– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Deutschstunde – Roman

So ganz bin ich damit noch nicht durch, aber es sind ja nur noch ein paar Seiten, die sicher nichts mehr an dem ändern werden, was ich zu diesem Buch anmerken möchte:

Deutschstunde – Roman
von Siegfried Lenz

Der Klappentext:

In seinem Roman „Die Deutschstunde“, der 1968 erschien, setzt sich Lenz kritisch mit dem Dritten Reich auseinander. Der Protagonist des Romans ist Siggi Jepsen, ein Zögling einer Anstalt für schwererziehbare Jugendliche, der einen Deutschaufsatz zum Thema ‚Die Freude der Pflicht‘ schreiben muss. Darin thematisiert Siggi den Konflikt mit seinem Vater, der zur Zeit des Nationalsozialismus Polizist im norddeutschen Rugbüll ist.

Siggis Vater ist mit dem Maler Nansen befreundet, doch die NS-Zeit verändert diese Freundschaft. „Die Deutschstunde“ schildert, wie der Polizist Jepsen die Durchsetzung des Malverbots für Nansen zu dessen persönlichem Feldzug macht. Nahezu blind erfüllt der Vater seine Pflicht, während der Sohn versucht, die Kunstwerke zu retten. Das Ende des Dritten Reiches bringt keine Veränderung. Der Vater wird kurzfristig interniert, kehrt jedoch später auf seinen Posten zurück, ungebrochen autoritätsgläubig.

Mit der „Deutschstunde“ konfrontiert Siegfried Lenz seine Leserschaft schonungslos mit scheinbar unpolitischer Pflichterfüllung und Heimattreue, welche in der Nachkriegszeit als tragender Pfeiler des Nationalsozialismus demaskiert wurde.

Vgl auch den umfassenden Wikipedia-Eintrag dazu

Mal voraussetzend, dass wahrscheinlich viele von Euch das Buch gelesen (oder zumindest eine der Verfilmungen gesehen haben) werde ich mich bei meiner Betrachtung allerdings weniger auf den Inhalt des Buches beziehen, sondern lieber auf einige Gedanken konzentrieren, die mir dazu sonst noch durch den Kopf gegangen sind:

-_-_-_-

Zuallererst natürlich, warum ich für die schlappen 600 Seiten fast sechs Wochen gebraucht habe, obschon mein Lesetempo ansonsten deutlich höher ist – selbst bei Büchern die mir nicht so spannend erscheinen?

Die Antwort darauf könnte sich kurz zusammen gefasst auf wenige Worte beschränken:

„Weil ich es genossen habe!“

Und das habe ich in der Tat – nicht nur wegen der nicht unspannenden Handlung , sondern auch und besonders, weil mir der colloraturenreiche Lenz’sche Erzählstil auch immer wieder Anlass für Kopfkino und abschweifende Gedanken gab:
Beispielsweise bei den ausschweifenden Beschreibungen der Nansenschen Bilder, die in dem Buch ja eine grosse Rolle spielen und mir um so plastischer vor Augen standen, wenn ich Vergleiche mit Emil Noldes Bildern gezogen habe, dessen Geschichte ja teilweise die Vorlage für die Romanfigur des Malers Max Ludwig Nansen war. (Und ähnlich ging es mir auch mit den Landschaftsbeschreibungen im Buch, die genau so Bilderstark sind und mich gedanklich immer wieder in die nordfriesische Landschaft versetzt haben, wie wir sie erst vor ein paar Wochen erleben durften….)

Abgesehen davon hätte der Stoff des Buches – mit leicht geändertem Schwerpunkt und etwas temporeicher – möglicherweise durchaus auch für einen guten Krimi getaugt, allerdings mit dem grossen Nachteil, dass damit einige wichtige Facetten und Aspekte des Romanes verloren gegangen wären. Insbesondere die Kritik, die Lenz mit dem Wort „Pflichterfüllung “ verbindet und immer wieder durch die verschiedensten Details verdeutlicht:

Gerade die Beschreibungen der Nansenschen Werke in ihren Aussagen und ihrer Wirkung auf Siggi Jepsen, den jugendlichen Helden des Romanes tragen auch viel zur Verstärkung dieses zentralen Schwerpunktes bei – wie auch bei der Frage von „Ursache und Wirkung“ .
Viel mehr jedenfalls, als dies in der letzten Verfilmung gelungen ist (wie sie vor ein paar Wochen im ZDF zu sehen war), die sich fast nur auf die blosse Handlung des Buches bezieht und kaum Zeit lässt, sich auch mit den Bildinhalten auseinanderzusetzen….verbunden mit dem weiteren Nachteil, dass dabei auch noch ein anderer Aspekt des Buches ins Hintertreffen gerät:

Die Frage nach der „Schuld“ (welche jede der handelnden Personen unzweifelhaft auf sich lädt) wird im Film auf ein Schwarz-Weiss-Bild komprimiert, ist aber dennoch viel diffiziler, wie die Romanvorlage zeigt, auch ohne dabei Vorgaben in eine bestimmte Richtung zu machen oder gar eine Wertung vorzunehmen:
Man nimmt als Leser zwar ( vorgegeben durch den Stil als „Ich-Erzählung“) meist die Sichtweise des Siggi ein, kann aber ohne weiteres auch die Standpunkte der anderen handelnden Personen nachvollziehen und sich mit ihnen identifizieren bzw. auch Zwischenpositionen einnehmen.

Was man als „richtig“ oder“ falsch“ empfindet, dass liegt also bei jedem selbst.

Und damit ist für mich auch der Punkt genannt, warum ich dieses Buch in seiner Kernaussage immer noch für ausgesprochen aktuell halte, losgelöst von der Nazi-Thematik, die darin als Aufhänger für die Handlung fungiert:

Die „Freuden der Pflicht“ – so der Untertitel – können sich auch heute noch als genauso problematisch erwiesen, wie sie es damals schon waren….

-_-_-_-

Bleibt noch die abschliessende Feststellung, dass ich dieses Buch (noch zu Schulzeiten) bei einer ersten Lektüre (damals war es Pflichtprogramm in unserer Klasse) als ausgesprochen langweilig, ohne jede „Action“ und „wie aus der Zeit gefallen“ empfand, so dass ich es seinerzeit auch nicht zu Ende gelesen habe…
Die paar vorgegebenen Kapitel hatten nachhaltig gereicht, um mich lange Zeit auch um alle anderen Bücher des Autors einen grossen Bogen machen zu lassen – ein Fehler, wie ich heute einsehen muss.
Denn inzwischen ( knapp ein halbes Jahrhundert später, mit mehr Hintergrundwissen und mit einer anderen Sicht auf die Welt) sieht mein Urteil darüber natürlich ganz anders aus – welches folglich jetzt auch nicht anders lauten kann als:

Auch das ein Beispiel zum Thema „Freuden der Pflicht“ und dem, was daraus erwachsen kann ?


In diesem Sinne:
Bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

( der nun wieder ins Buch abtaucht und nebenher schon mal überlegt, was er als nächstes lesen möchte)


-443-