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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 36/22

Guten Morgen Euch Allen!

Neulich, als ich meine kleine Glosse über Adelswelt und Regenbogenpresse schrieb und dafür auch Zitate einer meiner ehemaligen Kundinnen benutzte ging mir dabei auch durch den Kopf, dass es ja manchmal so eine Sache ist mit der eigenen Erinnerung.

Vieles bleibt unscharf, manches ist verzerrt oder zeitlich nicht richtig einzuordnen und das meiste geht wohl ohnehin verloren, weil es im täglichen Einerlei versinkt. Wie auch eben jene Szene aus der die (etwas aus dem Zusammenhang gerissenen) Zitate des bewussten Beitrages stammen. Die fiel mir nämlich tatsächlich erst wieder ein, als ich begonnen hatte, mich mit dessen Inhalt zu beschäftigen und eigentlich gedanklich auf einer ganz anderen Fährte unterwegs war.

Und dann tauchte komischerweise kurz darauf auch noch ein Zitat in meinem Buch auf, was meine Überlegungen zu bestätigen scheint:

„Wenn es keine äußerlichen Bezugspunkte gab, an die man sich halten konnte, verlor sogar der Verlauf des eigenen Lebens seine Schärfe. Man erinnerte sich an große Ereignisse, die wahrscheinlich gar nicht stattgefunden hatten, man erinnerte sich an die Einzelheiten einiger Vorfälle, ohne jedoch deren Atmosphäre rekonstruieren zu können, und dann gab es lange leere Zeiträume, denen man gar nichts zuordnen konnte.“

(aus „George Orwell: 1984: Neuübersetzung“ von George Orwell, Simone Fischer)

Wenigstens zum Teil, denn meist habe ich als visuell orientierter Mensch ein ziemlich deutliches Bild der Situation vor Augen, wenn mir solche Erlebnisse wieder hoch kommen, aber andere Details dazu wollen mir dabei trotzdem partout nicht wieder einfallen.
Etwa ob es morgens oder abends war, als das Gespräch stattfand, oder was sonst noch an dem Tag passiert ist. Und auch den Namen der Kundin konnte ich mir nur mit Mühe wieder ins Gedächtnis rufen, obwohl ich sicher hundert mal bei ihr war und während des Gespräches – wie so oft – an Ihrem Küchentisch sass und ihre Medikamente für die nächste Mahlzeit stellte.
Aber mit Namen habe ich ja ohnehin ein Problem.
Die konnte ich mir noch nie merken, auch wenn mir früher bei vielen Menschen sofort die komplette Krankengeschichte samt Medikation wieder einfiel, wenn sie mir als Patienten im Krankenhaus nach Monaten ein zweites oder drittes mal begegnet sind.
Nur eben der Name nicht.

Und ähnlich gehts mir auch mit anderen Erinnerungen aus meiner eigenen Vergangenheit:
Manches nebensächliche habe ich klar und Detailreich vor Augen (und weiss sogar genau, wann und wie es geschah) und anderes, was womöglich deutlich wichtiger war, liegt so tief verpackt in meinem Gedächtnis, dass ich manchmal ernsthaft an mir selbst zweifle, wenn ich es wieder abrufen will und nicht mal weis, in welchem Jahr oder zu welcher Jahreszeit das genau war – geschweige denn, wie es sich genau zugetragen hat.

Insoweit passt Orwells Formulierung also ziemlich gut für mich.
Und sie bestätigt auch einen Gedanken, den ich in dem Zusammenhang früher mal hatte und inzwischen auch recht konsequent umsetze:
Das es gut ist, sich wichtige Dinge aufgeschrieben zu haben, wenn man es später nochmal genau wissen will – und sei es nur in Form von Stichworten oder einer Eselsbrücke.
Denn das kann im Zweifelsfall wirklich für mehr Klarheit sorgen.


Habt alle einen wunderlieblichen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der diesen Beitrag vorgestern schon „vorgeschrieben“ hat und Eure Kommentare dazu erst morgen beantworten wird


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