– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 35/22

Einen wunderbaren Guten Morgen Euch allen!

Gerade bestimmt neben all dem anderen Unbill unsrer Tage ja auch ein Thema die Schlagzeilen, von dem vielleicht nicht die Rettung der Welt abhängt, das aber als Nebenschauplatz trotzdem spiegelt, wie weit die Ansichten über „Political Correctness“ in unserem Land auseinander klaffen können:
Dabei dreht es sich (vordergründig?) um einen Film und zwei Bücher unter dem Titel „Der junge Häuptling Winnetou“, mit dem ein Buchverlag sich vermutlich nur an den populären Namen des Erfinders dieser Figur anzuhängen gedachte und den verdienten Affront, der damit ausgelöst wurde.

Stein des Anstosses ist aber sicherlich Karl May als Urheber des „Winnetou“ selbst, von den einen als grandioser Jugendschriftsteller verehrt und von den anderen als Rassist und Nationalist übelster Sorte gebrandmarkt.

Wozu ich noch vorausschicken muss, dass ich selbst (als Jugendlicher) ausser dem “ Winnetou“ und den „blauroten Methusalem“ nichts von ihm gelesen habe, und auch später nie das Bedürfnis hatte mich nochmal in eines seiner Werke zu vertiefen, weil sie mir damals schon als viel zu schwülstig erscheinen.

Oder anders ausgedrückt:

„Ich habe auch, ohne Schaden zu nehmen, einige Bände von ihm überstanden.“

Ingeborg Bachman – Quelle

Dachte ich jedenfalls.

Dennoch hatte sich das darin propagierte Bild vom „guten Deutschen“ eine Zeitlang ziemlich heftig in meinem jugendlichen Kopf eingenistet und wurde noch durch Werke eines anderen Autors verstärkt, dem zu Recht heute ziemlich vergessenen Hans Dominik mit seinen Sience-Fiction-Geschichten , die ich etwa um die Zeit auch zum ersten mal verschlungen habe.
Auch diese (wie ich heute weiss, nachdem ich sie vor einiger Zeit nochmal angelesen habe ) hochgradig nationalistisch und auch rassistisch eingefärbt – und damit eine Botschaft transportierend, die man aus heutiger Sicht keinesfalls mehr gut heissen kann.

Allerdings hat das damals in meinen Jugendzeiten wohl niemanden so recht interessiert, denn sowohl Mays, als auch Dominiks Bücher waren seinerzeit gängige Jugendliteratur, wurden sogar von Lehrern empfohlen und waren über jede Kritik erhaben, wenn man darin nicht gerade in der Schule im Unterricht geschmökert hat.
Bis hin zu Äusserungen einiger Lehrer, „da könne man noch was fürs Leben draus lernen“ , die aber sicher nicht im Sinne einer Abschreckung gemeint waren, sondern sich eher an den hehren (und heute eher abschreckend wirkenden) Zielen der Autoren orientierten.

Und deshalb finde ich auch gut, dass nun endlich mal breit über May&Konsorten diskutiert wird – zwar über den Umweg zweier völlig aus der Zeit gefallener Neuerscheinungen, aber dennoch mit eine Tiefe, die auch die zweifelhaften Werte noch mal in neues Licht rücken, die von diesen Autoren vermittelt werden (von denen einige – auch Karl May – inzwischen durchaus in den Giftschrank der jugendgefährdenden Schriften gerückt werden müssten.)

Wobei unzweifelhaft einige Argumente dieser Diskussion auch mal wieder mächtig übers Ziel hinausschiessen:
Den Autoren von „Pipi Langstrumpf „oder „Jim Knopf“ usw. rassistische Ziele unterstellen zu wollen, nur weil sie zu ihrer Zeit gängige Vokalbeln (das N-Wort für Menschen mit dunkler Hautfarbe) verwendet haben, geht mir dann doch zu weit, genau wie ein brandmarken von Rasta-Frisuren und ähnlichem als Merkmal „kultureller Aneignung“ . Mit der undifferenzierten Einführung solcher Nebenschauplätze verwässert man die Diskussion ums Wesentliche nur, denn schliesslich gehts bei Karl May oder Hans Dominik und vielen anderen Autoren aus dieser Ecke ja nicht um irgendwelche Frisurenmoden, sondern um deutlich verwerflichere Inhalte, die unkritisch betrachtet und weiter empfohlen auch heute noch eine Menge Unheil anrichten können.

Und das muss sich baldmöglichst ändern.

Wie auch die offensichtliche Kritiklosigkeit mancher Politiker, die sich nun wieder hinstellen und lautstark verkünden, dass sie sich „ihren Karl May nicht verbieten lassen werden“.
Wieder mal völlig verkennend, dass das ja auch niemand will, sondern dass man auf plakative Äusserungen dieser Art besser völlig verzichten sollte, wenn man nichts sachliches zur Diskussion beitragen kann.

-_-_-_-

Bleibt noch eine Schlussbemerkung, die gleichzeitig auch als Entschuldigung für mein etwas „mageres“ Zitat in dieser Woche dienen mag:
Ich hatte ernsthaft überlegt, Euch in diesem Beitrag als Aufhänger für meine Gedanken ein echtes Zitat von K.M. selbst zu präsentieren, habe diesen Plan aber schleunigst wieder verworfen, weil in den gängigen Zitatesammlungen nur derart Schwülstiges oder Verschrobenes zu finden ist, dass ich mich geschämt hätte, es hier zu veröffentlichen.
Insofern musste also diesmal ein Zitat über ihn reichen.

Und noch eines:
Auch, wenn ich mich hier ziemlich abwertend über K.M. äussere möchte ich keinem von Euch den „Genuss“ seiner Werke vermiesen. Schliesslich seid Ihr alle erwachsen und wisst sicherlich selbst, was Ihr tut.


Dennoch:
Habt alle einen wunderbaren und erholsamen Sonntag und bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

dem gerade kein passendes Nachwort einfallen will …..


– 698-

- 28 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 35/22

  1. Niemand will Karl May verbieten, es geht um die Neuerscheinung und da finde ich es völlig richtig, wenn sie vom Markt genommen wird, weil sie offenbar ein „Indianerbild“ vermittelt, wie es heute nicht mehr sein sollte. Karl May war eine andere Zeit, ob er Rassist war, weiß ich nicht mal. Ich habe die Bücher nicht gelesen, aber die Filme teilweise gesehen.
    Die ganze Aufregung geht mir so was von auf den Keks. Da werden Tatsachen verdreht ohne Ende nur um Stimmung zu machen. Ich zitiere mal einen FB Post:

    „Was man „Bild“, „Welt“ und den populistischen Polit-Plapperern und Dampfplauderern der Parteien übelnehmen muss: Sie wissen ganz genau, dass Winnetou weiterhin im Öff-Recht-TV stattfindet. Trotzdem erwecken sie den Eindruck eines ideologisch begründeten Verbots und hetzen die Leute auf.
    Zum Hintergrund: Gerade wird skandalisiert dass „Winnetou“ bei den Öffentlich-Rechtlichen „abgemeldet“ sei und von einem angeblichen „Schlussstrich“ gefaselt. Die Wahrheit ist: Die ARD hat seit zwei Jahren keine Lizenzrechte an Karl-May-Verfilmungen, aber es gibt ja noch das ZDF und dort hat man die entsprechenden Ausstrahlungsrechte. Den nächsten Film gibt es beispielsweise am 3. Oktober („Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ aus dem Jahr 1966).“

    Lesenswert zu der ganzen unsäglichen und vor allem unsachlichen Debatte ist dieser Zeit-Artikel

  2. Ich habe als Jugendlicher einige Bücher von Karl May gelesen. Ich habe mir da, so weit ich mich heute daran erinnern kann, nie Gedanken über Rassismus gemacht. Ich fand die Handlungen einfach spannend. Punkt. Ich glaube, dass sich heute viele „Fachleute“ eben genau diese Gedanken zu viel machen, sie Bücher Wort für Wort analysieren, ob man das nicht ändern müsste, ob das noch zeitgemäß ist, ob das verwerflich ist. Viele „Fachleute“ reißen einfach nur die Klappe auf um auf sich selbst aufmerksam zu machen.

    1. Es geht nur gar nicht um Karl Mey, sondern um zwei Neuerscheinungen. Da kann man schon mal die Frage stellen, ob gewisse Stereotype heute noch zeitgemäß sind. Und das hat mit Karl Mey so rein gar nix zu tun. Der hat so geschrieben, wie man damals schrieb und nicht so, wie wir es heute gerne hätten. Frage ist nur, ob man das eben heute noch tun sollte.

      1. Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Thema nicht wirlich auseinandersetze weil ich das alles so sehe, wie ich oben schrieb. Es gibt derzeit viele Debatten um irgendwas, was nur ein paar wenige Menschen wirklich interessiert. Wir haben wahrhaft wichtigere und ernstere Probleme.

        1. Mich interessiert das Thema auch eher am Rande, wenn überhaupt. Interessant finde ich allerdings schon, wie die Diskussion, die keine ist, stattfindet und wie peinlich Politiker aller Couleur völlig dömlich reagieren. Ob nun Merz, Gabriel oder Kubicki.

      2. Die Frage ist, ob man heute noch kritiklos stehen lassen kann, was May sich damals zusammenfabuliert hat.
        Denn da ist einiges drin, was in Zeiten von Kolonialismuss und deutschem Herrenmenschentum sicher zeitgemäss war, aber es heute nicht mehr ist, wo sich die Welt um mehr als ein Jahrhundert weitergedreht hat.

        Und die Botschaft („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“)in Mays und auch Dominiks Werken ist keinesfalls subtil, sondern ganz klar Teil der Geschichte in den Büchern und untrennbar damit verbunden. Da reicht es nicht, die einfach ein wenig zu redigieren, weil dann von der Geschichte nichts mehr übrig bliebe….

        Ergo haben sie zumindest in der Sparte Jugendliteratur nichts mehr zu suchen….

        Die Bücher der Ravensburger Verlages ( wie auch der Film) mögen für sich genommen vielleicht sogar harmlos sein, sind aber möglicherwise auch eine „Einstiegsdroge“, wenn es um den Konsum der alten Romanvorlagen geht. Und darin steckt auch die Gefahr, dass diese alten und zweifelhaften „Werte“ wieder an die Oberfläche gespült werden…..
        Insofern ist es gut, dass zumindest der Schund wieder vom Markt verschwunden sind.

    2. Ich kann ich sehr genau daran erinnern, dass es in meiner damaligen Kindergang eine regelrechte Hype um Winnetou und Co gab – und auch daran, dass viele Szenen aus den Büchern und Filmen wieder und wieder nachgespielt und Dialoge nachgeplappert wurden.
      (sicher auch, ohne daran verwerfliches zu finden, denn es war ja auch noch „normal“ zu dieser Zeit indigene Kulturen als – zumindest- zurück geblieben oder gar minderwertig zu betrachten)
      Allerdings setzen sich solche Muster aus der Kindheit ja auch im Erwachsenenalter noch fort, um so mehr, wenn niemand darauf aufmerksam macht, dass daran einiges verkehrt ist. Und deshalb ist es auch richtig, sich darüber heute mal ein paar Gedanken mehr zu machen, insbesondere in Zeiten wo unsere Gesellschaft durch Immigration immer mehr Multikulti wird….

      Wobei es auf der einen Seite sicher auch Auswüchse gibt, die erheblich übers Ziel hinaus schiessen (Rastalocken usw.), auf der anderen Seite aber auch beinahe automatenhafte selbsternannte Verteidiger alter Thesen, die früher schon falsch waren und heute nicht richtiger sind.
      Und dazu auch noch etliche Dummschwätzer aus der Politik, denen es vor allem auf die schnelle Schlagzeile ankommt, egal in welche abwegige Ecke sie sich damit stellen. Herr Kubicki etwa oder Herr Scheuer, um nur zwei Beispiele zu nennen…..

      1. Ich habe indigene Kulturen ganz bestimmt nicht als zurückgeblieben oder minderwertig betrachtet. Vielleicht war oder bin ich das ja auch selbst. Diese ganze Diskussion um political correctness nervt mich. Man darf dies nicht mehr sagen oder jenes nicht mehr tragen. Rastalocken, und anderes mehr, sind angeignete Kultur. Mein Gott, jeder soll doch das tragen oder lesen oder sagen, wonach ihm der Sinn steht. Ich sage immer noch Negerkuss oder Zigeunersauce. In meiner Jugend waren Indianer, Neger und Zigeuner ganz normale Worte, ohne irgendwelche Hintergedanken, dass das schlechtere Menschen sein könnten als wir selbst.
        Interessant, dass gerade jetzt sich auch Croco um diese Dinge Gedanken gemacht hat: https://crocodylus.blog/2022/08/27/neu-6/

        1. Diese Gerede von angeeigneter Kultur geht mir auch auf den Keks. Dann müssten wir auch aufhören, Sushi, Gyros und Spaghetti zu essen.
          Ich müsste einen Großteil meiner Hosen wegschmeißen, da ich Harmenshosen liebe, wenn ich denn mal Hosen trage.
          Nichts desto Trotz sollten wir in manchen Bereichen inzwischen etwas weiter sein und sensibler mit Sprache umgehen. Das heißt nicht, dass ich finde, dass Karl May umgeschrieben werden muss.

        2. Klar ist das jetzt ein Trend, u.A. Karl May mal wieder auf den Prüfstand zu stellen.
          Ist ja auch logisch, wo das Thema gerade in den Schlagzeilen ist und Anlass bietet selbst auch mit in die Diskussion einzusteigen. ( Und ich gebe zu, ohne diesen Anlass hätte ich das Thema wohl auch nicht aufgenommen)

          Was das Thema Aneignung angeht, so gibt es ja auch eine positive Sichtweise dazu – nämlich die, dass kulturelle Vermischungen schon seit Jahrtausenden stattfinden und ein wesentlicher Bestandteil menschlicher und gesellschaftlicher Weiterentwicklung sind. Das hat schon bei den Feuern der Steinzeitbewohner angefangen und hört mit den Amerikanismen nicht auf, die heute unser Leben prägen….

          Insofern sollte man diesbezüglich auch die Kirche im Dorf lassen, wenn man sich zur Verbreitung seiner Meinung elektronischer Medien bedient, deren Entwicklung in den USA ihren Anfang nahm und zu deren Weiterentwicklung und Produktion auf in China produzierte Hardware zurück geriffen wird.
          Denn dann bliebe als Ersatz eigentlich nur noch Gutenbergs Buchdruckerkunst, denn Rauchzeichen oder Buschtrommeln waren in Deutschland ja auch nicht gebräuchlich….

  3. Als Kind habe ich alle Karl May Bücher gelesen und habe sie geliebt. Vor einigen Jahren hatte sich ein guter Freund von mir ein Buch gewünscht und ich hab gedacht,ich lese auch nochmal eins. Ich fand es furchtbar. Allerdings kann ich mit den heutigen Diskussionen überhaupt nix anfangen. Das sind für mich olle Kamellen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Und dann sollten nicht nur die Winnetou Filme aus dem Programm genommen werden sondern auch alle alten Western. Da werden die Indianer auch nicht besser dargestellt. Irgend jemand hat gesagt, dass die Indianer jetzt Indigene genannt werden sollten. Wozu ein Indianer gesagt hat, er wäre schon immer Indianer gewesen und will es auch bleiben. Und überhaupt wird viel über diese geredet, aber nicht mit ihnen. Und keinen interessiert wie sie das sehen.
    Natürlich ist viel Unrecht geschehen und wir sollten darüber reden. Aber ändern oder rückgängig machen können wir es auch nicht mehr. Und ich habe einfach keine Lust mehr mich immer und ewig für begangenes Unrecht zu entschuldigen.

    1. Niemand erwartet von uns eine Entschuldigung für Dinge, an denen wir sclbst nicht Schuld sind….
      Insofern ziehe ich mir solche Schuh. auch nicht an..

      Ganz anders ist es aber mit Dingen, die in der Vergangenheit passiert sind und nicht wieder passieren sollen.
      Dafür tragen wir auch Verantwortung, wenn wir selbst nicht beteiligt und überhaupt noch nicht geboren waren, als sie sich ereignet haben. Nämlich die, es in Zukunft besser zu machen.

      Und das fängt auch beim Umgang mit solcher Schundliteratur schon an.

    2. Es geht überhaupt nicht darum, sich zu entschuldigen. Und es wird auch kein Winnetou Film aus dem Programm genommen. Die ARD hat schlicht keine Rechte mehr an den Filmen. Dafür werden sie jetzt im ZDF gezeigt.
      Wir sollten schon ein etwas sensibleren Blick auf die Dinge haben als Karl May damals. Und nur darum geht es. Müssen heute Indianer oder indigene noch als Rothäute dargestellt werden? Es geht nicht um’s Entschuldigen, es geht um einen sensibleren Umgang und in dieser ganzen Debatte geht es auch darum, wie Fakten verzerrt werden, nur um Stimmung zu machen.

  4. Ich hoffe auch dass sich solche Sachen wie in der Vergangenheit nicht wiederholen.
    Rothaut zu sagen käme mir nicht in den Sinn. Wenn wir früher die Sachen nachgespielt haben war ich auch immer der Indianer. Als Kind habe ich mir darüber auch nie Gedanken gemacht. Und in unserer Nachbarschaft haben auch Zigeuner gewohnt. Natürlich wurde von den Erwachsenen behauptet das wären alles Diebe. Uns Kinder hat das überhaupt nicht daran gehindert mit diesen Kindern zu spielen. Es war uns einfach egal.
    Und in den englisch sprachigen Ländern sind diese Leute stolz darauf Gypsis zu sein und haben ihre ganz eigenen Bräuche.
    Das wir Sitten und Bräuche, Sprache und Essen von anderen Völkern übernehmen nenne ich nicht Aneignung. Das wird wohl auf der ganzen Welt so sein.
    Aber ich glaube, jetzt schweife ich langsam vom Thema ab :scratch:

    1. Wir haben hier in der Nähe eine große Sinti und Roma Siedlung. Die sind sehr unter sich, treten aber teilweise als Musiker auf und sind richtig klasse.
      Ich finde es eher eine Bereicherung, wenn man auch was von anderen übernimmt. Sei es Essen, das man Sprachen lernt und sich vielleicht auch mal modisch was abguckt. Ich trage ja fast nie Hosen, aber ich liebe diese sog. Haremshosen. Meine bevorzugten werden von einer kleinen Hamburger Firma hergestellt. Trotzdem ist es ganz sicher keine Aneignung.

  5. Ich habe als Kind Karl-May gelesen und ich fand die Bücher spannend – und – ich habe tatsächlich etwas aus ihnen gelernt. Im Gegensatz zu anderen Büchern haben Winnetou und Old Shatterhand immer nach Lösungen gesucht um wenig oder kein Blut zu vergießen. Die gedankliche Welt in der sich Karl May bewegt hat (edler Wilde, die von einem deutschen Lehrer „Klekipetra“ gelernt haben) ist aus heutiger Sicht für mich kaum noch zu ertragen. Ich hatte kürzlich schon vor der Debatte mit meinen Kindern das Experiment gemacht Winnetou I anzuschauen, das haben wir durchgehalten, das Nachlesen der Bücher habe ich aber nicht ausgehalten.

    Hans Dominik habe ich auch gelesen und kürzlich wieder aufgeschlagen, auch das war unerträglich.

    Ich denke dennoch, dass die Diskussionen über alte Bücher nicht zielführend sind. Die Autoren lebten in einer ganz anderen Gedankenwelt, die zur heutigen Zeit nicht mehr kompatibel sind. Ich denke gerade auch an Edward E. Smith mit seinem Lensmen-Zyklus – das ist aus heutiger Sicht sexistische Herren-Rassen-Literatur in amerikanisch. Man stelle sich vor: Wesen aus der ganzen Galaxis qualifizieren sich für die geistige Erweiterung der Lens nur Frauen sind ausgeschlossen und die Frau des Überhelden ist Krankenschwester, die ihn gesund pflegen darf (das fand ich schon als Kind krass).

    Ein anderes Beispiel wäre Flash Gordon – der ist heute auch nicht mehr erträglich. Manches ist einfach aus der Zeit gefallen (zum Glück) und sollte dem Vergessen anheimfallen.

    Schade, dass jetzt Stimmen laut werden und den alten Krempel idealisieren.

    1. Richtig:
      Die Autoren lebten in einer anderen Welt – und ihre Bücher idealisiern ihre Weltsicht, die sicher auch von Zeitströmungen geprägt war.

      Wenigstens , solange nicht – wie etwa bei Hans Dominik – dabei nicht auch der Gedanke im Vordergrund stand, seine Leser aktiv in eine bestimmte Richtung zu drängen: Alle Amerikaner tumb, alle Engländer blasiert, alle Franzosen technisch unbegabt und alle Italiener geneigt, zu bescheissen (Wettflug der Nationen, Atomgewicht 500) oder auch rasstisch, wenn zwielichtige jüdische Händler oder Spione eine Rolle spielen (in einigen Büchern) oder Russen (Bolschwiken) als zurück gebliebene Menschen ohne jede Zivilistation stilisiert werden (Die Macht der Drei).
      Wobei man sich fast denken kann, was ihn zu dieser Sichtweise inspiriert hat (die Bücher sind in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen)….

      Karl May dürfte in diesem Zusammenhang wohl mehr ein Romantiker gewesen sein, was die Sache aber nicht besser macht.
      Denn im Grunde transportiert er ja auch nichts anderes und wertet nicht nur die amerikanischen Ureinwohner ab, sondern in anderen Büchern auch Angehörige anderer Nationen, Religionen oder Rassen.

      Wobei:
      Ich erwarte beim Lesen auch nicht unbedingt, dass es immer im heutigen Sinne politisch korrekt zugeht.
      Denn Bücher und insbesondere Romane sind ja meist auch ein Spiegel ihrer Zeit und geben nebenher auch Alltäglichkeiten wieder, was z.B. Rollenbilder , politische Verhältnisse oder gesellschaftliche Konventionen angeht.
      Davon sind auch Autoren wie Grass, Böll oder Lenz nicht frei und es macht ja auch den Reiz aus, in deren Welt einzutauchen.

      Was ich allerdings nicht gut finde, wenn Autoren wie May oder Dominik u.a. zu Leitbildern stilisiert werden, an denen sich junge Menschen heute noch orientieren könnten – obwohl ihre Texte seit jeher in eine völlig falsche Richtung weisen und Konventionen bedienen, die keinesfalls mehr weiter gegeben werden sollten.

      1. Danke für den Link – wirklich ein guter Artikel.

        Deinem Schlusswort, stimme ich zu 100% zu.

        „Was ich allerdings nicht gut finde, wenn Autoren wie May oder Dominik u.a. zu Leitbildern stilisiert werden, an denen sich junge Menschen heute noch orientieren könnten – obwohl ihre Texte seit jeher in eine völlig falsche Richtung weisen und Konventionen bedienen, die keinesfalls mehr weiter gegeben werden sollten.“

  6. Bücher sind ja immer ein Produkt ihrer Zeit und widerspiegeln den entsprechenden Zeitgeist. Ich denke, das muss in einer sachlichen Diskussion auch berücksichtigt werden. Diese pauschale Verurteilung führt zu nichts – außer zu Ärger und weiterer Spaltung.

    1. Vorhin ist mir noch ein Link zugeflogen, der die Ravensberger-Geschichte auch noch mal aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet und zeitlich einordnet, wann das Thema „Winnetou“ sich so aufgebläht hat:

      Der erfundene Shitstorm

      Interessant daran die These (und anhand der Zeitachsen auch klar belegbar), dass mal wieder das Flagschiff des Springerverlages mit einer echten Zeitungsente massgeblich als Treiber des Skandales daran beteiligt war….

      Was aber wenig an meiner Einschätzung der Werke des Karl May ändert, um die es ja in diesem Beitrag eigentlich ursprünglich auch ging
      (was der Autor des verlinkten Textes im Übrigen auch genauso einschätzt)

    2. Genau darum geht es ja. Über ein Buch aus jetztiger Zeit, das anscheinend ähnliche Narrative bedient wie damals Karl May. Es ging überhaupt nicht um Karl May, bevor die Springer-Presse diese Fake News in die Welt gesetzt hat. Der unten verlinkte Artikel stellt das gut dar.

      1. Dennoch ist es Zeit, auch nochmal über Karl Mey zu reden.
        Und das war meine Intention in diesem Beitrag.

        Schade, dass die nicht deutlich genug herausgekommen ist.

    1. Danke Elvira :-)
      Gut, dass der Artikel sich verbreitet. Ich hatte ihn kurz vorher schon einen Kommentar über Deinem verlinkt.

      Aber das macht auch nichts. Doppelt gemoppelt hält besser ;-)

  7. Och, ich spüre da Verkrampfungen, wenn Publikationen der Vergangenheit vor die Kulisse der Neuzeit gezogen werden und dann an den heutigen Standards gemessen … und oft auch abgeurteilt … umbenannt … werden.

    Wir sollten bestimmte Werke weiterhin zulassen (sofern verfassungskonform) und dann lieber mit einer Einleitung kommentieren. Denn nur dann lernen wir doch wie damals gedacht wurde und dann können wir es besser machen.

    Ich bin mit solchen Indianer-Helden aufgewachsen und in meinem Kopf waren sie immer DIE GUTEN. Ist das das falsche Indianer-Bild?

    Howgh ich habe gesprochen!

    1. Wir sollten bestimmte Werke weiterhin zulassen (sofern verfassungskonform) und dann lieber mit einer Einleitung kommentieren. Denn nur dann lernen wir doch wie damals gedacht wurde und dann können wir es besser machen.

      Das sehe ich durchaus genauso wie Du, denn die Sache mit einer kommentierenden Einleitung (oder mit Fussnoten und einem entsprechenden Register mit einordnenden Erklärungen) könnte wirklich das erreichen, was Dir da vorschwebt und wäre allemal besser, als problematische Texte stumpf weiter in der ursprünglichen Form zu veröffentlichen.
      Insofern versteh ich auch nicht wirklich, warum (etwa bei Karl May) es Leute gibt, die die Urfassungen beinahe bis aufs Blut verteidigen, ohne auch nur ein Fünkchen der Kritik aufzunehmen, die berechtigterweise heute daran besteht…..

      Ich bin mit solchen Indianer-Helden aufgewachsen und in meinem Kopf waren sie immer DIE GUTEN. Ist das das falsche Indianer-Bild?

      Nein, das ist sicher nicht das falsche Indianerbild, sondern möglicherweise ein nicht ganz korrektes (je nachdem, was Du da gelesen hast) Wobei es sicher auch zu meiner Zeit schon Literatur aus diesem Genre gegeben hat, die anders als Karl Mey nicht idealisieren wollte oder gar ein „Deutsches Weltbild“ auf den Sockel hob, sondern Indigene Kulturen aus einer viel realistischeren Perspektive beschrieb….
      Nur, dass diese Bücher eben nicht so populär waren…..

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