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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 32/22

Guten Morgen Euch allen!

Heute gibts mal ein „Zitat aus der Reserve“ – will sagen aus der Sammlung an Texten, die ich mir schon seit geraumer Zeit „beiseite gelegt“ habe für den Fall, dass mir im Verlauf einer Woche nichts anderes über den Weg läuft. So wie in dieser Woche halt, in der ich zwar viel gelesen habe, aber sich in meine Lektüre nichts fand, was ein längeres drauf herum denken wert gewesen wäre:

»Ein Mensch, der dauernd tut, was er will, ist nicht frei. Allein die Vorstellung dauernd etwas tun zu müssen hält gefangen. Nur ein Mensch, der einfach mal nicht tut, was er nicht will, ist frei.«“

(aus „Achtsam morden: Roman (Achtsam morden-Reihe 1)“ von Karsten Dusse)

Tja, wie ist das mit der Freiheit?

Was mir dazu als erstes einfällt ist die Sache mit der Arbeit:
Nicht das mich (ausser dem Zwang meinen Lebensunterhalt zu verdienen) jemand gezwungen hätte, regelmässig ins Hamsterrad zu klettern, sondern dabei spielte auch immer der Spass eine Rolle, den ich bei meiner Arbeit hatte, aber auch mein Pflichtgefühl und etwas, was ich selbst als Verantwortungsgefühl meinen Kunden und Kollegen gegenüber empfunden habe, so dass ich oft genug auch über das Pensum hinaus gearbeitet habe, was ich vertragsgemäss hätte leisten müssen. Nicht weil ich das musste (ich hätte an vielen Stellen auch Nein sagen können), sondern weil ich das auch wollte….
Insofern hat mein freier Wille dabei sicher auch eine Rolle gespielt – und ich hätte mich auf Dauer auch nicht wohl gefühlt, wenn ich es anders gehandhabt hätte.

Damit könnte der erste Teil des Zitates also durchaus auch für mich zutreffend gewesen sein, denn wirklich frei gefühlt habe ich mich dabei auch nicht immer. Deshalb habe ich mir manchmal auch gewünscht es so zu handhaben, wie es der zweite Teil des Zitates beschreibt: Mal nicht das zu tun, was ich nicht will – besonders zu Urlaubszeiten oder um Weihnachten herum, wenn die Personaldecke in unserer Firma immer ziemlich kurz und meine Arbeit mehr Pflicht als Freude war, so dass mein Lebensrhythmus sich oft genug nur noch an dem orientierte, was mein Dienstplan vorgab…
Aber auch dazu hat mich niemand gezwungen ausser mir selbst und meinen eigenen Ansprüchen, denen ich auch in diesen Zeiten gerecht werden wollte.
Schliesslich hätte ich mich ja auch mal krank melden können, wie etliche andere Kollegen das in solchen Zeiten der Überlastung gemacht haben…

Doch bei diesem Gedanken stutze ich gerade und frage mich, ob es wirklich das ist, was der Verfasser mit seinen Worten gemeint hat?
Denn so schön seine Überlegung auch klingt, so lässt sie doch die Frage offen, wie man sie in den Alltag eines Menschen übertragen soll, der nicht nur zum eigenen Vergnügen arbeiten geht, sondern auch wirtschaftlich davon abhängig ist, was er dabei verdient…
Darauf bezogen würde eine konsequente Umsetzung des Zitates unter Umständen doch bedeuten, die eigene Existenz in eine mächtige Schieflage zu bringen?
Es sei denn, man versucht diesen Text in einen langfristigen Plan umzusetzen und sein Leben auf Dauer so einzurichten, dass es eben auch möglich wird, das nicht zu tun, was man nicht will?
Hmmmm….

-_-_-_-

Wobei – ich gebe es zu – sich diese Frage für mich ja auch gar nicht mehr stellt, seit ich nicht mehr arbeite und meine Zeit fast ganz nach meinem eigenen Wünschen einteilen kann.
Zeit, in der vieles geht, aber fast nichts muss und ich auch kaum mal in die Verlegenheit komme, etwas tun zu müssen, was ich nicht will (abgesehen vielleicht von meinen haushaltlichen Pflichten, die ich mir aber ebenfalls weitgehend selbst auferlegt habe….).

Da bliebe allenfalls noch das, was man so schön „Freizeitstress“nennt, der aber bei mir auch kaum mal aufkommen mag, weil ich ohnehin nicht dazu neige, mir allzuviel auf einmal vorzunehmen..
So gesehen bin ich also jetzt wirklich „frei“, schon weil ich alles selbst entscheiden kann, was ich mit meiner Zeit anfangen möchte und auch die Gelegenheit habe, das dann zu tun.
Und das fühlt sich einfach nur gut an ;-)


Habt alle einen wunderbaren Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der manchmal immer noch nicht begreifen kann, dass es so ist, wie es ist


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- 10 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 32/22

  1. Moin :-) Ich denke niemand und nichts ist frei. Es gibt aber Möglichkeiten oder auch das nötige Glück dazu sich im Leben zumindest frei fühlen zu können.

    1. Natürlich hast Du Recht.
      im Grunde ist niemand wirklich ganz frei, weil jeder von uns allen möglichen Regeln und Zwängen unterliegt: Wie anders sollte eine Gesellschaft und das Zusammenleben auch funktionieren?
      Aber dennoch ist es natürlich ein Unterschied, wie man mit den Bewegungräumen umgeht, die diese Zwänge und Regeln einem lassen.

  2. Ich würde das Zitat abseits des zum Leben notwendigen Arbeitszwanges sehen. So habe ich eine Freundin, die seit einem guten Jahr in Rente ist und immer etwas unternehmen muss. „Hummeln im Hintern haben“ hätte meine Mutter das genannt. Aber vielleicht trifft auch hier der zweite Teil des Zitats zu. Vielleicht wäre Nichstun etwas schreckliches für meine Freundin. Etwas, was sie nicht will. Und wenn sie das nicht macht, ist sie frei? Ich persönlich meine, mich von gesellschaftlichen Ansprüchen befreit zu haben, in dem ich nicht das tue, was andere für mich und mein Alter als richtig erachten. Ich bin im Alter egoistischer geworden. Vielleicht, weil die restliche Lebenszeit knapper wird. Wenn ich einen oder zwei Tage nur auf dem Sofa liegen und hintereinander die drei Bände um Björn Diemel lesen will (der dritte Band hat mich übrigens nicht so überzeugt, bin schon auf Band 4 im September gespannt), dann nehme ich mir diese Freiheit, auch wenn andere sagen, dass ich lieber an die Luft gehen sollte. Aber dieses „Geh-doch-lieber-raus….“ begleitet mich fast mein ganzes Leben. Jetzt muss ich mich dem nicht mehr beugen. An der Luft bin ich dennoch oft genug, aber dann, wann ich es will.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Ich glaube, das ist genau der Kontxxt, in dem dieses Zitat im Buch auch auftaucht, das ich ganz bewusst aus dem Zusammenhang gerissen habe. Wobei die doppelte Verneinung im letzten Satz mir beim Nachdenken darüber einige Probleme bereitet hat und ich mir immer noch nicht sicher bin, wie sie gemeint ist.
      Aber dabei hilft mir die Überlegung, die Du am Beispiel Deiner Freundin gebrauchst.

      Die Sache mit dem Alters-Egoismus kenne ich übrigens auch gut. Denn genau das stelle ich auch bei mir fest, seit ich die Empathie und das verstehende Erdulden menschlicher Unarten etwas abgelegt konnte, die ich mir qua Beruf antrainiert hatte.
      Heute suche ich bei manchen Dingen einfach nicht mehr nach dem „warum“, wenn sie mir gefallen, sondern äussere meinen Unmut die gelegentlich auch ziemlich direkt…. und das finde ich auch sehr befreiend.

  3. Beim Anfang dieses Zitats halte ich dagegen. Ich fühle mich nicht gefangen, wenn ich tue, was ich will. Gefangen bin ich doch nur dann, wenn ich keine andere Möglichkeit habe – aber ich muss ja nichts tun – alles kann aber nix muss – ist meine Devise. Und wenn ich glaube, ich muss was tun, dann ist das nicht mehr – ich will!
    Insofern stelle ich mich gegen die Aussage des Autors.

    Bezüglich Deiner Überlegungen zum Mitlaufen im Hamsterrad – solange der Job Spaß macht, nimmt man auch Überstunden und Mehrarbeit auf sich, ohne das groß zu hinterfragen. Erst wenn dem Ausnutzung und fehlende Wertschätzung gegenüberstehen, wird aus dem freiwilligen Wollen ein notgedrungenes Müssen.
    Das war für mich auch der Punkt, als ich meinen Job früher (als ursprünglich geplant und finanziell sinnvoll gewesen) beendet habe. Die Arbeit habe ich gemocht, aber die Bedingungen und Anforderungen drum rum haben nicht mehr gestimmt. Mein großes Glück (dessen bin ich mir sehr bewusst und dafür dankbar) war, dass ich es mir leisten kann, nicht mehr tun müssen, was ich nicht will.

    Wieder lieben Dank für dieses Zitat und die Möglichkeit, sich darüber auszustauschen.
    Nun wünsche ich Euch schöne, angenehme und stressfreie Tage, bleibt gesund und munter.

    1. Bitte sehr, sehr gerne. ;-)

      Das Beispiel mit dem Hamsterrad war das, was mir spontan einfiel, als ich das Zitat gelesen und mir notiert hatte…
      Wobei mir natürlich auch beim Schreiben durch den Kopf ging, dass es vielleicht auch nicht das beste Beispiel sein könnte, um das Zitat zu illustrieren.
      Im Nachhinein denke ich, das Elvira mit der Beschreibung des Verhaltens ihrer Freundin den Nagel tatsächlich besser auf den Kopf trifft….

  4. „Freiheit“ ist immer eine Diskussion wert. Jede/r versteht darunter etwas Anderes. Beim ersten Teil des Zitats mögen wir uns frei fühlen. Und manchmal reicht das ja aus für ein gutes Gefühl. Teil zwei klappt in der derzeitigen Wirtschafts-/Gesellschaftskonstellation (noch) nicht. Vielleicht wäre das ein gutes Ziel.

    1. Ich glaube, der zweite Teil wird in menschlichen Gesellschaften immer ein Problem bleiben – den wo Menschen zusammen leben, muss es ja auch Regeln dafür geben, die für einen Teil der Menschheit einengender wirken als für die meissten anderen Menschen.

      Aber das ist sicher sehr subjektiv und auch eine Frage der eigenen Einstellung dazu.
      Ich für meinen Teil fühle mich deswegen nicht unfrei oder gegängelt, zumal ich den gegebenen Rahmen in der Regel nicht mal ausnutze.

  5. Alles dürfen – nichts müssen. Sich einfach mal planlos durch den Tag treiben lassen.
    Zumindest an Einzeltagen habe ich mir früher diesen Luxus geleistet.
    Ich glaube das geht in die Richtung dessen, was der Autor meint 🤔
    🌈😘😎

    1. Mit der Überlegung liegst Du vermutlich richtig, Trude.
      Denn in dem Buch gehts ja auch um Achtsamkeit sich selbst gegenüber und damit darum, sich ein Umfeld zu schaffen, in dem man sich wohlfühlt.

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.