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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Weltreise mit kleinem Manko

Moin zusammen!

Gestern abend haben wir zusammen eine interessante Hafenrundfahrt der etwas anderen Art gemacht, wie sie in unregelmässigen Abständen von der Hamburger Seemannsmission angeboten wird:

Weltreisen in Hamburg

…ist ein Projekt der Evangelischen Kirche, in dessen Rahmen u. a. auch über die Arbeits- und Lebensbedingung der Seeleute informiert wird, die alltäglich auf den Ozeanen dieser Welt unterwegs sind, um uns mit den Waren zu versorgen, die dank der Globalisierung weltweit gehandelt werden – und auch über die Arbeit der Seemannsmission, die sich um diese Menschen kümmert, die unter normalen Umständen kaum mal von ihren Schiffen herunterkommen oder gar, wie während der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren irgendwo gestrandet sind und nicht mehr zu ihren Familien zurück kamen..

Wie etwa die Seemänner aus Kiribati, die lange Zeit hier in Hamburg festsassen, weil sie nicht in ihr Heimatland einreisen durften…

Aber auch ohne Pandemie ist der Alltag dieser Seeleute schon hart genug mit wöchentlichen Arbeitszeiten von bis zu 90 Stunden, kurzen Hafenliegezeiten und Heuerverträgen von (je nach Nationalität) sechs, neun oder gar elf Monaten (in Fischfangflotten sogar bis zu zwei Jahren), in denen sie kaum an Land kommen, ihre Familien nicht sehen und wegen fehlender oder extrem teurer Internetverbindung auf vielen Schiffen nur während der Hafenliegezeiten Kontakt nach hause aufnehmen können – mit teils sehr niedrigen Löhnen und dem Risiko, bei medizinischen Notfällen auf See nur marginal versorgt werden zu können, weil auf den riesigen Frachtern natürlich auch kein Arzt mitfährt und die grossen, wie Linenbusse von einem Hafen zum anderen fahrenden Containerfrachter ihre Fahrpläne einhalten müssen und nicht „mal eben“ irgendwo anlegen können, nur weil jemand von der Besatzung erkrankt ist.

So ist es auch bezeichnend, dass Seeleute heute nicht mehr als „Matrosen“ bezeichnet werden, sondern als „Able Bodys“, also (frei übersetzt) als „Verfügbare Körper“, wie uns der Seemansdiakon vom Duckdalben (einem Seemanclub mitten zwischen den Containerterminals) erklärte.
Logisch, was mit dieser Bezeichnung ausgesagt wird: Der einzelne Mensch (und besonders die Seeleute auf den grossen Schiffen) zählt in Zeiten des globalen Handelns nur noch wenig, sondern ist lediglich Verfügungsmasse, die ganz nach Bedarf angeheuert und gefeuert werden kann, ohne gross auf ihre Würde und ihre Bedürfnisse achten zu müssen…

Und so hat sich die Seemansmission auch auf die Fahnen geschrieben, diesen Menschen wenigsten dann einen Teil ihrer Würde wieder zu geben, wenn sie in den Häfen sind – und in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen – wie etwa der internationalen Seefahrer-Gewerkschaft eine Aktion unter dem Titel „Support of Seafarer’s Dignity“ in Leben gerufen, in der es auch darum geht, dies Thema mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu holen, über das die meisten von uns kaum etwas wissen dürften.

Ihr seht also, diese Hafenrundfahrt war äusserst informativ und führte zudem auch wieder einmal in Ecken das Hafens, die man als Tourist üblicherweise nicht zu Gesicht bekommt.
Wozu auch das gute Wetter noch seinen Anteil hatte, was eigentlich auch ideal zu fotografieren war…

Und das war dann auch das Manko, was ich gestern hatte:
Leider habe ich erst zuhause bemerkt, dass die Speicherkarte in meiner Kamera ihren Geist aufgegeben hatte und ich gänzlich ohne Bilder nach Hause gekommen bin. Aber zum Glück ist das kein allzugrosses Drama, denn die Liebste hat ja reichlich geknipst.
Will sagen: die Bilder zu diesem Beitrag wird es dann „drüben“ bei ihr geben….

Ausserdem ist eine kaputte Speicherkarte ja auch wirklich nur ein Luxusproblem verglichen mit dem, was wir gestern gehört haben, zumal einer Wiederholung ja auch nichts im Wege steht. Schliesslich werden diese „Weltreisen“ ja immer wieder angeboten, auch zu anderen Themen…..

Tante Edit sagt:
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Habt wie immer alle einen „guten Tag“ und beliebt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der die Hafenrundfahrt gestern nicht nur wehr informativ fand, sondern sie auch wirklich genossen hat…


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- 10 Bemerkungen zu “Weltreise mit kleinem Manko

  1. Für meine Verhältnisse habe ich gestern sehr wenig photografiert, aber ein paar Bilder kann ich schon noch beisteuern.
    Auch wenn ich diese Fahrt gestern zum dritten Mal gemacht habe, ist sie doch immer wieder anders. Gestern war ja echt das Highlight, dass die zu zweit waren. Der Seemannsdiakon ist seit 40 Jahren in dem „Geschäft“ und kann wirklich viel erzählen und man kann ihm auch gut zuhören. Bisschen hilflos macht einen das aber schon, weil man hier als Verbraucher so gar nichts ausrichten kann und auch der fair-trade Kaffee und die Bio-Bananen mit eben diesen Schiffen transportiert werden. Der Begriff Able Body hat mich echt zusammenzucken lassen, wie so manches andere gestern auch. Ich habe auch schon angefangen, was aufzuschreiben, aber manches kann man ja auch mal doppelt lesen.
    Beeindruckt hat mich deren beider Engagement und ihr Einsatz für die Seeleute, die sonst kaum eine Lobby haben. Das machen die bestimmt nicht als nine-to-five Job. Ich jedenfalls mache diese Art von Hafenrundfahrt auch gerne noch mal wieder.
    Was wir auch mal wieder machen könnten, ist eine literarische Hafenrundfahrt mit den Stromablesern :yes:
    Das haben wir vor etlichen Jahren mal gemacht und das war auch toll. Ui, ich sehe gerade, das ist neun Jahre her….
    https://menschlebtnureinmal.die-momos.de/2013/02/15/das-war-wirklich-klasse/
    Wen es interessiert, hier ist das Programm: http://www.stromableser.com/img/StromableserFlyer2022.pdf

    1. Diese Stromablesertour könnten wir wirklich nochmal machen – etwa die im September.
      Da finde ich auch das Thema ganz spannend: Ebbe und Flut.

  2. Es gibt so vieles, über dass wir uns keine Gedanken machen. Ich habe jedenfalls noch nie über dieses harte Leben der Seeleute nachgedacht, nichts darüber gewusst. Aber warum sollte es auf den Weltmeeren auch anders sein als in sehr vielen Gegenden der restlichen Welt. Der arbeitende Mensch ist eine auswechselbare Ressource, Sklavenarbeit in modernen Gewändern.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Sklavenarbeit trifft es wohl ziemlich gut – insbesondere, was Seeleute aus dem pazifischen Raum angeht. Besonders die Philippinen tun sich damit wohl hervor, weil Seeleute aus diesem Land für Dumpinglöhne arbeiten müssen und vom Staat als Devisenbringer betrachtet werden, die ihre Heuer beinahe vollständig an ihre Familien überweisen und damit einen ordentlich Brocken zum Bruttosozialprodukt beitragen.

  3. Der Übersetzung von „able“ kann ich nicht zustimmen. Ein AB ist ein Vollmatrose, der eine entsprechende Ausbildung erhalten hat, dass er den Titel Matrose tragen darf. „Able“ heißt u.a. „fähig, kompetent, geeignet“. Früher war der Matrose eine der Vorstufen, um Kapitän zu werden. Dagegen ist ein Decksmann oder Deckshelfer (deckshand, deckhand) ein ungelernter Seehmann.
    Reedereien können die Heuern übrigens nicht willkürlich festlegen. Sie unterliegen dem internationalem Standard der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft (ITF), die durch ihre Inspektoren in den Häfen Stichproben der Heuerverträge macht. In Charterverträgen gibt es eine Klausel, die den Reeder verpflichtet, die Heuern entsprechend ITF zu zahlen. Sollte das nämlich nicht der Fall sein und bei einer Kontrolle auffliegen, hat die ITF die Möglicheit, so ein Schiff durch die Hafenarbeiter zu boykottieren – und das kann für den Reeder sehr sehr teuer werden da für die Ausfallzeit kein Geld bekommt. Nicht nur das, er muss auch die zusätzlichen Hafengebühren und den erhöhten Gasolverbrauch für die Hilfsmaschinen im Hafen bezahlen.

  4. Ich habe vorhin schon bei Frau Momo kommentieren wollen, aber eine Fehlermeldung bekommen. Da Andere aber kommentieren können, wird es wohl wieder an meinem Mobilteil liegen…
    Zum Inhalt: ja, es gibt so viele dieser Katastropghen, leider nicht nur bei den Seeleuten.

      1. Ich hatte es auch nicht verstanden. Aber irgendwann ging’s dann plötzlich. Na, egal. Jetzt bin ich ja sowieso wieder zu Hause…

        1. Tatsächlich war ein kleines Detail der Einstellungen unterschiedlich.
          Ich hatte für einige französische Subnetze den Zugang auf unseren Webspace gesperrt, weil über die entsprechenden Provider immer wieder versucht wurde, unsere Blogs zu attackieren.
          Der zugehörige Filter war nebenan eher grob eingestellt (ganz Frankreich bleibt draussen, was Kommentare angeht, drei Subnetze haben überhaupt keinen Zugriff auf den Webspace, können also noch nicht mal unsere Seiten sehen) und bei mir schon deutlich verfeinert (nur drei Subnetze bleiben draussen, der Rest kann lesen und kommentieren.)
          Nachdem ich über unsere Serverlogs ja wusste, über welches Subnetz Du – wohl vom Handy aus ? – auf meinen Blog zugegriffen hattest, war das kein Problem, den Zugang für dieses Netz frei zu machen B-)

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