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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Seltsame Träume und ihre Folgen

Guten Tag alle zusammen!

Zu Zeiten, als es mir richtig schlecht ging – und auch noch einige Male danach – wurde mir gesagt, ich solle versuchen, Katastrophen zu Ende zu denken.
Damit war allerdings nicht gemeint, den „grössten anzunehmenden Unfall“ vorhersehen zu wollen, sondern von meinem aktuellen Standpunkt aus Schritt für Schritt und möglichst unvoreingenommen zu überlegen, was direkt vor mir liegt, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben könnten und basierend auf diesen Möglichkeiten den nächsten Schritt anzugehen und weiter zu überlegen, so lange, bis ich am möglichen Ende ankomme.

Und tatsächlich stellte sich fast immer bei Anwendung dieser Methode heraus, dass es durchaus mehrere Varianten eines Endes geben könnte, weit abseits der Katastrophe, die ich ürsprünglich vorhergesehen hatte und für unausweichlich hielt:

„Das ist genau wie beim Schach“

wurde mir damals gesagt.

„Selbst wenn die Spielstellung irgendwann hoffnungslos erscheint, gibt es oft noch Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Man darf nur nicht immer aufs Ende schauen, sondern sollte sich auf den nächsten Schritt konzentrieren, der die Lage möglicherweise schon ein wenig ändert. Und dann wieder auf den nächsten, und so weiter.
Der Trick besteht darin, die Figur zu ziehen, die Dir die beste Ausgangsposition nicht für den nächsten Schritt ermöglicht , sondern für den übernächsten, egal, was Dein Gegenüber als nächstes macht.“

Wer von Euch Schach spielt, weiss sicher, dass das so funktioniert und auch aufs reale Leben übertragbar ist – meisstens jedenfalls und solange „das Gegenüber“ einschätzbar ist.

-_-_-_-

Was aber, wenn „das Gegenüber“ nicht einschätzbar ist?
So wie jetzt, wo uns allen eine Katastrophe zu drohen scheint, auf die wir keinen Einfluss nehmen können? Wo sich Gedankenkreisel drehen, Bilder hochkommen, lange verdeckte Ängste aufbrechen und Panik die Oberhand zu gewinnen scheint – so wie bei mir heute Nacht, als ich nach einem schlechten Traum aufgewacht bin und es keinen Weg gab nochmal wieder einzuschlafen?

Ein Teil dieses Traumes, an den ich mich seltsamerweise erinnere, führte in die Zeit zurück, als ich 17, 18 Jahre alt war und vor der Entscheidung stand, ob ich den Wehrdienst verweigern soll.
Da sass ich plötzlich wieder vor der Anerkennungs-Kommission, wie gelähmt und nicht in der Lage, meinen Standpunkt zu verteidigen – so dass die feinen Herren mich schlussendlich doch überzeugt haben, dass es viel sinnvoller ist, Soldat zu werden als…

„….irgendwelche Är.che abzuputzen. Schliesslich müssen wir dem Feind doch etwas entgegensetzen!“

Und anschliessend hockte ich in einem Panzer und fuhr durch Wälder und Heide, scheinbar Richtung Osten auf der Suche nach „dem Feind“ und völlig ohne Orientierung, was ich da soll….

Kurz darauf bin ich wach geworden, völlig schockiert von dem, was ich im Traum gemacht hatte – und trotzdem mit der Frage im Kopf, ob das nicht vielleicht doch der bessere Weg für mich gewesen wäre, damals, als ich real in der Situation war, die heute Nacht im Traum wieder hochkam….

-_-_-_-

Inzwischen, ein paar Stunden später, sieht die Sache zum Glück wieder anders aus, nachdem ich diesen seltsamen Traum und meine Reaktion darauf beim Wachwerden etwas sacken lassen konnte und mir Schritt für Schritt klar gemacht habe, was es für mich bedeutet hätte, wenn ich damals so gehandelt und damit gegen meine tiefe Überzeugung verstossen hätte, dass Waffen und Gewalt niemals die Lösung eines Problems darstellen – auch nicht jetzt, wo scheinbar alle Welt an der Rüstungsspirale dreht, weil der Despot in Moskau „sie dazu zwingt“.

Natürlich sehe ich dabei ein, dass es im Moment nicht anders geht, um seinem Druck standzuhalten und ihm etwas entgegenzusetzten – aber was ist dann, wenn er mal nicht mehr ist?
Dreht sich die Rüstungspirale dann fleissig weiter – oder werden die Menschen auf beiden Seiten dann klüger sein und erkennen, dass das alles so sinnlos ist?
Sich zu bewaffen, um damit Frieden zu schaffen – paradoxer geht doch wohl nicht?

Und damit war ich dann plötzlich mal wieder „am Ende der Katastrophe“ und bei einem Problem, dass ich, dass keiner von uns momentan lösen kann, weil niemand weiss, wie sich die Dinge vorher entwickeln – oder, um nochmal zum Schach zurück zukommen:

Wir stecken gerade mitten in einer Partie und haben immer noch viele Möglichkeiten vor uns – im grossen, wie auch im kleinen. Was in dem Fall auch bedeuted: in unserem ganz privaten, eigenen Leben:

Natürlich könnten wir den Kopf in den Sand stecken, weil ja vermeintlich sowieso alles zu Ende ist
– oder wir könnten unsere Panik hinausschreien, mit dem Finger auf den Mann in Moskau zeigen , ihm die Schuld zuweisen (oder uns, weil wir ihn haben gewähren lassen)
-oder wir könnten voller Panik Vorräte anlegen wie ein Eichhörnchen, nicht wissend, ob wir sie jemals brauchen werden (aber was man hat, das hat man?)
– oder, oder, oder……
Aber hilft uns das irgendwie weiter ?

Abseits davon haben wir aber auch immer noch die Möglichkeit, uns erst einmal in Ruhe klar zu werden, wo wir gerade stehen und zu überlegen, was denn wohl der günstigste nächste Schritt für unser eigenes Leben sein könnte – und darauf aufbauend der Übernächste usw.usw.
Und dabei dürfte sich vermutlich für die meisten von uns genau das herausstellen, was bei mir mit gerade am Anfang dieser Überlegung rauskam:

So schlecht sieht das alles doch gar nicht aus im Moment!
Daran ändert auch das Damoklesschwert wenig, was über unseren Köpfen hängt.
Schliesslich haben wir alle hier in unserem Land genug zu essen, Strom und Wasser, haben es warm und bis auf wenige Ausnahmen auch ein Dach überm Kopf. Die Grundbedürfnisse sind also gesichert – und auch wenn das in Zukunft schlechter werden sollte, wird vermutlich deswegen keiner gleich verhungern oder erfrieren müssen.
Und damit ist schon mal die Basis für weitere Überlegungen gegeben und die Freiheit für jeden von uns, den nächsten Schritt zu planen und abzuwägen….

Bleibt also die Frage was der nächste Schritt sein könnte, aufbauend auf dem, was jetzt gerade ist.

(Tatsächlich ein wenig wie beim Schach mitten in einer Partie, ein paar Züge nach der Eröffnung und vom „Schachmatt“ noch weit entfernt)

Und ich gebe zu, darüber bin ich mir für meine Person noch nicht so ganz klar – und ich muss jetzt ja auch noch nichts entscheiden, sondern kann abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Ein paar mögliche Handlungsvarianten hätte ich dann ja parat.

Aber alles zu seiner Zeit und dann, wenn es soweit ist.


Habt alle einen ruhigen und friedlichen Tag und bleibt behütet und gesund!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der vermutlich im Lauf des Tages noch etwas Schlaf nachholen muss….


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