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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Strahlende Zeiten – endlich vorbei :-)

Guten Morgen am Freitagmorgen!

Wenn das kein Grund zum feiern wird, was dann?

Morgen, nach sechzig Jahren werden endlich die letzten drei noch aktiven Kernkraftwerke in unserem Land abgeschaltet – und damit ist dann hoffentlich bei uns endgültig Schluss mit dieser Art der Energiegewinnung und dem Schaffen unendlicher Mengen atomaren Mülls, von dem immer noch keiner weis, wo er denn endgültig bleiben soll.

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Wenn ich so zurückdenke, dann kann ich mich noch gut erinnern, mit welcher kritiklosen Euphorie jedes neue Kernkraftwerk in meiner Schulzeit gefeiert wurde – von „sauber und problemlos“ war da die Rede und von „beinahe unbegrenzter Energie“ die dadurch zur Verfügung stände.

Den Baukasten hatte ich zwar nicht – aber wenn man gekonnte hätte, dann hätte man seinerzeit vor lauter Euphorie wohl auch noch jedem Küchenmixer einen nuklearen Antrieb spendiert…

Doch ein paar Jahre später sah die Sache schon anders aus, als die ersten Menschen zu begreifen begannen, dass die Sache wohl doch nicht ganz so problem- und harmlos ist, wie man uns allen das vorher verkaufen wollte – als nämlich die ersten Fragen aufkamen, wohin man denn nun mit den abgebrannten Kernbrennstäben sollte und dem weiteren strahlenden Müll, der als Nebenprodukt der atomaren Energiegewinnung abfiel? Denn den Schiet wollte natürlich keiner haben, schon gar nicht die, die vorher am lautesten für immer neue Atommeiler getrommelt hatten.
Sattdessen schaffte man schon damals den Kram einfach erst mal mehr oder weniger klammheimlich ins Zonenrandgebiet im Wendland. Immer nach dem Motto, in diesem seinerzeit noch sehr abgelegenen und verschlafenen Eckchen – weit im Osten unserer Republik und dicht an der Grenze zur DDR – sei er wohl erst mal „aus den Augen und aus dem Sinn“ und würde sich wohl kaum als Stein weiteren Anstosses erweisen. Und vermutlich ziemlich blauäugig, ohne auch nur im geringsten damit gerechnet zu haben, dass auch die Wendländer nicht zu atomaren Müllkippe der Nation werden wollten..

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Womit auch meine „Karriere“ als „Demo-Tourist“ und „Öko-Spinner“ begann und ich mir im Anschluss bei etlichen Demonstrationen (zuerst, Ende der 70er mehrfach in Grohnde und Würgassen, später aber auch im Emsland und in Biblis und einmal sogar im Wendland ) mehr als einmal einen nassen Hintern geholt habe, nachdem die Staatsmacht dort recht freigiebig kostenlose Duschen aus ihren Wasserwerfen spendiert hatte, weil die Politik unser durchaus berechtigtes Anliegen (die Dinger zu verhindern) als Störung staatlicher Ordnung, ja sogar als „pure Anarchie“ betrachtete.
Was teilweise zu einen wahren Spirale in der Eskalation der Gewalt zwischen verzweifelten und von der Öffentlichkeit in die kriminelle Ecke gerückten Demonstranten und einer völlig überforderten Polizei führte – wie etwa hier am 19 März 1977 in Grohnde an der Weser:

An dem Tag war ich auch dabei, wenn auch zum Glück ziemlich weit ab vom Kern des Geschehens, was aber trotzdem nicht unbedingt sicherer war. Derartig brutales Vorgehen der Polizei wie an diesem Tag habe ich jedenfalls weder vorher noch nachher je erlebt. :-(
Denn auch in meinem Freundeskreis gab es damals etliche Verletzte, obwohl wir mit den gewalttätigen Demonstranten nichts zu tun hatten und immer darauf bedacht waren, davon möglichst grossen Abstand zu wahren. Aber geknüppelt wurde halt trotzdem – da reichte schon ein grüner Parka oder ein gelber Friesennerz als Grund…

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Zugegeben:
Erreicht haben wir damals mit unseren Protesten nichts und verhindern konnten wir auch nichts – selbst dann nicht, als 1986 das Kraftwerk in Tschernobyl explodiert ist, radioaktive Wolken über unseren gesamten Kontinent waberten und erstmals eine breitere Öffentlichkeit sich gegen neue Atompläne positionierte, während es trotzdem noch eine unbelehrbare Mehrheit gab, die von einem Politikwechsel in diesem Punkt nichts wissen wollte (… und uns Atomkraftgegener weiterhin bestenfalls als Spinner, wenn nicht sogar als schlimmeres betrachtete)

Ähnlich halt wie heute die Menschen von der „letzten Generation“, die vergleichbaren Anfeindungen ausgesetzt sind, statt das man ihnen mal zuhört und versucht Kompromisse und Wege zur Umsetzung ihrer Ziele zu finden, was über kurz oder lang ohnehin wird kommen müssen. Denn so wie jetzt geht es auf Dauer hakt auch nicht weiter
Also warum dann nicht jetzt schon nach Lösungen suchen und sie initiieren???

Dennoch (Spinner hin oder her) bin ich seither auch weiter auf Demonstrationen gegangen – gegen Castor-Transporte und das Zwischenlager in Gorleben und für die Abschaltung von Brunsbüttel, Brokdorf und Greifswald, um nur ein paar dieser Aktionen zu nennen – zugegeben auch da immer ohne die Hoffnung, mehr bewirken zu können als ein Zeichen zu setzten.

Aber ich fand, das sei halt trotzdem nötig, schon um mir von meinen Kindern nicht vorwerfen lassen zu müssen, dass ich nichts dagegen getan hätte.

Hier mal eine der kleineren Demos: Umzingelung des AKW Brokdorf im März 2014 zum 3. Jahrestag von Fukushima

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Und so ist es schon fast ein Treppenwitz der Geschichte, dass erst eine weitere atomare Katastrophe nötig war, um das zu erreichen, was Millionen von Demonstranten in unserem Land nicht erreichen konnten:

Das brennende Kraftwerk in Fukushima im März 2011

Den Ausstieg aus der Kernkraft, verkündet von einer sichtbar geschockten Kanzlerin Merkel und durchgesetzt gegen den Widerstand vieler Atomkraftbefürworter, sowohl in der eigenen Regierung als auch in Wirtschaft und Industrie. Wenn auch (und das war der Kompromiss) mit einer extrem langen Vorlaufzeit von elf Jahren um andere Energiequellen erschliessen zu können….

Und selbst das haben dann wieder einige Politiker verpennt und jammern nun rum, dass unser Land in Zukunft permanent am Rande der Katastrophe schrammen wird, obwohl die letzten verbliebenen AKWs gerade mal noch mit sechs Prozent an der Energieversorgung unsere Landes beteiligt waren.
Politiker wie etwa der unsägliche bayerische Landesfürst Söder, der sich mal wieder an die Spitze der Atomfreunde stellt, aber von Windkraft als alternativer Energiequelle nichts wissen will, obwohl sein Land mit den vielen Bergen ideale Bedingungen dafür bieten würde.
Oder auch die Herrschaften der gelben Partei, die ja immer was zu meckern haben und sich auch in diesem Punkt schon seit Menschengedenken als Bremser profilieren – friedlich vereint mit den Kackblauen, die selbstverständlich ins gleiche Horn tuten.

Wobei ich die paar Monate Verlängerung ja sogar noch verstehen konnte, die Zar Wladimir der Schreckliche Putins Krieg der Kernkraft in unserem Land verschafft hat – aber nicht, dass es jetzt nach dem Willen von Söder und Co immer noch weiter und weiter gehen soll damit.
Denn schlussendlich wird es ganz bestimmt auch ohne Kernkraft gehen, wie sich ja jetzt trotz Krise jetzt schon gezeigt hat . Und ich hoffe sehr, dass sich niemand weiteres findet, der Söder in seinem Wunsch nach einem Revival unterstützt und meint, ins gleiche Horn tuten zu müssen…

Schon damit auch dieser Slogan irgendwann überflüssig wird, der nun das alte Logo der Anti-AKW-Bewegung ersetzt:

Vor ein paar Tagen am AKW Emsland

Denn auch ohne weiter genutzt zu werden, wird uns die Kernkraft in Zukunft noch lange weiter beschäftigen:
Weil die Hinterlassenschaften von sechzig Jahren auch noch unfallfrei weg geräumt werden und weil endlich ein Platz gefunden werden muss, wo sie ein paar tausend Jahre lang lagern können, ohne noch weitere Katastrophen auszulösen…

Wobei wir alle sicher schon jetzt von Glück reden dürfen, weil wir – bis auf ein paar kleiner Störfälle – bislang mit einem blauen Auge davon gekommen sind. Wollen wir also hoffen, dass nun auch der Rest der Geschichte ohne grosse Zwischenfälle über die Bühne geht


In diesem Sinne:
Habt alle einen atomstromfreien Tag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der in den nächsten Tagen strahlen wird, weil nun in unseren Kraftwerken nichts mehr strahlt…..


-912-

- 15 Bemerkungen zu “Strahlende Zeiten – endlich vorbei :-)

  1. Ich bin froh und dankbar, dass mit dem Mist jetzt endlich Schluss ist. Und natürlich wird von den üblichen Verdächtigen wieder mit einem Blackout gedroht. Aber die interessiert es ja nicht, wo der Müll abbleiben soll. Und ob ein Endlager, welches irgendwann mal gefunden wird, wirklich sicher ist – wer weiss das schon?! Ich bin da eher skeptisch.

    1. Ganz ehrlich:
      ich hätte nach den letzten Monaten meine Hand nicht dafür ins Feuer legen mögen, dass der Ausstieg nun wirklich kommt.
      Erst Recht nicht, weil ein Teil der Quertreiber ja mit in der Regierung sitzen.

      Und auch die Frage nach dem Endlager wird nach wie vor spannend bleiben, solange alle nach dem St-Florians-Prinzip verfahren und die sich besonders vehement dagegen stemmen, die vermutlich die besten Voraussetzungen dafür hätten – aber nach Willen ihres Landesfürsten Atomkraft unbedingt weiter nutzen wollen.

  2. Und wieder faselt Herr Söder vom Blackout, wobei genau er sich vehement dagegen wehrt, dass in Bayern auch nur nach einem Standort für eine Endlager gesucht wird.
    Wie sagte doch Herr Kretschmann einst: Irgendwo muss der Scheiß ja hin.
    Ich war auch auf unzähligen Demos, war X Mal im Wendland und in Brunsbüttel und Gorleben waren wir ja sogar noch zusammen.
    So wirklich Schluss ist mit der Atomkraft aber noch lange nicht, wie dieser Demo-Aufruf für Morgen in Lingen zeigt:

    –Aktualisiert– 15.4.2023: Demo in Lingen!

    Ich hoffe, Söder und Konsorten kommen mit ihren angedrohten Klagen nicht durch. Bye the way, das Datum für den Atomausstieg wurde von der GroKo beschlossen, also auch von CDU/CSU.

    Und wer jetzt meint, in Deutschland gehen die Lichter aus, sollte sich mal vergegenwärtigen, dass Atomstrom gerade mal 6 % unseres Stromverbrauchs ausmacht.

    1. Und selbst wenn sie durchkommen:
      Die Betreiber haben ja schon abgelehnt, was einen Weiterbetrieb angeht.

      Was die Atomfabrik in Lingen angeht:
      Das ist auch wieder so eine Schizophrenie. Einerseits will man den Ausstieg, anderseits nimmt man aber auch gerne die Steuergelder, die dort generiert werden….
      Kurz und gut: die gehört auch weg, das ist keine Frage!

  3. So ähnlich, wie du hier das Verhalten der Polizei beschreibst: „… Aber geknüppelt wurde halt trotzdem –“, so war es bei uns am 40. Jahrestag der DDR 1989 – da haben die auch drauf gehauen, was das Zeug hielt.
    Auch wenn jetzt die in Deutschland weg sind, gibt es doch in den Nachbarländern immer noch welche, die auch bei einer Katastrophe bis nach Deutschland Auswirkungen haben.

    1. Die prügelnde Polizei, das war damals ein echtes Trauma für mich und hat uns für einige Zeit darüber nachdenken lassen, ob unser Protest überhaupt Sinn macht. Doch letztendlich sind meine Freunde und ich dann doch immer wieder losgezogen, weil ja von vorneherein verloren hat, wer sich nicht wehrt…

      ———

      Was die Kernkraftwerke im Ausland angeht:
      Natürlich sind die noch da – und sie werden es vermutlich auch noch lange bleiben. Samt der Gefahr, die auch weiterhin davon ausgeht.
      Dennoch musste ja einer den Anfang machen, wenns um den Ausstieg geht. Und da bin ich froh, dass wir das sind :-(

  4. Ich bin ja nach wie der Meinung, dass die Anti-Atomstrom-Demos etwas erreicht haben, auch wenn es nicht in konkreten Zahlen messbar sind. Sie haben einen gedanklichen Boden bereitet, auf dem dann vielleicht erst die so klare Ansage der Kanzlerin nach der Katastrophe in Japan möglich wurde. Nur das Licht nicht unter den Scheffel stellen.
    Ansonsten ist ja mit Atom auf deutschem Boden noch lange nicht Schluss. Da stehen noch genug Atomwaffen und ihre Abschussanlagen rum.

    1. Das mag sein, dass die Anti-AKW-Bewegung da zumindest einen kleinen Anteil hatte und den Weg für Merkels Entscheidung ein wenig mitbereitet hat. Aber da bin ich mir nicht sicher…

      Und mir ist auch klar, dass es neben dem Atommüll noch viele strahlende Altlasten in unserem Land gibt – wozu auch die Atomwaffen gehören, die eigentlich bei uns nichts verloren haben. Aber dagegen anzugehen ist natürlich nochmal ein ganz anderer Schritt….

  5. Montag erhält Angela Merkel das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland – bei allen Diskussionen um die Frau, meiner Meinung nach zu recht. Zwei Entscheidungen während ihrer Amtszeit zeichnen diese Frau aus: Die Flüchtlingsaufnahme „Wir schaffen das“ und die Entscheidung, für das Aus der AKW nach der Katastrophe von Fukushima.
    Natürlich ist es diskussionswürdig, was besser ist: Kohlekraftwerke oder Atommüll. Ich bin da eher für die Kohlekraftwerke. Da wissen wir, woran wir sind. Aber was mit dem Atommüll eines Tages passiert??? Keiner weiss es.
    Herr Söder soll sich mal zurückhalten. Die letzte Windkraftmühle in Bayern wurde 2018 in Dienst gestellt!

    1. Das Frau Merkel einen Orden bekommt, das gönne ich ihr ohne Wenn und Aber.
      Aus genau den Gründen, die Du auch anführst – und auch wenn es Einiges in ihren ewigen Amtszeiten gibt, was ich durchaus für kritikwürdig halte….
      Aber Schwamm drüber, seit ihrem Rückzug ins Private ist das ja Geschichte.

      Was Deine Einschätzung in Sachen Atomkraft/Kohleverstromung angeht, so teile ich auch die:
      Denn die Risiken der fossilen Brennstoffe sind ja gut einschätzbar, während auch nach der Abschaltung/Demontage der Kraftwerke vom Atommüll noch eine Menge Risiken ausgehen könne, von denen wir jetzt noch nicht mal ein Fünkchen einer Vorstellung haben.
      Ergo: Gut, dass der Spuk endlich aufhört bei uns!

    2. Zu der angeblichen Immissionsfreiheit von Atomkraft habe ich vorhin einen interessanten Artikel gelesen:

      https://www.bund-bawue.de/mensch-umwelt/atomkraft/atomkraft-und-klimaschutz/?fbclid=IwAR1xL_FOij7Gi2rlauOC-ug_z7UvSby5C16Cx5LzUR_xybZyIhyGkUSSDz4

      “ 40.000 zukünftige Generationen sitzen auf dem tödlichen Müll, für den es bisher keine Lösung gibt. Atomstrom ist schon jetzt teurer und CO2-intensiver als erneuerbarer Strom. Der Uranabbau hinterlässt große Gefahren für Mensch und Umwelt. Jeder neue Reaktor ist zudem eng mit militärischen Interessen verknüpft.“

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