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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

In die Ecke gestellt

Ihr wisst sicher, liebe Leser, dass Ihr Euch hier (und auch auf der Seite der Liebsten) auf gefährlichem Terrain bewegt?
In die linke Ecke gerückt vom Hamburger Verfassungsschutz, der eine Organisation für linksextremistisch unterwandert hält, die wir beide unterstützen und auf deren Ziele wir immer wieder hinweisen, weil wir es für wichtig halten, dass unser Land offen ist für die Aufnahme von Menschen in Not?
Eine Organisation, die getragen ist von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung, welche das genau so sieht wie wir und nicht zugucken möchte, wie Menschen auf dem Mittelmeer – oder  wie gerade auf den griechischen Inseln – vor die Hunde gehen, weil Europa hartherzig die Grenzen dicht macht:Glaubt Ihr nicht?
Ist aber tatsächlich so, wie nicht nur die Hamburger Morgenpost berichtet:

In dem TV-Interview sollte es um die angekündigte Reichsbürger-Demo am Wochenende gehen. Im Verlauf des Gesprächs dreht sich das Thema dann auch um Rechtsextremisten auf Corona-Demos. Reichsbürger und Rechtsextremisten hätten auf der Corona-Demo in Berlin die dortigen Teilnehmer für ihre Sache instrumentalisieren wollen, so Verfassungsschutz-Chef Voß. Dies gebe es jedoch auch andersherum.

„Wir nennen das ganze „Entgrenzung“, das heißt Extremisten versuchen einen Brückenschlag in das nicht-extremistische Milieu. Ein Beispiel, die Seebrücke eine linksextremistisch beeinflusste Organisation“, so Voß. Themen wie Gentrifizierung oder die Rettung von Flüchtlingen würden von Linksextremisten instrumentalisiert, um letztendlich ihre eigenen extremistischen Ideen besser „unter die Leute zu bringen“

Was zumindest eine Frechheit ist und selbst im Zusammenhang mit der sich immer wieder zeigenden Hinhaltetaktik des Hamburger Senates bei der Aufnahme von Flüchtlingen kaum zu verstehen – und auch nicht, wenn es um Gentrifizierung  geht – also die Verdrängung einer finanziell eher schlecht gestellten Bevölkerungsschicht aus ihren angestammten Stadtteilen durch eine finanzstarke Schicki-Micki-Gesellschaft. Ebenfalls ein Problem, dem der Senat nur sehr zögerlich  – wenn überhaupt – begegnet.
Klar, dass zu solchen Themen Menschen auf die Strasse gehen – zu Recht will ich meinen – und klar auch, dass da ein Anteil der linken Szene mitmischt, weil auch die von genau diesen Problemen betroffen ist (zum Beispiel in der Schanze, wo sich diese Verdrängung schon seit  längerem sehr deutlich zeigt).Aber deshalb eine bürgerliche und sich durch alle sozialen Schichten unsere Stadt ziehende Bewegung unter Extremismusverdacht zu stellen, ist – gelinde gesagt – schon mehr als verwegen. Zumal gerade die Seebrücke sich von vorne herein von politischen Zielen dieser Art distanziert und immer Wert darauf gelegt hat, überparteilich zu sein – ganz anders als die Corona-Leugner, denen eine Mitwirkung  kackblauer und tiefdunkelbrauner Coleur zumindest nichts auszumachen scheint oder sogar sehr willkommen ist.
Immerhin lobenswert, dass unser Verfassungschützer das wenigstens  bemerkt und richtig eingeschätzt hat.
Wobei ich ich persönlich gar nicht mal unbedingt etwas gegen den Stempel habe, „links“ zu sein, weil ich das im tiefsten Inneren meines Herzens ja auch tatsächlich bin.
Allerdings sicher nicht als steinewerfender  Extremist, sondern als Mensch, dem eine soziale, humane und offene Gesellschaft wichtig ist. Insofern –  das gebe ich zu –  verärgert mich die Einschätzung des Hern Voß schon ein wenig, weil sie zu wenig differenziert:
Denn auch wenn Menschen sich nicht mit allen Zielen des  Staates einverstanden erklären und gegen bestimmte Entscheidungen der Politik demonstrieren, sind sie noch lange keine Extremisten. Jedenfalls nicht, solange sie sich dabei im Rahmen der gesetzlich verbrieften Freiheiten bewegen und für Ziele eintreten, die moralisch und menschlich geboten sind.
Die Bilder entstanden übrigens alle auf einer grossen und absolut  friedlich verlaufenden Seebrücke-Demo im Sommer 2018 mit gut 10.000 Teilnehmern


In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns
Der Wilhelm


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- 6 Bemerkungen zu “In die Ecke gestellt

  1. Ich hoffe, der Herr Verfassungsschützer ist mit gleichem Eifer gegen Rechts unterwegs…. ich fürchte allerdings, das ist er genau nicht. Es ist das alte Spiel. Und für mich ist gegen Rassismus zu sein, sich für Menschenrechte einsetzen, nicht links sondern humanistisch oder wie immer man das nennen will.
    Auf einer dieser Kundgebungen hat unsere Bischöfin gesprochen… ist die jetzt auch linksextrem? Bei den Seebrücken-Demos ist mir bisher noch nie der sog. schwarze Block begegnet oder irgendwelche anderen Vollhonks, die solche Demos mit ihrer Gewalt kaputt machen.
    Norbert Blüm ist dann wohl auch links-extrem, hat er sich doch zu Lebzeiten für die Flüchtlinge eingesetzt und die moralische Insolvenz Europas angeprangert

    1. Ich habe ja immer wieder die Vermutung, dass die entscheidende Qualifikation für ein Amt beim Verfassungschutz ist, auf dem rechten Auge blind zu sein und mit dem linken Nasenloch überall Gefahr zu wittern.

  2. Ich denke, immer wenn denen nix anderes einfällt, heisst es: aber die Anderen auch. Argumente=Fehlanzeige

  3. Ich komme aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr raus … Wie in Diskussionen über Rechtsextremismus, wo von manchen Leuten sofort „Und was ist mit den Linken?!“ kommt. Da kann man eigentlich aufstehen und gehen.

    Außerdem habe ich das Gefühl, dass man heute schon mit einer Einstellung, die früher etwas links der Mitte galt, heute als halber Kommunist angesehen wird. Ein Kollege hat jedenfalls vor einiger Zeit recht erschrocken geguckt, als ich sagte, dass ich links sei. Aber nicht links im Sinne von irgendwelchen -Ismen, sondern für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Hilfe für die materiell Armen, vernünftiges Gesundheitssystem für alle usw., im Rahmen einer Demokratie.

    1. Herzlich willkommen, Fellmonsterchen :-)

      ————————-

      Ja, links zu sein ist heute auch nicht einfacher als früher.
      Wobei ich glaube, dass eine Menge jüngere Menschhn mit dem Begriff auch gar nicht mehr so recht was anzufangen wissen. Jedenfalls nicht so, wie wir älteren ihn früher verstanden haben.

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