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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 45/21

Schon wieder ist eine Woche rum, also Zeit für ein neues Sonntagszitat – diesmal ein kurzer Dialog, der mir spontan wie ein De ja-vu erschien, das meine Gedanken zurück lenkte in Zeiten, die schon lange vorbei sind.

„Du hättest dir das alles ersparen können“, sagte mein Vater, und der Maler:
„So bin ich eben, ich kann mir nichts ersparen. Ich muß immer ausprobieren, wo der Schmerz beginnt: so sind wir aus Glüserup.“

(aus „Deutschstunde: Roman“ von Siegfried Lenz)

Tatsächlich habe ich mir diese (oder zumindest: ähnliche) Worte in jüngeren Jahren ziemlich oft anhören müssen, als mir noch kein Risiko zu gross war und ich des öfteren versucht habe, wider besseres Wissen mit meinem ostwestfälischen Sturkopf durch die dicksten Wände zu kommen.
Auch die Antwort darauf wäre wohl damals ziemlich typisch für mich gewesen, jedenfalls zumindest so lange, bis mich zum ersten mal die Novemberstimmung mit voller Breitseite erwischt hatte…

Und damit wird mir mal wieder klar, dass sich seither eine Menge verändert hat in meinem Leben – was ich jetzt gar nicht mal als negativ betrachten würde, auch wenn ich lange nicht mehr so spontan und risikofreudig agiere wie ich es damals – meist ohne zögern – konnte.

Dabei habe ich seinerzeit meist ziemlich gute Erfahrungen mit meinen spontanen und fast immer wenig durchdachten Entscheidungen und Aktionen gemacht – oder ich hatte zumindest oft Glück, wenn am Ende doch alles gut gegangen war.
Manchmal gingen die Dinge aber auch mächtig in die Hosen oder entwickelten sich zu mittleren Katastrophen…
Und dann: siehe oben!

So gesehen stellt sich für mich (in meiner eigenen Wahrnehmung – eine Aussensicht gibt es dazu ja nicht) der erste Depressionsschub vor über zwanzig Jahren als deutliche Zäsur in meinem Leben dar, zumal ich seither ganz anders mit Entscheidungen umgehe, vorsichtiger, bedächtiger, zögerlicher (und manchmal auch ängstlicher) geworden bin und – je älter ich werde – Risiken und Spontanität lieber meide, als sie einzugehen.

Was auch für Auseinandersetzungen gilt, denen ich in jungen Jahren selten aus dem Weg gegangen bin, egal, ob ich mich damit gegen Vorgesetzte oder mir vermeintlich überlegene Menschen stellen musste. Gestritten habe ich mich damals auch schon nicht gerne, aber was sein musste, das musste halt sein, auch wenn ich damit sicher nicht immer im Recht war.

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Andererseits steht aber auch ein Satz, den meine letzte Chefin mal im dicksten Brassel zu mir gesagt hat:

„Sie sind immer so ein ruhender Pol, den nichts aus der Ruhe bringen kann!“

Das (als echtes Lob gemeint) hätte sie wohl zwanzig Jahre früher nicht über mich sagen können. Da hätte sie mich vermutlich eher als Hitzkopf oder Heissporn betitelt, der alles andere, aber sicher nicht „immer ruhig und gelassen“war :scratch: .

Wobei auch eine Rolle gespielt haben mag, dass ich mich rein beruflich gesehen in den letzten Arbeitsjahren auf absolut sicherem Terrain gefühlt und zum guten Schluss nur noch sehr selten vor Situationen gestanden habe, die ich nicht aus reiner Routine und Berufserfahrung heraus hätte handhaben können.
Risiken oder unüberlegter Aktionismus waren da nicht (mehr) nötig …. so war es dann auch leicht, gelassen zu bleiben und Ruhe auszustrahlen.

Und das bringt mich dann wieder zu der Überlegung, ob es nicht doch eher am Lebensalter (oder an – möglicherweise auch negativer – „Lebenserfahrung“?) als an der Depression liegt, dass ich mich so in Richtung „Trantüte“ und „harmoniebedürftig“ verändert habe?

Oder, ob da nicht beides zusammen spielt und die Depris den Prozess nur ein wenig beschleunigt haben?


Nun, wie auch immer:
Habt noch einen schönen Sonntag – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:


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