei diesem Thema?

Ich danke Euch fürs lesen und auch – falls ihr Lust habt – für Eure Kommentare dazu  – in denen ihr mir gerne auch mitteilen dürft, dass es Themen gibt, die man besser ruhen lassen sollte. Denn ich kann auch verstehen, wenn jemand sich nicht damit auseinandersetzen möchte.


Und dennoch:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns.
Der Wilhelm.


-68-

- 25 Bemerkungen zu “Liebevolle Rituale und undenkbare Gedanken

  1. Ich finde es gut, wenn man sich auch mit solchen Themen befasst. Ob man dann so damit umgehen kann, wie man es sich vorher ausgemalt hat, steht auf einem anderen Blatt. Ich finde es wichtig, auch zu wissen, was der andere will, was man gemeinsam will. Für mich gibt es da verschiedene Szenarien.. was ist, wenn einer von uns plötzlich aus dem Leben gerissen wird, sei es durch Krankheit, Auto-oder Rollerunfall. Anders ist für mich das gemeinsame alt werden, was ist, wenn wir beide nur noch zuhause sitzen und auf den Pflegedienst warten. Und da gibt es für mich eben auch noch eine Variante….
    Es ist ein Thema, das man nicht ausblenden sollte, genauso wenig wie das Thema alt und gebrechlich werden.

  2. Bei mir gibt es keinen Partner, ich lebe als Single. Ich habe eine Sache, die habe ich bis heute noch nicht geschafft: ich schaffe es nicht, mein Testament zu machen. Ich habe den aberwitzigen Gedanken, wenn ich es gemacht habe, werde ich sterben. Dabei möchte ich, dass mein „Vermögen“ einer ganz bestimmten Institution zugute kommt. Noch habe ich keine Lösung dafür gefunden, wie ich das händeln soll.
    Alles Liebe von einer ratlosen Maksi

      1. Ich weiß, ich weiß … deshalb wäre es mir ja so wichtig. Nur, wie überwinde ich meinen Aberglauben(?)? In meinem Kopf ist alles klar – wie ich beerdigt werden möchte, wo ich beerdigt werden möchte, wer das erledigen soll und wer denn den Rest vom Besitz erhält.

        1. Da kann ich Dir leider auch nicht helfen. Ich kenne aber einige Leute, die ihr Testament gemacht haben und danach noch sehr lange gelebt haben.. mein Großvater zum Beispiel

        2. Maksi, vielleicht ist es für dich eine Überlegung wert Dich rechtlich beraten zu lassen wie Dein letzter Wunsch formuliert und aufbewahrt wird, dass er wirklich in die richtigen Hände kommt.

          1. Es geht hierbei wohl mehr um meinen Aberglauben, den ich bekämpfen muss, Christel. Das reale Wissen um eine Sache ist die eine Seite, die verqueren Gedanken darum eine andere. Leider!

            1. Lb. Maksi, ja da hatte ich dich richtig verstanden. Manchmal braucht man äußere Klarheit um innere Gedanken zu überwinden und zu handeln.

              (Ich habe einige Berichte im Fernsehen über die Vererbung von Besitztümern gesehen und gestaunt was damit alles so passiert nach dem Tod eines Menschen)

  3. Ich finde das Thema nicht schwierig, sondern wichtig. Viktor und ich, wir sind beide über sechzig, reden oft darüber. Wir wissen, wie der jeweils andere seine Beerdigung, in unserem Fall, Beseeung wünscht, wir haben über Strategien gesprochen, wie es für den der Zurückbleibt weitergehen könnte. Beide finden wir solche Gespräche trostreich. Dazu kommt, dass ich noch nie ein Problem mit dem Thema Tod hatte. Die Auseinandersetzung damit begann schon in meiner Kindheit, auch habe ich einige Menschen in ihren letzten Stunden begleitet und auch den Hinterbliebenen geholfen. Eines weiß ich allerdings auch, es wird immer etwas ungesagt bleiben. Es wird nie genug Zeit sein. Alles Liebe

    1. Wir wissen auch, wie wir beerdigt werden wollen. Wir wollen beide in einen Friedwald. Und wir haben uns auch schon über ein gemeinsames bewußtes Ableben Gedanken gemacht. Ja, es wird nie alles gesagt sein können. Bei meinem Vater habe ich erlebt, das eigentlich alles offen geblieben ist, aber auch damit bin ich leidlich klar gekommen, weil ich mich innerlich darauf vorbereitet hatte.

  4. Wenn dieses Thema nicht jetzt angesprochen wird – wann dann. Gerade zu Corona-Zeiten ist es ungemein wichtig, sich mit dem eventuellen „danach“ auseinanderzusetzen.
    Das fängt doch schon an, wenn einer von uns in diesen Corona-Zeiten in die Klinik kommen sollte- ich habe das im Umfeld nun dreimal miterleben müssen – der Klinikpatient wurde nicht mehr lebend gesprochen (Besuchsverbote) – es war also keine Zeit, sich zu verabschieden oder noch das ein oder andere zu klären….
    Mein Mann will sich auch nicht intensiv damit befassen, weil er immer hofft, dass er zuerst gehen muss/kann/darf. Und ich weiß, dass ich einen großen Umzug planen werde, wenn ich übrig bleiben sollte.
    Wir haben ein Testament und wir haben vor allem die Patientenverfügung und aktuell darüber gesprochen, dass wir nicht an Maschinen angeschlossen werden wollen – auch nicht jetzt, obwohl wir uns schon noch mindestens 20 weitere gemeinsame! Lebensjahre wünschen…
    Selbst mit unserem Jüngsten – Mitte 30 – haben wir verschiedene Eventualitäten durchgesprochen – so wissen wir, was er möchte, falls er plötzlich versterben oder schwer erkranken sollte – ich denke, das ist gerade bei einem Single sehr wichtig.
    Natürlich ist eine tatsächliche Situation immer nochmals ein anderes Szenario, das man sich nicht bis ins Letzte „ausdenken“ kann, aber ich habe trotzdem die Hoffnung, dass es uns nicht völlig unvorbereitet treffen wird, falls einer den anderen „übrig lässt“, es ist vieles bereits geklärt.

    1. Das ist auch ein wichtiges Thema… wir haben beide Patientenverfügungen und auch Vorsorgevollmachten erstellt. Ich möchte nicht, das ich, falls es mal notwendig werden sollte, eine fremde Person als Betreuer bekomme. Und das kann leider passieren, selbst wenn es Ehepartner gibt.
      Das alles haben wir lange vor Corona erledigt, aber jetzt ist es tatsächlich noch wichtiger, zumal es jeden von uns treffen kann und keiner weiß, wie er auf den Virus reagiert. Von leichten Symptomen bis zum Tod ist ja leider alles möglich

  5. Ich lebe allein.
    Wie ich meine Beerdigung einmal haben möchte darüber ist mein Sohn informiert.
    Und da wir heute noch nicht wissen ob ich vielleicht doch später einmal in dem Ort leben werde wo er wohnt (wegen der Nähe vielleicht ) ev. in einem Seniorenheim ? habe ich gesagt er darf das entscheiden wie er das möchte denn ich möchte nicht dass er später mit einem schlechten Gewissen rumläuft. Ich denke dass er sich nicht über das was ich dazu überlegt habe hinwegsetzen wird.
    Meine Meinung: meistens stehen die Kinder am Grab der Eltern und die müssen dann damit umgehen wie die Beisetzung und Trauerfeier stattfindet – wie das Grab aussieht wie es gepflegt werden muss
    Somit wurde er in meine Entscheidungen mit einbezogen.

    Meine Sparkonten habe ich so abgesichert, dass mein Sohn jederzeit über das Geld verfügen kann wenn es notwendig ist.
    Das habe ich in dem Moment gemacht als ich glücklicherweise eine Lungenembolie überlebt hatte.

    1. Vorsorge ist sicher ein sehr wichtiger Teil der Geschichte – nicht nur, um es für die Hinterbliebenen einfacher zu machen.
      Ein alter Mann, ein Kunde von mir, hat das mal so formuliert:

      „Seit ich mein Grab gekauft und meine Beerdigung bezahlt habe kann ich ohne Sorgen leben.
      Ich weis, wo ich mal liegen werde und ich weis, dass ich alles erledigt habe, damit niemand sich damit überfordern muss. Meine Kinder werden um mich trauern und das ist schon genug, was sie zu tragen haben. Da muss ich ihnen nicht auch noch eine Aufgabe aufbürden, die ich noch selbst bewältigen kann“

      Und ich kann nur sagen: Recht hatte er.

  6. Das schönste Thema ist es nicht, aber wichtig schon. Wir haben schon öfter geredet.
    Ich bin jetzt schon in einem etwas hilfsbedürftigen Zustand und ich habe keinen Tag, an dem ich nicht Schmerzen habe. Es steht jetzt nicht an, denn ich lebe viel zu gerne, aber ich habe mit meinem Arzt ein längeres Gespräch gehabt über Hilfen, wenn ich mal nicht mehr kann und will. Noch ist der Gesetzgeber am Wuseln, aber auch jetzt ist es nicht ausgeschlossen.
    Ganz am Ende möchte ich in das Meer, welches ich so liebe. Es ist für mich sehr tröstlich, dass ich dann doch noch auf die Färöer Inseln kann oder nach Island, wo keiner mit mir hinwollte. Gut, um England mache ich mal lieber einen Bogen … ( Also, bei allen wichtigen und notwendigen Gesprächen konnten wir auch noch lachen. Es fiel leichter, je besser alkes geklärt war.)

  7. Mal eine kurze Anmerkung zwischendurch:

    Zunächst mal freue ich mich sehr, dass dieses nicht ganz einfache Thema so unerwartet viel Resonanz findet, die mir zeigt, dass ich – dass wir – nicht die einzigen sind, die sich dazu Gedanken machen. Wobei Vorsorge der Einte Teil ist, der Umgang mit Trauer aber der andere.

    Und die Trauer und der Umgang damit war es auch, was meine Intension war, als ich den Text geschrieben habe. Ausgehend von dem Gedanken, was mit dem wird, der übrig bleibt und der Überlegung dazu, ob es nicht besser wäre, auch darüber schon zu reden, bevor „einer übrig bleibt“.

    Nicht im Sinne eine festzulegenden Strategie, sondern mit der Frage:
    „Wie kann ich Dir das leichter machen, auch ohne mich weiter leben zu können?“

    —————————-

    Nun weiss ich ja, dasS einige von Euch die Erfahrung des Sterbens eines Lebenspartners leider schon gemacht haben.

    Woran sich für mich die Frage anschliesst, ob Ihr Lust habt, auch darüber zu schreiben, wie Ihr Euch darauf vorbereitet habt – wenn es den eine Vorbereitung gab?

    Und ja, mir ist klar, dass dies eine schwere Frage ist und dass sie triggern könnte.
    Deshalb verbinde ich sie mit der Bitte, sie nur zu beantworten, wenn und soweit Ihr Euch wohl damit fühlt

    1. Auch darüber haben wir geredet, lieber Martin. Zuerst einmal ist alles so abgesichert, dass auch einer allein die Wohnung behalten kann. Das ist ja oftmals auch ein Problem. Wir leben jetzt genügsam, wir werden es auch dann tun.
      Die Trauer kann ich niemand abnehmen, denn jeder trauert anders. Durch Corona ist zwar unsere Familie immer noch weit auseinander, Besuche unmöglich. Wir sind aber auch näher zusammengerückt. Meine Kinder werden uns auffangen.
      Früher hat meine Tochter darum gebeten, dass es ein Grab gibt, weil sie einen Ort zum Trauern braucht. Als ich ihr immer wieder gesagt habe, dass ich ihr hin und wieder ein Zeichen schicke vom Meer, hat sie gelacht und gemeint, dass sie drauf achten wird.
      Ich glaube wirklich daran, dass es einfacher ist, wenn man über solche Dinge, wie den plötzlichen Verlust, spricht, wenn es noch nicht akut ist. in unseren Breiten ist das immer ein so etwas wie ein Tabuthema. Und ich ahne irgendwie, warum das so ist.

      1. Ich ahne auch, warum das so ist, bzw. habe ich das auch von einigen Kunden in immer wieder anderen Variationen zu hören bekommen.
        Aberglauben ist ein Teil davon (man könnte ja den eigenen Tod herbei reden oder sich gar versündigen), Scham und Angst gehört auch dazu (weil man offen über eigene Ängste reden müsste), wie auch, andere nicht (auch nicht die eigene Familie) mit seinen Problemen belasten zu wollen. – und bei Männern sehr beliebt:
        Nicht wahr haben wollen, dass das Leben endlich ist . Gäbe man das zu, würde man ja seine Schwäche zugeben

        Was dann so endet (geendet ist) dass manchmal nicht mal der Ehepartner oder die eigenen Kinder gewusst haben, wie es nach dem plötzlichen Tod ihres Partners weitergehen sollte.
        Dabei waren nicht auffindbare Sparbücher noch das kleinste Problem….

  8. In den letzten Jahren habe ich von einigen mir sehr nahe stehenden Menschen Abschied nehmen müssen. Jemanden beim Sterben zu begleiten ist eine äußerst intensive Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Das hat mich sehr viel gelehrt.
    Auch das Weiterleben und die Stationen der Trauer als Zurückgebliebene durchstehen zu können. Nicht wahr haben wollen ist ein häufiger Gedanke und erste Station der Trauerarbeit. Vor allem, wenn ein geliebter Mensch abrupt aus dem Leben gerissen wird. Wenn man sich nicht verabschieden konnte. Da hatte ich auch längere Phasen des nicht wahr haben wollen.
    Aber es hat mich auch gelehrt wichtige Dinge und Unterlagen übersichtlich und in Ordnung zu halten, um es den Hinterbliebenen im Falle des Ablebens leichter zu machen.

    1. Diese Trauerphasen sind mir gut bekannt, und auch die ganz unterschiedliche Art, wie Menchen damit umgehen.
      Wobei ich – speziell bei älteren Paaren, die schon ewig zusammen gelebt hatten – oft erstaunt war, mit welche Ruhe und Gelassenheit der zurückgebliebene Teil den Verlust ertragen hat.
      Oft auch mit dem Resümee, ein gutes Leben zusammen gehabt zu haben und sich sicher in Zukunft wieder zu sehen.
      Das waren aber durch die Bank Menschen, die vor dem Tod ihres Partners lange Abschiedsphasen hatten und – wie ich in Gesprächen erfahren habe – sich vorbereiten konnten.

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.