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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 08/22

Guten Morgen Euch allen!

Ich denke, es ist wohl kein Geheimnis, dass ich mich schon vor langer Zeit von Facebook und anderen „sozialen “ Medien zurück gezogen habe – ich hatte ja schon einige Male darüber geschrieben.

Meine Begründung für diese Entscheidung war seinerzeit, dass es für mich immer unerträglicher wurde, mit Informationen förmlich überschüttet zu werden, von denen irgendwelche hergelaufenen Algorithmen meinten, dass ich sie unbedingt lesen müsse:

Vieles davon doppelt, dreifach und vierfach, weil immer wieder die gleichen (und für wichtig gehaltenen) Informationen von etlichen Acounts in „meiner“ Filterblase aufs neue geteilt wurden und – logisch – dann kurz hintereinader (oder gelegentlich auch mal mit ein paar Stunden Abstand) in meiner Timeline aufploppten.

Für mich „zuviel Input“, der noch dazu auch den Blick auf andere Dinge (oder Sichtweisen abseits der Filterblase) verstellte – und (hätte ich wirklich alles lesen wollen) sich zunehmend zum Zeitstaubsauger entwickelte, der mich oft genug daran gehindert hat, anders zu tun, was vermutlich mehr Spass gemacht hätte…

Mal Hand aufs Herz – wer liesst schon jeden Beitrag auf seiner Timeline (also auf der von den Algorithmen diktierten Leseliste) von Anfang bis Ende durch, folgt allen Links auf die geteilten Inhalte, liest auch die und schreibt danach noch einen sinnvollen Kommentar dazu?
Das dürften meiner Erfahrung nach die allerwenigsten sein, zumal sich ja auch kaum jemand wirklich die Zeit nimmt, die dafür nötig wäre.

Wie denn auch, wenn man während einer kurzen Zigarettenpause nur mal eben schnell seine „News“ checken will?

Da bleibt eigentlich nur noch das schnelle Klicken des Like-Buttons als Rückmeldung übrig.
Vielleicht sogar mit dem guten Vorsatz verknüpft, später nochmal auf das gelesene zurück zu kommen, wenn man mehr Zeit dafür hat. Jedenfalls, wenn dieser Inhalt dann nicht schon so weit nach unten gerutscht ist, dass man ihn nur mit Mühe wiederfindet. (wenn überhaupt)
Und inzwischen sind ja auch noch dutzende neuere Meldungen dazugekommen, die auch gelesen, geliked und kommentiert werden wollen. Je mehr, je grösser der eigene „Freundeskreis“ und die Zahl der Abonnements aus anderen Quellen ist.

Und genau darauf zielt ein Zitat, wie der Autor meines aktuellen Buches es einen Antagonisten seiner „Heldin“ sagen lässt:

„Kein Mensch braucht diese Menge an Kontakt und Information, die ihr ermöglicht. Das verbessert nichts. Es ist nicht gesund. Es ist wie Junkfood.

Weißt du, wie sie das Zeug entwickeln? Die ermitteln wissenschaftlich präzise, wie viel Salz und Fett reingehört, damit du schön weiterisst.
Du hast keinen Hunger, du brauchst kein Junkfood, es gibt dir nichts, aber du isst weiter diese leeren Kalorien.

Und genau das fördert ihr. Genau das Gleiche:
Endlose leere Kalorien, aber eben die digital-soziale Entsprechung.
Und ihr stimmt es genau ab, damit es in gleicher Weise süchtig macht.«“

aus „Der Circle: Roman“ von Dave Eggers

Was nebenbei bemerkt oft auch die Frage in mir aufwarf, ob die freigiebigen „Liker“ wirklich den ganzen Beitrag gelesen und sich ggf. auch ausgiebiger damit beschäftigt hatten?
Mein Eindruck war damals jedenfalls eher, das dem wohl häufig nicht so war – zumindest nicht, wenn es neben dem hochgestreckten Daumen nicht auch noch wenigstens einen kurze Kommentar zum jeweiligen Beitrag oder dem geteilten Inhalt gab.
Ansonsten war wohl eher davon auszugehen, dass die gelikten Inhalte allenfalls überflogen wurden und nach hinterlassen einer Duftmarke gleich zum nächsten von den Algorihtmen servierten Punkt auf der „Leseliste“ weiter gesprungen wurde – und sei er noch so belanglos.


Du kommentierst Sachen, und das ist der Ersatz dafür, sie selbst zu tun. Du siehst dir Fotos von Nepal an, klickst auf einen Smile-Button und glaubst, das ist das Gleiche, wie nach Nepal zu fahren. „

ebenda

Manchen Benutzern (und da schliesse ich mich in grossen Teilen meiner eigenen Facebookzeit nicht aus) reicht halt auch die Ersatzbefriedigung, wie sie diese Plattform bietet – und auch das Lob und die Bestätigung in Form von Likes (Gefällt mir) habe ich lange Zeit dankbar angenommen

Neben den „Neuigkeiten“, die man nicht verpassen möchte ist diese Form des Feedbacks übrigens mit ein Grund, warum viele Menschen den ganzen Tag über immer wieder ihre Timline checken müssen. Denn mit der Menge an Likes steigen auch die Glückshormone – sie sind also prinzipiel nichts anderes als Schokolade in digitaler Form. Positives Feedback kann man deshalb nie genug bekommen und:
Mit steigender Anzahl der „Freunde“ und der erhaltenen Likes wird der eigene Erfolg messbar – und damit auch der soziale Status im eigenen „Freundeskreis“-(der ebenfalls ein Glücksfaktor ist)…
Viel „Schokolade“ also ohne realen Nährwert.

Grund genug für viele Nutzer, immer mehr „Inhalte“ zu generieren, mit denen der eigene Satus verbessert werden kann. Schon, damit man nicht in Vergessenheit gerät und immer mal wieder wenigstens kurz ganz oben in der Timeline der Freunde auftaucht. Möglichst, bevor die blöden Agorithmen einen wieder mal ganz in den „Keller“schieben, weil andere Inhalte aktueller sind oder mehr Gewinn für die Betreiber der Plattform versprechen…
Qualität und Informationswert sind dabei nicht mal unbedingt gefragt – Hauptsache, man bleibt „im Gespräch“ und immer in den Spitzen der Timelines seiner Freunde. Insofern verwundert es auch nicht, dass damit das Leben vieler Menschen immer hektischer und unruhiger wird – mit einer Umtriebigkeit, die auch weit ins reale Leben ausstrahlt:

Schliesslich will niemand etwas wichtiges verpassen – und auch der eigene „soziaile Status“ erfordert permanente Aufmerksamkeit, wenn man nicht ins Abseits geraten will….

Da ist dann halt Multitasking gefordert, um immer am Ball zu beleiben – nicht nur im Netzwerk, sondern „nebenher“ auch noch im realen Leben, für das die Zeit immer knapper wird.
Klar, das dann keine Ressourcen mehr bleiben, sich mal in Ruhe und ausgiebig nur mit einer Sache zu beschäftigen.

Und genau das wurde mir irgendwann zuviel, womit auch meine Präsenz auf Facebook mehr und mehr abnahm und schlussendlich zum erliegen kam – auch ohne, dass mir damals das bekannt gewesen wäre, was man heute über den verheerenden Umgang mit Nutzerdaten in Zuckerbergs Imperium weiss.

Hätte ich das damals gewusst, wäre es allerdings wohl trotzdem nicht der ausschlaggebende Grund gewesen, meine Mitgliedschaft zu beenden. Denn das hätte mich damals wohl kaum gestört, solange ich ansonsten damit zufrieden war und genug „Schokolade“ dafür bekam.
Insofern kann ich ein Stück weit auch jeden verstehen, der sich allen inzwischen bekannten Ressentiments zum Trotz immer noch auf der Plattform bewegt, auch wenn ich selbst eine heftige Abneigung dagegen entwickelt habe.

Denn immerhin taugt sie ja neben der ganzen Dessinformation, zielgerichteten Werbung und dem irrsinnigen Datenchaos wohl gelegentlich trotzdem noch, um mit wirklichen Freunden in Kontakt zu bleiben…. wenn man sie sinnvoll nutzt .(so habe ich mir jedenfalls sagen lassen)

Bleibt natürlich am Ende wieder die Frage, was ihr dazu meint…..


Zum guten Schluss noch das, was immer zum Schluss kommt:
Habt einen schönen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :-)

Euer Wilhelm,

der inzwischen auf virtuelle Schokolade gut verzichten kann


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