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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Kopfhörer aufgesetzt und Augen zu

Ich hatte mich schon gefragt, wann denn diese Phase wohl kommen würde, die mich eigentlich jedes Jahr im Spätherbst irgendwann überkommt:
Die Phase, wenn alle moderne Musik mir zu schnell, zu hektisch und zu laut wird und ich überwechsele in das Feld der Klassik, der ruhigen und beruhigenden Musik. Wobei der Übergang sonst meist schleichend war, irgendwann im November, häufig zusammenfallend mit den ersten Nebeltagen und dem steigenden Bedürfnis nach Ruhe und Wärme. Früher, zu Zeiten, als ich noch täglich unterwegs war und die Tages immer hektischer wurden, je näher Weihnachten rückte und die ruhige Musik ein Gegenpol dazu war.

Früher, als es noch ganz anders war als in diesem Jahr, wo sowieso alles anders ist und raus zu gehen die Regel und nicht die Ausnahme war….

Aber früher gab es ja auch diese verdammte Krankheit nicht, die uns nun täglich mit neuen immer dramatischeren Zahlen traktiert, ohne dass sich eine kurzfristige Perspektive für Änderungen ergibt.

Selbst dann nicht, wenn nun doch schneller als gedacht ein kompletter Lockdown kommen sollte.
Und so langsam geht sogar mir der Optimismus ein wenig verloren, den ich im März,  ganz zu Anfang der Pandemie hier in unserem Land noch hatte:

„Kurzum sind deswegen für mich alle Sorgen um Übermorgen verschwendete Energie, und jede Schwarzseherei vergeudete Zeit, die ich anders hätte sinnvoller nutzen können.
Beispielsweise um das zu geniessen, was ich heute habe und erlebe.
Morgen abend ist es dann immer noch früh genug, um mich auf Übermorgen vorzubereiten – und selbst dann mag Übermorgen noch ganz anders werden, als ich mir das morgen Abend vorstellen kann…..“

Im Gegenteil merke ich gerade, dass es auch mich immer mehr in den Strudel hineinzieht – und damit auch in eine Art „inneren“ Lockdown, denn ich mehr und mehr fühle, aber nicht wirklich greifen kann, im Sinne ihn beschreiben zu können.
Allenfalls vielleicht auf die Art, wie die Liebste es gestern geschrieben hat:

„Ich bin jetzt nicht in Panik, aber es ist halt so eine permanente Anspannung, die wir wohl alle spüren. Die einen, weil sie kaum noch raus können oder wollen, die anderen, weil sie raus müssen.“

Wobei ich ja im Gegensatz zu ihr ja nicht raus und unter Menschen muss, ausser, wenn unaufschiebbare Dinge wie Einkäufe oder Arztbesuche auf meinem Zettel stehen…..

Und dennoch, die Spannung ist halt da, fühlbar und immer wie ein dunkler Schatten irgendwie mit im Raum stehend, auch bei mir.
Sich verstärkend mit jedem Tag und den immer neuen Zahlen des Horrors, die nicht zu überlesen sind. Womit mir – zugegeben – gerade auch immer weniger gelingt, die Dinge so zu betrachten, wie ich das im März noch konnte:

Weshalb ich mir auch versage, mich damit weiter auseinander zu setzen – zumal ich weiss, wohin es führen würde, wenn ich mich in diese Abgründe hinein ziehen lassen würde.
Das Wort „Depression“ dürfte wohl nur einen harmlose Beschreibung für den Zustand sein, in den ich dann geraten könnte:
Handlungsunfähig und den Blick immer nur auf die Schlange gerichtet, die in Wahrheit noch Kilometer weit entfernt ist…. und die mir überhaupt nichts tun könnte, wenn ich nur in der Lage wäre, meine (Blick)Richtung ein klein wenig zu ändern und den Weg zu erkennen, der an ihr vorbei führt.
Das weiss ich, denn ich habe es schon erlebt in meinem Leben.

Aber das ist hoffentlich nur eine Phase – und womöglich (hoffentlich!) sehe ich das morgen schon wieder anders als heute….

Und damit bin ich ganz automatisch bei dem, womit ich weiter oben diesen Beitrag begonnen habe:
Denn nun ist er plötzlich da, der Heisshunger auf  und damit auch der Übergang zu einer altbekannten und tröstlichen  Art von Musik, die beinahe therapeutische Wirkung auf mich hat und bisher immer ihre Wirkung auf mich entfalten konnte, spätestens, wenn es mir gelungen ist, mich da voll hinein fallen zu lassen:

Also Kopfhörer aufgesetzt, Augen zu und das Denken abschalten…..

Barock-Musik kann einfach schön sein


Bleibt gesund und bleibt behütet!

Wir lesen uns


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- 13 Bemerkungen zu “Kopfhörer aufgesetzt und Augen zu

  1. Auch wenn ich weiß, dass es manche jetzt vermutlich schüttelt: Was du beschreibst, ist der Grund, weshalb ich seit dem ersten Advent unseren städtischen Weihnachtsliedersender höre: Es entspannt mich und lenkt mich ein Stück weit ab … und ich bin eher keine, die den Weihnachtskitsch braucht, aber bei „Driving home for Christmas“ ins Lächeln gerät … 😉
    Mittagskaffeegruß 😁🌲🕯️☕🍪👍

    1. Du hast Recht, es schüttelt mich – schon bei der Vorstellung.

      Was aber vermutlich auch was damit zu tun hat, Das „Oh du fröhliche“ und Stille Nacht“ für mich seit jeher mit Weihnachtsgottesdiensten in der Kirche verbunden sind und nicht als Musikuntermalung ins Kaufhaus oder Radio gehören….

      Aber ansonsten scheint das bei Dir ja ähnlich zu funktionieren wie bei mir :-)

  2. Nein, ich bin nicht wirklich in Panik. Ich möchte es aber auch nicht bekommen. Was ich spüre ist so ein innerer Druck, endlich wieder raus zu können. Dabei gehen wir jeden Tag raus in den Wald. Es ist eher ein inneres Rauskommen. Wieder mit Leuten zusammenkommen. Wie unsere Klienten „in echt“ zu treffen. Jedes Mal, wenn ich in dieses online-Meeting-Fenster starre, spüre ich ganz besonders, dass das nicht das ist, was ich unter menschlichem Kontakt verstehe.
    Wir können wohl nur schauen, dass wir uns selbst einigermaßen gut im Griff haben – ja, mit Dingen, die uns gut tun (wenn wir die Zeit dafür finden).
    Ich drücke Dir die Daumen.

    1. Nein Panik ist das bei mir auch nicht wirklich….
      Auch nicht fehlende zwischenmenscliche Kontakte – eher das Gefühl, das das was kommt, was ich nicht beeinflussen kann….

      1. Ich würde behaupten, dass Dich Dein Gefühl nicht täuscht. Im Grunde können wir nur versuchen, dem Teil aus dem Weg zu gehen…

  3. Das mit der Musik kann ich sehr gut nachvollziehen! Da ich gerade eine, wenn auch leichte, depressive Phase durchlebe, habe ich bei der „normalen“ Weihnachtsmusik zu nahe am Wasser gebaut. Also suche ich mir bei Spotify orchestrale Musik aus, bevorzugt klassische Musik.
    Und die Pandemie? Die Zahlen? Sie machen mir klar, wie wenig ich kontrollieren kann, wie sehr ich darauf angewiesen bin, dass sich meine Mitmenschen vernünftig und rücksichtsvoll und verantwortungsvoll benehmen. Leider erlebe ich das bei der Hälfte meines Umfeldes anders. Zum Teil sind das Menschen, denen ich genau diese Attribute zugeschrieben hatte. Wir haben alle Kontakte, auch zu Kindern und Enkeln, auf virtuelle Ebene verlegt und dann höre ich von Freunden, dass sie sich zu mehreren aus mehreren Haushalten zu Kaffee und Kuchen treffen. Das lässt mich resignieren und trägt sicherlich nicht zur psychischen Gesundheit bei.
    Mit Musik abschalten, das hilft aber immer noch ganz gut!
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Solche Erlebnisse hatten wir in unserer Nachbarschaft und im Bekanntenkreis zum Glück noch nicht.
      Und ich hoffe, dass wir das auch in Zukunft nicht haben werden.

  4. Was du bei Musik für dich festgestellt hast erlebe ich derzeit bei Filmen. Da gehe ich so mancher Spannung aus dem Weg oder aus dem Kanal, wie mans nimmt. Der Lockdown der für mich ja bereits seit März gilt, verwandelt sich so langsam in ein Lockin ähnliches Gefühl. Das spielt sich zwischen Resignation und Aggression ab. Das Programm dazu kann sich zwischen ausgewählter Klassik und 70ger Jahre Musik bewegen. Ich denke, dass man zu jeder seelischen Verfassung eine brauchbare Musik finden kann. In Abgründe lasse ich mich auch nicht reinziehen.

    1. Locked in…. ja, so fühlt sich das wohl ein wenig an.
      Für mich auch gelegentlich, obwohl ich mich ja selbst dafür entschieden habe, möglichst nur raus zu gehen, wenn es unumgänglich ist.

  5. Kopfhörer auf und Augen zu – ja, das wird mittlerweile für mich auch immer wichtiger und richtiger… Neulich habe ich mir einen kleinen MP-3-Player geleistet, und gestern zum ersten Mal zur Tafelausgabe mitgenommen, damit ich das schreckliche Geschwafel einiger Gäste nicht mehr mitbekomme. Mit den Ohrknopf-Kopfhörern bin ich nicht recht zufrieden, die lassen mir noch zu viel Außengeräusche durch, da werde ich mich wahrscheinlich an Weihnachten mit einem richtigen Kopfhörer beschenken, aber der Effekt war schon mal sehr positiv, das werde ich in Zukunft immer so halten…

  6. Musik ist immer gut. Und ich schwanke sehr zwischen den Genres. Vor vielen Jahren haben die Toten Hosen mal als Rote Rosen eine Weihnachts CD rausgebracht. Seither fällt es mir schwer die meisten Lieder „normal“ zu hören. Andererseits freue ich mich auf Donnerstag.Da kommt auf 3Sat ein Konzert mit Beethovens 5.Sinfonie. Die liebe ich seit meiner Schulzeit. Und das werde ich so richtig geniessen.
    Habt ein schönes Wochenende

    1. So ähnlich wie Dir geht es mir da auch.
      Beispielsweise zählt „Merry Xmas Everybody“ von der englischen Rockband Slade für mich auch immer noch zu den Musikstücken, die fest mit Weihnachten verbunden sind:

      Anfangs als Protestsong gegen den familiären Weihnachtsmief gehört und wenig später zum Teil des Soundtracks einer ersten heftigen Verliebtheit geworden B-)

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.