– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Jupiters Heimkehr – Ein autobiographischer Reisebericht

Ein paar Zitate aus diesem Buch von Ted Simons hatte ich Euch in den vergangenen Wochen ja schon präsentiert – und ausgelesen habe ich es auch schon seit einigen Tagen – also wird es langsam Zeit, auch einen kurzen Beitrag darüber zu schreiben:

Jupiters Heimkehr
von Ted Simon

Ja, auch dies wieder ein Buch, mit dem ich meinem in letzter Zeit am häufigsten gelesenen Genre treu geblieben bin, denn es ist wieder ein Reisebericht und es hat – auch wieder – mit einem Mottorad zu tun.
Und doch ist es anders, denn die Reise um die es hier geht, führt nicht über Kontinente oder um die Welt, sondern zurück in die eigene Vergangenheit des Autors – ins England der vierziger und fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts:

Ted Simon, ein in Deutschland geborener, in England aufgewachsener und jetzt in Kalifornien lebender Journalist und Weltenbummler, der mehrfach alleine auf einem Motorad um die ganze Welt gefahren ist, wurde irgendwann im Alter von schon weit über 70 Jahren von einem Freund gefragt, wohin denn seine letzte Reise führen würde?

Diese Frage war für ihn der Anstoss zu einem Reiseprojekt, welches zurück führen sollte an die Orte seiner Kindheit und Jugend, kreuz und quer durch England, Schottland und über die irische Insel – mit Besuchen an Orten und bei Menschen, die er teils jahrzehntelang nicht gesehen hatte. Natürlich auf zwei Rädern, wenn auch aus Altersgründen nicht mehr auf einem schweren Gelände-Motorrad, sondern auf einem Motorroller, der meiner Oma nicht unähnlich ist.

Und er hat dabei Erstaunliches erlebt und anekdotenartig zusammen gefasst, die er teils mit viel Humor und Selbstironie, teils aber auch sehr nachdenklich und immer wieder seine Eindrücke hinterfragend in diesem Buch veröffentlicht.

Der Klappentext:

Wohin soll die letzte große Reise gehen? Der 78-jährige Ted Simon entscheidet sich für die Britischen Inseln und kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück: in die Metropole London, wo er als Kind die Nachkriegszeit erlebte und im Doppelstockbus zu seiner ersten großen Liebe fuhr. Nach Cardington, das eng mit seiner Leidenschaft für das Schreiben und für Motorräder verbunden ist, und Manchester, wohin er als junger Mann per Anhalter gelangte. Wie ein Wandervogel zieht der Autor durchs Land bis nach Belfast und besucht alte Freunde und vertraute Orte, kommt durch abgelegene Landstriche und große Industriezentren und gewinnt mit seiner Offenheit die Menschen für sich. Ein sehr persönliches Abenteuer, das vom Glück der Freiheit kündet.

Auch, wenn der Klappentext nicht wirklich übertreibt, so ist dieses Buch doch ein Buch, welches ich mit sehr wechselnden Gefühlen gelesen habe:

Durchaus (in weiten Teilen) lesenswert zwar und in den humorvollen Passagen auch recht unterhaltsam, ja, bisweilen sogar richtig spannend, hat es in anderen Passagen doch seine Längen und gleitet an einigen Stellen stark ins monologische ab, wenn Mr. Simon beginnt, die Welt aus der Sicht eines alten Mannes zu beschreiben, dessen an vergangenen Zeiten orientierten „Einsichten“ ich nicht immer zu folgen vermochte.
Was an zwei Stellen sogar soweit ging, das ich das Buch einfach zuklappen und mir neuen Lesestoff suchen wollte – hätte er denn nicht rechtzeitig wieder die Kurve zu seinem ansonsten deutlich lockereren Erzählstil wiedergefunden.

Insofern muss ich dieses Buch sicher nicht noch ein zweites mal lesen und mehr als dreieinhalb Sterne auf meiner Bewertungsskala mag ich dafür deswegen auch nicht vergeben:

Dennoch:
Einige der „guten“ Abschnitte des Buches – zu denen auch die letzten zwei Kapitel und das darin gezogene Fazit dieser Reise gehören – waren es wirklich wert, das Buch zu Ende gelesen zu haben.


Und wie immer:
Habt eine gute Zeit und bleibt gesund und behütet

Wir lesen uns


-352-

- 4 Bemerkungen zu “Jupiters Heimkehr – Ein autobiographischer Reisebericht

  1. Der Vergleich mag etwas hinken, aber so wie es dir mit dieser Beschreibung – „dessen an vergangenen Zeiten orientierten “Einsichten” ich nicht immer zu folgen vermochte“ – geht es mir im realen Leben gerade mit Menschen. Da überlege ich auch hin und wieder, ob ich Freundschaften beenden soll. Ein Buch, das ich zuklappe, weil es mir an einigen Stellen überhaupt nicht anspricht, kann ich irgendwann weiterlesen. Eine Freundschaft aber? Das fällt mir gerade spontan zu diesem Abschnitt ein.
    Würde ich gerne wieder an Orte meiner Kindheit zurückkehren? Als ich vor ein paar Jahren in der Straße war, in der meine Großeltern lebten, war das eine Enttäuschung. Es gibt Orte, die ich gerne wiedersehen würde. Norwegen, wo ich viele Sommerwochen bei Gasteltern verbrachte, noch vor meiner Schulzeit. Die Rehaklinik im Allgäu, in der ich viele Monate als Kind nach einer TBC-Erkrankung wieder gesund gepflegt wurde. Aber ich möchte das alles nicht so sehen, wie es heute ist. Die Gasteltern leben schon lange nicht mehr, vielleicht steht sogar das Häuschen auf dem Land nicht mehr. Die Klinik wird modernisiert worden sein, denn mein Aufenthalt dort liegt knapp 60 Jahre zurück. Nein, ich würde gerne eine Zeitreise machen. Menschen noch einmal begegnen, die mir im Leben viel bedeutet haben. Für mich wäre so eine Reise wie die des Autors zu emotionsgeladen. Lesen aber würde ich sie natürlich.
    Es würde mich nicht wundern, wenn du dich eines Tages auf den Motorroller schwingst, die Oma wäre das dann wohl nicht, und mit deiner Frau eine Reise unternimmst. Anregungen hast du ja auf alle Fälle schon.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. °Würde ich gerne wieder an Orte meiner Kindheit zurückkehren? Als ich vor ein paar Jahren in der Straße war, in der meine Großeltern lebten, war das eine Enttäuschung.“

      Ja, genau das habe ich auch erlebt ( und in meinem alten Blog auch mal drüber geschrieben) als ich zwischenzeitlich für ein paar Monate im Dorf meiner Kindheit gelebt habe, bevor ich nach Hamburg gekommen bin. Und so ähnlich ist es mir auch immer wieder mit anderen Orte aus meiner Vergangenheit gegangen, die sich schon deshalb als Enttäuschung entpuppten, weil die Menschen nicht mehr da waren, die in meinem Kopf mit diesen Orten in Verbindung standen – selbst, wenn sich sonst nicht viel verändert hatte.

      Eine Überlegung, zu der übrigens auch Ted Simon im Fazit seiner Reise kommt – mit der erstaunlichen und wirklich für mich an dieser Stelle unerwarteten – Erkenntnis, dass das Leben an sich nur vorwärts gerichtet funktioniert und man Vergangenes auf sich beruhen lassen sollte, wenn man nicht die Bilder davon (und die Erinnerungen daran) in seinem Kopf zerstören will.
      Für ihn wurde diese Reise erst „rund“, als er sie im Nachinein für sich als die Entdeckung von etwas Neuem zu begreifen begann – ähnlich wie bei seine Weltumrundugen – und sich entschloss den Vergleich mit der Vergangenheit komplett auszublenden.(so schreibt er fast am Ende des Buches.) So stehen für ihn jetzt die Erfahrungen und Erlebnisse dieser letzten Reise abgespaltet neben den Erinnerungen an frühere Zeiten, ohne sich miteinander zu vermengen.
      (Was in mir die Frage aufwarf, ob mir das wohl auch gelingen würde?)

      Aber wie auch immer:
      Das Buch (und jetzt auch Dein Kommentar) sind ein Anlass für mich, mir gelegentlich meine Postings zu dem Thema aus dem alten Blog noch mal vorzunehmen und – etwas überarbeitet – möglicherweise hier nochmal zu veröffentlichen.
      Denn Reisen in die Vergangenheit sind ein Thema, das auch mich immer mal wieder beschäftigt und gleichzeitig vor das Problem stellt, dabei nicht zu sentimental zu werden.

      Und was die Zukunft angeht:

      Längere Reisen auf dem Roller haben wir durchaus schon in Erwägung gezogen (z.B. in Richtung Osten oder Süden.) ohne bisher allerdings konkreter geplant zu haben. Deshalb denke ich, dass es solche Reisen sicher geben wird, wenn die Zeit soweit ist …. B-)

      1. Das stimmt absolut, dass Orte der eigenen Vergangenheit erst durch die Menschen, mit denen man dort lebte und Dinge erlebte, ihre Bedeutung bekommen. Ohne diese Menschen sind es einfach nur Orte. Mit der Sentimentalität habe ich in der Beziehung gerade große Probleme. Ob es an der Pandemie liegt oder einfach eine Altersphase ist? Ich werde sehen.
        Liebe Grüße,
        Elvira

        1. Bei mir zumindest ist das wohl eine Alterphase….

          Denn immer wieder ertappe ich ich dabei, dass meine Gedanken abschweifen in Zeiten, die schon lange vorbei sind – wobei dann auch immer die Menschen ein Rolle spielen, mit denen ich damals zu tun hatte.
          Ganz besonders, wenn ich an Orte aus dieser Zeit komme….. (was mit ein Grund ist, warum ich schon lange nicht mehr in meiner alten Heimatstadt war – wo niemand mehr übrig ist von diesen Menschen und ich mich nur noch fremd fühle)

          Und ja: manchmal schmerzt mich das auch.
          Insofern ist es meist besser, da nicht zu tief einzutauchen….

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.