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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Die Sache mit der künstlerischen Freiheit

Tach zusammen!

Wie sicher jeder Mensch, so ziehe auch ich gelegentlich mal Bilanz und versuche, meine persönliche Situation in ein Gesamtbild einzuordnen, um daraus einen kleinen Blick in die Zukunft abzuleiten.
Allerdings – soviel vorweg – komme ich trotz meiner gesundheitlichen Handicaps und einiger (vermeintlicher) Ungerechtigkeiten in meinem Leben schlussendlich eigentlich immer zu dem Ergebnis , dass es mir (uns) im Grossen und Ganzen doch ganz gut geht und ich auch keinen Grund zum jammern habe. Auch – und besonders – nicht, was die allgemeine Lage in unserem Land angeht:

Schliesslich leben wir in einem freien Land, wo jeder seine Meinung äussern darf (auch wenn sie noch so verschroben ist), haben ein funktionierendes Gesundheitssystem (wenn auch mit kleinen Mängeln) und eine soziale Absicherung, die wenigstens die Grundbedürfnisse abdeckt (auch wenn die Leistungen für viele sicher etwas knapp sind und es auch einige Menschen gibt, die unverschuldet durch die Maschen fallen – wie etwa Migranten oder Menschen ohne Wohnung). Und das völlig unabhängig davon, ob und wieviel jeder einzelne von uns zur Erhaltung dieses Systemes beigetragen hat.

Aber man sollte sich natürlich auch klar machen, dass dies alles nur funktionieren kann, weil die Mehrheit der Menschen in unserem Land das System durch Steuern und Sozialabgaben stützt und sich (wie bei der Corona-Geschichte) auch in der Verantwortung sieht, seinen Teil zum Wohl seiner Mitmenschen beizutragen (durch Impfung und Einhaltung von Hygieneregeln wie etwa eine Maske zu tragen und Einhaltung von Kontaktbeschränkungen und Lockdowns).
Denn dies dient ja nicht nur dem eigenen Auskommen und der eigenen Gesundheit, sondern trägt auch die Menschen mit, die selbst keinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten können oder wollen (!)

Wobei mir besonders letztere (die, die bewusst nichts beitragen wollen) gelegentlich gewaltig auf die Kappe gehen. Zumindest, wenn sie sich auch noch erdreisten, lauthals ihren Unmut kund zu tun, wie schlecht die Welt es mit ihnen meint, dabei aber verkennen, dass sie sich mit ihren Ansichten und ihrer Forderung nach staatlicher Alimentierung ihrer allgemeinen Verweigerung selbst in ziemlich schlechtes Licht rücken – insbesondere denen gegenüber, die aus verschiedensten Gründen nichts zum System beitragen können (etwa aus gesundheitlichen Gründen oder wegen Brüchen im Lebenslauf durch Verlust von Arbeit und sozialem Umfeld).
Was sich (zum Glück für die, die nicht wollen) allerdings in keiner Weise auswirkt, denn ihre Grundleistungen bekommen sie ja trotzdem – auch wenn sie absolut nichts dafür getan haben (oder tun wollen), sondern beispielsweise meinen, ihre künstlerischen Freiheiten ausleben zu müssen (und dabei vom Staat selbstverständlich unterstützt werden müssten), statt wie der Rest der Menschheit für ihren Unterhalt zu arbeiten und damit auch ins soziale System einzuzahlen.
Nicht bedenkend, dabei einem schweren Denkfehler zu unterliegen:
Denn bei aller künstlerischen Freiheit sollte es doch selbstverständlich sein, dass jeder Mensch für sein Leben und dessen Unterhalt selbst verantwortlich ist und staatliche Leistungen in erster Linie für die zur Verfügung stehen sollten, die dies nicht (mehr) können. Also ist es schlussendlich wohl für diese Menschen mit ihren (vermeintlichen?) künstlerischen Ambitionen auch eine Konsequenz eigener Lebensentscheidungen, in welcher Nische des Sozialsystemes sie sich wiederfinden – und sollte schon deshalb kein Grund für Beschwerden darüber sein, weil sie da von Leistungen profitieren, die eigentlich ganz anders gedacht waren.

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Genauso übrigens, wie es auch eine Konsequenz meiner eigenen Lebensentscheidungen ist, dass meine eigene Rente jetzt nicht viel höher ist, als für die Grundbedürfnisse reichend:
Schliesslich hatte ich sehr wohl die Wahl und hätte mich auch für meinen zuerst gelernten Beruf entscheiden können: Als „Schwachstrom-Techniker“ mit hohem Tariflohn und geregelten Arbeitszeiten in der Industrie, statt in der Pflege mit deutlich geringerem Gehalt und deutlich ungünstigeren Arbeitsbedingungen mein Auskommen zu suchen. (Die Brüche durch Scheidung und lange krankheitsbedingte Ausfälle mal gar nicht eingerechnet)
Dann wäre meine Rente jetzt vielleicht besser, aber ob ich damit auch glücklicher geworden wäre, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Auch künstlerische Ambitionen hat es in meinem Leben gegeben – etwa im Thema Fotografie und soweit gehend, dass ich mit manchen Bildern sogar mehr als nur ein paar Mark verdient habe, genau wie mit zwei oder drei Webseiten, die ich gegen Honorar für andere erstellt habe (damals, fast noch in den Anfangszeiten des Internets). Woraus mit Glück vielleicht sogar mehr geworden wäre, wenn ich diesen Weg konsequenter verfolgt hätte.
Doch stand auf der anderen Seite auch immer die Verantwortlichkeit, nicht nur für meinen eigenen Lebensunterhalt sorgen zu müssen, sondern auch für den meiner Kinder. Da standen Rechnungen die bezahlt werden wollten – und da stand auch der Wunsch, nicht von der Hand in den Mund leben zu wollen, auch wenn es mich durchaus gereizt hätte, aus meinem Wünschen und Träumen einen Beruf zu machen, der mehr als alles andere auch meine Kreativität gefordert hätte.

Und ja – auch das soll hier nicht unerwähnt bleiben:
Es hat später in meinem Leben auch einen Punkt gegeben, wo ich ernsthaft vor der Entscheidung stand, mich weiter in der sozialen Hängematte auszuruhen, in die ich durch meine Scheidung nach meinem beruflichen Burnout und (in deren Folge) meine lange Depressions-Erkrankung hineingerutscht war:
Als Hartz IV-Empfänger in den Tag hinein lebend, vom Amt abgeschrieben und meiner Würde beraubt, weitgehend in Ruhe gelassen und ohne klare Perspektive für mein weiteres Leben. Was mir vielleicht aber nochmals Gelegenheit geboten hätte, meine künstlerischen Ambitionen auszuleben. Denn „abgesichert“ wäre ich ja damals gewesen – zumindest, was die Grundbedürfnisse wie Essen und Dach über dem Kopf anging.

Aber womöglich hätte es mich auch zu einem derjenigen gemacht, die heute darüber jammern, weil „das Leben“ es so schlecht mit ihnen meint (und wie „schlecht“ die staatliche Absicherung ist.)

Doch schlussendlich habe ich mich eben nicht dafür entschieden und die erste Chance genutzt, die sich mir bot, um wieder auf eigenen Füssen zu stehen (schon um meiner Würde willen hätte ich fast jeden Job angenommen, der mich aus den Fängen des Amtes befreien konnte), selbst wenn das zwischenzeitlich nicht immer einfach war und zum Schluss hin krankheitsbedingt auch gelegentlich eine Qual, bei der ich mehr als einmal die Zähne kräftig zusammen beissen musste.

Dennoch bin ich heute froh, dass ich damals mich so entschieden habe, wie ich es getan habe – und dass ich durchgehalten habe, solange es ging.
Denn immerhin habe ich jetzt eine Rente (genau die Rente, die ich mir im Lauf des Lebens „verdient habe“) und mit der ich (zur Not auch mit ein paar Einschränkungen) auf eigenen Füssen stehen kann – und zusätzlich und ganz kostenfrei das gute Gefühl, wohl das meiste im Leben richtig gemacht zu haben…

Insofern sehe ich für meine Person auch keinen Grund, über irgendwelche Ungerechtigkeiten klagen zu müssen, zumal ich für den weiteren Gang der Dinge ja auch immer selbst verantwortlich gewesen bin.

Und was meine eigenen „künstlerischen Freiheiten“ angeht, so habe ich jetzt als Rentner Gelegenheiten in Hülle und Fülle, mich damit auszuleben – zwar „nur für den Hausgebrauch“, dafür aber auch ohne finanziellen Druck und ohne das auf Kosten anderer Menschen zu tun.

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Bleibt noch eine Anmerkung zum Schluss:

Auch wenn in diesem Beitrag mein Unmut bezüglich eine Gruppe unserer Gesellschaft aufscheint, möchte ich das natürlich nicht als Schelte für Hartz IV-Empfänger im Allgemeinen verstanden wissen, zumal es viele und ganz unterschiedliche Gründe gibt, die Menschen in diese Situation gebracht haben, aus der sie nun keinen Ausweg mehr finden.
Und davon mag auch die bewusste Entscheidung einer sein, persönliche Interessen in den Vordergrund zu rücken und das eigene Leben vollkommen aus staatlichen Leistungen finanzieren zu lassen, obwohl es bei genauer Betrachtung und mit ein wenig gutem Willen auch andere Möglichkeiten geben würde.
Allerdings räumt der Gesetzgeber diese Möglichkeit nicht ausdrücklich ein, sondern fordert in den meisten „Fällen“ eine Gegenleistung in Form von Mitwirkungspflichten, die ich persönlich in Grenzen auch für legitim halte (jedenfalls, so lange die betreffenden Leistungsempfänger in der Lage sind einen eigenen Beitrag für ihren Lebensunterhalt zu leisten). Mitwirkungpflichten, die von der angesprochenen Gruppe bezogen vor allem auf die eigene Lage als „ungerecht“ betrachtet und lautstark angeprangert werden, obwohl sie eigentlich Teil des Leistungsbezuges sind und alle anderen Leistungsempfänger ebenso betreffen….

Was allerdings auf einem ganz anderen Blatt steht, sind die Höhe der Leistungen und die unmenschlichen Sanktionen, die von den Ämtern verhängt werden können – zumal diese mitunter so gravierend sein können, dass sie in vielerlei Hinsicht mit dem Wort Menschenwürde nicht mehr zu vereinbaren sind.

Insofern können sich auch alle meines vollen Mitgefühles sicher sein, die ohne eigene Schuld in den Fängen des Systems gelandet sind. Für alle anderen allerdings (nämlich die, die sich bewusst verweigern) hält sich mein Mitleid in engen Grenzen…

Allerdings wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen in wirklich ausreichender Höhe vermutlich eine deutlich bessere Lösung als das, was Hartz IV beinhaltet, weil sich damit jedem Menschen zumindest eine derartige finanzielle Basis bieten würde, dass seine grundlegenden Bedürfnisse ohne wenn und aber gesichert wären und er auch eigene Interessen in diesem Rahmen ohne weitere Rechtfertigung ausleben könnte.
Was aber auch nichts daran ändern würde, dass trotzdem jeder selbst für das verantwortlich wäre, was er darüber hinaus benötigt.

Aber vemutlich würde es auch dann immer noch welche geben, die das ungerecht finden, weil andere sich den sprichwörtlichen „Mercedes“ leisten können, sie selbst aber nicht….


Danke fürs lesen und Euch allen eine wunderbare und auskömmliche Woche.
(und bleibt gesund und behütet!)
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der diesen Beitrag bewusst eher allgemein gehalten hat……
(Wem allerdings der Schuh passt, der möge ihn sich gerne anziehen)


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