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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Die haben doch wohl den Schuss nicht gehört


Mich betrifft das ja nun nicht mehr, aber ich kann gut verstehen, wenn angesichts dieser Meldung im Kreise meiner ehemaligen Kollegen grosse Enttäuschung ausbricht:

Der geplante flächendeckende Tarifvertrag für die Altenpflege in Deutschland steht vor dem Aus. Die Arbeitgeberseite der Caritas stellte sich dagegen. Damit kann ein Tarifvertrag, den die Gewerkschaft ver.di mit einem Pflegeverband geschlossen hatte, nicht durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für allgemeinverbindlich erklärt werden. Völlig unklar ist, wie die zerklüftete Lohnlandschaft bei den Altenpflegern nun einheitlicher werden soll.

Ver.di und der Arbeitgeberverband BVAP hatten den Tarifvertrag Altenpflege im September ausgehandelt. Er sieht eine Erhöhung der Einkommen auf bis zu 18,50 Euro für examinierte Altenpflegekräfte ab Januar 2023 vor. Beantragt werden sollte, den abgeschlossenen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Laut Gesetz müssen allerdings Caritas und Diakonie, die viele Pflegekräfte beschäftigen, zu einem solchen Antrag ihr Votum abgeben.

Ausgerechnet einer der grössten Arbeitgeber der Pflegebranche, die Caritas, blockiert allgemeine, verbindliche Tarifverträge in der Pflege  und geht mit der schlechtesten aller möglichen Entscheidungen voran,  mehr als klammheimlich bejubelt von Herrn Brüderle, dem Vorsitzenden des  BPA, des grössten Verbandes der freien Träger in dieser Branche, der sich diesbezüglich auch in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, weil er seinen Mitgliedern lange abgeraten hat, sich überhaupt irgendwelchen Tarifen anzuschliessenen.

Dabei wissen wir doch nicht erst seit Corona, dass bei der Bezahlung von Pflegekräften einiges im Argen liegt und dass gerade kleinere Anbieter sich immer noch davor drücken, gute und verantwortungsvolle Arbeit angemessen zu entlohnen und Gehälter zu zahlen, die zumindest mit den Löhnen von Arbeitnehmern in der Industrie vergleichbar wären, statt bis zu einem Drittel (oder sogar noch mehr) darunter zu liegen.
Klatschen alleine genügt halt nicht und hätte auch in der Vergangenheit nicht genügt, wenn da überhaupt jemand auf die Idee gekommen wäre, Pflegekräften Beifall zu spenden.Fatal ist diese Entscheidung auch, was die Zukunft betrifft:

Nicht nur weil viele Beschäftigte in der Pflege weiter am Rande des Existenz-Minimums entlohnt werden, sondern auch, weil so auf Dauer eine ausreichende personelle Ausstattung von Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegediensten immer mehr in Frage gestellt wird, wie ich es ja während meiner aktiven Zeit auch schon hautnah miterleben konnte:

Selbst bei meinem letzten Arbeitgeber, welcher sich – verglichen mit anderen Anbietern – zumindest um eine faire Bezahlung bemüht hat (und auch sonst eher grosszügig agiert hat) war die Bezahlung lange Zeit unter dem üblichen Durchschnittsverdienst für Menschen mit vergleichbarem Ausbildungsstand, weshalb ich als Pflegefachkraft mit gut sechsjährger Ausbildungsdauer einkommensmässig etwa auf dem Niveau eines Busfahrers lag, bei meinem  vorherigen Arbeitgeber sogar noch deutlich darunter.
Daran hat sich auch nicht viel geändert, als sich mein Chef nach langem Bauchgrimmen an den Tarif des öffentlichen Dienstes angeschlossen hat:
Es gab zwar etwas mehr Geld, trotzdem hätte ich hier in Hamburg davon sicher keine Familie ernähren können….. und über meine endgültige Rente kann ich jetzt eigentlich nur den Mantel des Schweigens legen, weil ich – ohne meine Zusatzrente aus meiner Zeit im kirchlichen Dienst  – unter Umständen nur knapp über dem Niveau der Mindestrente landen werde.

Das ist halt – genau wie ein Teil meiner körperlichen Beschwerden – der Preis dafür, dass ich mir ein Leben lang den Luxus gegönnt habe, in meinem Traumberuf zu arbeiten….

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Was mich im Übrigen nicht weiter verwundert:

Das gerade die Caritas  als Träger der sozialen Dienste der katholischen Kirche so massiv auf der Bremse steht.
Denn auch in der Vergangenheit haben die nie wirklich  den Drang gehabt, sich übermässig arbeitnehmerfreundlich zu geben. Nicht nur, was die Bezahlung angeht, sondern auch in Bezug auf überzogene Forderungen an Moral , sexuelle Ausrichtung und  Konfessionstreue ihrer Mitarbeiter – bis hin zu immer wieder vorkommenden  Einmischungen  in deren privates Leben.
So passt diese Entscheidung durchaus gut in das peinliche Bild, was die katholische Kirche gerade bietet –  nicht nur, was die Geschichte um Herrn Woelki und seinen zweifelhaften  Umgang mit den sexuellen Verfehlungen einiger seiner Mitarbeiter angeht.

Denn dahinter steckt sicher Methode:

„Arbeite für einen Gotteslohn, dann kommst du später in den Himmel.“

Was für ein Anachronismus – noch dazu, wenn nun die Mitarbeitenden einer ganzen Branche darunter leiden müssen, obwohl die Politik sich nach langem Zaudern endlich zu einer halbwegs guten Lösung durchgerungen und sogar eine Gegenfinanzierung über die Pflegekassen versprochen hatte.


Euch einen wunderbaren Tag und – falls wir uns nicht mehr lesen –  ein ebenso wunderbares Wochenende.
Bleibt gesund und bleibt behütet!

Wir lesen uns


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