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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

So zärtlich war Suleyken – Erzählungen

Das musste jetzt einfach sein, nachdem ich vor nicht mal einer Woche mit dem Lenz’schen Heimatmuseum fertig war:

So zärtlich war Suleyken
Von Siegfried Lenz

Ein kleines Büchlein mit kurzen, phantasie- und humorvollen Erzählungen aus Masuren, das (auch durch seine „masurisch gefärbte“ Sprache) ein ausgesprochen liebevolles Bild dieses Landstriches und seiner Einwohnern malt und dabei gleichzeitig ein schönes Beispiel für die erzählerischen Talente seines Autors gibt, der damit als noch junger Mann einen ersten grossen Publikumserfolg landen konnte.
Mehr muss man dazu nicht sagen – ausser vilelleicht noch, dass auch dieses Buch für mich ein kurzweiliger Lesegenuss und leider viel zu schnell zu Ende gelesen war.

Der Klappentext der von mir gelesenen E-Book-Ausgabe bringt es treffend auf den Punkt:

– „Kleine Erkundungen der masurischen Seele“ hat Siegfried Lenz diese Geschichten genannt. Was er in ihnen ans Licht bringt, ist eine Gesellschaft höchst skurriler Gestalten: ein listiger Großvater namens Hamilkar Schaß, den weder Tod und Teufel noch der Rokitno-General Wawrila beim Lesen stören können, die füllige Tante Arafa, die unversehens ihren Geist aufgibt, der Schiffer Manoah, der stumm ein großes Erbe abtritt, und viele andere. Alle sind sie Lachudders: Leute, mit denen man es gut meint, obwohl man sie im Grunde für Schlingel hält. Ihre Sprache, umständlich, verschlagen und hintergründig, ist zugleich so bunt wie der Markt von Oletzko und so festgefügt wie ein Bauernhaus in Suleyken.

Klar, das mir das fünf Sterne wert ist:

Und nun ist wieder zu überlegen, was ich als nächstes lesen könnte……


Habt alle noch einen angenehmen Nachmittag und bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:


-496-

Das Sonntagszitat 04/22

Eigentlich hatte ich für mein heutiges Sonntagszitat ein ganz anderes Thema angedacht, aber aus aktuellem Anlass möchte ich Euch heute lieber mit einigen zusammengefassten und etwas gerafften Zitaten aus einem zwei Jahre alten Traktat des ehemaligen Papstes „beglücken“, von dem in den letzten Tagen in der Pressse immer wieder die Rede war.
Denn mit ein wenig Recherche ist das tatsächlich (auf den Seiten des Kölner Domradios) in deutscher Übersetzung im Netz zu finden:

Ich erinnere mich noch, wie ich eines Tages in die Stadt Regensburg gehend vor einem grossen Kino Menschenmassen stehen und warten sah, wie wir sie vorher nur in Kriegszeiten erlebt hatten, wenn irgendeine Sonderzuteilung zu erhoffen war. Im Gedächtnis ist mir auch geblieben, wie ich am Karfreitag 1970 in die Stadt kam und dort alle Plakatsäulen mit einem Werbeplakat verklebt waren, das zwei völlig nackte Personen im Grossformat in enger Umarmung vorstellte.
……
Zu den Freiheiten, die die Revolution von 1968 erkämpfen wollte, gehörte auch diese völlige sexuelle Freiheit, die keine Normen mehr zuliess. Die Gewaltbereitschaft, die diese Jahre kennzeichnete, ist mit diesem seelischen Zusammenbruch eng verbunden.
…..
Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde. Wenigstens für die jungen Menschen in der Kirche, aber nicht nur für sie, war dies in vieler Hinsicht eine sehr schwierige Zeit. Ich habe mich immer gefragt, wie junge Menschen in dieser Situation auf das Priestertum zugehen und es mit all seinen Konsequenzen annehmen konnten.

Josef Ratzinger / aka Papst Benendikt XVI. , 11.04.2019 zur Krise in der katholischen Kirche

Wobei ich mich gerade frage, was der Herr R.. damit meint, wenn er von „allen Konsequenzen“ spricht? Denn da steckt ja wohl die Erwartung dahinter, dass junge Menschen ihre Priester als Leitfiguren sehen sollten, die mit ihren Worten und Handlungen ein Vorbild sind.

Was aber, wenn diese Worte von doppelzüngiger Moral geprägt sind und die Handlungen (schlimmstenfalls in Form von Missbrauch) vor allem auf den eigenen Egoismus ausgerichtet sind – maskiert als „Gottes Wille“?

Aber lassen wir den Herrn R. nochmal zu Wort kommen, denn ein paar Absätze weiter schreibt er diesen Satz:

Die westliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der Gott in der Öffentlichkeit abwesend ist und für sie nichts mehr zu sagen hat. Und deswegen ist es eine Gesellschaft, in der das Mass des Menschlichen immer mehr verloren geht. An einzelnen Punkten wird dann mitunter jählings spürbar, dass geradezu selbstverständlich geworden ist, was böse ist und den Menschen zerstört. So ist es mit der Pädophilie.
……
Vor kurzem noch als durchaus rechtens theoretisiert, hat sie sich immer weiter ausgebreitet.

siehe oben

Da irrt er, der Herr R:
Pädophilie stand in Deutschland immer unter Strafe, genau wie „Unzucht mit Abhängigen“ – was ja wohl auch auf das Verhältnis von Priestern zu ihren jugendlichen Ministranten zutrifft.

Wieso konnte Pädophilie ein solches Ausmass erreichen? Im letzten liegt der Grund in der Abwesenheit Gottes. Auch wir Christen und Priester reden lieber nicht von Gott, weil diese Rede nicht prakisch zu sein scheint. Nach der Erschütterung des 2. Weltkriegs hatten wir in Deutschland unsere Verfassung noch ausdrücklich unter die Verantwortung vor Gott als Leitmass gestellt. Ein halbes Jahrhundert später war es nicht mehr möglich, die Verantwortung vor Gott als Massstab in die europäische Verfassung aufzunehmen. …

ebenda

Und auch damit liegt er falsch.
„Gott als Masstab aller Dinge“ (und damit katholische Moralvorstellungen, so wie er sie versteht) können nicht moralische Grundlage einer Gemeinschaft sein, wenn damit ein grosser Teil der Menschen ausgeschlossen wird, die anderes glauben oder für die ein Gott nicht existent ist.
Denn die sind in der Regel auch keine schlechteren Menschen als ein „guter Katholik“ – auch ohne „christlichen Überbau“

…. Gott wird als Parteiangelegenheit einer kleinen Gruppe angesehen und kann nicht mehr als Massstab für die Gemeinschaft im ganzen stehen. In diesem Entscheid spiegelt sich die Situation des Westens, in dem Gott eine Privatangelegenheit einer Minderheit geworden ist.

Was auch gut und richtig ist!
Schliesslich zählt „Glaubensfreiheit“ aus gutem Grund (und ohne die Notwendigkeit eines päpstlichen Segens) zu den in der Verfassung geschützten Grundrechten – sowohl hier in Deutschland als auch in der EU und in vielen Teilen der restlichen Welt..
Schon deswegen kann das Christentum mit seinen aus der Theologie geprägten Werten nicht als einziger Masstab herhalten und ein Alleinvertretungsrecht für sich in Anspruch nehmen.

Erst Recht nicht, wenn man die Kriege und die vielen Toten in Betracht zieht, die in der Vergangenheit als Folge dieser als „gottgegeben“ angesehenen Vormachtstellung zu beklagen waren. Hatte nicht auch der Holocaust eine seiner Ursachen in kirchlich propagiertem und gestütztem Judenhass mit jahrhunderte langer Tradition?

Wenn es dann auch noch Teil der „katholischer Moralvorstellung“ ist, Straftäter zu decken, (wie es ganz offenbar der Fall ist, solange sie aus den eigenen Reihen kommen), und das höchste Ziel dieser Moralvorstellungen darin besteht, das eigene Nest nicht durch berechtigte Kritik daran „beschmutzen“ zu lassen , dann spreche ich für meinem Teil einer Kirche jeglichen Führungsanspruch ab, die dies vertritt.
Was im übrigen auch für die von Ratzinger an anderer Stelle formulierte „Unfehlbarkeit priesterlichen Handelns“ gilt. Auch Priester sind Menschen mit Wünschen und Bedürfnissen (auch nach menschlicher Nähe, wie jeder von uns) und als solche nicht vor Fehlern gefeit.

Fraglich halt nur, ob das hartnäckige Propagieren mittelalterlicher Moral der richtige Weg ist, sie davor zu bewahren:

Diese Auflösung der moralischen Lehrautorität der Kirche musste sich notwendig auch auf ihre verschiedenen Lebensräume auswirken. In dem Zusammenhang (……) interessiert vor allem die Frage des priesterlichen Lebens, zudem die der Priesterseminare. Bei dem Problem der Vorbereitung zum priesterlichen Dienst in den Seminaren ist in der Tat ein weitgehender Zusammenbruch der bisherigen Form dieser Vorbereitung festzustellen:
In verschiedenen Priesterseminaren bildeten sich homosexuelle Clubs, die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten. In einem Seminar in Süddeutschland lebten Priesteramtskandidaten und Kandidaten für das Laienamt des Pastoralreferenten zusammen. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten waren Seminaristen, verheiratete Pastoralreferenten zum Teil mit Frau und Kind und vereinzelt Pastoralreferenten mit ihren Freundinnen zusammen. Das Klima im Seminar konnte die Vorbereitung auf den Priesterberuf nicht unterstützen……

Bei diesen Sätzen spüre ich förmlich den Ekel und die Missgunst des starrsinnigen alten Mannes in Rom, der für sich alleine in Anspruch nimmt, die Wahrheit gepachtet zu haben und sich keines Fehlers bewusst ist.

Wie sonst sollte man es verstehen, dass ihm ausser ein paar Gebeten für die Opfer keine Lösung einfallen will?.
Genau das ist aber vermutlich mit ein Grund, warum es jetzt so kommen musste, wie es gekommen ist.
Beten alleine ist nun mal keine Lösung – und eine erzwungene Ehe- oder Beziehungslosigkeit macht Priester auch nicht zu besseren Menschen. Im Gegenteil geht damit wohl eher so mancher Masstab für Recht und Unrecht im zwischenmenschlichen Bereich verloren – was mit zu solchen Auswüchsen und Grenzüberschreitungen führt, wie sie seit Jahrenzehnten immer wieder ans Licht kommen und offenbar auch schon weit vor der „sexuellen Revolution der 68er“ Gang und gäbe waren..
Ungefragte kirchliche Einmisschung in Lebensbereiche inklusive, die schon mangels eigener „Sachkenntnis“ dafür tabu bleiben sollten. Schliesslich holt sich ja auch keiner Hilfe beim Gärtner, wenn er Probleme mit seinem Computer hat…

Aber statt zu seiner Verantwortung zu stehen und weitgehende Reformen zu begründen, schweift der Herr R. im Rest des Traktates lieber ins hochtheologische und gar ins mystische ab und wäscht ansonsten seine Hände in Unschuld:
Schlussendlich (und grob zusammen gefasst) sind für ihn ja (wie immer) nicht die beteiligetn Menschen, sondern der Teufel schuld, wenn im Hause Gottes etwas schief läuft – also gibt es auch keinen Grund, die eigenen Einstellungen oder Ansprüche zu überprüfen und als Konsequenz daraus die deswegen entstandenen Missstände zu verändern:

Die Krise, die durch die vielen Fälle von Missbrauch durch Priester verursacht wurde, drängt dazu, die Kirche geradezu als etwas Missratenes anzusehen, das wir nun gründlich selbst neu in die Hand nehmen und neu gestalten müssen. Aber eine von uns selbst gemachte Kirche kann keine Hoffnung sein.
…..
Es geht heute in der Anklage gegen Gott vor allen Dingen darum, seine Kirche als ganze schlechtzumachen und uns so von ihr abzubringen. Die Idee einer von uns selbst besser gemachten Kirche ist in Wirklichkeit ein Vorschlag des Teufels, mit dem er uns vom lebendigen Gott abbringen will durch eine lügnerische Logik, auf die wir zu leicht hereinfallen.

Und mit dieser Nebelkerze wischt er jeden Ansatz einer Reform vom Tisch….

Kein Wunder, dass der katholischen Kirche mehr und mehr Gläubige abhanden kommen und sie sich damit quasi selbst abschafft. Um so rasanter, je länger sie an solchen überkommen Dogmen a la Ratzinger festhält und griesgrämigen, weltfremden alten weissen Männern wie ihm die geistige Führung überlässt…

(und nein, es ist unter den gegebenen Umständen auch nicht schade darum – Ich kann jedenfalls jeden gut verstehen, der sich unter dem kaputten Dach dieser Kirche nicht mehr wohlfühlen kann)


Habt trotzdem alle einen schönen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

(der gerne noch einen (durchaus ernst gemeinten) Vorschlag nachschiessen möchte:)

Das dürfte zwar kein Allheilmittel sein, aber es wäre wenigstens ein Anfang……

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