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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Alles egal?

Mahlzeit zusammen!

Geht das eigentlich nur mir so?

Corona mit immer neuen Rekorden in den Inzidenzen, der Krieg in der Ukraine, die Zahl der Flüchtlinge, hohe Energiekosten und die Streitigkeiten der Politiker über all diese Themen.
Alles Nachrichten, die gerade auf uns hereinplatzen und die bei mir mehr und mehr bewirken, dass ich „abschalte“, mich auf andere Dinge zurückziehe, meinen Nachrichtenkonsum aufs allernötigste beschränke und mich langsam regelrecht dazu zwingen muss, wenigstens einmal am Tag die Tagesschau zu gucken, am Liebsten gar nichts mehr davon hören, geschweige denn da länger drüber nachdenken möchte.

Machen kann ich ja an all dem nichts – und ändern kann ich auch nichts.
Bleibt also nur „Aushalten“ – irgendwie und so viel wie ich gerade noch ertragen kann.

Und doch stellt sich die Frage, ob ich wirklich schon so abgestumpft bin, dass mir das alles langsam egal zu werden beginnt und meine Empathie mit den betroffenen Menschen mehr und mehr schwindet?
Oder ob es einfach daran liegt, dass ich mit dem Nachrichtengewitter auf allen Kanälen völlig überfordert und übersättigt bin?


nachdenkliche Grüsse von

Eurem Wilhelm,

der Euch dennoch wünscht, dass ihr gesund und behütet bleibt!

Wir lesen uns :bye:


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Wiedersehen mit der
schönen neuen Welt – Essays

Hallo alle zusammen!

Nachdem ich ja ganz begeistert von Aldous Huxley’s „Schöne neue Welt“ war – und insbesondere auch von dem darin im Anhang angefügten Vorwort einer später erschienenen Ausgabe, in dem er selbst sich kritisch mit seiner ursprünglichen Utopie auseinandersetzt, war es fast logisch, dass ich mir seinen Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts erschienenen Essayband auch noch zu Gemute führe, mit dem er dreissig Jahre nach erscheinen des ursprüngliches Romanes nochmal auf dessen Inhalte eingeht:


Wiedersehen mit der schönen neuen Welt
Von Aldous Huxley

An sich ja ein durchaus spannender Ansatz, den Huxley da gewählt hat, denn im Roman hatte er ja eine Welt vorgestellt, der weitab von allem war, was man sich um 1930 herum vorstellen konnte, mit einem Gesellschaftssystem, das pyramidenartig auf Kasten aufgebaut war mit einer kleinen Schicht von Herrschenden an der Spitze und einer grossen Basis an beinahe gesichtslosen Arbeitern , die genetisch und durch permanente Gehirnwäsche schon von der Zeugung im Reagenzglas an und während ihrer Kindheit auf ihre Aufgaben und ihre Stellung im System vorbereitet werden.
Konsum und Genuss sind die Maximen, auf denen dieses System fusst, in dem Individualität und selbständiges Denken und Handeln verpönt sind…..

Darauf geht Huxley auch in seinen Essays nochmal ein, zum Teil seine Ideen sogar noch vertiefend und verfeinernd und in einer Perspektive aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hinaus ins damals aktuelle Weltbild einordnend.
So sieht er beispielsweise die kommende Überbevölkerung der Erde für die Zukunft als ein grosses Problem, dass wohl nur durch Geburtenkontrolle und eine entsprechende Beeinflussung („Propaganda“) der Menschen in den Griff zu bekommen sei.
Konsum und wirtschaftliches Wachstum sei dabei ein positiver Anreiz, denn „glückliche Menschen sind leichter zu überzeugen“ – eine These, zu der er sich auch nicht scheut, Hitlers Nazi-Deutschland als Beispiel zu bemühen……(allerdings ohne Hitlers Ziele insgesamt gut zu heissen). Das alte römische System von „Brot und Spielen“ also mal wieder….
Die Individualität einzelner Menschen sei dabei dem grossen Ziel unterzuordnen, zumindest soweit es die „grosse Masse“ beträfe.

Ich gebe zu: auf mich wirkte das beim Lesen schon mehr als krude, zumal Huxley andere Aspekte eher vernachlässigt, die sich zumindest auch Mitte des letzten Jahrhunderts schon abzeichneten – wie etwa die Endlichkeit von Rohstoffen und Energie, Umweltverschmutzung, soziale Konflikte durch wirtschaftliches Gefälle und auch die Spaltung der Welt in unterschiedliche Macht- und Wirtschaftsblöcke. All dies kommt in seinen Überlegungen kaum vor und wird allenfalls mit kurzen Bemerkungen abgetan („Atomkraft“ als Segen????)

Selbst wenn ich Huxley zugute halte, dass er in seinen Texten manches nicht berücksichtigen konnte, was wir heute – sechzig Jahre später – wissen:
Manche seiner Überlegungen waren auch für damalige Verhältnisse schon harter Tobak, und sie sind für mich als Leser in unserer Zeit nahezu unerträglich, selbst wenn sie einige Dinge vorweg nehmen, die sich in Ansätzen tatsächlich so entwickelt haben – die allgegenwärtige Berieselung mit Nachrichten und Pseudo-Nachrichten etwa oder die immer subtiler werdende Plazierung von Werbung zum Anheizen eines Konsumes, der nicht auf Nachhaltigkeit, sondern auf schnellen Verbrauch ausgelegt ist…..
Selbst das Kastensysystem gibt es ja inzwischen, wenn auch etwas anders ausgestaltet, als Huxley es vorhergesagt hat: Schliesslich werden viele unserer Konsumgüter heute in Billiglohn-Ländern produziert von Menschen, die wenig Rechte haben und deutlich schlechter gestellt sind als wir, die wir ihre Produkte konsumieren.

Der Klappentext:

„Seine Analysen basieren auf einem bemerkenswerten, fast übernatürlichen Verständnis der menschlichen Natur und sind auch heute erschreckend aktuell. Aldous Huxley ist zu Recht ein prophetisches Genie und eine der wichtigsten literarischen und philosophischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Die Themen, die in der „Schönen neuen Welt“ anklingen, wie Überbevölkerung, Propaganda, Drogen und Gehirnwäsche werden in 12 Essays vertieft und finden schließlich einen Ausblick, was nötig ist, um eine freie Gesellschaft zu errichten. In „Wiedersehen mit der schönen neuen Welt“ stellt er seine Thesen auf den Prüfstand“

Mein Fazit:

Wirkliche Lösungen bietet Huxley entgegen der vollmundigen Versprechungen des Klappentextes nicht an, zumal er von einigen Utopien aus der „Schönen neuen Welt“ auch nicht abrücken mag.
Insofern hinterlässt dieses Buch auch eher zweispältige Gefühle in mir – und ich gebe zu:
Manchen seiner Überlegungen vermag ich auch nicht zu folgen, weil sie mir selbst aus heutiger Sicht zu extrem und zu weit hergeholt erscheinen
Aber immerhin bieten sie Stoff zum Nachdenken….

Meine Einschätzung deshalb:


Habt noch einen schönen Tag und ein friedliches Wochenende – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm

der als nächstes vermutlich doch wieder einen Roman lesen wird


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