– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Christenpflicht? Wirklich, Herr Söder?

Was mir wirklich fehlt, ist der Aufschrei in unserm Land über eine Politik, die zulässt was gerade mitten in Europa passiert, dokumentiert beispielsweise durch Videos wie das eines Arztes, der gerade auf Lesbos ist und eindrücklich schildert, wie  dramatisch die Lage für die Menschen ist, nachdem das Flüchtlingslager vor einer Woche angezündet wurde.

Eine Politik, bestimmt von einem verbiesterten alten Mann, dem Prinzipien mehr wert sind als Menschenleben – entgegen vieler anderer Stimmen, die eine humanistische Lösung einfordern, ja sogar einen Alleingang  unseres Landes entgegen aller europapolitischen Räson – Stimmen auch aus dem politischen Lager, dem der Hardliner Seehofer angehört. Inklusive inzwischen aller potientiellen Kanzlerkandidaten, denn selbst Herr Söder  hat – wenn auch spät –  von „Christenpflicht“ gesprochen und davon, dass:

 „Da muss Deutschland einen substanziellen Beitrag bringen. Das ist machbar und umsetzbar – da sehe ich nicht so das große Problem.“

Was mir persönlich viel zu schwammig ist und eher so wirkt, als ob da aus Kalkül  mit markigen Worten in ein Horn gestossen werden soll, was andere schon lange angeblasen haben.
Geht das denn nicht konkreter, Herr Söder?
Oder könnte das dem Macher-Image schaden, welches im Verlauf der Corona-Krise aufgebaut wurde, auch fussend auf bayerischen Alleingängen?
Konkurrent Laschet war da doch etwas deutlicher mit seinem Angebot, wenigstens tausend Menschen in seinem Bundesland unterbringen zu wollen. Gar nicht zu reden von einem Herrn Röttgen, der sogar eine Zahl von Fünftausend für vorstellbar hält – was  zwar eine merkbare Entlastung des Situation auf Lesbos bringen könnte, aber auch keine endgültige Lösung wäre, solange dieser Schandfleck weiter besteht.

Und auch dieser Satz passt nicht zum Macher-Image, sondern klingt gleich wieder nach Einschränkung, nach Hände in Unschuld waschen, wenn keine Lösung zustande kommt:

„Man werde in der Koalition jetzt darüber sprechen. Gleichzeitig betonte er, dass die Migrationspolitik europäisch gelöst werden müsse und es keinen deutschen Alleingang geben dürfe: „Was wir nicht machen können: Wieder ins Jahr 2015 zurückkehren, ohne Regeln, ohne Vorstellung.“ „

Also nichts begriffen, Herr Söder?
Es ist jetzt nicht die Zeit zum Reden, sondern die Zeit zum Handeln!
Und da könnte Bayern gerne mit gutem Beispiel vorangehen – an anderen Stellen ging das ja auch. Vielleicht würden dann ja auch die anderen Bundesländer mitziehen und nicht auf eine entscheidungunfähige Bundespolitik warten?

Nur zu Erinnerung:
Die Menschen auf Lesbos leben jetzt auf der Strasse, ohne ausreichend Nahrung, Wasser, Kleidung, Toiletten, medizinische Versorgung und ohne feste Unterkünfte.
Steine sind schon geflogen und Tränengas.
Und es ist nur noch ein Frage der Zeit, wann die ersten Toten zu beklagen sind.
Da reichen markige Worte nicht, oder fadenscheinige Hilfe zum Bau von notdürfigen Ersatzlagern, in denen es nicht besser wird als es bisher schon war

Reden sollte man sicher auch.
Aber erst, wenn diesen Menschen wirklich geholfen ist – und darüber, warum in unserem Land verbohrte alte Männer menschliche Lösungen im Alleingang verhindern können und die Kanzlerin dazu tagelang schweigt.

-_-_-_-

Danke Euch fürs Lesen, aber das musste jetzt einfach raus.
Alles andere kann warten.

Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns.
Der Wilhelm


-11-

- 17 Bemerkungen zu “Christenpflicht? Wirklich, Herr Söder?

  1. Mir schlagen dieser Bilder so dermaßen auf den Magen…. das ist nicht Kalkutta oder der Jemen, das ist mitten in EUROPA. . Herr Seehofer sollte sich mal mit seinem Parteikollegen Müller unterhalten, der einzige CSU Minister, von dem ich ansatzweise sage, da geht mal wieder der falsche.
    Herr Söder… immerhin. Aber auch den treibt vermutlich die Angst um, am rechten Rand Federn lassen zu müssen. Und sein Macher-Image ist ja gerade etwas angeschlagen seit der Pleiten-Pech und Pannenserie mit den Corona-Tests.
    Es ist einfach nicht die Zeit für politisches Kalkül, für Machtspielchen und Kungeleien. Die Menschen brauchen Hilfe und zwar sofort und ohne wenn und aber

    1. Was den Damen und Herren Bedenkenträgern allesamt fehlt, ist das, was man altmodisch „Anstand“ nennt – aber der wurde ja auf dem Altar der Angst geopfert, die vom rechten Rand geschürt wird.
      Herr Müller ist da wirklich eine lobenswerte Ausnahme

  2. Eben habe ich gelesen, dass A. Merkel bereit ist mehr Menschen aufzunehmen.
    Und ja – weitere europäische Länder müssen da tätig werden – die sollen mal in die Puschen kommen.

    1. Ich halte diese Schielen nach Europa für grundfalsch.

      Zumindest so lange, wie da noch Menschen wie Orban oder Kurz mitreden dürfen, wird es da zu keiner Einigung kommen.
      Wie auch hier in Deutschland nicht, wenn man weiter vor den Argumenten der Kackblauen kapituliert und sich dadurch vorgeben lässt, welche Lösungen möglich sind.

      Hilfe tut Not, nicht nur auf Lesbos – und das sofort und ohne dass man erst langwierig darüber debattiert oder umständllich taktiert.
      So einfach ist das.

  3. Allerdings muss es auf Lesbos jetzt mal besonders vorangehen
    Da müssen die mal alle an einem Strang ziehen dieses Hin- und Hergezackel nützt da gar nichts.
    Ich hab mit der AFD auch nichts im Sinn.

    1. Immerhin – ich hab den Bericht gerade auch gelesen – soll jetzt am Mittwoch abend eine Entscheidung fallen. Was schneller wohl angesichts der Uneinigkeiten im Regierungslager auch nicht möglich ist. Da wird die Debatte bis dahin wohl hinter den Kulissen noch weiter hoch kochen, aber vielleicht auch noch ein paar Bedenkenträger überzeugt werden können, sich einem Konsens anzuschliessen. (Denn Einigkeit wäre wichtig, um den Braunen Paroli zu bieten)

      Aber dennoch schade, dass das nicht schneller geht, den Menschen auf Lesbos läuft die Zeit ohnehin schon weg.

      —– bei der AfD würde ich wohl niemanden verorten, der hier liest und kommentiert – :-)

  4. Wir hatten zu unserer aller Schrecken irgendwann mal einen in unserem Bekanntenkreis und erfuhren das als er in der Stadt an einem solchen Stand stand.
    Ich habe von da an einen großen Bogen gemacht wenn ich ihn sah. ( von den Leuten nehme ich noch nicht mal einen Kugelschreiber an )
    Auf einer Feier wollte er mich in ein Gespräch verwickeln… und ich habe gesagt *hier wird heute gefeiert und sonst gar nichts* wir alle und natürlich auch ich waren schockiert … eigentlich war er ein ganz Netter

  5. Mir kamen die Tränen, als ich den Bericht von Isabel Schayani gesehen habe, die vor Ort war. Das ist so grausam und unvorstellbar, was dort mit Menschen geschieht. Genau so traurig macht es mich, dass auch die Grünen einen Antrag der Linken im sächsischem Landtag abgelehnt haben, 300 Flüchtlinge sofort aufzunehmen. Ich weiß nicht, ob ich besonders dünnhäutig geworden bin, aber Kriege, Umweltkatastrophen, ewiges Geschachere um die besten Plätze in der Welt belasten mich immer mehr. Und das Ignorieren und Aussitzen solcher Probleme macht mich wütend.

    1. Mich hat heute morgen das oben verlinke Video richtig wütend gemacht. – weil es aus einer Perspektive aufgenommen ist, die ich mir gut vorstellen und gut nachfühlen kann. Helfen zu wollen und mit leeren Händen da zu stehen, das ist eine Sache die jede professionelle Distanz einbrechen lässt.

      Und dann noch der Söder mit seinem Geseier (währscheinlich noch leicht überheblich grinsend) da hats mir echt gereicht.
      Und das finde ich fast schlimmer als Seehofers verhalten

  6. Hier schreit man doch viel lieber laut darüber auf, dass man für ein Weilchen in den Öffentlichen und den Supermärkten ein kleines Stück Stoff im Gesicht tragen muss, als über das Not und Elend vieler tausender Menschen… Mir ist immer öfter so zumute, dass ich gar nicht so viel essen kann wie ich kotzen könnte – ich weiß, der Spruch ist abgedroschen, aber mir fällt kein besserer ein… Und nach all dem, was der Herr Söder vor seiner Wahl zum bayer. Ministerpräsidenten an durchaus braun eingefärbten Äußerungen bezüglich der Flüchtlinge aus Vorderasien und Afrika in früheren Jahren von sich gegeben hat, bin ich bezüglich seiner Wandlung zum „mitfühlenden Christenmenschen“ äußerst misstrauisch.

    1. Die Wandlung sehe ich nicht.

      Im Gegenteil habe ich gerade mehr das Gefühl, dass Söder wohl eher abgewartet hat, wie sich die Stimmung im Land entwickelt , um nur ja auf den richtigen Zug aufzuspringen.
      Was nach Seehofers Steilvorlage auch nicht mehr schwer zu entscheiden war.

      Da kommt halt jetzt halt der Populist im Pelz des Christenmenschen hervor.

    1. Das ist zwar besser als nichts, aber immer noch viel zu wenig und wird für die überhaupt nichts bringen, die weiter auf Lesbos festgehalten werden bis Europa sich mal bewegt.
      Sankt Florian lässt wieder mal grüssen.

  7. Ich finde für extreme Situationen sowie dieses eine extreme Situation ist müssten ich würde es nennen *personenschlüssel* festgelegt werden welches Land wie viele Menschen übernimmt um Ihnen zu helfen das muss doch alles zackzack gehen.
    Ob einer dieser *Bestimmer* Menschen sich einmal Gedanken darum gemacht hat wie es wäre wenn er selber in diesem Lager wäre und wäre selbst persönlich betroffen?

    Immer wenn irgendetwas außergewöhnliches passiert dann besprechen die und besprechen und vergeuden viel zu viel Zeit bis was passiert.. um den Menschen zu helfen.

    Nein es passiert nur den hilfsbedürftigen Menschen etwas ihnen geht es immer schlechter und schlechter.

    1. Da bin ich ganz Deiner Meinung.
      Alleine schon, dass mal wieder nur in abstrakten Zahlen gedacht und schon vorn vorneherein aufgerechnet wird….
      Das zeigt doch, dass – ganz anders als 2015 – die Schicksale dahinter inzwischen völlig egal und allenfalls ein lästiges Problem sind.
      1.500 Menschen zu helfen ist zwar ganz nett (und mag auch ein Anfang sein), aber was ist mit den über 11.000, die immer noch da bleiben müssen hinter Stacheldraht in einem neuen Lager womöglich und unter weiter mehr als prekären Umständen.

      Glauben die Herrschaften eigentlich, damit wäre es jetzt getan, zumal sich sonst niemand in Europa bewegen will?
      Und was ist mit den Menschen, die in den anderen Lagern in Griechenland und Italien festhängen, weil sie keiner will?

  8. Es ist eine Katastrophe..
    …Die armen Menschen.
    Keiner auf dieser Welt kann sich sicher sein, dass ihm nicht irgendwann auch so etwas Schreckliches passiert und zwar schrecklich auf der Seite der Bedürftigen. 😪😪😪

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.