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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Mein Senf zu 32 Jahren

Guten Morgen zusammen!

Was wünscht man sich eigentlich an einem Feiertag wie heute?
Einen fröhlichen Einheitstag?

Echt jetzt?
Dann muss es ja heute wohl wirklich Gründe zum feiern geben?
Also mal immer los damit, lasst Euch nicht aufhalten.

Trotzdem muss ich Euch auch sagen, dass ich aus verschiedensten Gründen die Euphorie um den 3.Oktober 1990 nicht teilen mag und deshalb heute nicht ganz so viele Gründe zum Feiern sehe:
Weder wegen der Art und Weise, wie sich dieses rasant zustande gekommene und lange Zeit völlig unerwartete Grossereignis der deutschen Geschichte in den darauf folgenden Jahren mit der „Abwicklung“ der alten DDR samt massiven Brüchen im Lebenslauf vieler Ihrer Bewohner entwickelt hat, noch wegen der schon vor dem Zusammenschluss deutlich wahrnehmbaren und nach dem Zusammenschluss mit den Ereignissen in Hoyerswerda und Lichtenhagen erstmals heftig eskalierenden (und inzwischen immer deutlicher und massiver zu Tage tretenden) rechten Gesinnung einiger ihrer ehemaligen Bewohner, die zunehmend auch zu einen negativen Veränderung der Stimmung in unserem ganzen Land führt.
Auch, was die Einheit des Landes angeht. Denn inzwischen scheinen sich deswegen doch einige Menschen zu wünschen, dass die Mauer wieder hochgezogen werden sollte.

Ob das nun also ein Grund zum unbeschwerten Feiern ist?
Ich weiss ja nicht.

Im Gegenteil:
Ich zumindest habe mir seither mehr als einmal gewünscht, dass es zum Zusammenschluss beider deutscher Staaten in der Form wie 1990 nicht gekommen wäre. Schliesslich hätte es auch andere Wege gegeben, wie sie hätten zusammenwachsen können – Wege, wie sie seinerzeit auch von vielen DDR-Bürgerrechtlern gewünscht wurden und mit etwas gutem Willen wohl auch gangbar gewesen wären:
Mit mehr Zeit zur echten Angleichung beider Systeme aneinander, mit mehr Überlegung, um einem Ausverkauf der wirtschaftlichen Werte und massiven Identitätsverlusten der DDR-Bürger vorzubeugen und mit einem gut durchdachten mehrstufigen Einigungs-Verfahren über eine definierte Anzahl von Jahren oder gar Jahrzehnten, an dem auch wir Bürger im ehemaligen Westen beteiligt worden wären.
Etwa in Form einen vorgeschalteten Bundestagswahl oder zumindest einer Volksbefragung….
Und vielleicht hätten am Ende des Prozesses dann auch zwei deutsche Staaten nebeneinander gestanden, beide als Teil westlicher Bündnisse und in gutnachbarschaftlichen Beziehungen verbunden – was einen späteren Zusammenschluss auf wirklicher Augenhöhe ja auch nicht ausgeschlossen hätte..
Davon wären Grenzöffnung , Reisefreiheit, Freizügigkeit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und viele andere Verbesserungen (wie etwa die West-Mark) für die DDR-Bevölkerung seit der Maueröffnung 1989 ja völlig unbenommen geblieben, wenn man es denn so gewollt hätte.

Wenn……

Aber es musste ja übers Knie gebrochen werden und es konnte nicht schnell genug gehen – der Mehrheit der DDR-Bevölkerung nicht und den Spitzen der westdeutschen Politik auch nicht, der Bürgerbeteiligung selbst in dieser wichtigen Frage ein Fremdwort war – und nun müssen wir alle zusammen seit 32 Jahren mit dem leben und versuchen, das Beste aus dem zu machen, was damals viel zu schnellschüssig innerhalb nur weniger Monate entstanden ist und was sich weiter daraus entwickelt hat.

-_-_-_-

Ob das allerdings ein Grund für die alle Jahre wieder um den 3.Oktober herum ausbrechende Ostalgie auf allen Fernsehkanälen sein muss, ist dabei sicher eine ganz andere Frage.
Denn mittlerweile ist die Grenzöffnung schon beinahe so lange her, wie die DDR als Staat bestanden hat. Und deshalb sollte man sich vielleicht mal etwas weniger aufs Gestern als aufs Heute oder Morgen konzentrieren.
Denn sicher hat nicht alles mehr seinen Ursprung in diesem Staat, was heute jenseits der ehemaligen Grenze passiert, und manche negative Entwicklung sollte man tunlichst auch nicht mehr damit entschuldigen.
Den Rechtsruck mancher Zeitgenossen ganz rechts unten in der Republik etwa…
Sicher ist der nicht mehr alleine auf altem DDR-Mist gewachsen, sondern viel mehr auf zahlreichen Versäumnissen der jeweiligen (seinerzeit zum Teil aus dem Westen importierten) Landesfürsten (und ihrer Nachfolger) mit ihrer Politik nach Gutsherrenart und deren ausgeprägtem blinden Fleck auf dem rechten Auge.

-_-_-_-

Aber man sollte auch nicht vergessen, was vorher war und untrennbar zu dieser Geschichte dazugehört:

Ein verlorener Krieg, ausgelöst von den politischen Vorläufern der heutigen Nazis, vielfältige Zerstörungen in unserem Land mit Millionen von Toten – und als Folge der verdienten Niederlage die Teilung des Landes durch die Sieger, aus der letztendlich zwei Republiken mit ganz unterschiedlichen politischen Systemen entstanden:

Auf der einen Seite entstand eine echte Demokratie mit einer (nicht unbedingt positiven) Entwicklung zum Hochkapitalismus und auf der anderem regierte der Sozialismus, der in vielen Dingen auch nicht anders war als das totalitäre System, das es vorher gab.
Nur das die Gestapo jetzt eben Stasi hiess und die Jugendorganisation FdJ, beide genauso indoktrinierend und ideologisch gefärbt unterwegs wie wie ihre Vorgänger im dritten Reich und damit auch Mittel zur Gleichschaltung und Unterdrückung. Und dazu ein pseudo-kommunistisches , nur von einer Partei dominiertes System mit mehr Mangel- als Planwirtschaft und stets gut versorgten Funktionären, was von extremen Ostaligikern auch heute noch als positiv betrachtet wird, obwohl es vom Grossteil der Bürger eher negativ erlebt wurde und viele Menschen sogar ihr Leben wagten, um diesem System zu entkommen. Fraglich also, ob da wirklich alles so wunderbar war, wie es heute von manchen Menschen verklärt wird?

Wobei die Demokratie im Westen eine Wiedervereinigung als Verfassungsziel formuliert hatte und die Parteikader im Osten mehr und mehr darauf bedacht war, sich davon abzugrenzen – bis hin zu Mauern, Stacheldraht und Schiessbefehl, mit denen mit allen Mitteln verhindert werden sollte, dass die eigenen Bürger in Massen ins andere Deutschland abwanderten.
Was zur Folge hatte, dass viele alte Verbindungen zwischen Ost und West abrissen oder zerstört wurden und auch heute bisweilen noch problembelastet sind….
Belastet durch ein Misstrauen, was zumindest im östlichen Teil unseres Landes bis 1989 durch das herrschende System zur staatlichen Kultur erhoben und damit tief in den Köpfen vieler Menschen verankert wurde.

Was mutmasslich bis heute ein Grund ist, dass es teilweise immer noch gravierende mentale und weltanschauliche Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Denn an grundsätzlich schlechteren Lebensumständen kann das inzwischen ja kaum noch liegen.

Aber diese Unterschiede werden auch nicht so leicht verschwinden, solange diese Mauern in den Köpfen bestehen bleiben, das damit verbundene Trauma von Generation zu Generation weiter gereicht wird und der Mythos von der immer guten und wunderschönen DDR (im Osten) und die althergebrachte Überheblichkeit (im Westen) nicht endlich vom Sockel gestossen werden – und solange nicht auch die letzten Ungleichheiten (etwa bei Löhnen und Renten) verschwunden sind…

-_-_-_-

Aber darüber wird in der allgemeinen Feierlaune natürlich auch wieder nicht geredet….. genausowenig wie über die wirkliche Ursachen der Teilung – nämlich einen völlig übersteigerten Nationalismus als Grundlage eines totalitären Systemes (also genau das, wovon die rechten Dumpfbacken in beiden Teilen unseres Landes auch heute wieder träumen)

Und damit schliesst sich dann auch der Kreis zum morgen:
Statt zu feiern und sich über die wiedergewonnene „Einheit“ einen Kringel an den Bauch zu freuen, sollte man lieber den Finger in die offen Wunden legen und daran arbeiten, diese schnellstmöglich zu heilen.
Unser Land wird erst dann „ein Land“ sein, wenn „Ost“und „West“ egal ist, wenn auch der aufgeblasene Nationalismus keine Rolle mehr spielt und wenn Teilung und Wiedervereinigung allenfalls noch Daten im Geschichtsbuch sind…..

-_-_-_-

Bleibt aber zum guten Schluss noch eine weitere Anmerkung:

Bei aller Kritik an den Einheitsfeierlichkeiten und der Art und Weise der Wiedervereinigung bin ich trotzdem froh, dass aus DDR und alter BRD inzwischen ein gemeinsamer Staat geworden ist, auch wenn der an vielen Stellen nach wie vor keinesfalls mit Perfektion glänzt.

Und ich bin auch froh, dass auch für uns aus dem Westen seit 32 Jahren Reisefreiheit herrscht in Teile unseres Landes, von denen ich als junger Mann nie gedacht hätte, sie je zu sehen zu bekommen.
Denn inzwischen haben wir ja nun wirklich jedes „neue“ Bundesland bereist, waren im Erzgebirge und auf Usedom, auf dem Darss und im Thüringer Wald, im Harz und im Oderbruch, haben viele wunderbare (und tatsächlich blühende) Landschaften entdeckt und (nicht nur dort) auch eine ganze Reihe wirklich netter Menschen kennengelernt, die wir sonst wohl nie getroffen hätten…

Das ist dann also auch für mich ein wenig Grund zum Feiern.
Nicht laut jubelnd und mit Korkenknallen, sondern ganz still und bescheiden…


In diesem Sinne:
Habt alle einen wunderbaren freien Montag – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der froh ist, die Antwort auf die Frage vom Anfang halbwegs gut umschifft zu haben sich den Rest des Tages trotzdem lieber mit anderen Themen beschäftigen wird….


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- 19 Bemerkungen zu “Mein Senf zu 32 Jahren

  1. Ich sehe es im wesentlichen wie Du. Ich hätte mir das auch anders gewünscht und für manchen westdeutschen Zeitgenossen kann man sich nur schämen, wie er nach der Wende nach „drüben“ ist, um schnell Kasse zu machen. Die Kluft zwischen Ost und West habe ich selbst erlebt, als ich 2014/2015 für ein gutes Jahr in Leipzig gelebt habe, in der Hochzeit von Pegida und Legida, aber auch mit vielen anderen Eindrücken von Menschen und Landschaften.
    Leider hat man es mit der Aufarbeitung in diesem Land ja eh nicht so. Weder was Rostock-Lichtenhagen betrifft, noch den Tod von Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau.
    Es hat auch Mölln und Solingen gegeben, auch hier gibt es Neonazis, allerdings ist das Problem etwas weniger gravierend als anderswo und wenn ich mir die Prognosen für Thüringen und die Umfragewerte für Sachsen und Brandenburg angucke, wird mir übel. Mit der Wende alleine ist das nicht zu erklären, aber Traumata werden eben weiter gegeben. Das wissen wir als Kinder und Enkel der Weltkriegsgeneration ja nur zu gut.
    König Kurt hat sicherlich auch einiges dazu beigetragen, dass es so ist, wie es ist. Und Herr Kretschmer ist eine derartige Fehlbesetzung, dass es schon weh tut.

    1. An König Kurt dachte ich – unter anderem.
      Was der und seine Nachfolger nicht nur in Sachsen bewirkt haben, konnte man ja gestern wieder mal gut beobachten, als im Osten Tausende für Putin und gegen die Einheit auf die Strasse gegangen sind.

      Angesichts dessen frage ich mich inzwischen gleich mehrere Dinge:

      Zum einen(weniger ernst gemeint), ob man den Herrschaften nicht einfach „ihre Freiheit“ geben sollte und sie und ihre Bundesländer aus unserem föderalen Staat entlassen –
      und zum anderen(sehr ernst gemeint), ob die wirklich konsequent zu Ende gedacht haben, welche Konsequenzen es hätte, wenn die mit ihren Ideen durchkämen:
      Wirtschaftlich und Sicherheitspolitisch ständen wir sicherlich deutlich schlechter da, wenn unser Land nicht Teil der EU und Nato wäre – und viele der vor 33Jahren erstrittenen Freiheiten wären dann wohl auch schnell wieder den Bach runter..
      Die Reisefreiheit etwa, wenn es wieder Visumszwänge gäbe.
      (Was man ja gut an dem beobachten kann, wie es die Engländer nach dem Brexist gerade erleben)
      Oder die freie Meinungsäusserung, wenn es hier zu russischen Verhältnissen käme……

  2. In der Tat hatten sich auch viele DDR-Bürger gewünscht, dass es anders abläuft. Aber heißt das, dass es besser geworden wäre? Vielleicht hätten wir dann in Deutschland das, was wir gerade in der Ukraine erleben?
    Macht Euch trotzdem einen guten freien Tag.

    1. Das glaube ich nun nicht. Wer hätte den einen Krieg anzetteln sollen? Gorbi ganz sicher nicht. Und ja, ich glaube, das manches besser geworden wäre, wenn nicht alles nur aus dem Westen übergestülpt worden wäre, sondern man in Ruhe geguckt hätte, wie man das Beste aus beiden Systemen zusammenführen kann.
      Andererseit sollte man auch mal aufhören, immer das Vergangene zu betrauern und statt dessen lieber die Zukunft gestalten. Natürlich nicht ohne das aufzuarbeiten, was gewesen ist.

    2. Ob es besser geworden wäre, wenn es anders gekommen wäre?
      Die Frage kann wohl niemand seriös beantworten. Und darum ging es mir auch nicht wirklich, als ich diesen Beitrag geschrieben habe.

      Worauf es mir eigentlich eher ankam war vielmehr eine Art Bestandsaufnahme aus meiner ganz subjektiven Sicht, mit der ich offenbar auch nicht so ganz alleine bin, wenn ich mir die weiteren Kommentare zu meinem Text ansehe…
      Euphorie oder übergrosse Freude finde ich da nirgends, sondern allenfalls Ernüchterung und viel Distanz zu diesem Feiertag und dem ihm zugrunde liegenden Ereignis. Und wie hier im kleinen, so wird es wohl im grossen auch sein….

      1. Dass es Deine subjektive Bestandsaufnahme war, hatte ich auch so verstanden. Und es entspricht zu weiten Teilen meiner eigenen Wahrnehmung/Verfassung.
        Und ansonsten wollte ich einfach nur darauf hinweisen, dass man einfach nicht wissen kann, wie es geworden wäre, wenn man es anders angegangen wäre. Ich habe beim Geldumtauschen in einer Bank ausgeholfen und dort viel von der Gefühlslage der Menschen mitbekommen. Es gab (leider) wenig Geduld und es gab (leider) viele Forderungen. Viele davon waren (nochmal leider) sehr materiell ausgerichtet. Deshalb habe ich durchaus Zweifel, ob ein langsames Zusammenwachsen umsetzbar gewesen wäre, auch wenn es durchaus auch viele Menschen gab, die es sich gewünscht haben.
        Ob es zu dem gekommen wäre, was jetzt in der Ukraine ist, halte ich auch eher für unwahrscheinlich. Aber wissen kann man es eben einfach nicht. Es wäre dann ja eben nicht nur in Deutschland anders geworden, sondern eben auch drumherum. Und natürlich hätte ich mir insgesamt auch eher eine dauerhaft friedliche Entwicklung gewünscht.

        1. Damals war sicher die Euphorie im Osten höher als im Westen, wo es durchaus eine ganze Reihe kritischer Stimmen gab, oft aus der Überlegung heraus, dass die Geschichte wohl ziemlich teuer werden könnte und es grosse Investitionen aus westlichen Kommunen abziehen würde(was sich in Teilen auch so bewahrheitet hat) – und zum anderen auch wegen „der Gefahr der Überschwemmung des Arbeitsmarktes mit billigeren Arbeitskräften aus dem Osten“ (Zitat eins DGB-Funktionärs), „die zur Stagnation der Lohnentwicklung und höherer Arbeitslosigkeit auch im Westen“ führen würde. (und auch das hat sich in Teilen – zumindest bei der Lohnentwicklung) bestätigt, die danach in einigen Branchen eine deutlich Delle aufwies….

          Über diese Kritiker wurde damals übriges mit Schuh‘ und Strumpf hergefallen bis hin zu Bonner Regierungskreisen, die das als „Verrat an der Guten Sache“ sahen und von Defätismus sprachen….

          Und ausserdem gab es dann ja auch die Leute, die zumindest hätten gefragt werden wollen (so wie ich) und Kohls Aktivismus keineswegs gut fanden, für den er auch als gewählter Kanzler von den Wählern eben nur bedingt legitimiert war, weil das nie Teil eines Regierungsprogrammes war und auch vorher bei keiner Wahl in Parteiprogrammen thematisiert worden ist.
          Deshalb gab es ja im Westen auch einige Vorschläge, entweder vor dem dritten Oktober auch im Westen neu zu wählen, oder den Zusammenschluss beider Teilstaaten hinter eine vorgezogene Wahl im Dezember 1990 bis weit ins Jahr 1991 zu verschieben, um weitere Detailfragen des Zusammenschlüsse noch dezidierter regeln zu können….

          Ich slebst hätte zwar damals grundsätzlich auch für eine Einheit gestimmt, habe mir aber auch damals schon gewünscht, dass man sich dafür mehr Zeit nimmt, weil auch wir Westbürger von vielem schlichtweg überrollt wurden, so schnell, wie eine Entscheidung nach der anderen fiel. Und dabei war mir (sorry) auch relativ egal, wieviel Druck von den Menschen in der DDR ausging, die den Zusammenschluss ja grösstenteils schnellstmöglich wollten, egal um welchen Preis…..

  3. Guten Morgen Wilhelm,

    ich muss dir vollkommen Recht geben. Die deutsche Einheit war viel zu überstürzt. Besser wäre es gewesen zu prüfen, was in welchem deutschen Staat besser ist. Und das solange anzunähern, bis es in einem vereinten Deutschland umgesetzt worden wäre.
    In der DDR zahlten Familien, in denen Kinder ohne Einkommen lebten, z.B. keine Steuern. Wurde ein Kind geboren, gab es Geld für eine Erstausstattung vom Staat und für die Unterbringung, schon im Babyalter war gesorgt.

    Mein Cousin aus der DDR war der festen Überzeugung das diese Vorteile auch nach der Wiedervereinigung bleiben würden. Und natürlich noch die Vorteile des Westens dazu kommen würden.
    Stattdessen wurden er und seine Frau beide arbeitslos. Und die Kinder fanden später auch keine Ausbildungsplätze.
    Und wir im Westen? Waren auch die Doofen. Soli, zurückgestellter Straßenbau und auch hier ansteigende Arbeitslosigkeit.
    Bei uns am Standort wurden kräftig Mitarbeiter abgebaut, weil eine fällige Investition nicht gemacht wurde. Dafür wurde lieber ein Staatsbetrieb an der polnischen Grenze aufgekauft und mit Staatssubventionen flott gemacht.
    Aus war es mit unseren Kariereträumen. Denn qualifiziertes Personal war satt vorhanden. Und natürlich auch preiswerter, als wenn wir umgezogen wären ;-)

    Ich wünsche euch einen schönen Feiertag.
    Liebe Grüße
    Trude

    1. Was Du beschreibst, habe ich selbst an manchen Stellen ähnlich wahrgenommen, Trude, wenn auch aus einem etwas anderen Blickwinkel, weil es in meiner Familie keine solch direkte Betroffenheit gab.

      Dennoch kenne ich genug Geschichten von Kollegen, die kurz nach der (sogenannten) Wende aus der DDR kamen und gehofft hatten hier bessere Arbeitsverhältnisse in der Pflege vorzufinden. Und die standen bisweilen vor grossen Problemen, weil ihre Berufsabschlüsse anfangs nicht oder nicht voll anerkannt wurden und die im Osten gültigen Standards (und die Mentalität) sich gewaltig von demnbunterscheiden, die hier im Westen gültig und üblich war.
      Etwa, was Gerätemedizin anging oder Grundsätze patientenzentrierter Pflege, beides Bereiche, in denen wir im Westen eindeutig weiter waren als im Osten und höhere und klar definierte Standarts hatten.
      Mit der Folge, dass auch da manchmal grosse Unzufriedenheit auf beiden Seiten herrschte.
      Bei uns, weil wir gehofft hatten, dass wir vollwertige neue Kollegen bekommen und bei den aus der DDR kommenden Kollegen, weil sie manchmal recht blauäugig davon ausgegangen waren, hier gleiche Verhältnisse wie „daheeme“ vorzufinden.
      Und damit traten irgendwann die Unterschiede auch deutlich zutage:
      Während es den meisten gelungen ist, sich mit der neuen Situation zu arrangieren, sich (wenn nötig) nachzuqualifizieren und das dazu zu lernen, was fehlte, gabs aber auch einige, meist ältere, die meinten, einfach nach altem Stiefel weitermachen zu können.
      Und das passte dann natürlich nicht, so dass deshalb auch viel Frust auf beiden Seiten entstand – oft mit der Folge, dass entsprechende Arbeitsverhältnisse wenig Bestand hatten…..

      Anderseits gab es aber im Gesundheitswesen der DDR auch das wirklich gut funktionierende System der Polikliniken, dass uns hier im Westen um Jahrzehnte voraus war und jetzt erst so langsam in Form Medizinischer Versorgungszentren mit (teils kommunal angestellten) Ärzten aus verschiedenen Fachrichtungen wieder auflebt, um Entlastungen für Krankenhäuser zu schaffen….
      Das wäre beispielsweise schon damals etwas gewesen, was man bundesweit hätte übernehmen können….

  4. Das hast du sehr gut zusammengefasst, so dass kaum etwas hinzuzufügen ist. Auch wir sehen in diesem Feiertag eher einen Tag ohne Feier, aus den Gründen, die du so ausführlich beschrieben hast. Dennoch gibt es für uns einen ganz privaten Grund der Freude, haben unsere Söhne ihre Liebe doch in Frauen gefunden, die in der DDR sozialisiert wurden und für deren Kinder Ost und West nur noch himmelsrichtungsweisende Begriffe sein werden. Jedenfalls hoffe ich das sehr!
    Liebe Grüße
    Elvira

  5. DANKE! Ich habe den Tag heute zum saugen, wischen, putzen benutzt – genau danach war mir.
    Die Tochter und ich haben eine West-Ost-Beziehung geführt – zumindest eine davon hat absolut gar nicht geklappt.
    Gruß zu euch!
    Eine Zeit lang war ich bei Fb in einer Gruppe über die DDR – aber so viel hirnverbrannte Schönrederei der Vergangenheit war auch nicht auszuhalten – da habe ich mal ein wenig dagegen kommentiert mit meinen Erfahrungen in der DDR – was wurde ich beschimpft. Ich bin ausgetreten, so viel Schwachsinn musst ich mir auch nicht antun.

    1. Ich glaube, diese Schönfärberei (nicht nur im Bezug auf die Verhältnisse in der DDR, sondern auch in der BRD, denn auch hier war bekanntlich nicht alles Gold, was glänzt) ist der Ursprung mancher Dispute, die völlig unnötig wären.
      Würden die Leute einfach mal auf dem Teppich bleiben und das gegebene als Realität nehmen, würde sicher manches einfacher werden…

  6. Dem Wilhelm gebe ich uneingeschränkt recht.
    Über Elviras Aussage freue ich mich, denn meine Kinder fanden beide Partner aus der anderen deutschen Hälfte!

  7. Schöne Zusammenfassung. Wenn man sich mal anschaut, wie lange es braucht, um eine Land in die EU aufzunehmen und welche Vorbedingungen da erfüllt sein müssen, dann wäre die alte DDR vermutlich jetzt bald dran gewesen. Aber es gab auf beiden Seiten „Kräfte“, die es nicht erwarten konnten.

    Nun ist es so und nun sollten wir mal besser 32 Jahre nach vorn schauen, denn da ist noch so Vieles zu tun.

    1. Nun ist es so und nun sollten wir mal besser 32 Jahre nach vorn schauen, denn da ist noch so Vieles zu tun.

      Das ist doch mal ein schöner Schlusssatz :good:

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.