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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Der Fänger im Roggen – Roman

Hallo zusammen!

Animimiert durch die hervorragende Rezension von Fraggle im Reisswolfblog hatte ich mich vor ein paar Tagen entschieden, mich doch mal mit diesem Buch auseinanderzusetzen, das ich schon vor einiger Zeit gescannt und in ein Ebook umgewandelt hatte, da es offiziell nie als Ebook erschienen ist:

Der Fänger im Roggen
Von J.D. Salinger

Allerdings hatte ich seinerzeit während der Bearbeitung schon ein wenig das Gefühl, dass dieses Buch – trotz aller Lorbeeren die es seit seinem Erscheinen eingeheimst hat – wohl nicht unbedingt eines meiner Lieblingsbücher werden würde. Und das hat sich in gewisser Weise auch während des Lesens (ich kannte das Buch vorher noch nicht) bestätigt. Denn tatsächlich habe ich mich während der Lektüre auch immer wieder gefragt, was das alles wohl mit mir zu tun haben könnte:

Holden Caulfield, ein sechzehnjähriger Schüler, zum wiederholten Mal wegen seiner Leistungsverweigerungen von einem Internat geflogen, macht sich ein paar Tage vor Weihnachten auf den Weg ins heimatliche New York – aber nicht zu seiner Familie, sondern um erst mal auf Tauchstation zu gehen, bis sich bei seinen Eltern der Ärger um seinen Rausschmiss etwas gelegt hat – und gerät dabei in einen beinahe apokalytischen Strudel aus zufälligen und gewollten Begegnungen, Alkoholkonsum , Prostitution und Ziellosigkeit , die allesamt zeigen, wie wenig Rückhalt er in seiner Umgebung hat.

Was aber nicht weiter verwundert, denn Holden hat so seine Schwierigkeiten mit seiner Umwelt und seine Umwelt wohl auch mit ihm:
Die Mitschüler auf dem Internat findet er teils snobistisch, teils arrogant , egoisistisch
und immer nur auf Selbstdarstellung bedacht und betrachtet sie allesamt eher abfällig, seine Eltern und deren Freundeskreis sind spiessig (wessen Eltern sind das nicht?), das andere Geschlecht ist Ziel geheimer Sehnsüchte, die sich jedoch als unerreichbar herausstellen, weil Holden im Umgang mit weiblichen Wesen immer auch immer wieder an seinem Schubladendenken aus Idealisierung auf der einen Seite und Geringschätzung auf der anderen Seite scheitert…
Was auch durch seine ständig neu aufploppenden Phantastereien über eine mögliche Zukunft an fernen Orten nicht besser wird, weil „Abhauen“ ihm oft als einzige Lösung für seinen Probleme erscheint.
Einzig die Beziehung zu seiner jüngeren Schwester Phoebe scheint ein verlässlicher Anker im Chaos seines Lebens zu sein, nachdem der älterer Bruder aus beruflichen Gründen ans andere Ende des Kontinents gezogen und der jüngere Bruder ein paar Jahre zuvor an Leukämie verstorben ist……

Kurz und gut also – Ein Text, zu dem mir irgendwie völlig der Bezug fehlt, weil er sich um Themen dreht, die nicht weiter von mir und meinem Leben entfernt sein könnten:

Letztendlich ist es in weiten Teilen auch nicht mehr und nicht weniger als ein tiefer, oft von Selbstmitleid triefender Blick in die teils wirren Gedankengänge eines pubertierenden Jugendlichen in den USA Anfang der fünfziger Jahre, der – wie wohl alle Menschen dieses Alters – auf der Suche nach Sinn und Ziel für sein Leben ist und dabei oft genug die Realitäten des Lebens verkennt.

– Ein Thema, dass ich im Übrigen in anderen Büchern schon deutlich besser dargestellt fand –

Und tatsächlich habe ich mich an einigen Stellen des Buches gefragt, ob es sich für mich überhaupt lohnt, es noch weiter und bis zum Ende zu lesen, zumal sich aus meiner Sicht in der bisweilen doch recht langweiligen Geschichte auch etliche Diskrepanzen verstecken, bis hin zu moralischen Zeigefingern (etwa in einigen Äusserungen des etwas zwielichtigen und übergriffigen Lehrers Antonelli), die Ideale aufzeigen, die ich aus heutiger Sicht auch nicht mehr unbedingt teilen würde….

Was jetzt aber nicht bedeuten soll, dass ich Salingers Buch grundsätzlich für schlecht halte, sondern allenfalls für reichlich angestaubt, was die Besonderheiten der Aera angeht, die es beschreibt.
So gesehen ist es also für mich nur noch ein Zeitdokument über das Leben in den USA in der Mitte des letzten Jahrhunderts, das durchaus als solches auch heute noch eine Berechtigung haben mag, aber kaum noch etwas, eigentlich gar nichts mehr, mit der Welt von heute zu tun hat.

Aber vielleicht hätte ich es sogar richtig gut gefunden, wenn ich es nicht erst jetzt, mit über sechzig Jahren zum ersten mal gelesen hätte, sondern als Mensch, der sich altersmässig mit Holden Caulfield auf gleicher Höhe befindet – und möglicherweise sogar ähnliche Probleme hat wie er.
Unter den gegebenen Umständen konnte ich jedoch mit diesem Buch nicht wirklich warm werden – und es lässt mich ausgesprochen ratlos zurück, nachdem ich damit „durch bin“ .
Zumal sich mir auch nach längerem Nachdenken nicht wirklich erschliesst, was der Autor mir eigentlich damit sagen wollte.

Insofern gilt für meine persönliche Bewertung natürlich auch diesmal der Vorbehalt, dass sie aus dem Moment heraus entstanden ist, in dem ich das Buch gelesen habe:

Aber das gilt ja ähnlich auch für andere Bücher, zu deren Zielgruppe ich mich nicht – nicht mehr – wirklich zugehörig fühle.

-_-_-_-

Der mehr als dürftige Klappentext:
(dazu enthalte ich mich mal jeden Kommentares, ausser das reine Masse sicherlich kein Qualitätsmerkmal ist – schon gar nicht, wenn dieses Buch lange Zeit auch Pflichtlektüre an vielen Schulen war):

Der sechzehnjährige durch New York irrende Holden Caulfield ist zu einer Kultfigur ganzer Generationen geworden. „Der Fänger im Roggen“ war J. D. Salingers erster Roman, mit dem er weltweit berühmt wurde.
Allein im Rowohlt Taschenbuch wurden anderthalb Millionen Exemplare verkauft.

Amazon

Habt alle einen wunderbaren Nachmittag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich nun wieder „erfreulicherer“ Literatur zuwendet……


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