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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Und wieder einmal:
Sie kriegen nichts gebacken :-(

Moin zusammen!

Hamburger Behörden und Flexibilität – das sind zwei Worte, die schon seit langem unvereinbar scheinen und sich aktuell zu einem wirklichen Armutszeugnis auswachsen.

Wer in unserer schönen Hansestadt wohnt, der kennt das:
Brauchst Du einen neuen Ausweis, einen neuen Führerschein, möchtest Dich ummelden oder ein Auto zulassen – ohne Wartezeit geht da nichts und Du kannst Dich schon glücklich schätzen, wenn Du online wenigstens eine Termin in drei, vier oder fünf Wochen buchen kannst.
Das ist schon seit Jahren so, und daran hat sich allen „Bemühungen“ und Beteuerungen der jeweils zuständigen Politiker zum Trotz auch nichts geändert.

Aber trotzdem ist es zumeist verschmerzbar, denn als informierter Bürger weisst Du ja, dass Du „auf den letzten Drücker“ hier nichts wirst, sondern immer eine lange Schlange von Menschen vor Dir hast, die auch was vom Amt wollen – und kümmerst Dich entsprechend frühzeitig um einen Termin.

Was aber, wenn Du nicht so lange warten kannst, weil Du in einer akuten Notlage bist, wie etwa die Menschen, die jetzt aus der Ukraine zu uns kommen und sich registrien lassen wollen, um neben einem Schlafplatz auch die dringend benötigte finanzielle Unterstützung zu bekommen?
Dann sieht es wirklich zappenduster aus, weil Hamburger Behörden nun mal nicht aus ihrer Haut heraus können und beispielsweise vorübergehend auch mal vierundzwanzig Stunden am Tag und an Wochenenden arbeiten, um diesen Menschen schnell zu helfen
Stattdessen werden die Schlangen vor den Registrierungsstellen immer länger, Leute übernachten auf der Strasse und stellen sich stundenlang in der Kälte an, einzig versorgt von ein paar Ehrenamtlichen, die sich das Elend nicht mehr anschauen wollen…

So jedenfalls liest es sich, wenn man heute in unser Lokalblättchen guckt:

Hunderte Personen harrten in der Nacht von Montag auf Dienstag in der Hammer Straße aus, darunter vor allem ältere Menschen, teils Frauen und Jugendliche. Der zur Verfügung gestellte Bus war vollständig gefüllt, genauso wie mehrere Autos in der Nähe. Dazu stand ein Zelt mit Decken und Lebensmitteln bereit, viele hatten Stühle dabei.


Mopo.de

Aber es kam noch schlimmer:

Laut übereinstimmenden Reporter-Berichten zeigte sich die Amtsleitung am Montagabend allerdings wenig verständnisvoll – und alarmierte die Polizei. Demnach sei die Brandgefahr aufgrund des engen Miteinanders besonders hoch gewesen und die Fluchtwege im schlimmsten Fall blockiert. Zudem hätten die Menschen überwiegend eine private Unterkunft.

Die Polizei rückte zwar gegen 22 Uhr an, entschied sich aber zunächst gegen eine Räumung. Erst eine Stunde später setzten sie sie zusammen mit Mitarbeitern der Behörde dann doch durch. 200 bis 250 Menschen mussten die Zelte verlassen – etwa die Hälfte davon entschied sich allerdings, auf dem Bürgersteig zu campen.Laut Angaben eines MOPO-Reporters saßen gegen Mitternacht noch um die 50 Personen auf den Bürgersteigen.
Der polizeiliche Lagedienst konnte sich auf Nachfrage nicht zu dem Vorfall äußern.

ebenda

Geht’s eigentlich noch peinlicher?
Haben die denn nichts aus dem Dilemma von 2015/16 gelernt, als es ja schon mal ähnliche Bilder aus unserer Stadt gab?
Und was macht das für einen Eindruck auf unsere Gäste, die aus einem Kriegsgebiet kommend nun am lahmenden Hamburger Amtsschimmel verzweifeln und damit noch mehr verunsichert werden?

Ich als Hamburger Bürger schäme mich jedenfalls dafür, dass es in unserer Stadt solche Szenen gibt, weil keiner der Behördenleiter genug Ar.ch in der Hose hat, vorübergehend städtische Prinzipien einfach mal über Bord zu werfen und die Dinge so zu handhaben wie es nötig und dringend geboten wäre.

Und ich bin sicher, da gäbe es auch Beamte genug (zur Not auch aus anderen Ämtern), die in diesem Fall freiwillig und gerne mehr arbeiten.
Man müsste sie halt nur lassen…..


Habt trotzdem einen friedlichen Tag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich gerade mal wieder ziemlich über den Behörden-Irrsinn ärgert


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- 9 Bemerkungen zu “Und wieder einmal:
Sie kriegen nichts gebacken :-(

    1. Tja, Hamburg ist ja auch noch „Entwicklungsgebiet“, was moderne Technologie in der Verwaltung angeht.
      Ich sag nur „Faxgerät“ und „Schreibmaschine“ – die Dinger stehen ja immer noch in jedem Amt, gleich neben der Bleistiftspitz-Maschine und dem Tipp-Ex-Abroller

  1. Moin.
    Ach ja, der Deutsche und sein Behörden- / Beamtentum. Wenn ich jemals meine Memoarien schreiben würde, käme die Story sicher darin vor:
    Es gab mal eine Zeit, da hatte ich hin und wieder Rufbereitschaft. Einmal habe ich es gewagt, statt zuhause auf „den Ruf“ zu warten, mich sonntags in mein Büro zu setzen um Sachen aufzuarbeiten. Tage später bat mich mein Dienststellenleiter zum Gespräch. Er wollte das nicht. Seine Begründung: Das würde seine Bemühungen unterminieren, mehr Personal für die Dienstelle zu kriegen, weil sonst die Behördenleitung ja annehmen würde, dass es „schon irgendwie mit dem vorhandenen Personal geht“.
    Als ich zu einer anderen Zeit im Rahmen eines Projektes hingegen > 300 „Überstunden“ hatte, in „“ deshalb, weil es dieses Wort im deutschen Beamtenverhältnis nicht gibt, das heißt „Mehrarbeit“, wobei der Begriff „Arbeit“ im Bundesbeamtengesetz auch nicht vorkommt, dort heißt es „Dienst“, aber egal, da war das in Ordnung, weil im Sinne des Ministeriums. In den Projektpausen wurde ich dann zum 09/12 (nicht 08/15) Beamten: Um 9 im Büro und um 12 wieder draußen ;)
    Ach ja, der olle Heinrich Mann hatte schon recht, geschrieben 1918 in seinem Buch „Der Untertan“: „Den deutschen Bürokraten macht uns so schnell keiner nach“. Ich bin mal gespannt, wie das mit der Aussage von Robert Habeck (Interview 11.03. in SH) in Einklang zu bringen ist (sinngemäß): „… Wenn es eine Chance in dieser fürchterlichen Situation gibt, dann die, dass wir die ganze Schlafmützigkeit und Bräsigkeit in Deutschland abschütteln. … Sachen die beschlossen werden, müssen auch entschlossen umgesetzt werden. …“ Ich hoffe, er hat damit Erfolg ;)

    1. Herrn Habecks Wort in Gottes Ohr – bzw. hier in Hamburg in das des Innensenators, der das Drama ja politisch zu verantworten hat.
      Bei solchen Sachen wie G20 konnte und kann er das ja auch: hart an der Grenze der Legalität agieren und ggf. auch weit darüber hinaus.
      In solchen fällen haben ihn die zarten Beamtenseelen der Polizisten und die anfallende Menge an Überstunden ja nicht geschert, da gings in die Vollen. Um so unverständlicher für mich, dass sowas nicht auch mal geht, wenn Menschen in Not sind.

      Deine Anekdoten aus der Dienstzeit finde ich übrigen köstlich :-)

  2. Ich muss gestehen, dass ich nicht so genau weiß, wie es hier in Berlin läuft, denn der Amtsschimmel wiehert hier ja auch recht laut. Was die Bürgerämter betrifft, kann jeder Berliner, jede Berlinerin ein Lied davon singen. Servicewüste pur! Allerdings scheint es mit der Unterbringung und Registrierung der Kriegsflüchtlinge relativ gut zu funktionieren. auch wenn die Unterkünfte fast belegt sind. Auf der anderen Seite habe ich heute aber auch gelesen (angelesen, da Tagesspiegel online Bezahlartikel), dass in vielen Kirchengemeinden sehr viel Kapazitäten geschaffen wurden, die nicht genutzt werden. Warum das so ist, wird in dem Beitrag sicher erklärt. Ich vermute, dass es u.a. auch an den zuweisenden Behörden liegen könnte. Mein Mann, mit dem ich gerade darüber sprach, meinte, dass wenn der Schlauch schon am Anfang einen Knoten hat, am Ende nichts mehr rauskommen kann. Oder wenn der Amtsschimmel auf dem Schlauch steht, nicht wahr? Ein weiteres Problem stellt sich auch mit den Haustieren, die von vielen Familien mitgebracht werden. Ich las von einem Kind, das sich nicht von ihrer Katze trennen wollte und lieber auf der Straße schlafen würde, bevor ihr Liebling in ein Tierheim muss. Ach, dieser Scheißkrieg hat so viele elende Aspekte.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Tja… die Sache mit dem Schlauch – wie so oft, wenn Behörden im Spiel sind und streng ihren eigenen Regeln folgen. Das zeigt sich ja schon im täglichen Leben und erst recht, wenn etwas passiert, für das es keine Dienstvorschriften gibt:

      Wie etwa 2015 nach Merkels „wir Schaffen das“ oder nach dem Hochwasser an der Ahr, wo die Ineffizienz der Verwaltungen ja auch nicht dem Engangement und der Schwarmintelligenz und der Tatkraft der ehrenamtlichen Helfer Schritt halten konnte, die ihrem eigenen Slogan folgten und angepackt haben, ohne erst lange rumzuwundern.

      „Wir machen das!“

      Und genau das zeichnet sich ja leider gerade auch wieder ab….

    2. Das mit den Haustieren ist hier auch ein Problem. Ich kann die Leute total verstehen, die ihre Tiere nicht im Bombenhagel zurücklassen wollen. Ich glaube, uns würde es ähnlich gehen.

  3. Unglaublich – und da wurde sich in Münster darüber aufgeregt das in einer kurzfristig geschaffenen Unterkunft die Sanitäreinrichtungen noch nicht Grundgereinigt waren.
    Unsere Dreifachhalle wird übrigens wieder als Notunterkunft genutzt. Das angrenzende Hallenbad ist als Sanitärbereich bereit gestellt und unter DLRG Aufsicht gibt es auch Schwimmzeiten zur Ablenkung. In der gegenüberliegenden Stadthalle hat sich ein Cattering Service zum Selbstkostenpreis ausgebreitet. Und in dem Gebäude haben auch Beamte und Ehrenamtliche Helfer ihre Büros aufgeschlagen.
    Veranstaltungen wurden dafür abgesagt. Im angrenzenden Schulzentrum wurde zusammengerückt und wird sich in Verzicht geübt.
    🌈😘😎

    1. Ich habe in meiner Zeit in Münster neben so einer Unterkunft gewohnt und war damals schon begeistert über die Hilfsbereitschaft der Münsteraner.

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