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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 30/22

Guten Morgen Euch allen!

Mein heutiges Sonntagszitat hat insofern eine Besonderheit, weil ich mich darin mal nicht mit einem Text aus einem Buch beschäftigen möchte, sondern mit einem Text über ein Buch, den ich vor vier Jahren selbst mal geschrieben habe, etwa eine Woche, nachdem ich den Ove zum ersten Mal zu Ende gelesen hatte.
Denn damals, unter der Überschrift „Undenkbar“ , gingen mir anschliessend einige Gedanken durch den Kopf, die mich auch jetzt gerade wieder umtreiben, nachdem ich das Buch zum zweiten mal fertig gelesen habe.

Deshalb ausnahmsweise mal ein Vollzitat, damit der Zusammenhang erhalten bleibt:

Undenkbar?

Auch wenn inzwischen schon wieder ein neues Buch auf meinem Reader aufgeschlagen ist – das vorher gelesene hängt mir immer noch ein wenig nach.  Oder besser: seine Hauptfigur Ove, zu der ich beim Lesen eine innige Beziehung gewonnen habe.

Denn Ove und ich sind uns doch in vielen Dingen ähnlich – nicht nur was das Alter betrifft:

Ove ist  Neunundfünfzig, genau wie ich.
Er liebt gutes Werkzeug, seine Arbeit, seine Frau,  aber auch Ordnung und ein geregeltes Leben.
Er mag Menschen, solange sie ihm nicht zu nahe kommen und ihm seine Ruhe lassen. Freunde hat er demzufolge kaum.
Er  ist ein Mensch mit „Ecken und Kanten“, hat Prinzipien und ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl.
Man sollte ihn nicht herausfordern, denn dann kann er Klauen und Zähne zeigen und zum Kämpfer werden.

Soweit die Parallelen.

Allerdings ist ins Oves Leben nichts mehr so, wie es mal war, seit seine Frau gestorben ist und er zu allem Überfluss noch seine Arbeit verloren hat, weil er zum „alten Eisen“ sortiert wurde. Darüber ist er griesgrämig geworden und einsam. Ohne Aufgabe zu sein, das ist kein Leben für ihn.

Und genau darüber habe ich beim Lesen angefangen mir Gedanken zu machen:

Was wäre wenn?
Was wäre, wenn mein momentan so geregelt erscheinendes Leben plötzlich eine ganz andere Wendung bekäme?
Wenn, was Gott verhüten möge, meiner Liebsten etwas passieren würde?
Wenn ich nicht mehr arbeiten könnte, keine Aufgabe mehr hätte?
Dann würde mein Leben wohl auch heftig ins Wanken geraten, zumal ich mir darüber bisher nie ernsthaft Gedanken gemacht habe. Nicht mal eine vage Vorstellung davon, wie ich damit umgehen würde…

Ob ich dann das Glück hätte wie Ove, von einer Bekannten, einer Nachbarin ins Leben zurück geholt zu werden?
Wohl kaum, denn ich glaube nicht an solche Wunder.
Aber was dann?
Das Leben selbst beenden, wie Ove es vorhatte?

Ganz ehrlich:
Ich weiss es nicht, habe keine Antwort auf die Fragen, die sich da aufgetan haben.
Und ich scheue mich auch davor, sie in aller Konsequenz zu Ende zu denken.

Denn es zählt das hier und jetzt, das heute.
Dieser Moment, in dem es mir – es uns gut  geht.
Den gilt es zu geniessen .
Genau wie die 14 gemeinsamen Tage, die nun vor uns liegen, die Fahrt nach Polen und all das, was uns da an schönen Erlebnissen erwarten wird.
Dafür möchte ich dankbar sein.

„Undenkbar“ – tageweise-unsortiert, 18.8.2018

Gut, einiges an diesem Text hat sich inzwischen überholt und steht insoweit auch nicht mehr als Problematik für mich an:

  • Ich bin keine 59 mehr, sondern inzwischen 63 und unzweifelhaft zum alten Eisen gehörig
  • Ich muss nicht mehr arbeiten, sondern „geniesse“ meine Rente, und dass, ohne beim abrupten und ungeplanten Ende meines Arbeitslebens ins tiefe Loch gefallen zu sein.
    (Das also blieb mir erspart, auch wenn mich das im Nachhinein nicht wenig erstaunt)
  • Und auch nach Polen werden wir morgen nicht fahren
    (Was im Übrigen wirklich sehr schöne und erlebnisreiche Tage waren vor vier Jahren und meine Gedanke in andere Richtungen gelenkt hat)

Aber eine Frage blieb seither doch immer noch übrig, die ich mir damals schon gestellt habe:
Die Frage: „Was wäre, wenn?“ – oder präziser formuliert :
Was wäre denn, wenn meiner Liebsten etwas passieren würde (was Gott verhüten möge) und ich alleine übrig bleibe?

Würde ich dann auch reagieren wie Ove und nicht mehr weiter leben wollen, weil meinem Leben die Mitte (oder wie Ove es formuliert: die Farbe), die Aufgabe und damit der Sinn fehlt?
Würde es Menschen geben, die mich in so einer Situation auffangen könnten und mir einen Grund geben, weiter leben zu wollen (wie es Ove letztendlich passiert ist)?
Oder wäre da nur Leere, Treiben lassen, nichts?

Und das sind genau die Fragen, auf die ich für mich noch immer keine klare Anwort gefunden habe, auch nicht, als die Liebste und ich damals gemeinsam drüber nachgedacht haben. Was eigentlich recht einfach war, zumal sie sich ähnliche Fragen auch schon gestellt hatte und es – ganz realistisch betrachtet – auch keine Menschen um uns herum gab/gibt, die uns in solch einer Situation wirklich auffangen könnten.
Keine Freunde, keine Familie – und bezogen auf heute und auch nur auf mich – auch keine Kollegen und keine „wirkliche“ Aufgabe mehr, wie sie mir mein Job damals noch hätte bieten können.

Doch waren wir uns seinerzeit (und auch in allen ähnlichen Gesprächen danach) in einem Punkt immer einig: Am schönsten wäre es wohl, wenn wir gemeinsam gehen dürften – Hand in Hand, wie im Leben auch.

Was unzweifelhaft bedeuten würde, dass derjenige von uns selbst die Initiative ergreifen müsste, der dann schlimmstenfalls „übrig“ bleibt….. spätestens dann, wenn alles geregelt ist, was dann noch zu regeln ist.

So zumindest die Tendenz, in die meine eigenen Überlegungen schon seit einiger Zeit gehen. Wobei ich wohl auch derjenige wäre, der – genau wie Ove – „meine Aufgaben noch zu Ende bringen müsste“ (worin die dann auch immer noch bestehen mögen) , bevor ich ruhigen Gewissens abtreten und loslassen könnte. Jedenfalls soweit das nicht schon vorher passiert ist.
Einfach alles liegen lassen? Das geht nun mal nicht…

Aber trotzdem:
Natürlich ist eine gedankliche Tendenz für diesen Tag noch immer keine klare Entscheidung, zumal ja hoffentlich auch noch viel Zeit vergeht, bis es wirklich soweit ist – und noch vieles passieren kann, was diese Entscheidung beeinflussen könnte. Sowohl bei meiner Liebsten, als auch bei mir.
So wird es letztendlich wohl doch nur auf den Moment ankommen, wenn er da ist – und darauf, was dann Stand der Dinge ist.

Insofern passen auch immer noch die Schlusssätze ganz gut, die ich vor vier Jahren unter meinen Beitrag schrieb:

Keiner von uns weiss, was die Zukunft bringen wird.
Ob Gutes oder weniger Gutes, das wird sich erweisen.

Heute ist heute und morgen ist morgen –  also alles zu seiner Zeit.

Ja, alles zu seiner Zeit……
Und wenn ich in diesem Zusammenhang einen Wunsch äussern dürfte, dann wäre es einzig der, dass keiner von uns je alleine vor dieser Entscheidung steht.

-_-_-_-

Bleibt noch ein Satz zum Schluss, bevor ich Euch einen schönen Sonntag wünsche:

Ich weiss natürlich, dass dieses Thema kein schönen Thema für einen Sonntag ist und vielleicht manchem von Euch den Tag verderben kann. (Und sollte es so sein, dann tut es mir jetzt schon leid.)
Aber mal ehrlich: wann ist es das schon? Wann passt es, sich darüber Gedanken zu machen? Insofern ist es letztendlich also auch egal, wann das Thema auf den Tisch kommt – denn unser aller Uhr tickt unerbittlich. Auch wenn wir das nur zu gerne verdrängen würden.
Und deshalb bin ich auch wirklich froh, mit meiner Liebsten jemanden zu haben, mit dem ich auch darüber reden kann….


Dennoch kommt jetzt, was immer kommt:
Habt alle einen schönen und erfreulichen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der immer noch die feste Absicht hat, sein Leben so lange wie möglich zu geniessen… bis es irgendwann soweit ist


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- 12 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 30/22

  1. Möge es Euch vergönnt sein, noch möglichst lange gemeinsam glücklich zu sein.
    Ich glaube, man macht sich unweigerlich diese Gedanken, aber man kann, wie Du es ja schon geschrieben hast, nicht wissen, wie die konkrete Situation dann ist. Und wer weiß, in welcher Form dann das Wunder daherkommt, das einen dann doch im Leben hält oder wieder ins Leben holt.
    Habt trotz aller unguter Gedanken einen schönen Sonntag.

    1. Ungute Gedanken würde ich das nicht nennen – und es sollte auch nicht so rüberkommen.
      Tatsächlich ist das aber ein Thema, was immer mal wieder auftaucht, denn jünger werden wir ja nicht – und Kopf in den Sand ist auch nicht so unser Ding.

      1. Ja, vermutlich hätte ich die „unguten“ Gedanken in Anführungsstriche setzen sollen…

        1. Nein, hättest Du nicht.
          Man hätte mein Geschreibsel ja auch so deuten können, zumal ich ja nicht explizit dazu geschrieben habe, dass diese Überlegungen für mich keinesfalls unter einem negativen Vorzeichen stehen, sondern eher Ergebnis einer nüchternen Überlegung sind.

  2. Diese Gedanken beschäftigen mich seit dem Tod meines Vaters intensiver, aber ich habe auch schon 2002 darüber nachgedacht, als mein Schwiegerpapa verstorben ist. Obwohl ich mit meinem Mann nun seit 40 Jahren glücklich bin und er auch mein bester Freund ist, würde ich mir notfalls ein Leben ohne ihn aufbauen. Allerdings würde ich umziehen – ich stelle mir dann eine radikale Veränderung vor. Hoffen wir mal, dass das noch sehr lange keine Umsetzung benötigt.

    Aber ich finde es einfach gut, wenn man auch die schweren Themen nicht umgeht. Wir haben bereits vor 10 Jahren viele Regelungen getroffen, damit fühlen wir uns wohl, denn einer bleibt ja im Normalfall übrig und auch für unsere Kinder ist es vorteilhaft, wenn sie unsere Wünsche kennen.

    1. Merkwürdig.
      Ich zumindest habe mich gedanklich nie mit weiteren Plänen beschäftigt, was konkret ich machen würde, wenn ich derjenige wäre, der übrig bleibt. Tendenziell drifte ich dabei immer in die gleiche Richtung ab wie Ove und sehe da keine grosse Perspektive im alleine bleiben. Weil ich es mir nicht vorstellen kann und auch nicht ausmalen mag.

  3. Du hältst mich schon wieder vom Lesen ab – der „Kerl“ wird mir langsam sympathischer.
    Die Trennung von Heiko war insofern für mich einfacher, weil mir ja nicht zusammen in einer Stadt gewohnt haben und nur eine Fernbeziehung geführt haben – dennoch war es schwer genug für mich.
    Seit dieser Zeit hatte ich mal kurze Geplänkel, aber nichts, was ich wirklich ernst genommen habe.
    Ich habe mir mein Leben eingerichtet – aber dennoch oft genug darüber nachgedacht, wie ich freiwillig aus dem Leben scheiden würde, wenn ich es gar nicht mehr für lebenswert hielte. Nennenswerte Hilfe durch Kinder oder Freunde würde ich nicht bekommen. Vielleicht würde ich mich in einem Heim einleben, wenn es zu Haus nicht mehr geht – vielleicht auch nicht. Ständige starke Schmerzen wären für mich ein Grund, nicht mehr weiter leben und leiden zu wollen – aber Kieferbeschwerden zählen nicht dazu, denn die werden ja irgendwann positiv belohnt werden. Falls ich aber auf Dauer nicht essen könnte, wäre ein Leben auch sehr fraglich. Aber jetzt will ich auch nicht phantasieren, sondern lesen gehen.

    1. Gedanken an den eigenen Tod hatte ich ja in den schlimmsten Zeiten meiner Depression auch – lange und intensiv. Und das war keine schöne Phase meines Lebens, das kannst Du mir glauben.
      Aber diese Zeiten sind ja zum Glück vorbei und ich lebe viel zu gerne, als das ich mir vorstellen könnte, darüber unter normalen Umständen nochmal nachzudenken.

      Anders ist das allerdings in diesem einen Punkt, der den Anlass für meine Überlegungen gegeben hat und gibt – und den ich persönlich auch in weiter Ferne liegen sehe.
      Denn mein ganzes Leben baut im Moment auf unserem Zusammenleben auf und darauf, dass wir zu zweit vieles hinbekommen und durchstehen können, was einer alleine niemals schaffen würde. Insofern kann ich mir einfach nicht vorstellen, wie es gehen sollte, wenn ich alleine übrig bleibe, zumal -ich schrieb es ja oben – es niemanden gibt, der mich dann auffangen und stützen könnte.

  4. Gestern sah ich im Fernsehen nachmittags eine Sendung mit Hirschhausen, da ging es unter anderem um das Thema Mehrgenerationenhaus.
    Da dachte ich an diesen Eintrag hier von Dir. Deshalb wollte ich dich über diese ARD Sendung informieren.

    1. Danke für den Tipp.

      Die Idee der Mehrgenerationenhäuser kenne ich schon lange, weiss aber auch, dass es viele Gründe gibt, die dagegen sprechen – etwa was die persönliche Intimsphäre und völlig gegenläufige Interessen der Bewohner angeht. Was im übrigen auch für reine Senioren-WG’s gilt, wenn diese nicht auf Grund lange bestehender Beziehungen zustande kommen, sondern eher so etwas wie eine „Notgemeinschaft“ sind.
      Beides wäre mir zu eng und auch zu nah.
      Insofern wären das für mich keine Lösungen, die ich anstreben würde oder mir vorstellen könnte.

      (Mal ganz abgesehen davon, das ich Herrn Hirschhausen als „All-Round-Unterhalter“auch nicht wirklich schätze und um seine Sendungen einen grossen Bogen mache – egal zu welchem Thema)

        1. Genauso gehts mir mit ihm auch.
          Anfangs, als er noch mehr Commedian war und als solcher auch durchaus intelligentes von sich zu geben wusste, fand ich ihn ja noch ganz witzig – aber spätestens seit seinem aus verschiedensten Quellen zusammen gemopsten Buch über Glück und mit Beginn seiner Karriere als Allzweckwaffe für Unterhaltung in der ARD ist es damit vorbei. (Gibts eigentlich was, was der noch nicht moderiert hat?)
          Seither kann ich ihn auch nicht mehr wirklich Ernst nehmen, egal, mit welchen „ernsten“ Themen er sich schmückt….

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