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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Zitat 04/23: Selbsterkenntnis

Einen wunderbaren Sonntagmorgen Euch allen!

Nach langer Zeit mal wieder ein Sonntagszitat – bzw. eigentlich zwei Zitate, die ich in meiner aktuellen Lektüre gefunden habe und Euch nicht vorenthalten möchte:

Zunächst mal eines, was auch mich beschreiben könnte, auch wenn ich meine Notizen nicht zwischen die Ritzen des Balkonfussbodens schiebe, wie der Held des Buches es im Anschluss tut:

„»Sicher ist, dass ich im Leben ein paar grundlegende Dinge nie begriffen habe,
und ich weiß nicht einmal, welche.«

Nachts hatte Weitling diese Bemerkung auf einen Zettel geschrieben, noch halb im Schlaf, aber euphorisch, durchdrungen von einer grundlegenden Erkenntnis.
Jetzt, auf der Terrasse am hellen Tage, las er die Zeilen wieder, sie kamen ihm etwas depressiv vor, allerdings nicht falsch. Es klang wie der Beginn von Selbsterkenntnis und Besserung.“

aus „Weitlings Sommerfrische: Roman“ von Sten Nadolny

Denn ähnliche Gedanken habe ich sicher auch schon mal gehabt, um so mehr, je älter ich werde und je mehr ich fühle, dass sich manche Dinge in der Welt meinem Verständnis entziehen und ich auch eigentlich auch nicht Willens bin, sie (noch) begreifen zu wollen.
Da geht es mir also wie dem Wilhelm Weitling, der ähnlich wie ich als Ruheständler in einer fest gefügten Welt lebt und über ein ausgeprägtes Weltbild verfügt.

Wobei mich der letzte Satz des Zitates besonders angesprochen hat, mit der implizierten Frage nach Selbsterkenntnis und Besserung.
Denn „Besserung“ würde ja auch bedeuten, dass da bisher etwas falsch gelaufen ist oder zumindest nicht ganz die richtige Richtung genommen hat?
Aber wie soll ich das erkennen, wenn ich nicht mal weis, dass etwas und was genau da falsch gelaufen ist?
Das ist doch irgendwie paradox?

Und damit kommt das zweite Zitat ins Spiel, was zum Thema Selbsterkenntnis vielleicht hilfreich sein könnte – gefunden ein paar Seiten später im gleichen Buch, als Weitling über seine Ehe nachdenkt und zu diesem liebevollen Schluss kommt:

„Entwaffnend auch ihre wunderbaren Verwechslungen und Versprecher:

»Vielleicht solltest du etwas mehr Leben in deine Ordnung bringen!«

Ja, Leben in die Ordnung, nicht umgekehrt.
Sie wusste selbst nicht, dass sie das gesagt hatte. Staunen, Lachen, Nachdenken.
Neben Astrid war es nicht leicht, depressiv zu bleiben.“

Dito

Was ja nun impliziert, dass es auch wichtig ist, im Leben ein Gegenüber zu haben, einen Spiegel, der einem eine liebevolle Sicht von aussen auf die eigene Person ermöglicht, damit man mehr über sich selbst erfahren kann und damit vielleicht auch erkennt, wo eine „Besserung“ oder besser: eine Änderung nötig wäre, um auch das Grundlegende des – und damit auch die Fehler im – eigenen Leben(s) zu erkennen.

Und das ist nun eine Erkenntnis, die ich mit meinem Namensvetter Wilhelm Weitling teile, obschon meine Liebste nicht zu derartigen Satzverdrehungen neigt:
Denn auch neben ihr ist es „nicht leicht depressiv (oder in anderen Schieflagen) zu bleiben“ , wenn sie mal wieder in kurzen, deutlichen Sätzen oder auch nur durch ihre reine Anwesenheit die Sache auf den Punkt bringt.
Und das ist wirklich gut so, wie es ist :redheart:


Habt alle einen wunderfeinen Tag und beleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der manchmal beim Lesen zu überraschenden Erkenntnissen kommt……


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