– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Der Junge muss an die frische Luft – Autobiographie

Guten Morgen am Sonntagmorgen!

Wenn irgendwo der Name Hape Kerkeling fällt, dann wären mir bis vor Jahren vor allem Bilder von seinen vielen Rollen als Comedian eingefallen: die kleine freche Hannilein, Uschi Blum, die ständig verschnupfte Schlagersängerin oder auch seine Paraderolle als Horst Schlämmer, sowie seine genialen Auftritte als Königin Beatrix-Double und als Glückshase oder die Parodie eines klassischen Sängers mit dem berühmten „Hurz“.

Alles Auftritte, an denen sicher nicht nur ich meinen Spass hatte und die kaum erahnen liessen, dass sich hinter den Rollen dieses begnadeten Komödianten ein Mensch mit sehr viel ernsthafteren Seiten verstecken könnte…
Doch das änderte sich, als seinerzeit sein Pilgerbuch („Ich bin dann mal weg“) erschien, in dem diese Seite erstmals auch öffentlich aufschien – und noch mehr, als das Buch erschien, in dem er über seine nicht immer glückliche Kindheit und die Anfänge seines Weges in Rampenlicht schreibt:

Der Junge muss an die frische Luft
Von Hape Kerkeling

Womit der Inhalt der vielschichtigen und doch sehr intimen Autobiographie schon mal grob zusammengefasst wäre, die in leichtem Tonfall auch über sehr traurige Dinge berichtet, wie den Tod von Kerkelings Grossmutter und das Dahinsiechen seiner Mutter, die sich quasi neben ihm das Leben nahm.
Und man erfährt auch viel darüber, wieso gerade das zweite Ereignis und die darauf folgende, von viel persönlicher Wärme geprägte weitere Erziehung durch seine zweite Grossmutter ein zu wesentlichen Meilenstein für seine Entwicklung zum Unterhalter und ausgesprochen humanistisch denkenden Menschen wurde…

(Wer letzten Donnerstag die Verfilmung gesehen hat, wird wissen, was ich meine)

Und es war auch die Verfilmung, die Anlass für mich war, das Buch jetzt ein zweites Mal zu lesen, nachdem ich es kurz nach seinem Erscheinen vor ein paar Jahren schon regelrecht verschlungen hatte.
Diesmal genauso begeistert und gefangen genommen davon wie beim ersten Mal.
Insofern ist auch klar, dass es dazu nur diese Bewertung geben kann:

-_-_-_-

Der Klappentext:

»Was, um Himmels willen, hat mich bloß ins gleißende Scheinwerferlicht getrieben, mitten unter die Showwölfe? Eigentlich bin ich doch mehr der gemütliche, tapsige Typ und überhaupt keine Rampensau. Warum wollte ich also bereits im zarten Kindesalter mit aller Macht „berühmt werden“? Und wieso hat das dann tatsächlich geklappt? Nun, vielleicht einfach deshalb, weil ich es meiner Oma als sechsjähriger Knirps genau so versprechen musste …«

Hape Kerkeling, der mit seinem Pilgerbericht »Ich bin dann mal weg« seine Fans überraschte und Leser jeden Alters begeisterte, lädt auf die Reise durch seine Memoiren ein. Sie führt nach Düsseldorf, Mosambik und in den heiligen Garten von Gethsemane; vor allem aber an die Orte von »Peterhansels« Kindheit: in Recklinghausens ländliche Vorstadtidylle und in die alte Bergarbeitersiedlung Herten-Scherlebeck. Eindringlich erzählt er von den Erfahrungen, die ihn prägen, und warum es in fünfzig Lebensjahren mehr als einmal eine schützende Hand brauchte.

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Habt alle einen feinen Sonntag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

Der wieder einmal eine Buchvorlage um Welten besser fand als den Film…….


-970-

Vom Aufstehen – Erzählungen

Guten Tag zusammen!

Zu diesem Buch bin ich gekommen, wie die sprichwörtliche Jungfer zum Kinde. Denn eigentlich sind Kurzgeschichten (oder Erzählungen) ja gar nicht so meins und so war ich auch etwas skeptisch, als ich mir nach einem Bericht über die Autorin die Leseprobe heruntergeladen habe.
Doch man soll ja niemals nie sagen und so wurde es für mich zu einer wirklich positiven Entdeckung, so dass ich – soviel kann ich hier schon mal spoilern – sicher später einmal auch ihr aktuelles Buch lesen werde, in dem es um das Zusammenleben mit ihrem an Demez erkrankten Mann geht.

Aber Eins nach dem Anderen – und deshalb geht es hier jetzt erst mal um diesen Erzählungsband, für den Helga Schubert vor einiger Zeit den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen hat:

Vom Aufstehen
von Helga Schubert

Kein leichtes Unterfangen, etwas über den Inhalt dieses Buches zu schreiben, das kaleidoskopartig und autobiographisch zu einer Reise in die Vergangenheit der Helga Schubert (eigentlich Helga Helm) einlädt und Episoden aus ihrer Kindheit im Krieg, zu ihrer Flucht aus Ostpreussen, über ihren gefallenen Vater und ihre gefühlskalte Mutter genauso beinhaltet wie über das Leben in der DDR, den Mauerfall und die damit neu gewonnene Freiheit, über das Altern und die KRankheit ihres Mannes und über ganz alltägliches, wie es wohl jeder von uns erleben und wahrnehmen könnte.

Alles geschrieben in einer wunderbar poetischen, wenn auch manchmal etwas verklauslierenden Sprache mit teils seitenlangen verschachtelten Sätzen, die dennoch immer auf den Punkt kommen und mitgedacht werden wollen. Und damit sicher kein Buch zum „schnell lesen“ sondern mehr zum geniessen….

Aber schnell lesen, Buchstaben fressen und Text verschlingen, dass wollte ich diesmal ja auch nicht. Im Gegenteil – und das wurde mir schon bei der Leseprobe klar und das sprach mich auch sehr an – konnte ich dieses Buch eigentlich nur häppchenweise lesen, ein oder zwei der in sich abgeschlossenen Geschichten am Abend, vor dem Schlafengehen, um beim Nachdenken über das Gelesene einzuschlafen, immer wieder auch mit der Frage im Kopf, wie das alles nun zusammenpasst?

Und es passt hervorragend zusammen, wird zum kompletten Bild aus den vorher manchmal unzusammenhängend erscheinenden Einzelteilen, wenn man die letzte und längste Erzählung (die auch titelgebend ist für das ganze Buch) gelesen hat, die zeigt, dass die Autorin „trotz allem“ mit sich und ihrem Leben versöhnt und zufrieden ist.
Ein Gefühl im Übrigen, was auch auf mich als Leser übergesprungen ist, nicht nur, was dieses Buch, sondern auch was die Betrachtung meines eigenen Lebens angeht.

Insofern also:

-_-_-_-

Der Klappentext:

Drei Heldentaten habe sie in ihrem Leben vollbracht, erklärt Helga Schuberts Mutter ihrer Tochter: Sie habe sie nicht abgetrieben, sie im Zweiten Weltkrieg auf die Flucht mitgenommen und sie vor dem Einmarsch der Russen nicht erschossen. Helga Schubert erzählt in kurzen Episoden und klarer, berührender Sprache ein Jahrhundert deutscher Geschichte – ihre Geschichte, sie ist Fiktion und Wahrheit zugleich. Mehr als zehn Jahre steht sie unter Beobachtung der Stasi, bei ihrer ersten freien Wahl ist sie fast fünfzig Jahre alt. Doch erst nach dem Tod der Mutter kann sie sich versöhnen: mit der Mutter, einem Leben voller Widerständen und sich selbst.

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Und wie immer:
Habt ein erholsames Wochenende und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhlem,

der sich wieder mal nicht ganz schlüssig ist, was nun als nächstes auf seinen Ebook-Reader kommt…..


-953-

Lenin kam nur bis Lüdenscheid – Autobiographie

Guten Abend zusammen!

Anfangs fand ich ja noch ganz lustig, was Richard David Precht aus seinem jugendlichen Leben berichtet, aber je weiter ich in diesem Buch vorankam, um so unerquicklicher und wirrer wurde es für mich – bis irgendwann, etwa hundert Seiten vor Schluss der Punkt erreicht war, wo ich die Lektüre entnervt abgebrochen habe:

Lenin kam nur bis Lüdenscheid
von Richard David Precht

Dabei hätte die Geschichte vielleicht auch das Zeug zu einer guten Satire gehabt, wenn Precht seine witzig-liebevolle Linie vom Anfang weiter verfolgt und nicht zunehmend weltanschauliches Geschwurbel hineingemixt hätte

Denn es ist schon eine besondere Welt, die er da beschreibt als Kind von Eltern, die versuchen ihre stark links gerichtete, ja bisweilen sogar marxistische Einstellung im kleinbürgerlich-konservativen Umfeld des westfälischen Solingens zu leben, als Intellektuelle mit auskömmlichen Einkommen zwischen Mietwohnungen und Eigenheim und dabei fast jedes Klischee bedienend, was man sich in dem Zusammenhang nur vorstellen mag.
Was den Autor und auch seine Geschwister gelegentlich in heftige innere Konflikte stürzt, wenn es darum geht, auf der einen Seite der elterlichen Weltanschauung gegenüber loyal zu sein und diese auch der Aussenwelt gegenüber zu vertreten – und dem anderseits mehr als verstehbaren Wunsch, einfach so zu sein wie alle anderen , statt sich ständig in einer Aussenseiterrolle zu befinden…

Das traurige daran: leider ist das keine Satire, sondern beruht wohl auf realen Erfahrungen des Autors, die ich bis zu einem gewissen Punkt sogar nachvollziehen kann als jemand, der in einem streng christlichen, wenn auch deutlich liberaleren Umfeld aufgewachsen ist, sich aber dennoch gelegentlich in einer ähnlichen Aussenseiterrolle wiederfand.
Denn im Unterschied zu Precht hatte ich zmindest ab einem gewissen Punkt auch immer eine Wahlmöglichkeit und wurde nicht dazu genötigt, Dinge zu vertreten, die ich damals weder verstanden noch als mir eigen betrachtet habe.

-_-_-_-

Und das ist es auch, was mir an diesem Buch so missfällt:
Dass der Autor viele Aspekte einer Jugend zwar kritisch beleuchtet (und offenbar auch häufig darunter gelitten hat), aber wohl zu keiner Zeit ernsthaft dagegen opponiert und eine eigenständige Weltsicht dagegen setzt… denn zumindest darüber schreibt er nichts.
Dabei wäre es doch ganz natürlich gewesen (so sagt mir zumindest meine Erfahrung sowohl mit meinen Eltern als auch mit meinen eigenen Kindern), sich davon zu emanzipieren und eigene Wege zu suchen. Aber an diesen Punkt kommt es in diesem Buch gar nicht – und er deutet sich auch nicht an bis zu der Stelle, wo ich die Lektüre abgebochen habe.
Stattdessen scheint es eher so, dass Precht vieles von dem als Erwachsener einfach stumpf übernimmt und als gegeben setzt, was seine Eltern ihm auf teils fragwürdige Rat und Weise vorgelebt haben und was ihm vorher zumindest Anlass zu zaghaftem Zweifel gab….

Bleibt also die Frage, was Precht seinen Lesern mit diesem Buch vermitteln will, das von einer Welt erzählt, die mir viel fremder scheint als die, welche Marion Brasch in ihren Erinnerungen an ihre Jugend in der DDR beschreibt – obwohl ich mit Precht im selben Land und in derselben Gegenwart gelebt habe und manche seiner Erfahrungen sogar teilen kann?
Mir zumindest erschliesst sich das nicht, zumal meine Weltsicht sicher auch eine ganz andere ist als die teils sehr misanthropisch geprägte des Herrn Precht, die ja auch heute noch in seinen „philosphischen“ Ansichten durchscheint – gut zwei Jahrzehnte nach Erscheinen des Buches und vermutlich auch immer noch in dem verhaftet, was er als Kind erlebt und später aufgeschrieben hat.

(Woraus ich ihm nicht mal einen Vorwurf mache – schliesslich haben wir ja auch ganz unterschiedliche Erfahrungen und politisch-weltanschauliche Sozialisationen)

Dennoch reicht es für mich auch nicht für mehr als gerade mal die halbe Punktzahl, weil ich das Buch in seiner Gesamtheit als ziemlich unausgegoren empfinde und es mir – gemessen an der Profession des Autors – auch viel zu einseitig und unkritisch in seiner weltanschaulichen Schwarz-Weiss-Malerei erscheint.

-_-_-_-

Der Klappentext:

Die Biographie einer Dekade – erzählt als Familiengeschichte: klug, einfühlsam und amüsant führt Richard David Precht durch seine linke Kindheit in den Siebzigern.

Lenin kam nur bis Lüdenscheid, bis Solingen ist er nie gekommen. Aber in den Zeltlagern der DKP in Lüdenscheid war die Weltrevolution schon geglückt. Liedermacher sangen von der großen Solidarität zwischen Kindern und Erwachsenen, man feierte den »Internationalen Tag des Kindes«, und die Schauspieler des Jugendtheaters »Rote Grütze« trugen Unterhemden mit aufgemalten Brüsten und redeten über Pipi. Geboren 1964 als Kind westdeutscher Linker im provinziellen Solingen, lernt Richard David Precht schon früh, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, zwischen Sozialismus und Faschismus. Und er wächst auf mit einem klaren Feindbild: den USA. Coca-Cola ist zu Hause ebenso verpönt wie Ketchup, »Flipper«, »Daktari« oder »Raumschiff Enterprise «, dafür gibt es aber das Grips Theater und Lieder von Degenhardt und Süverkrüp. Seine Eltern sind noch engagierter als viele ihrer Zeitgenossen – sie adoptieren zwei Kinder aus Vietnam und schicken ihren Nachwuchs ins Jugendkulturzentrum der SDAJ. Prechts Kindheits- und Jugenderinnerungen sind eine durchaus liebevolle Rückschau auf ein politisches Elternhaus, die bei allen Altersgenossen vertraute Erinnerungen an die Leidenschaften eines vergangenen Jahrhunderts wachrufen werden. Amüsant, nachdenklich und mit dem Gespür für die prägenden Details erzählt er das Gegenstück zur bürgerlichen Jugend der »Generation Golf«.

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Habt noch einen schönen Abend und ein schönes Wochenende – und bleibt gesund und behütet.
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich nun wieder erfreulicherer Lektüre zuwendet…..


-939-

Ab jetzt ist Ruhe – Roman

Guten Morgen am Dienstagmorgen!

Kennt Ihr das?
Der Stapel ungelesener Bücher auf dem Nachttischen, der immer höher wird, weil sich da immer mehr ansammelt, was man gerne mal lesen würde, wozu man aber aus den unterschiedlichsten Gründen einfach nicht kommt?

Ja sicher kennt Ihr das, zumindest wohl einige von Euch, die ähnlich viel lesen wie ich und immer etwas im Vorrat haben wollen.

Und genau so ging es mir auch mit diesem Buch, das schon seit vier Jahren zwar nicht auf meinem Nachttischen ruhte, aber im Speicher meines Ebook-Readers, nachdem ich im Fernsehen eine Dokumentation über die Familie gesehen hatte, um die es darin geht:

Ab jetzt ist Ruhe
von Marion Brasch

Denn ich fand sie durchaus spannend, diese Geschichte der Familie Brasch:
Der Vater, ein zum Katholizismus konvertierter Jude, als Jugendlicher im Rahmen einer Rettungsktion während der Hitlerzeit nach England emigriert wird dort zum Kommunisten – und kehrt nach Ende des Krieges in die DDR zurück, um dort in der SED Karriere zu machen und bis zum stellvertretenden Minister aufzusteigen.
Was das Leben für seine Kinder (drei Söhne und Marion, die einzige Tochter und das Nesthäkchen) nicht immer einfach macht und sie des öfteren mit den strikten Ansichten des Vaters und auch mit den Regeln des Regimes in Konflikt bringt, so künstlerisch und freidenkend, wie sie alle veranlagt sind.

Was dann irgendwann soweit eskaliert, dass der älteste Sohn, der Schriftsteller Thomas Brasch, vom Vater wegen subversiver Äusserungen angezeigt, inhaftiert und später aus der DDR ausgebürgert wird und sich die beiden jüngeren Söhne, der Schauspieler Klaus Brasch und der Schriftsteller Peter Brasch sich vom Vater abwenden und (ebenfalls immer wieder mit den DDR-Regeln in Konflikt kommend) versuchen, eigenständige Leben zu führen, während Marion nach dem Tod der Mutter mit dem strengen Vater alleine bleibt…. Immer auf der Suche nach einem Ziel und immer auch in Konkurrenz zu ihren Brüdern stehend, mit denen sie sich in einer Art Hassliebe verbunden fühlt… hilflos zusehend, wie alle drei sich selbst mit Drogen und Alkohol kaputt machen und viel zu früh sterben, wie auch der Vater, der das Ende Der DDR nicht mehr erlebt

Und tatsächlich ist es auch dieser Spannungsbogen zwischen dem ganz normalen Leben einer Heranwachsenden und später einer jungen Frau, die wie jeder Mensch auf dieser Welt ihren Platz im Leben finden will und den Besonderheiten des Lebens eines Funktionärskindes mit einem überkorrekten und fast schon fanatisch an seine politischen Ziele glaubenden Vater, die diesen autobiographischen Roman so faszinierend macht. Denn man erfährt viel über die inneren Konflikte, die sie erlebt – und auch viel über das Leben in der DDR in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, das man durch ihre Augen sieht und erlebt.

Auch wenn – zugegeben- die Situation der Marion Brasch schon eine ganz Besondere war, verglichen mit dem, was „normale“ Bürger des Landes in dieser Zeit erlebt haben.

Das liegt nicht nur in der Geschichte, die sie erzählt, sondern auch an der Art, wie sie diese erzählt.
Unprätensiös, manchmal komisch, manchmal traurig und manchmal auch mit einer gehörigen Portion Selbstironie und Selbstkritik, ohne deswegen in Selbstmitleid zu verfallen.
Denn das Leben – ihr Leben – ist halt so, wie es ist.

Und – auch das kommt noch hinzu – sie verklärt das Leben in der DDR nicht in der Form, dass damals nun alles besser gewesen wäre, was mir die Autorin und ihr Buch sehr sympathisch macht. Denn es war nicht alles gut, wie sie selbst schreibt, und es war auch nicht alles schlecht. Es war einfach das Leben, so wie sie es erlebt hat – und das alles ist Teil ihrer Geschichte, auf die sie ohne Wehmut über Verlorenes zurückschauen kann, während das Leben weiter geht und sie zu neuen Zielen und neuen Erfahrungen führt.

Deshalb sind es auch genau diese positive Grundstimmung und der Spass, den ich beim Lesen hatte, die mich zu meinem Fazit führen:

Fünf Sterne hat das Buch auf alle Fälle verdient….

-_-_-_-

Der Klappentext:

»Ab jetzt ist Ruhe« – dieser Spruch, den die unruhigen Kinder mit ihrer Mutter aufsagten und der sie in den Schlaf geleiten sollte, liegt wie ein Motto über dem Familienroman von Marion Brasch.
Die jüdischen Eltern, die sich im Exil in London kennenlernten, gründeten die Existenz ihrer jungen Familie in Ostberlin, wo der Vater nach dem Krieg seine Ideale als Politiker verwirklichen wollte. Die drei Söhne – zwei davon wurden Schriftsteller, der mittlere Schauspieler – revoltierten gegen die Autorität der Vätergeneration und scheiterten an der Wirklichkeit, während die kleine Schwester Versöhnung und Ausgleich suchte und oft genug damit an Grenzen stieß, auch an die eigenen.
Marion Brasch ist mit diesem Roman ein bewegender, oft witziger Rückblick auf die Geschichte ihrer Familie gelungen, gleichzeitig erzählt sie ihr eigenes Leben in einem Land, das es heute nicht mehr gibt.

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Habt auch heute einen feinen Tag und bleibt gesund uns behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

dem dieses Buch richtig Spass und Lust auf „Mehr“gemacht hat……


-925-

Meines Vaters Heimat – Roman

Guten Morgen zusammen!

Diese Geschichte ging vor einiger Zeit hier in Hamburg gross durch die Presse und ist sicher viel mehr als ein rein fiktiver Roman:

Meines Vaters Heimat
von Torkel S Wächter

Denn es erzählt die Lebensgeschichten des Autors und seines Vaters, der nach drei Jahren KZ-Haft 1937/38 auf vielen Umwegen von Hamburg aus nach Schweden fliehen konnte.
Was seinem Sohn erst lange nach dem Tod des Vaters klar wird, als dieser eher zufällig eine Kiste mit Briefen, Tagebüchern und anderen Schriftstücken entdeckt, die der Vater aufgehoben hatte, aber seinen Kindern gegenüber nie davon erzählen konnte. So beginnt Wächter, den Spuren zu folgen, die sich aus dem Inhalt der Kiste ergeben und sich mehr und mehr mit seinem Vater zu identifizieren, der zu seinen eigenen Kindern Zeitlebens ein eher distanziertes Verhältnis hatte.

Eine spannende Geschichte, wie ich zugeben muss – und eine Geschichte, die ich schon lesen wollte, seit in der Presse darüber berichtet wurde. Wobei die gewählte Form eines Romanes mir durchaus angemessen scheint, obwohl es dabei auch um knallharte Fakten geht.
Denn Torkel S Wächter geht es so wie mir selbst, als ich versucht habe aus wenigen bekannten Fakten heraus einen Teil der Geschichte meines Vaters zu ergründen, der als fünfzehnjähriger Jugendlicher noch in den Krieg ziehen musste und über seine traumatischen Erlebnisse auch nie erzählen konnte, obwohl man immer wieder merkte, wie sehr ihn einige dieser Erlebnisse aus dem Frühjahr 1945 bis ins hohe Alter hinein weiter beschäftigt haben.
Und auch ich habe dabei die Erfahrung gemacht, meinem Vater nach seinem Tod ein Stück weit näher gekommen zu sein, nachdem ich mir nach langen Netz-Recherchen einiges „zusammen reimen“ konnte, was an den Orten passiert ist, wo mein Vater damals war.

Und es kommt noch ein weiterer Aspekt dazu:
Wächter berichtet in diesem Buch auch ziemlich offen über ein Syndrom, das vermutlich viele Kinder traumatisierter Menschen kennen (ich übrigens auch – im Zusammenhang mit der Fluchtgeschichte meiner Mutter):

SGDS ( Second Generation Stress Disorder)
(oder auf Deutsch: Transgenerationale Weitergabe eines Traumas)

d.h. die Übertragung von schmerzhaften, angstauslösenden oder anderweitig traumatischen Erlebnissen und auch Schuldgefühlen auf die nachfolgende Generation, die dort in einer messbar höheren Häufigkeit von psychischen Störungen nachweisbar ist, als bei Menschen aus der gleichen Generation, die diese Belastung nicht in sich tragen

Dabei gelingt es ihm, recht distanziert und sachlich auch über das zu erzählen, was ihm selbst im Zusammenhang mit dem immer tieferen Eindringen in die eigene Familiengeschichte widerfahren ist und welche Emotionen das bei ihm ausgelöst hat – mit einer Bandbreite von Hass und Misstrauen den Verursachern gegenüber, von Verstehen, Vergebung und der Erkenntnis, schlussendlich im vom Vater lange verleugneten jüdischen Glauben eine neue Heimat zu finden – auch das ein spannender Prozess, der begleitend zur eigentlichen Handlung des Buches erzählt wird.
(Übrigens auch das erste Mal, dass ich so dezidiert darüber etwas von einem selbst Betroffenen gelesen habe und ein weiterer Grund, warum ich die 350 Seiten des Buches an nur zwei langen Leseabenden geradezu verschlungen habe )

Insofern also:

Der Klappentext:

Alles begann mit dem Fund von ein paar vergilbten Briefen aus dem KZ Fuhlsbüttel auf dem Dachboden des Elternhauses in Stockholm. Als Torkel S Wächter verstand, dass der Absender und sein Vater ein und dieselbe Person waren, begann für den Autor eine Reise zu sich selbst und den eigenen Wurzeln. Auf vier Kontinenten suchte er nach Wegbegleitern des Vaters, die ihr Zuhause verlassen mussten, weil sie gegen die Nazis kämpften oder weil sie Juden waren – oder beides. Er hat sie besucht und kennengelernt, ihren Geschichten zugehört und neue Freundschaften geschlossen. Er ist auf den Spuren seines Vaters durch Europa gefahren und hat seine Flucht 1938 rekonstruiert. So ist dieser Roman entstanden, der sowohl im Hier und Jetzt als auch im heißen Vorkriegssommer 1938 spielt und der vor allem eines klarmacht: Dinge, die verloren gingen, müssen nicht für immer verloren bleiben.

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Habt alle eine schönen Tag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm


-626-

Good Bye Lehmann – ein Reisebericht

So, das hat dieses Mal wieder etwas länger gedauert, bis ich mit dem Buch fertig war:

Good Bye Lehmann
von Stefan Fay

Nicht, weil das Buch jetzt langweilig gewesen wäre – oder etwa schwer verständlich geschrieben, sondern weil ich darin einige Textpassagen gefunden habe, über die ich wirklich länger nachdenken musste. (Einige davon hatte ich ja auch schon als Sonntagszitate hier eingebunden)

Denn die Geschichte entwickelt sich im Lauf der Reise doch etwas anders, als ich das (trotz des Untertitels) ursprünglich erwartet habe – denn aus der Beschreibung einer Motorradreise, die dem Autor als Inbegriff der Freiheit vorkommt entwickelt sich – je länger sie dauert – mehr und mehr der Weg des Autors zu sich selbst , verbunden mit der Überlegung, wie sein zukünftiges Leben aussehen könnte, wenn diese Reise beendet ist?

Und damit stand dann auch die Frage im Raum, was ein „gutes Leben“ aus Sicht des Autors eigentlich ausmachen würde:
Glück wäre sicher ein Teil davon, aber eben auch nicht alles – genau wie Erfolg nicht das grosse Ziel werden könnte…. so dass ich während der Lektüre lange Zeit bei einer Überlegung war, die ich vorgestern im letzten Sonntagszitat mit dem Wort „Zufriedenheit“ definiert habe.

Insofern hat mich am Ende aber auch nicht sonderlich überrascht, welchen Weg der Autor für sich gefunden hat und unter dem Begriff „Achtsamkeit“ als einen Weg zum einem guten Leben beschreibt:
Leben im Hier und jetzt, wahrnehmen und geniessen, was der Moment einem bietet und das Loslassen von Träumen, Zielen und Erinnerungen, die diesem Ziel entgegen stehen.
Also letzendlich doch gar nicht so weit weg von dem, was für mich ich mit meinen eigenen Überlegungen unter dem Begriff „Zufriedenheit“ zusammen gefasst hatte…auch wenn sein Weg zu dieser Erkenntnis ein anderer war als meiner.

Der Klappentext:

„Gibt es ein Leben vor dem Tod?“
Das fragte einst der Schriftsteller Karl Kraus. Als Stefan Fay die ersten Jahre in Anstellung für einen Dax Konzern hinter sich hatte, war er sich der Antwort nicht mehr sicher.
Die Folge? Der Ausbruch!
2014 nahm er eine Reise auf von der viele nur zu träumen wagen: Motorrad gepackt und einfach nach Osten. So weit und so lang es eben gehen würde. Ohne Datum für eine Rückkehr.

Zwei Jahre später kam er wieder und brachte den festen Entschluss mit ein Buch über seine Reise und das Erlernte zu schreiben. „Good Bye, Lehmann“ ist das viel gefeierte Resultat. Es handelt nicht nur von einer Reise um die halbe Welt, sondern besonders um die Frage: „Wie kann man ein gutes Leben führen?“

Amazon – zur Ebook-Ausgabe

In der Tat hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen, das wohl an manchen Stellen mehr eine Erzählung als ein wirklicher Reisebericht ist. Enthält es doch eine Reihe von Elementen, die ich ähnlich auch schon in Erfahrungsberichten übers Pilgern gefunden habe – einschliesslich der Erkenntnis, dass ein „guter“ Weg durchs eigene Leben zum Ziel werden kann und somit eigentlich nie zu Ende geht.

Gut geschrieben und manchmal bei aller Nachdenklichkeit auch ausgesprochen spannend und witzig (und deshalb gut lesbar) fand ich dieses Buch ausserdem, und auch die gelegentlichen Abschweifungen in die Welt der Philosopie haben mich immer wieder zum „weiter denken in positiver Richtung “ angeregt.
Deshalb gibt es auf meiner persönlichen Skala auch die volle Punktzahl dafür:

-_-_-_-

Und damit sollte es nun fürs Erste auch genug sein mit den Reisebüchern – mein nächstes Buch wird definitiv ein Sachbuch sein, das ich schon lange mal lesen wollte und nun auch lesen werde.
Aber dazu mehr, wenn es soweit ist…..


In diesem Sinne:
Denkt positiv und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:


-372-

Jupiters Heimkehr – Ein autobiographischer Reisebericht

Ein paar Zitate aus diesem Buch von Ted Simons hatte ich Euch in den vergangenen Wochen ja schon präsentiert – und ausgelesen habe ich es auch schon seit einigen Tagen – also wird es langsam Zeit, auch einen kurzen Beitrag darüber zu schreiben:

Jupiters Heimkehr
von Ted Simon

Ja, auch dies wieder ein Buch, mit dem ich meinem in letzter Zeit am häufigsten gelesenen Genre treu geblieben bin, denn es ist wieder ein Reisebericht und es hat – auch wieder – mit einem Mottorad zu tun.
Und doch ist es anders, denn die Reise um die es hier geht, führt nicht über Kontinente oder um die Welt, sondern zurück in die eigene Vergangenheit des Autors – ins England der vierziger und fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts:

Ted Simon, ein in Deutschland geborener, in England aufgewachsener und jetzt in Kalifornien lebender Journalist und Weltenbummler, der mehrfach alleine auf einem Motorad um die ganze Welt gefahren ist, wurde irgendwann im Alter von schon weit über 70 Jahren von einem Freund gefragt, wohin denn seine letzte Reise führen würde?

Diese Frage war für ihn der Anstoss zu einem Reiseprojekt, welches zurück führen sollte an die Orte seiner Kindheit und Jugend, kreuz und quer durch England, Schottland und über die irische Insel – mit Besuchen an Orten und bei Menschen, die er teils jahrzehntelang nicht gesehen hatte. Natürlich auf zwei Rädern, wenn auch aus Altersgründen nicht mehr auf einem schweren Gelände-Motorrad, sondern auf einem Motorroller, der meiner Oma nicht unähnlich ist.

Und er hat dabei Erstaunliches erlebt und anekdotenartig zusammen gefasst, die er teils mit viel Humor und Selbstironie, teils aber auch sehr nachdenklich und immer wieder seine Eindrücke hinterfragend in diesem Buch veröffentlicht.

Der Klappentext:

Wohin soll die letzte große Reise gehen? Der 78-jährige Ted Simon entscheidet sich für die Britischen Inseln und kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück: in die Metropole London, wo er als Kind die Nachkriegszeit erlebte und im Doppelstockbus zu seiner ersten großen Liebe fuhr. Nach Cardington, das eng mit seiner Leidenschaft für das Schreiben und für Motorräder verbunden ist, und Manchester, wohin er als junger Mann per Anhalter gelangte. Wie ein Wandervogel zieht der Autor durchs Land bis nach Belfast und besucht alte Freunde und vertraute Orte, kommt durch abgelegene Landstriche und große Industriezentren und gewinnt mit seiner Offenheit die Menschen für sich. Ein sehr persönliches Abenteuer, das vom Glück der Freiheit kündet.

Auch, wenn der Klappentext nicht wirklich übertreibt, so ist dieses Buch doch ein Buch, welches ich mit sehr wechselnden Gefühlen gelesen habe:

Durchaus (in weiten Teilen) lesenswert zwar und in den humorvollen Passagen auch recht unterhaltsam, ja, bisweilen sogar richtig spannend, hat es in anderen Passagen doch seine Längen und gleitet an einigen Stellen stark ins monologische ab, wenn Mr. Simon beginnt, die Welt aus der Sicht eines alten Mannes zu beschreiben, dessen an vergangenen Zeiten orientierten „Einsichten“ ich nicht immer zu folgen vermochte.
Was an zwei Stellen sogar soweit ging, das ich das Buch einfach zuklappen und mir neuen Lesestoff suchen wollte – hätte er denn nicht rechtzeitig wieder die Kurve zu seinem ansonsten deutlich lockereren Erzählstil wiedergefunden.

Insofern muss ich dieses Buch sicher nicht noch ein zweites mal lesen und mehr als dreieinhalb Sterne auf meiner Bewertungsskala mag ich dafür deswegen auch nicht vergeben:

Dennoch:
Einige der „guten“ Abschnitte des Buches – zu denen auch die letzten zwei Kapitel und das darin gezogene Fazit dieser Reise gehören – waren es wirklich wert, das Buch zu Ende gelesen zu haben.


Und wie immer:
Habt eine gute Zeit und bleibt gesund und behütet

Wir lesen uns


-352-

Altwerden ist nichts für Feiglinge – Autobiographie

Ein nettes kleines Buch, was derJoachim Fuchsberger da geschrieben hat – soviel kann man auf jeden Fall schon mal ganz pauschal sagen.

Auch, wenn es einige Binsenweisheiten enthält, die ich zumindest vorher schon kannte und die man auch als selbstironisch eingefärbte „Nörgeleien“ eines alternden Mannes bezeichnen könnte, der einen Weg finden will, mit seinen nachlassenden körperlichen Fähigkeiten umgehen zu können. Insofern ist Fuchsbergers Sichtweise sicherlich nicht als Wegweiser für alle Altersprobleme zu verstehen, aber diesen Anspruch hat er wohl auch beim Schreiben des Buches nicht gehabt.

Gut unterhalten habe ich mich bei der Lektüre aber trotzdem, denn einige seiner Erfahrungen kenne ich ja auch“schon“ aus eigenem Erleben – und mehr als einmal habe ich zustimmend und schmunzelnd  beim Lesen mit dem Kopf genickt…

Aber das ist ja nicht alles, was dieses Buch ausmacht.

Altwerden ist nicht für Feiglinge
von Joachim Fuchsberger

Viel spannender als die Beobachtungen über das eigene Altern sind für mich die autobiographischen Anteile – meist Anekdoten aus seinem Leben, mit einem gewissen Augenzwinkern erzählt, die immer wieder eingestreut sind – und zeigen, wie sich im Lauf des Lebens die Einstellung dazu ändern kann – weg vom „Hoppla, jetzt komme ich!“ hin zur Erkenntnis, dass Leben ein Geben und Nehmen ist…
So gesehen durchaus ein lesenswertes Buch, mit leichter Hand geschrieben und flüssig weg zu lesen.

Der Klappentext (naja!):

„Er ist alt. Er ist bekannt und beliebt. Jetzt macht der Schauspieler Joachim Fuchsberger seinen Altersgenossen und allen Jüngeren, die ja auch irgendwann mal alt werden, Mut, locker mit diesem unvermeidlichen Vorgang im Leben umzugehen:
»Ich denke, es ist Zeit, dass sich die Alten die faltige Haut nicht länger über die Ohren ziehen lassen. Hören wir auf, im stillen Kämmerlein und vor der Glotze auf die Schwätzer aus den Amtsstuben zu hören, lassen wir uns keine Angst mehr einjagen von den Neunmalklugen, wo immer sie sitzen.«

Launig und charmant, nachdenklich, aber nie weinerlich, plaudert der große alte Mann des deutschen Unterhaltungsfilms über die Blüte seines Lebens und darüber, wie es sich anfühlt, wenn sie langsam dahinwelkt. Fuchsberger nimmt kein Blatt vor den Mund und empfiehlt, sich den Lebensabend nicht durch demographische Schwarzmalerei verderben zu lassen.“

Bleibt noch meine persönliche Sternebewertung:

Einen Punkt ziehe ich ab wegen der oben erwähnten Binsenweisheiten, die sicher  keine neue Erkenntnise darstelllen, sondern sich fast in jedem Buch zum Thema wiederfinden lassen.


Euch allen einen schönen Abend und ein wunderhübsches, angenehmes Wochenende!
Bleibt gesund und bleibt behütet.

Wir lesen uns


-111-

Die neun Leben des Herrn F. – Autobiographie

Kleine Leseprobe gefällig?

„Ob ich mich umbringen sollte? Ich war ja im Alter, in dem dieser Gedanke verlockend erscheint, weil man sich so herrlich ausmalen kann, wie die Welt endlich Kenntnis von einem nimmt und schluchzend den Sarg umringt, die Lehrer, die Familie, die alte Bibliothekarin: »Wir haben ihn verkannt!« Was man dabei vergisst: Man kann es selber nicht richtig genießen, weil man dann tot ist und das auch bleibt.“

So wie in diesem Beispiel liest sich die ganze Autobiographie des kürzlich verstorbenen Herbert Feuerstein: Wirklich unterhaltsam, nie ernsthaft langweilig werdend und immer mit leicht ironischem  Blick auf sich selbst und die anderen handelnden Personen, ohne dabei bösartig zu werden.
Und man erfährt eine ganze Menge – nicht nur über den Autor selbst, sondern auch über das Zeitkolorit, die Medienlandschaft  und die Menschen, denen er begegnet ist. Einerseits durchaus nett und informativ, anderseits aber auch gelegentlich zu kleinen „Längen“ führend, wenn er über Begegnungen berichtet, bei denen sein Gegenüber keine sehr bekannte Person der Zeitgeschichte ist. Was aber ein „Problem“ wohl aller Autobiographien ist und ich ihm nicht direkt anlasten würde….

Der Klappentext, zugleich Lebenslauf und treffendes Inhaltsverzeichnis:

1. LEBEN:
In Salzburg versucht Herbert Feuerstein aufzuwachsen, wird aber nur 1,65.
2. LEBEN:
Er studiert am Mozarteum Musik und erhält dafür Ohrfeigen.
3. LEBEN:
Kaffeehausliterat in Wien und Giftzwerg der Musikkritik.
4. LEBEN:
Zehn Jahre New York: Hobby-Tischler und Stadtneurotiker.
5. LEBEN:
Drei Jahre Buchverlagsleiter in Frankfurt. (Zählt wie dreißig Jahre Buchhalter.)
6. LEBEN:
Zwanzig Jahre Macher des Satiremagazins MAD. (Zählt wie zwei Monate FAZ.)
7. DOPPELLEBEN:
Radio, Fernsehen, Trallala sowie Theater und Oper für die restlichen fünf Prozent.
8. LEBEN:
Zurück zur Musik, wovon sein Klavierspiel aber leider nicht besser wird.
9. LEBEN:
Danke, es geht.
Aber wie lang noch?

Bemerkenswert vielleicht noch ein Thema, welches wie ein roter Faden immer wieder im Buch angerissen wird:
Die nicht geführte Auseinandersetzung mit seinem Vater, der – in der Nazi-Zeit ein nicht  ganz unbedeutender Lokalfürst im österreichischen  Salzburg – anschliessend vom Sohn geschnitten wurde, ohne dass im Buch näher begründet wird, was genau dazu geführt hat. Obschon dieser Konflikt immer wieder virulent wird, wenn es um die Auseinandersetzung mit anderen „Übervätern“ oder dominanten Persönlichkeiten (wie Harald Schmidt, mit dem ihn eine gewisse Hassliebe verband) in Feuersteins Leben geht. Was ich persönlich ein wenig schade finde, denn darüber hätte ich gerne mehr erfahren.

Zusammenfassend war diese Autobiographie dennoch eine sehr unterhaltsame Lektüre, weshalb ich auch gerne viereinhalb Sterne dafür vergebe – wobei der leichte Punktabzug sich aus den oben beschriebenen Punkten ergibt  und daraus, dass es kein Buch ist, welches ich zwingend zwei mal lesen müsste, (was aber geauso für alle anderen Autobiographien gilt, die ich bisher gelesen habe).:

Bleibt noch der Hinweis auf einen recht unterhaltsamen Nachruf,  produziert einige Jahre vor seinem Tod von Feuerstein selbst und immer noch abrufbar in der ARD-Mediathek:

Herbert Feuerstein schreibt seinen Nachruf – und lebt noch 2091 Tage

Auch der ist relativ typisch für ihn, zumindest, wenn man sein Buch gelesen hat (und niemand anders hätte das wohl besser machen können) – und damit durchaus geeignet, wenn man sich unterhaltsam eine Stunde Zeit vertreiben will.


In diesem Sinne:
Euch ein wunderbares Wochenende, bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns.
Der Wilhelm.


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