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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Zitat 01/23: Freiheit, die ich meine

Erst mal vorausgeschickt, bevor ich zum Thema komme:

Während meiner Weihnachtspause habe ich mir auch Gedanken über das „was“ und das „wie“ dieses Blogs gemacht und mir überlegt, dass es vielleicht ein paar grundlegende Veränderungen geben sollte, was Inhalte, Form und Schwerpunkte angeht.
Nicht , weil ich mit dem Bisherigen unzufrieden wäre, sondern weil mir immer mal wieder auffällt, dass ich mir selbst an manchen Stellen ein zu enges Korsett angelegt habe, das ich gerne etwas aufbrechen würde. Doch dazu mehr an anderer Stelle, wenn ich mit meinen Überlegungen fertig bin.

Eine Veränderung wird aber jetzt schon greifen:
Regelmässige Sonntagszitate wird es in Zukunft hier nicht mehr geben (ausser wenns gerade mal zufällig passt), dafür aber eine neue Rubrik mit unregelmässigen Beiträgen und ohne feste Frequenz über Netzfundstücke und Buchzitate und meine Gedanken dazu. Zeitnah und immer dann, wenn mir Entsprechendes vor die Füsse fällt.
So wie gestern, als ich das Thema für diesen Beitrag fand:

-_-_-_-

Mahlzeit Ihr Lieben!

Etwas erstaunt war ich gestern, als ich im Spiegel einen Beitrag über „Das Unwort des Jahres 2022“ fand. Nicht über die sich auch auf der Liste befindliche Floskel unseres Kanzlers mit dem „Doppelwums“, sondern darüber, dass das Lieblingswort unseres Ex-Präsidenten Gauck sich da auf einmal ganz oben auf der Liste findet:

„Freiheit“

Denn eigentlich ist dieses Wort in unser aller Köpfen ja doch eher positiv besetzt – oder nicht?
Allerdings fand ich die Begründung dann doch recht plausibel, die das Komitee zur Wahl des Unwortes des Jahres für seine Wahl des aktuellen Spitzenreiters gefunden hat:

Auf dem ersten Platz steht bei dem Negativpreis diesmal das Wort »Freiheit«. Die Sprachkritiker betonen, dass sie mit dieser Wahl nicht das Wort an sich aufspießen – sondern das Schindluder, das damit getrieben wird.

Die Begründung: »Wir beobachten, wie sich ein zunehmend aggressiver Umgang miteinander in der Gesellschaft in der Sprache widerspiegelt.« Differenzierte Diskussionen würden durch Lautstärke und Schlagwörter übertönt. »Das macht auch nicht Halt vor der Umdeutung eines hoch angesehenen Guts wie Freiheit, in deren Namen inzwischen egoistische Forderungen gestellt werden oder absurde Preisungen von zum Beispiel Atomkraft als ›Freiheitsenergie‹ entstehen«, so die Sprachkritiker. »Leider übertraf der verbale Missbrauch des Freiheitsbegriffs alle Erwartungen und er ist ein verdienter Sieger dieses Negativpreises.«

spiegel.de

Schliesslich deckt sie sich ja doch irgendwie auch mit Überlegungen, die ich selbst schon mal dazu angestellt hatte:

Denn auch mir ist der inflationäre Gebrauch dieses Wortes als Totschlagargument zur Untermauerung von Minderheitsmeinungen ja schön öfter mal übel aufgestossen.
Nicht erst im Zusammenhang der unsäglichen Diskussionen mit den Quarkdenkern um die notwendigen Corona-Massnahmen oder schon seit längerem um ein immer noch nicht zustande gekommenes Tempolimit oder anderer, schon aus Umweltschutzgründen notwendig erscheinende Änderungen unserer alltäglichen Gepflogenheiten, wie die Abkehr vom Individual-Verkehr oder den Verzicht auf Energieverschwender wie etwa ultra-schwere SUVs oder unnötige Flug- oder Schiffsreisen usw….

Oder bezogen aufs Silvesterfeuerwerk, in dessen Zusammenhang dieses Wort seit Jahren ja auch immer wieder auftaucht.
Auch so ein zweifelhaftes Vergnügen einer Minderheit, das laut aktueller Umfragen von der Mehrheit in unserem Land inzwischen vehement abgelehnt wird…. übrigens auch im Zusammenhang mit dem Wort „Freiheit“ sowohl auf Seiten der Befürworter als auch der Gegner:

……Doch damit stehen die Grünen allein auf weiter Flur. Schnell taucht da ein Begriff auf, der auf den Straßen von Dresden derzeit oft skandiert wird: Freiheit. „Ich finde, das muss man halt wirklich hinterfragen“, meint Louise Hummels-Schröter. „Am Ende hat eine Gruppe Freiheit und Spaß, und für viele andere Gruppen ist Silvester eben keine Freiheit. Die Leute, die zu viel Angst haben rauszugehen, die genau planen müssen wann komme ich? Wie komme ich zurück, ohne verletzt zu werden?“

Mit Spaß und Feierlaune hat das für Louise Hummels-Schröter nichts zu tun. Menschen mit Haustieren sind Silvester in ihren Wohnungen eingesperrt, weil der Hund verängstigt in der Ecke sitzt. Eltern mit Kindern bleiben lieber zu Hause, weil sie Angst um ihren Nachwuchs haben, und die Grünen-Politikerin denkt an eine dritte Gruppe von Menschen, die beim Knall eines Kanonenschlags dieser Tage ganz sicher nicht an ein gutes neues Jahr denken: kriegstraumatisierte Menschen.

„Für die ist Silvester sicherlich auch nicht einfach. Da muss man wirklich fragen: Ist es wirklich Freiheit, wenn ein Fest für viele Menschen eben Angst bedeutet? Bedeutet, eben nicht rausgehen zu können“, sagt Hummels-Schröter. Es sei ein wichtiges Fest für unsere Kultur und da sollten alle Leute teilnehmen können. „Mit der privaten Böllerei ist es einfach nicht inklusiv.“

deutschlandfunkkultur.de

Da wäre also dringend angesagt, dass die Minderheit sich der Mehrheit unterordnet – und es wäre eigentlich Aufgabe der Politik, das Mehrheitvotum in eine entsprechende gesetzliche Ausformung zu giessen. Schliesslich endet bekanntlich in einer Demokratie die Freiheit des einzelnen immer da, wo die Grenzen seiner Nachbarn beginnen.
Und da sollte es kein Problem darstellen, das gesetzlich festzuschreiben, was offenbar mit einem simplen Austausch von Argumenten nicht zu regeln ist, weil die Minderheit sich der Mehrheit nicht beugen will und Freiheitsrechte für sich in Anspruch nimmt die ihr prinzipiell in einer Demokratischen Gesellschaft gar nicht zustehen.

Fraglich allerdings, ob wir das jemals erleben werden?

Denn wie in der bürgerlichen Gesellschaft, gibts ja selbst in der Regierung mit der Gelben Partei eine Kraft, die hemdsärmlig auf ihren vermeintlichen Freiheiten besteht und damit viele sinnvolle und notwendige Massnahmen blockiert, schon damit (wie böse Zungen letztlich behaupteten) der Porschefahrende Parteivorsitzende mit seiner Dreckschleuder auch weiter ohne Tempolimit über die Autobahnen düsen kann…..

Womit ich jetzt gar nicht mal unterstellen will, dass der Christian L. auch Teile seinen Ministergehaltes zum Jahreswechsel in Lärm und Feinstaub verwandelt, aber von Amtswegen profitiert er ja wieder auch von den Steuermillionen, die auf diese Art jährlich eingespielt werden…..

Was im Prinzip auch genauso für die Parteien des rechten Spektrums gilt – die Union mal eingeschlossen – die in persona ihrer Vorsitzenden auch immer nur von Freiheit schwafeln und damit oft nur die eigenen Befindlichkeiten meinen. Weit ab von dem, was offenkundiger Mehrheitswille in unserem Lande ist.

Aber auch wir, die kleinen Bürger, sollten uns bezogen auf unsere Freiheiten mal an die eigene Nase fassen. ( und dabei schliesse ich mich keinesfalls aus):
Natürlich ist es schön, sich frei bewegen und beinahe alles kaufen zu können und sich dabei über vieles keine Gedanken machen zu müssen (so wie wir, wenn wir mit Roller oder Auto unterwegs sind oder uns online kaufend Dinge aus aller Welt ins Haus holen, meist ohne uns grossartig einen Kopf über deren Nachhaltigkeit oder faire Produktion zu machen).
Aber dennoch wäre es wohl manchmal gut, sich auch ein paar Gedanken mehr darüber zu machen, welchen Preis unsere Nachbarn, unsere Gesellschaft , die Umwelt und erst recht Menschen anderswo auf der Welt für unsere Freiheit zahlen……


In diesem Sinne:
Habt einen angenehme Woche und bleibt wie immer gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

auch heute ohne „Nachwort“…….


-822-

- 14 Bemerkungen zu “Zitat 01/23: Freiheit, die ich meine

  1. Ich wünsche mir nur eines im Zusammenhang mit dem Wort „Freiheit“ … jede(r), die das Wort im Mund führt sollte hinzufügen müssen für wen die Freiheit gilt und wessen Freiheit im Gegenzug eingeschränkt werden muss.

  2. Und genau dieser Teil der Koalition, nämlich die, die meinen, sie hätten den Begriff für sich gepachtet, regen sich schon lauthals über die Wahl zum Unwort des Jahres auf.
    Ich finde die Wahl sehr gut und hoffentlich löst das eine konstruktive Debatte aus. Viel Hoffnung habe ich da allerdings nicht.

    1. Hast Du etwas anders erwartet?
      So ist das nun mal, wenn man schonunglos den Spiegel vorgehalten bekommt und plötzlich die ganze Verlogenheit der eigenen Argumentation so offen da liegt.

      Dann ist auch klar, dass da kräftig nachgetreten werden muss.

  3. Mal ein Zitat aus dem Netz, dass ich sehr treffend finde:

    Die FDP, nach (nur) eigenem Selbstverständnis „DIE Freiheitspartei“, echauffiert sich gerade, weil #Freiheit zur Floskel des Jahres erklärt wurde.
    So twitterten die FDP-Bundesminister Wissing und Buschmann mit Hinweis auf den Kampf der Ukrainer gegen Russland, Freiheit sei ein wichtiges Gut.
    Mit keiner Silbe gingen sie auf die Begründung für die Wahl des Begriffes Freiheit ein, denn sonst würde das beabsichtigte Derailing nicht funktionieren.
    Offensichtlich fühlt sich die die FDP, die unter #Freiheit, gerade in Sachen Umwelt- und Klimaschutz, ungebremsten #Egoismus und grenzenlose #Verantwortungslosigkeit versteht, ertappt.
    »Die sprach- und medienkritische Initiative „Floskelwolke“ hat den Begriff „Freiheit“ zur Floskel des Jahres 2022 gekürt.
    Der Freiheitsbegriff werde „entwürdigt von Egoman*innen, die rücksichtslos demokratische Gesellschaftsstrukturen unterwandern“. Im Namen der Freiheit verkehrten sie „selbstgerecht und unsolidarisch die essenziellen Werte eines Sozialstaates ins Gegenteil – alles für den eigenen Vorteil“. Dabei sei „Freiheit“ nicht Gegenstand der Kritik und keine hohle Phrase, „sondern nur deren egoistische Fehldeutungen lassen sie zur Floskel verkommen“.«

  4. Beim Thema Freiheit stellt sich ja auch immer die Frage „Freiheit wovon?“ oder „Freiheit wofür?“ Freiheit, um machen zu können, was man will, funktioniert in einer Gesellschaft ja sowieso nicht – zumindest nicht für alle. Und für mich gehört zur Freiheit eben auch die Verantwortung a) für meine eigenen Entscheidungen und b) auch ein bisschen für den Menschen neben mir.
    Ich finde die Wahl auch sehr gut.

    1. Und für mich gehört zur Freiheit eben auch die Verantwortung a) für meine eigenen Entscheidungen und b) auch ein bisschen für den Menschen neben mir.

      Da bin ich voll und ganz Deiner Meinung.
      Allerdings ist es bei der Egoismus-betonten Nutzung des Wortes Freiheit (wie sie oben im ersten Zitat angesprochen wird) wohl genau damit nicht mehr wirklich soweit her. Denn dabei geht es ja nur noch um die eigenen Rechte, die unter Einsatz von Ellenbogen und Fusstritten gegen alles verteidigt werden, was sie einschränken könnte….
      Womit Freiheit zur Floskel verkommt und ihr tieferliegender Sinn einfach umgekehrt wird….

  5. Mit einem Verkehrsminister der FDP, der Vertreter der großen, schnellen und teuren Autos, wird es GARANTIERT kein Tempolimit geben. U. Priol hatte in seiner Sendung die Bemerkung gemacht, dass er es für unmachbar gehalten hat, dass die Dummheit der Vorgänger noch übertroffen werden könnte.
    Und das Schlimme ist – ich denke nicht, dass die OHNE Böller die Mehrheit sind, Vielleicht böllern ja nicht alle bis 4 Uhr früh, aber so ein ganz klein wenig „Spaß“ für die Kinder muss doch sein – das habe ich so unendlich oft gehört.
    Aber was in Berlin vorgefallen ist, kann nur mit strengen Inhaftierungen und Strafen geahndet werden – nur, dann sind der Mob und alle anderen nächstes Jahr noch schlimmer.
    Ich will in ein friedliches Land auswandern. Und tschüss!
    Der Kommentar deiner Frau ist so gut und so wahr – wie schön war es, als die FDP nicht mitregieren wollte als jetzt, wo sie falsch regiert.

    1. Nicht nur Priol hat das für unwahrscheinlich gehalten, dass sich die grossen Nullen der Merkelregierung durch noch grössere Nullen ersetzten lassen:
      Aber man sieht, das geht,was die Befürchtung wachsen lässt, dass es beim nächsten Wechsel noch schlimmer kommt – jedenfalls, solange Parteibuch vor Qualifikation geht.

      Was die Sache mit dem Spass angeht, da sollte eigentlich jeder der Kinder hat lieber drauf verzichten:
      Denn schliesslich ist es die Welt unserer Kinder, die wir mit solchem „Spass „immer weiter schädigen.

      Und auswandern?
      Würde ich gerne. Fragt sich nur wohin.?

  6. Moin Moin und noch einen guten Start ins Blogger-Jahr 2023. Ich habe kein gelbes Parteibuch, aber für mich gehört ein wenig Feuerwerk eben auch zu Silvester. Es waren circa 15 EUR, Quittung kann ich nachreichen ;-)

    Will sagen, dass die Menge und Intensität das Gift macht (auch wenn das schon wieder so lindnerisch klingt … sorry … will ich eigentlich nicht). Aber dann wäre die Nummer um eben 00:30 zu Ende und wir könnten alle tanzen, schlafen, was auch immer und die Rettungskräfte könnten sinnvolleres tun.

    Aber ich fürchte, auf so ein allgemeinverträgliches Mittelmaß wird sich die Gesellschaft nicht einigen können, also verbietet den Misst von mir, ich kann damit leben.

    1. Quittung ist nicht nötig (denn so gravierend kann es ja bei der kleinen Summe nicht gewesen sein)
      Und es wäre vermutlich auch kein so grosses Problem, wenn alle Böllerwilligen sich auf solche Summen beschränken würden….
      Dann müsste vieles nicht sein, was durch die Masslosigkeit mancher Gestalten erst nötig wird….

      Aber so ist es ja mit vielen Dingen, wo einige wenige mit ihrer egoistischen gehabe den Spass für viele andere verderben.

  7. Tatsächlich bin ich sehr froh, dass die „Floskelwolke“ gerade solche Wellen schlägt. Denn es ist allerhöchste Zeit für eine breite öffentliche Diskussion darüber, was wir uns unter Freiheit vorstellen. Wir hier lesen einander ja schon lange genug und sind uns vermutlich einig: Das, was die Vulgärliberalen mit Freiheit meinen, hat mit unserer Vorstellung davon so gut wie gar nichts zu tun. Und dass z.B. Buschmann sich nicht entblödet, sich sogar auf Ukraine und Iran zu berufen, das ist schon eine ganz besondere Schäbigkeit … Diesen Hanseln muss dringend die Deutungshoheit über die Begriffe wieder weggenommen werden, bevor sie noch mehr Schindluder damit treiben.

    1. Jepp!
      Ich denke auch, die Diskussion über das Thema Freiheit überfällig ist – genau wie über die wesentliche Grundlage jeder Demokratie, dass Mehrheitsentscheidungen von allen Menschen mitgetragen werden, auch von denen, die anderer Meinung sind.

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