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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Fahrenheit 451 – Roman

Guten Abend, ihr Lieben!

Mit diesem Klassiker utopischer und dystopischer Literatur – meiner „Urlaubslektüre“ auf Amrum – möchte ich die Reihe an Lesungen von Romanen aus diesem Genre und aus dem Genre des Sci-Fi vorerst abschliessen und mich mal wieder anderen Themenbereichen zuwenden:

Fahrenheit 451
Von Ray Bradbury

Auch dieses Buch hatte ich vor langer Zeit schon mal gelesen und meinte eigentlich, seinen Inhalt noch ganz gut im Kopf zu haben. Was allerdings doch wohl nicht so ganz der Fall war.
Denn meine Meinung, Bradbury sei weit entfernt von Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöner neuer Welt“ hat sich dann doch nicht so ganz bestätigt. Jedenfalls nicht, was eine Kernaussage aller drei Bücher angeht – die Warnung vor einer Indoktrination und damit Verdummung der Menschen durch die herrschenden Gruppen eines Landes und – ebenfalls bei allen drei Büchern zu finden – die mehr oder weniger offenen Warnungen vor hemmunglosem Konsum von seichten Unterhaltungsmedien und Drogen, die auch ein Mittel staatlicher Lenkung der Gedanken werden können.

Wobei Bradbury das Thema etwas einengt und den Fokus vor allem auf Literatur jedweder Art legt, die vernichtet werden soll, weil sie die Menschen zum eigenständigen Denken anregen könnte:

Zuständig dafür die Feuerwehr und damit auch der Feuerwehrmann Guy Montag, der zunächst scheinbar kritiklos in diesem System funktioniert, heimlich jedoch einige gestohlene Bücher in seinem Haus versteckt und durch eine junge Nachbarin animiert wird, sie nicht nur zu horten, sondern sie auch zu lesen und sich mit ihrem Inhalt auseinanderzusetzen.
Doch damit zerfällt seine Welt zusehendes und er beginnt zu zweifeln, ob das, was er macht wirklich richtig ist. Was zunächst zum Bruch mit seiner Konsum- und Unterhaltungssüchtigen Frau und dann auch mit seinem autoritären Chef führt, der ihn in der Folge zwingt, die gehorteten Bücher und damit sein Haus zu verbrennen und in Schutt und Asche zu legen.
Was aber letztendlich auch der Chef mit dem Leben bezahlen muss, bevor Guy Montag fliehen kann, um mit Outlaws in den Wäldern vor der Stadt zu leben, die alle eins gemeinsam haben:
Jeder von ihnen ist ein lebendes Buch und kann gelesenes in seinem Kopf bewahren, um es irgendwann weiterzugeben, wenn die Welt sich geändert hat und Bücher – vielleicht – wieder erlaubt werden

Faszinierend daran nicht nur die Überlegungen und Zweifel des Guy Montag, der anfangs nicht glauben mag, dass „der Staat“ sich so gegen seine Bürger stellt, dann aber mehr und mehr in die andere Richtung eines erst diffusen, dann aber immer offensichtlicheren Widerstandes kippt, bis hin zur Entscheidung, sich durch Flucht aus dem System zu lösen.
Faszinierend auch, wie genau Bradbury Entwicklungen der Unterhaltungsmedien voraussieht – mit interaktiven, von ständig präsenter Werbung unterbrochenen Gameshows und live im Fernsehen zu verfolgenden Menschenjagden per Hubschrauber, beides heute nicht nur in den USA alltäglich, aber 1953, bei der Erstveröffentlichung des Buches noch weitab jeglicher technischen Möglichkeiten.
Womit dieses Buch durchaus auch heute noch aktuelle Bezüge hat, wenn es auch an manchen Stellen etwas zu schwülstig und beinahe pathetisch wirkt (was aber möglicherweise auch an der uralten Übersetzung aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts liegen mag, die der von mir gelesensen Diogenes-Fassung zugrunde liegt) und manche Vorhersagen auch arg danebenliegen….

Insofern reicht es auch nicht ganz für die volle Punktzahl, was aber der Qualität des Buches an sich keinen Abbruch tun sollte:

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Der Klappentext:

›Fahrenheit 451‹ ist die Temperatur, bei der »Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt«. In Ray Bradburys Zukunftsvision ist die Feuerwehr nicht mehr mit Wasserspritzen ausgerüstet, sondern mit Flammenwerfern, die genau diesen Hitzegrad erzeugen, um die letzten Zeugnisse individualistischen Denkens – die Bücher – zu vernichten. Da beginnt der Feuerwehrmann Guy Montag, sich Fragen zu stellen… Die beängstigende Geschichte von einer Welt, in der das Bücherlesen mit Gefängnis und Tod bestraft wird, ist ein zeitloses Plädoyer für das freie Denken.

Amazon

Habt noch einen wunderbaren Sonntagabend und eine gute neue Woche.
Und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

dessen nächstes Buch auch wieder ein „Klassiker“ sein wird, wenn auch aus einer ganz anderen Stilrichtung….


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Das Sonntagszitat 38/22

Guten Morgen zusammen!

Wer heute etwas „Ernsthaftes“ von mir erwartet, den muss ich leider enttäuschen.
Denn mein heutiges Zitat kommt eher aus der Blödelecke und beschreibt eine Situation, die einem als Beobachter wirklich den letzten Nerv rauben kann:

……..
Der Schaffner kommt schon nach kurzer Frist
Fragt, wer da noch ohne Fahrschein ist
Und die Dame in den vorgerückten Jahren
Die sagt, sie wollte zum Bahnhof fahren
Macht ihr Handtäschchen auf dann in aller Ruh‘
Nimmt’s Portmonnaie raus und macht’s Handtäschchen zu
Macht’s Portmonnaie auf, nimmt zehn Pfennige raus
Macht’s Portmonnaie zu und macht’s Handtäschchen auf
Tut’s Portmonnaie rein, schließt’s Handtäschchen fein
Und händigt dem Schaffner das Geldstück dann ein

Der Schaffner zuckt mit den Schultern und spricht:
„Für zehn Pfennige, das machen wir nicht –
Zum Bahnhof, das kostet zwei Groschen mehr!“
Die Dame nimmt wieder ihr Handtäschchen her
Sie macht’s wieder auf in seliger Ruh‘
Nimmt’s Portmonnaie raus und macht’s Handtäschchen zu
Macht’s Portmonnaie auf, holt raus eine Mark
Macht’s Portmonnaie zu, es klemmte schon stark
Macht’s Handtäschchen auf, tut’s Portmonnaie rein
Macht’s Handtäschchen zu, und sie kriegt dann den Schein

Und wohin mit dem Schein, dass man den nicht verliert?
So denkt sich die Dame und nimmt unbeirrt
Das Handtäschchen wieder in aller Ruh‘
Nimmt’s Portmonnaie raus und macht’s Handtäschchen zu
Macht’s Portmonnaie auf, um den Schein rein zu tun
Macht’s Portmonnaie zu und macht’s Handtäschchen nun
Von neuem wieder auf, tut’s Portmonnaie wieder rein
Macht’s Handtäschchen zu, als müsst‘ das so sein

………..

Horst Koch – Das Handtäschen

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Wie ich darauf komme?
Nun, inspiriert hat mich dazu ein Urlaubserlebnis mit einem alten Ehepaar, offenbar schon lange auf dem gemeinsamen Lebensweg und ein eingespieltes Team, das bei unserer Fahrt zu den Robbenbänken unmittelbar vor mir sass.

Denn da konnte man wirklich beobachten, wie symbiotisches Handeln funktioniert, wenn es langjährig eingeübt ist – und auch ein Handtäschchen spielte dabei eine Rolle ;-)

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Also lasst mich kurz beschreiben, was da zu beobachten war, wobei ich der Einfachheit halber die Beiden in der Folge als „Vati“ und „Mutti“ titulieren möchte.

Vati sitzt recht raumgreifend auf der Bank und beobachtet neugierig das Geschehen auf dem Wasser jenseits der Reling, Mutti leicht missmutig links neben ihm, ihre Handtasche krampfhaft an die Brust gepresst. Bis Vati wortlos die Brille abnimmt und nach links reicht, woraufhin Mutti in hektische Aktion verfällt, das Handtäschchen aufklipst, das Brillenteui herausnimmt, es aufklipst und die Brille darin versenkt, das Brillenteui zuklappt und im Handtäschchen versenkt, das Fernglas aus dem Täschchen herausnimmt, vom Etui befreit und an Vati weiterreicht, das Fernglasetui wieder in das Täschchen gibt und dieses wieder verschliesst und an ihren Busen drückt, während Vati das Fernglas huldvoll entgegennimmt die Welt in achtfacher Vergrösserung zu betrachten geruht.

Kurz darauf – Vati hat offenbar genug in die Ferne geschaut und reicht das Fernglas nach links – die selbe Aktion in umgekehrter Reihenfolge:
Also Handtäschchen auf, Fernglas ins Etui versenkt, selbiges achtsam verschlossen und in die Tasche gelegt, Brillenetui raus, Brillenetui auf und Brille an Vati gereicht, Brillenetui zu, ins Täschchen versenkt und Handtäschchen zu….

Und das nicht nur einmal, sondern bis zum Erreichen der Robbenbänke mehrfach, ohne, dass die beiden auch nur ein Wort gewechselt hätten…..

Am Ziel angekommen, dachte ich, das Prozedere würde sich nun nochmal wiederholen, denn schliesslich gab es ja jetzt wirklich was zu gucken.


Aber weit gefehlt, denn diesmal wurde zwar auch die Brille wieder wortlos nach links gereicht, aber nach dem Handtäschen- und Brillenetui-öffnen, Brille versenken, Brillenetui schliessen und im Handtäschchen verschwinden lassen kam mitnichten das Fernglas zum Vorschein, sondern eine kleine Kamera wurde aus ihrer Hülle gepult, mit der Vati pflichtschuldigst (damit man der lieben Verwandtschaft zuhause was zeigen kann) ein paar Bilder gemacht hat, bevor diese im Tausch mit der Brille samt auf- und zuklappen der diversen Behältnisse wieder in den Tiefen der Handtasche verschwand und in der Folge noch zwei, drei mal das Fernglas im immer gleichen Prozedere zum Einsatz kommen sollte, wie immer wortlos in meisterhafter nonverbaler Kommunikation…..

Nicht, dass mich das nun – wie im zitierten Lied – zur Weissglut getrieben oder gar zu Handgreiflichkeiten verleitet hätte – aber etwas skurril fand ich es schon, was da zu beobachten war. Zumal Mutti offensichtlich kaum Interesse an den Robben als der eigentlichen Attraktion der Dampferfahrt hatte, sondern voll und ganz auf Vatis Wünsche fokussiert zu sein schien – immer vorausahnend und im vorauseilenden Gehorsam offenbar völlig richtig liegend, was Vati gerade an technischem Gerät benötigte….

-_-_-_-

Und natürlich habe ich mich angesichts meiner Beobachtungen auch gefragt, welches Bild meine Liebste und ich wohl nach aussen bieten?
Vorauseilender Gehorsam und völlige Selbstaufgabe wird das hoffentlich nicht sein …… auch nicht nach langjähriger Ehe.


Habt alle einen wunderbaren Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der seine Brille lieber einfach nach oben schiebt, als sie nach links weiterzureichen….


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