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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Moderne Zeiten – oder: Chauvinismus im Namen des Herren?

Moin!

Eigentlich ist es unglaublich, was da gerade in einer ostfriesischen Kirchengemeinde vor sich geht und vorgestern – also passend zum gestrigen Weltfrauentag – dem NDR eine fette Meldung wert war:

Kirchenvorstand blockiert Modernisierung – Pastorin will weg


Denn es passt doch so gar nicht mehr in unsere Zeit, was da im Jahr 2023 n.Chr in einer evangelisch-reformierten Gemeinde gerade abläuft (und diesmal nicht bei den Katholiken, denen ich solcherlei „Rückständigkeiten“ viel eher unterstellt hätte):

Der Ort des Geschehens: Die Kirche in Stapelmoor im ostfriesischen Weener

Geht es doch darin unter anderem um eine dringend benötigte Spülmaschine für das Gemeindehaus, wo auch heutzutage noch das Teegeschirr ganz unzeitgemäss mit der Hand gespült werden muss. Und diese Maschine hätte die Gemeinde nicht mal was gekostet, sondern wurde sogar als Spende zur Verfügung gestellt und kostenfrei angeliefert.

Allerdings hatte man dabei die Rechnung wohl ohne den Kirchengemeinderat gemacht, der – vermutlich hauptsächlich aus alten weissen Männern bestehend – damit nicht einverstanden war und die Spende postwendend zurück gehen liess. Mit einer Begründung, die anderswo zu Recht einen fetten Beitrag in die Chauvie-Kasse wert gewesen wäre – ich darf mal zitieren:

„Selbst als ein Sponsor der Gemeinde eine Spülmaschine auf den Hof stellte, musste diese auf Anordnung des Kirchenvorstands wieder zurückgeschickt werden, so Barbara Wündisch (die Pastorin).
Die Frauen in der Gemeinde seien wütend, weil sie viel Arbeit mit dem Spülen von Geschirr nach Beerdigungen oder Teetafeln hätten. Dabei werde ihnen vorgeschrieben, wie sie diese Arbeit zu erledigen haben. „Weil ein, zwei Männer gesagt haben: Es ist so schön, wenn sich die Frauen beim Spülen unterhalten, sonst geht die Kommunikation verloren.“ Außerdem wüssten die Frauen laut den Vorstandsmitgliedern nicht genau, wie man eine Spülmaschine bedient, und das dreckige Geschirr bliebe stehen.

NDR

Rückständiger geht wohl nicht, oder?
Und mit den berühmten „Fünf Euro in die Chauvi-Kasse“ dürfte es da auch nicht getan sein!

Deshalb vermute ich auch mal, dass die betreffenden Herren in ihrem Leben selbst noch nie eine Spülmaschine eingeräumt haben dürften und da zumindest teilweise ihre eigene Überforderung auf die Damen der Gemeinde übertragen.

Schliesslich ist die Bedienung eines solchen Gerätes ja kein Hexenwerk, sondern auch für Kinder im Grundschulalter locker zu bewältigen (Meine Kinder konnten das jedenfalls alle!)

Und auch die Kommunikation dürfte kaum darunter leiden, zumal die Damen (warum sind fürs Geschirrspülen eigentlich in Stapelmoor nur Frauen zuständig?) dann ja mehr Zeit hätten, sich mal in Ruhe zu unterhalten, während der Geschirrspülautomat seinem reinigenden Werk nachgeht. Womit auch dieses fade Argument kaum zutreffend sein dürfte.
Dazu fehlt mir eigentlich nur nach die „fürsorgliche“ Ansage, dass man den Damen das Bücken (und damit Rückenschmerzen) beim Ein-und Ausräumen des Spülwichtels ersparen wolle :wacko:

Dennoch: was die aus der Zeit gefallenen Herren des Kirchenvorstandes nicht wollen, das wollen sie nun mal nicht. Nicht nur, was Lappalien wie eine Spülmaschine oder einen Bücherschrank fürs Gemeindehaus betrifft.
Und auch dann nicht, wenn die Pastorin der Gemeinde die Sache öffentlich macht und entnervt die Brocken hinwerfen will, wie man der Meldung im weiteren entnehmen kann.

Wobei zu vermuten steht, dass der Gemeindevorstand sich auch mit der Wahl einer Frau auf diese Position schon sehr schwer getan haben dürfte….

Bleibt also nur zu hoffen, dass die rückständigen Kirchenvorstände nun von ihren Ehefrauen zuhause mal ordentlich die Hölle heiss gemacht bekommen und bei trocken Brot ihren kalten Tee aus schmutzigem Geschirr schlürfen dürfen.
Verdient hätten sie es ja…..


Dennoch:
Habt alle einen wunderbaren Tag und allzeit sauberes Geschirr – und bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der immer noch den Kopf über soviel Rückständigkeit schüttelt und sich – als inzwischen selbst alter weisser Mann – für diese Geschlechtsgenossen nur fermdschämen kann….


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- 15 Bemerkungen zu “Moderne Zeiten – oder: Chauvinismus im Namen des Herren?

  1. Da hab ich ja ein geradezu fortschrittliches Exemplar Mann erwischt. Du kannst die Spülmaschine nicht nur bedienen, sondern im Notfall sogar reparieren (ach so, das ist ja dann wieder vermutlich Männersache) und bist der erste, der sich um einen Neuerwerb kümmert, wenn unsere Mathildas (so heißen unsere Spültrullas (upps, auch weiblich) alle) die Schlappen dann doch in die Luft werfen.
    Spaß beiseite, das liest sich wie aus einem vorherigen Jahrhundert….
    Aber ich muss jetzt mal die Spülmaschine im Büro ausräumen B-)

    1. Aber ich muss jetzt mal die Spülmaschine im Büro ausräumen B-)

      Da würde die Überschrift also auch auf Deine Sitution zutreffen.
      Wenn auch vielleicht nicht ganz, denn immerhin hab ihr ja schon einen Spülmaschine……

      Und was meine Fähigkeiten und die aufgebrachte Energie bei einem notwendigen Neuerwerb angeht:
      Das mach ich schon aus reinem Selbstschutz. Schliesslich hab ich überhaupt keine Lust auf Spülhände und Rückenschmerzen, weil unsere Spüle viel zu niedrig für mich ist.

  2. „Schliesslich hab ich überhaupt keine Lust auf Spülhände und Rückenschmerzen, weil unsere Spüle viel zu niedrig für mich ist.“

    Prima Argument, um das auf mich abzuwälzen :whistle: , so klein wie ich bin.

  3. Ich hätte die Herren des Kirchenvorstands das Geschirr waschen lassen – die haben wohl Redebedarf, den man nur mit „Hausarbeit“ verbinden kann….
    Aber inzwischen ist das alles wohl eskaliert, denn der Vorstand soll zurückgetreten sein und die Pfarrerin hat sich wegbeworben.
    Schlimm, wenn verknöcherte Meinungen noch so extrem vertreten werden.

    Euren Kommentardialog verfolge ich wieder grinsend….

    1. Tatsächlich:
      Der Kirchenvorstand ist gestern abend komplett zurückgetreten, weil er sich unverstanden und „einer Hetzjagd in den sozialen Medien“ ausgesetzt sieht: NDR-Meldung von heute.
      Offensichtlich haben die Herren wohl nichts verstanden.

      Konsequent das Auftreten der Pastorin:
      Sie geht trotzdem in eine andere Gemeinde, was wohl das Beste ist, was sie tun kann.
      Schliesslich dürfte der alte Kirchenvorstand wohl auch ohne Ämter und „aus der Tiefe des Raumes“ in der Gemeinde auch weiterhin für ordentlich miese Stimmung und schlechte Luft sorgen, was dem Zusammenleben auch in Zukunft nicht förderlich wäre….

  4. Wahrscheinlich haben die alten weissen Männer auch zu Hause die Hosen an, wie sich das ihrer Meinung nach gehört. Sie werden ihrer Hausfrau sicher nicht helfen und das gespülte Geschirr abtrocknen, vielmehr werden sie dabeistehen und ihnen sagen, wie sie das Geschirr zu reinigen und zu trocknen haben.
    Das es sowas heute noch gibt, ich kriege ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln.

  5. Der Kirchenvorstand ist nun heute zurück getreten. Natürlich nicht, weil man vielleicht falsch lag, sondern weil man das Opfer sei:

    „Der Kirchenrat der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde im Landkreis Leer beklagte hingegen in einer Stellungnahme eine Hetzjagd in sozialen Medien und in WhatsApp-Gruppen.“
    :wacko: :wacko:

  6. Die haben ja ein Rad ab.
    Erinnert mich allerdings an einen älteren Kollegen Mitte der 80er Jahre.
    Ich hatte berichtet das wir Samstags auf einer Fete waren und uns Sonntags zum Aufräumen und Spülen wieder getroffen haben.
    Da ist das Argument gekommen, das wir Frauen doch besser schon am Samstag im Laufe des Abends hätten machen können um dabei ein Pläuschchen in der Küche halten zu können 😱
    Klar – es gibt nichts schöneres für junge Frauen als sich Fetenfein zu machen um dann ihre Zeit in der Küche zu verbringen 😡

    1. Damals war sowas in gewissen Kreisen ja noch „zeitgemäss“, wenn auch sicher genauso falsch wie heute.
      Aber heutzutage ist es ein echter Anachronismus…..
      Und überhaupt: können die feinen Herren nicht selbst Hand anlegen? Schliesslich haben sie doch selbst sicher auch einiges an Dreck gemacht. :wacko:

      1. Du hast Recht. Das war damals bei Leuten im Alter meiner Eltern zum Teil noch üblich.

        Und da bin ich wieder bei meiner Aussage von neulich:
        Solange Frauen ihre Kinder in angestammten Geschlechterrollen erziehen wird sich nichts ändern. Wie auch?

        Anekdote am Rande:
        Als wir mal im Büro umgezogen sind haben alle angepackt und waren beschäftigt. Ein Mitarbeiter aus einer anderen Abteilung ist vorbei gekommen um zu sehen wo wir jetzt sitzen. Er staunte nicht schlecht und gab die Bemerkung „Was ist denn mit euch los?“ von sich.
        Erst merkten wir gar nicht was er meinte, aber dann sind wir doch drauf gekommen:
        Während die uns unterstützende Chefsekretärin mit Werkzeug hantierte, schloss ich die PC´s an und setzte sie wieder in Gang.
        Die männlichen Kollegen betätigten sich damit Kartons aus zu packen und zu putzen ;-)

        1. Während die uns unterstützende Chefsekretärin mit Werkzeug hantierte, schloss ich die PC´s an und setzte sie wieder in Gang.
          Die männlichen Kollegen betätigten sich damit Kartons aus zu packen und zu putzen ;-)

          Genauso soll es ja auch sein :good:

  7. Kaum zu glauben … erst so einen Spruch abliefern und dann hinterher einen auf Opfer machen. Mehr schreibe ich jetzt nicht mehr, das tut dem Blutdruck nicht gut.

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