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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft?

Heute ist der 27. Januar 2022.

Der 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch Soldaten der rote Armee, die so den letzten 7.000 im Lager verbliebenen Häftlingen das Leben retten konnten.

7.000, die überlebten, während mehr als eine Million Menschen alleine  an diesem menschgemachten Ort des Schreckens sterben mussten als Opfer einer fürchterlichen Ideologie, die jede Menschlichkeit vermissen liess und Hass auf „andersgläubige“. „andersartige“ und vermeintlich „minderwertige“ zum „deutschen Ideal“ erhob, zum fast unwidersprochen bleibenden gesellschaftlichen Konsens.

Unfassbar auch heute noch , 77 Jahre danach:

Bilder aus Theresienstadt, einem weiteren Ort des Schreckens

Deshalb dürfen die Opfer des Judenhasses gerade hier in unserem Land nicht in Vergessenheit geraten., denn nur die aktive Auseinandersetzung mit unserer Geschichte lässt uns die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft begreifen:

„Auschwitz ist das Symbol für die Barbarei und die Unmenschlichkeit der nationalsozialistischen Diktatur der Deutschen. Die unvorstellbaren Verbrechen, die dort geschahen, dürfen und können nicht geleugnet oder verharmlost werden.

Der Befreiung des Lagers zu gedenken heißt, die Opfer zu würdigen. Es heißt auch, die Schuld zu erkennen, anzuerkennen. Und es heißt, für die Vergangenheit sowie für die Zukunft, Verantwortung zu übernehmen. Auschwitz steht heute für unsere Pflicht hinzusehen, einzuschreiten und Gesicht zu zeigen, wann immer Unrecht geschieht.“

Gesicht zeigen

Und was sagt uns das für heute?

Nun, wir alle wissen, dass in den letzten Jahren – und auch und besonders im Zusammenhang mit Corona – die fürchterlichen Ideen wieder auferstehen, die damals Ursache des Leidens so vieler Menschen waren.

Was damals die Juden, die Sinti und Roma, die Homosexuellen und die Behinderten waren, sind heute die Flüchtlinge, die Moslems, auch wieder die Juden und ganz pauschal „die Ausländer“, oder auch einfach Menschen, die Solidarität und gesellschaftlich verantwortliches Handeln wie etwa die Impungen gegen Corna wahrnehmen und dafür von einer Minderheit auch mit rechten Parolen diffarmiert werden.

Und die rechte Saat geht auf in den Köpfen von immer mehr Menschen – Hass ist wieder gesellschaftsfähig geworden, auf Strassen und in die Parlamente vorgedrungen,  die Motivation dahinter ist dieselbe wie damals, sogar das schamlose Vokabular klingt ähnlich, das gegen diese Menschengruppen angewendet wird.

Wer dies benennt, wird häufig auch selbst zum Ziel des Hasses, der von einer Minderheit ausgeht und deren Grenzen immer mehr verschwimmen. Wie beispielsweise anlässlich der letzten Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen hier in Hamburg, in der ein ganzer Block von Nazis offen und unwidersprochen mit marschieren durfte – ähnlich wie auch schon bei vielen anderen ähnlich gelagerten Demos und getrieben durch eine politische Gruppierung, die sich nicht entblödet, selbst im Parlament mit rechtem Gedankengut zu argumentieren.

Und ich gebe zu, mich macht das fassungslos…..
Weil ich nicht verstehe, wie wenig Hemmungen manche Menschen haben, ihre gesellschaftlichen Ideale über Bord zu werfen und gemeinsame Sache mit rechten Verbrechern zu machen – vereint im Gedanken, unserem Gemeinwesen grösstmöglichen Schaden zuzufügen.

Dabei wäre es doch auch heute (und gerade in unserem Land) mehr als wichtig, alten und neuen Nazis und ihrem Gedankengut keinen Raum zu geben und klare Kante gegen sie zu zeigen, auch wenn man nicht mit allen Zielen unseres Staates einverstanden ist, wie etwa mit einer möglicherweise kommenden Impfpflicht.

Denn es steht zu befürchten, das sonst immer mehr Dämme brechen könnten, die bisher Schlimmeres verhindert haben…


Kein schönes Thema, ich weiss…
Dennoch wünsche ich Euch auch heute einen schönen Tag – und dass ihr gesund und behütet bleiben möget.

Wir lesen uns :bye:

(der gerade mal wieder sehr nachdenlich ist)


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- 16 Bemerkungen zu “Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft?

  1. Du sagst es: „unfassbar, auch heute nicht.“ – Doch die Stimmen, die das, also den gesamten Holocaust, leugnen, werden doch immer lauter.
    Das war damals die Kehrseite der so gepriesenen deutschen Gründlichkeit.
    Und heutzutage scheint diese ja vollkommen zu versagen, wenn man unseren Platz bei so einigen Coronasachen sieht. Noch nicht einmal ein Impfregister existiert, dem man entnehmen kann, wer geimpft oder nicht geimpft ist. Das wird ja wohl durch den hochgehaltenen Datenschutz verhindert.
    Alles Sch….. deine Emma, nein Clara

    1. Tja – die deutsche Gründlichjkeit hat da sicher auch eine Rolle gespielt.
      Nur leider zieht die bei anderen Sachen nicht mehr – wie Du ganz richtig schreibst. Neben dem fehlenden Impfregister fallen mir da auch noch ganz anders Sachen ein:
      Beispielsweise gilt das ja auch, was die Aufklärung alter oder neuer Naziverbrechen angeht…

  2. Wir dürfen nie aufhören zu erinnern, das zeigt sich nicht erst seit gestern mehr als deutlich. Die „Unterwanderung“ der Coronademos, die größtenteils unwidersprochen von den anderen Teilnehmenden geduldet wird, ist das eine. Die AfD zündelt ordentlich mit und viele ihrer Mitglieder stehen zumindest sehr weit rechts und einige würde ich auch als Nazis bezeichnen, nicht nur Höcke. Wir sind nicht Schuld an dem, was passiert ist, aber wir sind dafür verantwortlich, dass es nicht wieder passiert. Und wir müssen mehr tun, als zu gedenken, wir müssen uns im täglichen Leben aktiv gegen jede Form von Antisemitismus stellen, ebenso wie gegen Rassismus.

  3. Ich habe heute früh das hier von Charlotte Knobloch gelesen: https://www.evangelisch.de/inhalte/196360/27-01-2022/knobloch-keine-verschwoerungstheorie-ohne-antisemitismus
    und das auf der Seite von radioeins: https://www.radioeins.com/knobloch-zum-holocaust-gedenken-gegen-antisemitismus-11024914/
    Als junges Mädchen habe ich das Buch „Exodus“ von Leon Uris gelesen. Seither hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Als ich später erfuhr, dass das Haus, in dem ich mit der Klasse zweimal je eine Woche Klassenreise verbracht habe, kein Schullandheim, sondern das Haus der Wannseekonferenz war, war ich entsetzt. Eine Freundin, die im letzten zur feierlichen Verlegung eines Stolpersteins für einen ihrer zahlreichen in KZs umgekommenen Verwandten war, berichtete, dass es zwar sehr feierlich war, aber, anders als bei früheren Gelegenheiten, ein diffuses Gefühl von Unwohlsein, von Angst, mitschwang. Ich hätte nie und nimmer geglaubt, dass Menschen jüdischen Glaubens je wieder Angst in Deutschland haben müssen.
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Da hat Frau Knoblauch sicher recht, wenn ich ihr allerdings in manchen anderen Dingen nicht zustimmen mag, wie etwa bei ihrer massiven Abwehr, was die Stolpersteine angeht. Daran hat sich wohl auch seither wenig geändert – jedenfalls habe ich nichts dazu gefunden…..

      „Exodus“ steht tatsächlich auch auf meiner Leseliste. Das habe ich letztes Jahr sogar schon gescannt und zum Ebook umgefrickelthttps://der-wilhelm.de/wp-content/plugins/wp-monalisa/icons/wpml_cool.gif

      1. Mein Mann hatte es mir im letzten Jahr geschenkt, da ich so häufig davon schwärmte. Ich muss aber gestehen, dass ich es nicht Seite für Seite mehr lesen konnte. Genau erklären kann ich nicht, warum. Es kam mir so langatmig vor. Vermutlich hat sich mein Leseverhalten im Laufe von 50 Jahren geändert und sich den schnelllebigen Zeiten angepasst. Kann aber auch sein, dass mir die Sprache nicht mehr zusagte. Am Inhalt an sich hat es definitiv nicht gelegen. Der hat nichts von seinem Schrecken verloren. Ich wollte immer mal von Ruth Gruber „Die Irrfahrt der Exodus“ lesen. Aber, wie schon letztens bei euch kommentiert, fällt es mir immer schwerer, über diese unmenschlichen Verbrechen zu lesen oder Dokus zu sehen. Es trifft mich so tief, dass ich es kaum beschreiben kann.

        1. Was Du zum Schreibstil beschreibst, geht mir tatsächlich bei einigen älteren Büchern auch so.
          Da brauche ich gelegentlich viel Zeit, bis ich mich in den Schreibstil des Autors eingelesen habe, wie etwa auch bei Lenz und der Deutschstunde, wo mir das auch so ging.
          Aber wenn ich erst mal drin bin, dann klappt das gut :-)

  4. Wir sind nicht schuld, aber verantwortlich. Ich glaube, dass fasst es sehr gut zusammen. Gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Autoritarismus. Ich würde gegen etwas dazusetzen, das die möglicherweise entstehenden Leerstellen füllt: für Mitmenschlichkeit, für Gemeinsamkeit, für eine lebenswerte Welt.

    1. Ich denke auch, das eine postive Sichtweise und Argumentation an vielen Stellen hilfreich ist, um Kontrapunkte zu setzen – denn die impliziert ja auch, dass die „Gegenseite“ es eben nicht ist….

  5. Ja, das ist erschreckend. Wenn ich an meine Kindheit denke, wurde uns permanent eingeschärft wie schlimm das war und das so etwas nie wieder passieren darf. Wenn ich aber nun als Papa sehe, wie kurz, sachlich und emotionslos diese „Epoche“ im gymnasialen Unterricht behandelt wird … dann wird die Haltung dazu nicht besser. Sicher ist nicht alles bei der Schule zu verorten, Eltern, Vereine und andere Strukturen müssen auch mit ran

    1. Durch die Schule bin ich da nicht besonders geprägt worden. Ich war als Schülerin nicht mal im KZ Neuengamme, obwohl das vor der Tür liegt. Es war eher mein Großvater, der mir dieses Thema sehr intensiv nahe gebracht hat. Später dann noch zumindest zwei engagierte Lehrer, die auch ein Buch geschrieben haben. Aber die Schule hat sich da sonst nicht besonders hervorgetan.

    2. Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann hörte die Deutsche Geschichte 1933 auf :-(
      Alles was danach kam, wurde lediglich stichwortweise und ziemlich verschämt angerissen (mit Aunahme selbst erlebter Kriegsandekdoten), ohne da iweiter n die Tiefe zu gehen. Das mag auch daran gelegen haben, dass wir seinerzeit noch viele Lehrer hatten, die als Kinder und Jugendliche der vollen Breitseite der Nazi-Propaganda ausgeliefert waren und sie teils auch tief inhaliert hatten…
      Eine Generation später, bei meinen Kindern (die alle in den 80er geboren wurden) sah die Sache dann aber deutlich anders aus. Dafür lag der blinde Fleck des Lehrplanes dann eher auf den Zeiten von APO und RAF.

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