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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 07/22

Mit meinem heutigen Sonntagszitat möchte ich gerne nochmal auf ein Thema zurück kommen, das ich vor ein paar Wochen schon mal in diesem Kontext angesprochen hatte:
Die katholische Kirche, die nicht nur der fürchterlichen Missbrauchsgeschichten, den Diskriminierungen geschlechtlicher Diversidivität und des Zwangszölibates wegen nicht aus den Schlagzeilen kommt, zusätzlich zu den anderen Dauerbaustellen, die es in diesem Zusammenhang ja auch noch gibt.

Insofern finde ich auch eine Karrikatur sehr treffend, welche meine Liebste letztens gefunden und mit mir geteilt hatte:

Aber das, was da kirchenintern laufen müsste, soll hier gar nicht so sehr das Thema sein, sondern ein Konstrukt, dass zu Bismarcks Zeiten mit dem sogenannten „Kulturkampf“ seinen Anfang nahm und eine strikte Trennung von Kirche und Staat einläuten sollte – sowie weitere Regelungen, wie sie während der Weimarer Republik ergänzend dazu getroffen und 1933 mit einem Reichskonkordat für alle Ewigkeit zementiert wurden..Mit weit reichenden Folgen bis in unsere Zeit hinein, über die man auch heute, beinahe einhundert Jahre später, noch immer nur den Kopf schütteln kann:

Wie etwa die Alimentierung hoher katholischer Geistllicher durch unser aller Steuergeld (wohl gemerkt nicht durch die Kirchensteuer!), kirchliche „Sonderwege“ im Arbeitsrecht (zum Nachteil der Beschäftigten) und die immer noch gezahlten Schadensersatzleistungen von mehreren 100 Millionen Euro jährlich als Entschädigung für vor zwei Jahrhunderten enteignete Kirchengüter. Entschädigungen die in der Summe den Wert dieser Güter schon um ein vielfaches überschritten haben dürften….

Genau darauf zielt mein für heute gewähltes (und sicher auch etwas provokantes) Zitat ab, welches ich ein einem Leitartikel des Spiegel gefunden habe:

Eine grundlegende Entflechtung von Staat und Kirche ist das Gebot der Stunde. Eine Trennung der Sphären, die den Namen verdient, ist überfällig.
……..
Vor allem aber muss der demokratische Rechtsstaat Interesse daran haben, die allzu engen Bande mit einer Organisation zu lösen, die seine Autorität fortlaufend untergraben hat und sich in Teilen geradezu sekten­haft jedem gesellschaftlichen Wertewandel verweigert.
………
Der Staat muss sich emanzipieren von den Fesseln abgelebter Traditionen. Die Trennung von Staat und Kirche, eine Errungenschaft der Moderne, hat es noch immer nicht ins Grundgesetz geschafft, und im wahren Leben wird viel gemauschelt.
Die Demokratie braucht aber Abstand zu einer Massenorganisation, die sich offenbar dafür entschieden hat, im 21. Jahrhundert nicht ankommen zu wollen. Sonst sieht sie sehr schnell selber wie von gestern aus

Spiegel online.de (leider hinter der Bezahlschranke)

Wobei einige der hier formulierten Forderungen ja nicht nur für die katholische Kirche gelten, denn Sonderregelungen abseits der gülitigen Gesetze gibts im Bereich der evangelischen Kirchen ja auch – etwa beim Arbeitsrecht und (auch hier) bezüglich immer noch zu leistender Entschädigungen für entgange Pfründe….(wenn auch lange nicht in der Höhe, wie sie die Katholiken bekommen…)

-_-_-_-

Viel wichtiger ist aber auch noch ein anderer Aspekt, der gegen eine weitere Bevorzugungen der grossen Kirchen beider Konfessionen spricht.
Schon deshalb, weil sie auch zusammen bald keine Mehrheit der Bevölkerung mehr repräsentieren :

Die Zahl der Mitglieder dieser Kirchen sinkt seit Jahrzehnten kontinuierlich und liegt schon jetzt nur noch knapp über 50% der Gesamtbevölkerung, während andere Glaubensrichtungen durch Zuwanderung stärker werden und die Zahl der keiner Religion angehörigen Menschen in unserem Land etwa 41% beträgt – und dazu gibts dann ja auch noch eine lange Reihe kleiner Religionsgemseinschaften christlichen Glaubens, die ebensfalls keine staatlich zugestandenen Privilegien geniessen.
Weshalb also sollte man unter diesen Umständen den beiden „Grossen“ weiter Sonderrechte einräumen, wenn die Tendenz in dieser Richtung weiter geht?

Insofern stellt sich schon die Frage (und da gebe ich dem Verfasser des Zitates recht) ob viele Pivilegien der grossen Kirchen noch zeitgemäss sind und ob das gerecht den anderen Glaubensrichtungen gegenüber ist, die von diesen Regelungen mangels entsprechneder Verträge nicht profitieren?
Nur die Mitgliederzahl als Begründung reicht dafür jedenfalls nicht – und was einen moralischen Führunganspruch angeht, sind angesichts der überkommenen Wertvorstellunger und der fatalen „Missgriffe“ mancher katholischen Theologen wohl auch erhebliche Zweifel erlaubt.

Ausserdem stehts doch im Grundgesetz im Artikel 3?:

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
…….
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Das sollte doch wohl (im übertragen en Sinne ) auch für die grossen Kirchen und ihre Vertreter gelten:
Nicht mehr oder nicht weniger „wert“zu sein als alle anderen Glaubensvereinigungen oder die NGO’s, welche sich genauso engagiert an sozialen oder mildtätigen Aufgaben beteiligen, ohne dafür Sonderrechte oder andere Privilegien in Anspruch nehmen zu können.

Ich persönlich glaube kaum, dass sich nach Abschaffung der Sonderstellung ausser der Rechtsstellung der Kirchen etwas Wesentliches ändern würde, ausser vielleicht, dass „weltliche“ Gesetzgebung dann wirklich für alle gelten würde – z.B. auch, wenns um die durch nichts zu rechtfertigende Diskrimierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen o.ä. geht, um „gleiches Arbeitsrecht für alle“ oder um die „brüderliche“ Vertuschung ungesetzlicher und moralisch zutiefst verwerflicher Handlungen, wie etwa während der ganzen Missbrauchsvorwürfe der letzten Jahre……

Und dabei habe ich sicher noch Einges nicht erwähnt, was sich auch zum positiven wandeln könnte, wenn man kirchliche Sonderrechte ersatzlos einstampfen würde, dem auf altväterlichen Traditionen gebauten „christlichen Paralleuniversum“ die ein wenig Flügel stutzt und damit für mehr Bodenhaftung sorgt.
Aber es kann natürlich auch sein, das ich mich irre…

Deshalb wie immer die Frage:

Wie seht Ihr das?


Habt alle einen wunderbaren Sonntag und bleibt auch weiter gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

( der trotzdem Kirchenmitglied bleiben würde)


-513-

- 9 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 07/22

  1. Wenn sich jemand auf „moralische Überlegenheit“ beruft, gehen bei mir eh alle Warnlichter an.

    1. Exakt mein Gedanke – zumal „Überlegenheit “ oft auch im engen Zusammenhang mit „Überheblichkeit“ steht – und dafür sind gerade die höheren Chargen der römisch-katholischen Kirche ein gutes Beispiel..
      Den gerade denen würde ein wenig mehr Bescheidenheit und Bussfertigkeit wahrlich gut anstehen…

  2. Ich falle ja selbst unter das kirchliche Arbeitsrecht und finde, es gehört abgeschafft und zwar subito. Nicht, dass ich das bisher zu spüren bekommen hätte, aber ich finde es per se einfach ein Unding.
    Soweit ich weiß, werden auch evanglische Bischöfe aus dem Staatssäckel bezahlt.

    1. Zu Deinem letzten Satz eine kleine Einschränkung:
      Das gilt tatsächlich nicht in allen Landeskirchen und hängt wohl auch ein Stück weit davon ab, wie geschickt die jeweilige LK seinerzeit verhandelt hat….

      Ansonsten aber gebe ich Dir vollkommen Recht…

  3. Zum Thema Kirche äußere ich mich außerhalb von persönlichen Gesprächen sehr selten, weil man so schnell jemandem auf die Füße tritt. Da wir evangelisch sind, stehen wir vielem, das den katholischen „Kirchenstaat“ ausmacht, skeptisch bis ablehnend gegenüber.
    Aber wir sind auch mit unserer evangelischen Ausrichtung nicht zufrieden – ich/wir sind zwar gläubig aber zunehmend kirchenfern und ich denke, daran wird sich auch nichts mehr ändern.

    1. Aber wir sind auch mit unserer evangelischen Ausrichtung nicht zufrieden – ich/wir sind zwar gläubig aber zunehmend kirchenfern und ich denke, daran wird sich auch nichts mehr ändern.

      So würde ich meinen Standpunkt auch in etwa beschreiben.

      Wäre ich katholisch, wäre ich wohl schon lange aus der Kirche ausgetreten. Gründe dafür hätte es nicht nur in den etzten Jahren mehr als genug gegeben.
      Auch bezüglich meiner evangelischen Kirchenzugehörig habe ich mir dazu schon mal Gedanken gemacht:
      Seinerzeit, als der Nato-Doppelbeschluss Thema war, um nur ein Beispiel zu nennen.
      Damals hätte ich mir nämlich durchaus gewünscht, dass „meine Kirche“ klarer und eindeutiger Stellung bezieht und nicht einzelne Pastoren massiv angegangen worden wären, die klar zur Friedensbewegung standen und jegliche Aufrüstung ablehnten…
      (ähnlich übrigens, wie es den Pfarrern gegangen ist, die als erste gewagt haben, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. )

      1. Ich habe den Eindruck, dass sich doch einige Pastores/Pfarrer*innen auch sehr deutlich positionieren, sei es zu den Corona-Protesten, zum Klimawandel und anderen Themen. Auch damals hat es ja viele friedensbewegte Geistliche gegeben, die allerdings vermutlich wenig Rückendeckung von ihrer Amtskirche haben. Heute geht ja auch die Amtskirche einige Themen ganz öffentlich an. Kirche muss in meinen Augen auch politisch sein, wenn sie gesellschaftlich relevant sein/bleiben will.

        1. Da hat sich in der Tat in den letzten Jahren ein deutlicher Wandel vollzogen und „unsere Kirche“ ist in manchen Punkten zeitgemässer, vielfältiger und moderner geworden.

          Was vermutlich auch ein Stück weit damit zusammenhängt, dass unter den Talaren nicht mehr der Muff der Kriegsgeneration steckt, der in den 70ern und Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts noch deutlich zu spüren war – etwa in der auch für mich zuständigen Landeskirche, die damals in vielen Punkten sehr „konservativ“ war.

          (Und ich denke noch mit Schrecken an die Diskussionen, die damals wegen Aids geführt wurden: Da gab es in meinem Umfeld eine Menge (auch evangelischer) Pastoren, die den „unsittlichen Lebenswandel“ dafür verantwortlich machten und massiv dagegen oponierten, als „meine“ Krankenhausleitung eine spezielle Station für HIV-Positive Patienten einrichten und sich im gleichen Zuge auch am Methadon-Projekt beteiligen wollte:
          „Sowas kann doch ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft nicht machen – Dafür sind die kommunalen Krankenhäuser zuständig!“)

          1. In Hamburg hat wohl auch so mancher „verschnupft“ reagiert, als die AIDS Seelsorge gegründet worden ist. Die hatte es am Anfang nicht leicht. Jetzt hat sie es wieder nicht, weil man das Thema für nicht mehr zeitgemäß hält, weil ja kaum noch jemand an der Krankheit stirbt.

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