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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 24/22

Guten Morgen, Ihr Lieben!

Mein heutiges Zitat – ein Ausschnitt aus einem Dialog aus dem Buch, was ich gerade vor der Nase habe – beschäftigt sich mit der Frage nach dem Sinn und dem Ziel des Pilgerns aus einer Perspektive, aus der ich das noch nie betrachtet habe:

Vorausschicken muss ich noch, dass sich Björn Diemel, der Held des Romanes, gerade in einer Lebenskrise befindet und nun von Herrn Breitner, seinem Therapeuten, den Rat bekommen hat, sich zur Selbstfindung auf den Jacobsweg zu begeben um dort pilgernderweise wieder einen Sinn für sein Leben zu finden.
Was Diemel natürlich nicht einsieht.

„»Und warum die Nummer mit den alten Knochen? Warum pilgere ich zu irgendeinem Sarg?« »Warum ist am vierundzwanzigsten Dezember immer das größte Stück Schokolade im Adventskalender?«
Ich schaute Herrn Breitner so an, wie ich mich fühlte: ahnungslos.
»Um ein Ziel zu haben«, erklärte er mir. »Ob Sie daran glauben, dass die angeblichen Knochen eines Heiligen eine Wirkung haben oder nicht, ist völlig egal. Es braucht auch kein Mensch am vierundzwanzigsten Dezember ein doppelt so großes Stück Schokolade wie an den dreiundzwanzig Tagen zuvor.
Aber allein dass das äußere Ziel da ist, gibt Ihrem Weg Struktur.
Einen Anfang und ein Ende.
Sie kommen dem äußeren Ziel jeden Tag nachweislich näher.
Sie haben einen Grund, morgens aufzustehen.
Sie haben ein Recht, abends müde ins Bett zu fallen.
In diesem Rahmen bewegen Sie sich. In diesem Rahmen können Sie sich selbst entdecken.«“

(aus „Achtsam morden am Rande der Welt: Roman““ von Karsten Dusse)

Ein gutes Beispiel, wie ich finde, weil sich aus dieser Definition durchaus auch eine Regel für andere Situationen ableiten lässt – ganz unabhängig davon, ob man sich auf einer Pilgerreise befindet oder auf dem Weg zu einem anderen Ziel, dass sich nur in Etappen und mit einem definierten äusseren Rahmen erreichbar scheint
Mit einem festen, wiederkehrenden Tagesablauf etwa – oder mit anderen, an die Gegebenheiten angepassten Ritualen. Wichtig dabei lediglich, das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, auch wenn es anfangs fast unerreichbar fern erscheint….

Nun habe ich zwar selbst die Erfahrung des Pilgerns nie machen können – und ich werde sie vermutlich in diesem Leben auch nicht mehr machen – aber es sind mir durchaus schon vergleichbare Situationen auf anderen Ebenen begegnet, bei denen es auf langen Atem und die permanente Ausrichtung auf ein in weiter Ferne liegendes Ziel ankam:
Ganz alltäglich etwa, als ich noch gearbeitet habe: am Anfang eines Zwei-Wochen-Törns mit viel Arbeit und wenig Freizeit bis zum nächsten freien Wochenende am Ende dieser zwei Wochen, welches – wenn schon nicht das endgültige Ziel, so doch zumindest ein Etappenziel auf dem Weg zum nächsten Urlaub darstellte…als Zeit, über die wirklich mal ganz alleine bestimmen konnte….


Euch allen einen wunderbaren Sonntag – und: bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der trotz allem überlegt, ob wenigstens eine kleine Pilgerreise noch möglich wäre….


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- 9 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 24/22

  1. Ihr hattet doch mal überlegt, mit den Zweirädern zu pilgern – wie der eine, der da auch das Buch drüber geschrieben hat. Das würde doch gehen, oder?
    Ansonsten kann ich das Zitat (aus meiner Erfahrung) komplett unterschreiben. Allerdings brauch ich die Genehmigung, abends ins Bett zu fallen, nicht so zwangsläufig. In diesem Sinne trifft das tatsächlich auf alle Landstreckenwanderungen zu, weshalb sie wohl so beliebt sind. Ich bin da ja auch schon einige gelaufen. Bei den Pilgerwegen kommt für mich die historische Komponente dazu. Meist gibt es viele Kirchen, Kapellen, Bilderstöckchen etc. am Weg. Und das Bewusstsein, dass genau diesen Weg vor einem schon so viele Andere gegangen sind, das bewegt mich schon.

    1. Pilgern auf zwei Rädern – das gibts ja tatsächlich – wie auch explizites Motorradpilgern: ->Klick<- (wobei die Verlinkte Seite nur ein Beispiel von vielen ist….)
      Und in der Tat könnte das ein Ansatz sein, mich der Geschichte nochmal aus einer anderen Richtung zu nähern.
      Deshalb Danke für diesen Denkanstoss – und die Inspiration, darüber nochmal ausführlicher zu schreiben :good:

      1. Das könnten wir ja auch eigenverantwortlich organisieren, zumal wir auf einer Motorradpilgerfahrt kaum mithalten könnten. Aber vielleicht kann man sich dort Anregungen für Strecken und Unterkünfte holen. Ich habe schon mal ein bisschen geluschert, da sind durchaus interessante Strecken dabei.

        1. Eigenverantwortlich – ja, sicher.
          anderseits würde mich aber auch die Gruppenerfahrung reizen, die sich darüber ergeben könnte. Berührungsängste zu den Menschen mit den grösseren Motorrädern hätte ich da nicht. Denn lange Autobahnetappen sind auf bei den organisierten Pilgerfahrten hier in Deutschland ja nicht vorgesehen und auf Landstrassen können wir mit unseren Rollern durchaus mithalten – Herr Peugeot noch mehr als Frau Honda….
          Ausserdem muss man da ja auch nicht im Pulk unterwegs sein, sondern in Grenzen kann jeder auch sein eigenes Tempo fahren…..

          1. Ob Ihr zu Zweit fahrt oder Euch einer organisierten Fahrt anschließt, das kommt ganz darauf an, was Ihr so vor habt. Wenn Ihr auch mal rechts und links der Strecke schauen und ausruhen wolle, käme eher was Eigenständiges in Frage. Wenn das Gruppenereignis wichtig wäre, dann natürlich eine Gruppe. Ob da eher über die Autobahnen gebrettert wird oder Landstraßen genommen werden, das weiß ich natürlich nicht.
            Prinzipiell würde ich denken, dass eine Fahrt auf dem Camino Frances bzw. in nahegelegenen Straßen durchaus beides bieten kann. In den Orten, in denen man Unterkunft findet, würde man ja mit vielen Pilgern in Kontakt kommen können, wenn man will. Und der Weg ist infrastrukturell wirklich gut erschlossen. Es gibt da auch nicht nur Pilgerherbergen, sondern durchaus auch preiswerte Doppelzimmer.
            Ich freue mich schon jetzt darauf, von Euren Abenteuern zu lesen :-)

  2. Im Prinzip brauche ich auch so eine Art Teilstreckenrahmen im Leben, wenn manchmal auch nur, um ein Loch zu überbrücken. Rentenbegii, Krankheit oder Empty Nest haben schon auch Menschen in eine Depression gleiten lassen. Warum also nicht pilgern, um Start und Ziel zu haben und sich dem Weg anzuvertrauen. Neben Rollerpilgern gibts sicher auch Rollipilgern. Das würde ich mir aber nicht zutrauen :-) Hauptsache ist doch in Bewegung zu bleiben, dass sich überhaupt wieder etwas auftun kann im Leben.

    1. Dein letzter Satz trifft es wirklich auf den Kopf!
      Wobei ich für meinen Teil schon feststelle, dass mir beim In-Bewegung-Bleiben der erweiterte Mobilitätsrahmen durch meine Rollerdame viel Motivation und einen deutlich grösseren Radius ermöglicht, als ich den ohne hätte.
      Laufen ist für mich ja auch nur eingegrenzt möglich und Autofahren macht mir inzwischen immer weniger Spass….

      Was den Teilstreckenrahmmen angeht, so ist das wirklich ein Modell, das ich bisher unbewusst auch schon praktiziert habe, aber so ausformuliert wird mir erst wirklich deutlich, wie sinnvoll das ist – auch ganz losgelöst vom Pilgern.
      Schon weil Teilstrecken überschaubarer sind und deshalb besser zu bewältigen, als den Weg zu einem weit entfernten Ziel in einem Stück zurücklegen zu wollen….

  3. Um Ziele zu erreichen, muss man sich auch welche stecken – und dann dabei bleiben. Dabei hapert es bei mir leider sehr häufig. Obwohl es schon einige gab, die ich erreicht habe, z.B. mit dem Rauchen aufhören. Lange Strecken aber schaffe ich kaum noch, und so eine Pilgerreise schon gar nicht mehr.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Das unterscheidet uns vielleicht ein wenig:
      Für mich sind auch langfristigere Ziele immer noch wichtig – auch wenn es viele Einschränkungen gibt, die mich hindern könnten, sie zu erreichen.
      Aber schlussendlich gilt da für mich auch immer noch der Satz:

      Wenn nicht so, dann eben anders!

      Dabei ist das eher zufällige Thema „Pilgern“ gerade mal wieder ein gutes Beispiel:
      Pläne dazu hatte ich eigentlich schon, solange ich zurück denken kann – aber damals war es meine Arbeit und die viel zu knappe Freizeit, die eine Umsetzung verhindert hat – und später meine Gehbehinderung, die dazu geführt hat, dass ich viel zu abhängig von meiner jeweiligen Tagesform bin, um solch ein Unternehmen anzugehen….
      Realistisch betrachtet wäre ein Pilgerweg vielleicht trotzdem möglich, aber überhaupt nicht vernünftig planbar und mit viel zuviel Unwägbarkeiten und Risiken verbunden.

      Und trotzdem:
      Dank Belanas Kommentar tut sich da plötzlich wieder eine Möglichkeit auf, für die ich das notwendige Hilfsmittel sogar schon zur Verfügung habe.
      Ich muss es also nur noch passend in meine Überlegungen einbauen…..

      Mal abgesehen davon unterscheidet sich Rollerfahren in vielen Dingen gar nicht so sehr vom Wandern:

      Auch im Sattel bin ich alleine unterwegs und habe viel Zeit mir Gedanken über alles mögliche zu machen. Und dabei gibts richtig schöne Strecken, die regelrechte Glücksgefühle auslösen und auch wieder andere die wenig Spass machen und sich scheinbar endlos ziehen….
      Der Grösste Unterschied ist sicher die körperliche Belastung.
      Was meine Muskeln nicht mehr schaffen, muss jetzt eben aus dem Tank kommen….

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