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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 26/22

Guten Morgen Euch allen!

Wie letztens schon angemerkt:
Die drei Bücher von Karsten Dusse waren nicht nur eine recht unterhaltsame Lektüre, sondern auch eine reiche Quelle, wenns um meine Sonntagszitate geht. Ergo habe ich auch heute wieder einen Fund aus einem dieser Bücher für Euch:

»Lügen belasten das Gewissen. Wahrheit befreit. Sagt man. Das stimmt aber nicht. Der Umgang mit der Wahrheit ist oftmals schwieriger als der Umgang mit der Lüge. Die Wahrheit kann verletzender sein als die Lüge. Manche Wahrheit geht auch niemanden etwas an und darf durch eine Lüge geschützt werden. .«

(aus „Achtsam morden: Roman“ von Karsten Dusse)

Wobei die Frage „Lüge oder Wahrheit“ möglicherweise ein heisses Eisen ist, je nachdem, wie man persönlich dazu steht.

Ich selbst – so muss ich bekennen – habe es sicher im Leben mit der Wahrheit nicht immer so genau genommen. Als jugendlicher Schüler nicht (denn da gabs immer etwas, wo Lügen die bessere Alternative war, wenn es strengsten Konsequenzen auszuweichen galt) und auch als Erwachsener nicht, wo ich zumindest in beruflicher Hinsicht manche „barmherzige Notlüge“ eingesetzt habe, wenn ich das Gefühl hatte, meinen Kunden damit mehr helfen zu können als mit der ungeschönten Wahrheit:

Bei einer dementen und verwirrten Kundin etwa, der ich immer wieder erzählt habe, Ihre Angehörigen würden sicher „gleich kommen“, wohl wissend, dass sich Tochter, Sohn oder Enkel schon seit Monaten nicht mehr bei der Oma hatten blicken lassen und auch im ganzen nächsten Jahr nicht blicken lassen würden….
Aber hätte ich ihr das wirklich sagen sollen?
Das hätte sie nur aufgeregt und ihre Verwirrung noch verschlimmert.
Und dennoch: ein gutes Gewissen hatte ich dabei nicht, hatte ich eigentlich nie, wenn ich so agieren l“musste“, ganz einfach, weil es grundlegend dem widersprach, was ich von anderen Menschen auch im Umgang mit mir selbst erwarte: Ehrlichkeit, auch wenns gelegentlich wehtut. Mit dem Unterschied allerdings, dass ich die Wahrheit auch vertragen und richtig einordnen kann…beides Dinge, die dei alte Dame sicher nicht mehr konnte….

Ein wenig tröstlich für mich deshab der letzte Satz des Zitates, weil er zeigt, dass es reines schwarz oder weiss auch in in diesem Punkt nicht gibt –

»Wichtig ist, aus welcher Haltung heraus Sie sich selber für die Lüge oder für die Wahrheit entscheiden.«

– sondern dass es auch eine Frage der Motivation ist, aus der heraus jemand eine Lüge gebraucht.
Und die kann durchaus auch ehrenhaft sein, wie es scheint…. Jedenfalls, solange sie nicht nur dazu dient, die eigene Person in besserem Licht erscheinen zu lassen….


Habt alle eine wunderbaren Sonntag – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm

der trotzdem weiterhin ein Fan der Wahrheit ist….


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- 6 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 26/22

  1. Klar, diese „klare“ Trennung von Lüge und Wahrheit gibt es in meinem Kopf auch. Aber gibt es sie in der Realität auch in dieser Klarheit?
    Darf man lügen. Eigentlich nicht. Aber es ist ja, wie Du geschrieben hast. Und deswegen denke ich, dass es beim „bewussten“ Lügen darauf ankommt, warum man bewusst lügt. Grob: zum eigenen Vorteil in Übervorteilung anderer oder eben aus Empathie heraus.
    Habt einen schönen Sonntag.

  2. Ich sehe es ähnlich… wenn man lügt oder mal nicht ganz die Wahrheit sagt, kommt es darauf an, warum man das tut. Vermutlich hast Du mit Deinen „Notlügen“ die alte Dame vor weiterer Verwirrung und/oder Enttäuschung bewahrt und Du wusstest, dass es für sie nur für den Moment wichtig war, weil sie es eh wieder vergessen würde.
    Manchmal ist eine Lüge vielleicht entspannter für alle Beteiligten, solange man es nicht tut, um sich selber einen Vorteil zu verschaffen, der einem nicht zusteht.

    1. Exakt so war das mit der alten Dame.
      Aber gut gefühlt habe ich mich damit halt trotzdem nicht, auch wenn es einer von sehr wenigen Anlässen war, wo ich mal so agiert hab – im Gegensatz zu manchen Kollegen, die dagegen völlig skrupellos mit dem Thema umgegangen sind

  3. Ich habe mal gelesen, dass wir alle mehrfach täglich lügen würden. Persönlich habe ich das bei mir gut beobachten können, nachdem ich mich damit beschäftigt hatte. Ein Beispiel: Ich kaufe mir ein neues Kleidungsstück, bekomme ein Kompliment dafür und wiegle in der Antwort ab, es wäre schon etwas älter. Mache ich heute nicht mehr. Warum auch? Ob das Essen geschmeckt hätte, alles in Ordnung gewesen wäre, habe ich früher immer bejaht. Heute sage ich ehrlich meine Meinung, wenn es nicht der Fall war. Ich erkenne jetzt auch besser die Alltagslügen. Das sind alles harmlose Beispiele, die etwas mit unserer Psyche zu tun haben. Keine Komplimente annehmen, keine Kritik äußern, das zeugt von mangelndem Selbstwertgefühl und wird mit diesen kleinen Lügen kaschiert. Dann lüge ich auch manchmal, wenn ich jemanden nicht verletzen möchte. Richtig große Lügen erinnere ich nicht.
    Im der PM fand ich zu der Frage, ob Menschen wirklich 200 mal am Tag lügen, diesen Absatz:
    „Andere Untersuchungen haben inzwischen ermittelt, dass wir meist nur ein- bis zweimal pro Tag die Unwahrheit sagen. Dieser Befund wurde inzwischen vielfach bestätigt: Die meisten Menschen schummeln zwar regelmäßig, aber immer nur ein bisschen. Nur wenige Menschen lügen wirklich oft. Dazu gehört auch der amtierende US-Präsident Donald Trump. Laut den Faktencheckern der Zeitung »Washington Post« brauchte er lediglich 601 Tage im Amt, um in der Öffentlichkeit 5000 »unwahre oder irreführende« Aussagen zu machen. Seinen persönlichen Rekord erzielte der Präsident dabei am 7. September 2018 – mit 125 Unwahrheiten an einem einzigen Tag. Aber 200 Lügen innerhalb von 24 Stunden? Das schafft noch nicht einmal der Mann im Weißen Haus.“ https://www.pm-wissen.com/psychologie/a/luegt-man-wirklich-200-mal-am-tag/2873/
    Liebe Grüße und einen schönen Restsonntag,
    Elvira

    1. Der Trump mal wieder…
      Wer auch sonst?
      Allerdings ist Lügen in der Politik inzwischen auch ohne ihn schon wieder hoffähig geworden – was vielleicht auch mit ein Grund für die zunehmende Politikverdrossenheit geworden ist.

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