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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Nur nicht drüber reden?

Hallo, Ihr Lieben!

Ich weiss nicht, ob Euch das auch auffällt:

Während in den Fernseh-Nachrichten zunehmend intensiver über den drohenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine geredet wird und der Konflikt immer mehr unter die Spitzenthemen rückt, ist das in den meissten Blogs nach wie vor kein Thema – und ich vermute mal, in den den üblichen sozialen Netzwerken auch nicht.
So steht der Konflikt beispielsweise in den aktuellen Trends für unser Land auf Twitter (der einzigen von mir noch genutzen Plattform dieser Art) heute vormittag gerade mal auf Platz 11, also auch nicht gerade an der Spitze der meisst erwähnten Themen:

Ähnlich siehts auch bei allen Onlinezeitungen aus, die ich regelmässig lese.
Da taucht das Thema heute Vormittag zwar im oberen Seitendrittel auf, aber nicht an oberster Stelle, sondern eher unter „ferner liefen“ unter den drei, vier Topthemen, die seitens der Redaktionen für wichtiger erachtet werden.

Man könnte also meinen, dass es so schlimm gar nicht ist, obschon die Spitzen unserer Regierung (wie auch aus anderen Ländern unserer Nachbarschaft) sich offenbar zur Zeit alle in intensivsten Verhandlungen befinden, um die Kriegsgefahr zu minimieren – und ein möglicher Krieg unser Land auf dem Umweg über die Nato-Mitgliedschaft ohne Zweifel ja auch betreffen würde.
Schliesslich haben die USA und das englische Königreich ja schon Garantien für die Ukraine abgegeben, die schlimmstenfalls darauf hinauslaufen, dass die Nato mit in den Konflikt hineingezogen wird.
Wozu ja auch noch kommt, dass die CIA schon einen konkreten, wenn auch nur vermuteten Termin für einen Kregsbeginn benannt hat und damit die Stimmung möglicherweise noch weiter aufgeheizt hat:

„Invasion könnte jederzeit beginnen“

Nach dem Krisen-Telefonat trat der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, vor die Presse. „Wir sehen weiterhin Anzeichen für eine russische Eskalation, einschließlich neuer Truppen, die an der ukrainischen Grenze eintreffen“, sagte er.

Allerdings wolle er damit nicht sagen, dass der russische Präsident Wladimir Putin eine Entscheidung für eine Invasion bereits getroffen habe. „Wir befinden uns in einem Zeitfenster, in dem eine Invasion jederzeit beginnen könnte, sollte sich Wladimir Putin dazu entschließen, sie anzuordnen“, sagte Sullivan. Dies könne auch während der Olympischen Spiele der Fall sein.

Ähnlich hatte sich zuvor US-Außenminister Antony Blinken geäußert.Nach Informationen des Magazins „Spiegel“ unterrichteten der US-Geheimdienst CIA und das US-Militär die Verbündeten, dass man aufgrund neuer Informationen fürchte, ein Angriff könne am kommenden Mittwoch erfolgen. Sullivan kommentierte diese Geheimdienst-Berichte nicht.

Tagesthemen am 11.02.2022

Mit der Folge (unter vielen anderen), dass es jetzt als Reaktion darauf eine Verstärkung des Bundeswehr-Kontingents in Litauen gibt, welche naturgemäss von Herrn Putin als zusätzliche Bedrohung aufgefasst werden wird….

Und ganz ehrlich: ich habe da so meine Zweifel, ob sich mit all den Truppenverstärkungen ( es ist ja nicht nur die Bundeswehr, die Soldaten und Waffen schickt) das Säbelrasseln auf beiden Seiten beenden lässt.
Im Gegenteil sind das doch alles nur zusätzliche Provokationen, durch welche die Lunte am Pulverfass nicht länger, sondern noch kürzer wird….

Ganz ähnlich übrigens wie damals, als der Nato-Doppelbeschluss in aller Munde war und entgegen massiver Proteste aus der Bevölkerung zusätzliche Atomraketen in unserem Land aufgestellt werden „mussten“ .
Dagegen bin ich auch – wie viele andere – auf die Strasse gegangen, immer begleitet von einem unterschwelligen Gefühl von Angst und absoluter Machtlosigkeit unseren Regierungsentscheidungen gebenüber. Weil einfach nicht sein konnte, was nicht sein durfte und es jedem gesunden Menschenverstand widersprach, die Rüstungsgsspirale immer weiter zu drehen.

Last mich deshalb noch ein Zitat anfügen, welches ziemlich gut ausdrückt (besser als ich das könnte), was mich da gerade umtreibt:

Bald werde ich 64. Mein ganzes Leben lang kenne ich Krieg nur aus den Erzählungen meiner Eltern, die den 2. Weltkrieg als Kinder erleben mussten und jeweils einen Bruder verloren, aus fernen Ländern in der „Tagesschau“, aus Büchern wie „In Stahlgewittern“ , Filmen wie „Die Brücke“ oder „Das Boot“ oder als Fiktion aus Kino und Fernsehen.

Ich dachte immer, das würde bis an mein Lebensende so bleiben. Ich dachte, die Schrecken der beiden Weltkriege, die Erfahrungen des Korea- und des Vietnamkrieges, die Atombombeneinsätze in Japan, die wenig erfolgreichen Kriege in Afghanistan, in Syrien und im Irak und die Massaker in Afrika hätten gewirkt. Irgendwann müsste doch auch der Dümmste verstanden haben, dass Krieg einfach nur Scheiße und kein Videospiel ist. Zu Beginn der Krimkrise war ich noch der Meinung, dass außer dem Anschluss der Krim nichts weiter passieren würde.

Scheint aber nicht so zu sein.So wie es aussieht, soll mal wieder Krieg in Europa sein. Ist ja auch schon um die 80 Jahre her. Fast vergessen. War wohl doch nicht so schlimm. Wir alten Weicheier. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.
………….
Kriegsrhetorik auf allen Seiten. Der Begriff „Säbelrasseln“ verniedlicht das Ganze. Wer kämpft heute noch mit Säbeln? Joe Biden droht Russland mit irgendwas, Sergej Lawrow droht immer irgendwem. Olaf Scholz droht mitunter einzuschlafen. Die einen machen ein fettes Manöver an der ukrainischen Grenze, die anderen schaffen Soldaten und Waffen nach Osten. Die Propagandamaschinen sind angefahren. Und so geht es immer weiter. Die Lust an der Provokation ist unverkennbar. Pubertäre Schwanzvergleiche auf beiden Seiten. Wer keinen Schwanz zum Vergleichen hat, droht mit irgendwelchen nebulösen „Sanktionen“. Irgendwann knallt’s dann aber richtig. Und ich fürchte ernsthaft, dass das noch in den nächsten Tagen passieren wird.
………
Sind eigentlich alle bekloppt? Dabei sah es vor gut sieben Jahren noch danach aus, als gäbe es einen vernünftigen Weg aus der Bredouille. “Genfer Abkommen, erinnern Sie sich?”

Heinrich Schmitz auf die Kolumnisten.de „Vor dem Krieg“

Die Sätze könnte ich in vollem Umfang unterschreiben – und das gilt wohl auch heute wieder:

Der Button war zu Zeiten des Doppelbeschlusses und auch noch lange danach neben der weissen Taube auf blauem Grund
fester Bestandteil meiner Kleidung –
und damit sicher auch ein Zeichen meiner gefühlten Machtlosigkeit den politischen Entscheidungen gegenüber

-_-_-_-

Noch eine Bemerkung zum Schluss:

Natürlich will ich hier nicht „rumunken“, schlechte Stimmung verbreiten oder gar Kriegsängste bei Euch triggern, aber ganz tief in meinem Kopf drängen sich gerade wieder solche Gedanken auf wie damals – und ja, ein wenig habe ich tatsächlich auch wieder Angst, die Sache könnte weiter eskalieren, wenn die hektische Friedensdiplomatie nicht bald zu einem für alle Seiten ohne Gesichtsverlust tragbaren Ergebnis kommt.
Lasst uns also alle hoffen, dass es nicht so kommt und die Sache friedlich ausgeht…..

Und lasst uns unseren Teil dazu beitragen, indem wir nicht weiter den Kopf in den Sand stecken, sondern darüber reden, schreiben – oder was auch immer…. bevor es zu spät ist.


Trotz allem:
Lasst es Euch gut gehen und bleibt auch weiter gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der lange überlegt hat, ob er diesen Beitrag veröffentlicht.


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