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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Der brave Leviathan – Roman

Hallo, liebe Lesefreunde!

Nachdem es ja mit meinen letzten beiden Leseversuchen nicht so richtig geklappt hat, weil ich nicht so recht in Stimmung dafür war (ein Buch hatte ich nach einem Viertel abgebrochen und vom anderen gerade mal den Klappentext gelesen) dachte ich mir, ich probiere es mal mit einer ollen Schwarte,einem Sci-Fi-Roman, die ich in beinahe noch jugendlicher Alter schon mal gelesen hatte:

Damals, in der zweiten Hälfte der Siebziger noch als halbwegs ernst zu nehmenden Zukunftsroman, weil der Inhalt durchaus etwas vorauszuzeichnen schien, was technisch möglich wäre (atomkraft-betriebene Supertanker), heute allerdings eher als ein leicht klamottige Satire nach dem Motto: „Wie sich kleine Erna vor 50 Jahren die Zukunft vorgestellt hat“:

Der brave Leviathan
von Pierre Boulle

Wozu aber erst mal etwas Vorarbeit nötig war:
Denn den Schmöker gibt es natürlich nicht als E-Book, so dass ich mich vor dem Lesen erst mal der Mühe unterziehen musste, das antiquarisch für ein paar Euro erworbene papierene Buch zu scannen, zu digitalisieren und in ein für mich lesbares Ebook-Format zu verwandeln, bevor der Lesespass beginnen konnte. Aber das war mir den Spass wert…

Denn Spass war es wirklich, dieses Buch „umzustricken“ und nochmal zu lesen, diesmal aus der Perspektive eines Erwachsenen und mit dem Wissen, dass die Zeiten eigentlich schon lange hinter uns liegen, in denen es spielt:

Frankreich, im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts:
Ein Wirtschaftskonsortium baut einen Supertanker nie gekannter Grösse mit einem revolutionären Antrieb durch Kernenergie und ruft dadurch massive Proteste der Küstenbewohner hervor, die Angst vor diesem Fahrzeug haben, weil es ihre Fischgründe zerstören und bei einer Havarie für eine Umweltverschmutzung nie bekannten Ausmasses sorgen könnte.
Deswegen kommt es nach der Jungfernfahrt zu einer Auseinandersetzung der Kontrahenten, bei der Unerwartetes passiert: Eine der Umweltschützerinnen, nach einem Unfall körperbehindert, wird nach Kontakt mit dem Kühlwasser des Tankers überraschend geheilt, woraufhin die Stimmung gegenüber dem schwimmenden Monstrum plötzlich kippt, weil man unterstellt, das Schiff habe wundertätige Kräfte .

Bis hin zu einem Show-Down im Sturm, bei dem sich unerwartet das als Segen erweisen sollte, was am Anfang von den Kritikern des Schiffes als grösste Gefahr angesehen wurde…

Wobei das Buch abseits der eigentlichen Handlung durchaus Dinge beschreibt, die auch heute noch akut sind:
Die Verschmutzung der Meere, Probleme des globalen Handels, beinahe grenzenlosen Kapitalismus und das Für und Wider einer friedlichen Nutzung der Kernenergie. Wenn auch in weitgehend verharmlosender Weise, verglichen mit den Realitäten unserer Tage…..

So gesehen ist das Buch also wirklich so etwas wie eine kleine Zeitreise, die (gelegentlich satirisch überspitzt und durchaus witzig in seiner Klischeehaftigkeit) einige Entwicklungen vorzeichnet, die sich in der Welt von heute wiederfinden:
Wie etwa den Disput zwischen fortschrittsgläubigen Anhängern einer „strahlenden“ Zukunft und manchmal fast Querdenkerhaft unrealistich wirkenden Umweltschützern, die weniger auf logischer Argumente als auf pure Ideologie setzen und alle Mittel nutzen, um zu verhindern, was sei nicht möchten.
Und dazwischen durchaus ernsthafte und ernst zu nehmende, fast philosophisch wirkende Dialoge mit sachlicher und nicht unkritischer Abwägung zwischen den beiden Extremen, die in der Form auch noch gut in unsere Zeit passen würden.

Wobei der Tenor des Autors allerdings eindeutig in Richtung „Fortschritt“ geht und sich bei allem Für und Wider in der Aussage manifestiert, dass Kernkraft sich als Segen für die Menschheit erweisen wird. Eine Sichtweise, die ich zwar so nicht teilen kann, aber dem Autor durchaus zugestehe, soweit sie auf den Kenntnissen der Zeit beruht, in der das Buch entstanden ist – also vor Tschernobyl, Harrisburg und Fukuschima.
Insoweit ist dieses Buch also auch heute noch durchaus lesenswert, weil es Einblicke vermitteln kann, wie kritiklos man vor fünfzig Jahren über eine Technologie dachte, von der wir heutzutage alle hoffen, dass sie möglichst bald weltweit zum Auslaufmodell wird….

Einen kleinen Punktabzug muss es sich aber trotzdem gefallen lassen:
Manche der philosophischen Betrachtungen einiger Protagonisten hätten durchaus kürzer ausfallen dürfen, statt sich mit viel „Wenn“ und „Aber“ in langen Schachtelsätzen durch ganze Kapitel zu ziehen. Das macht die Lektüre an manchen Stellen doch etwas zäh.
Deshalb:

-_-_-_-

Der (sehr knapp ausgefallene) Klappentext der gebundenen Ausgabe von 1978:

Umweltverschmutzer und Umweltschützer geraten aneinander in diesem neuesten Buch Pierre Boulles, der mit dem Roman »Die Brücke am Kwai« weltberühmt wurde:
Zankapfel ist ein Supertanker, zärtlich geliebt von den einen, fanatisch verfolgt von den anderen.

Eine hakenschlagende, bumerangschleudernde und loopingfahrende Satire, in der sich gallischer Witz mit Unabhängigkeit der Kritik auf das Vergnüglichste paart.

-_-_-_-

Bleibt noch zu ergänzen, dass ich das selbst gebaute E-book gerne kostenfrei zur Verfügung stelle, falls jemand daran Interesse hat – wie auch meine Scanvorlage auf Papier, die ich auch nicht unbedingt aufheben muss…
Eine kurze Nachricht genügt.


Bleibt alle gesund und behütet und habt eine gute Woche!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der noch einige „alte Schwarten“ als Scanvorlagen rumliegen hat…..


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- 5 Bemerkungen zu “Der brave Leviathan – Roman

  1. Pierre Boulle, das ist doch der Autor vom Planet der Affen. Hat mir immer als Buch viel besser gefallen als die Verfilmungen. Auch da gibt es philosophische Betrachtungen über Menschen und Affen, Intelligenz und Nachahmung. Das Buch mag ich immer noch.

    1. Stimmt.
      Das hab ich ja auch mal gelesen. Ist aber auch schon Ewigkeiten her, so dass ich vom Inhalt nur noch wenig parat habe..
      Aber das könnte ich mir vielleicht auch nochmal vornehmen B-)

  2. Danke für die Vorstellung. Ich finde es meist sehr interessant und aufschlussreich, Bücher nach vielen Jahren noch einmal zu lesen. Meist ist in den Büchern ja doch implizit viel „Aktuelles“ enthalten, das sich dann eben gewandelt hat.

    1. Das ist bei diesem Buch tätsächlich so..
      Insofern ist es eine Zeitreise in doppeltem Sinne.
      Zum einen, weil ich noch recht gut im Kopf habe, was damals war, als ich es zum ersten Mal gelesen habe ( da war ich permanent in Sachen Demo gegen Atomkraft unterwegs) und zum anderen, weil sich nach Tschnobyl und Fukuschima auch die allgemeine Sichtweise auf dieses Thema deutlich gewandelt hat und heutzutage kaum noch jemand (ausser den Herrschaften der Lindner-Partei) dazu neigen würde, in Kernenergie eine Heilslösung für die Zukunft zu sehen…..

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