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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Wo bleibt eigentlich der Aufschrei?

Guten Morgen am Sonntagmorgen!

Schon seit ein paar Tage denke ich darauf herum, warum sich anscheinend kaum jemand dafür interessiert, was da gerade vor der griechischen Küste passiert ist?

Ein Schiff, ein maroder Fischdampfer ist gesunken, es waren siebenhundert Menschen an Bord, darunter viele Kinder, eingesperrt unter Deck. Menschen die nach Europa wollten, weg von dem, was ihnen ein Leben in ihrer Heimat unmöglich gemacht hat.


Menschen, die auch hier nicht gewollt waren, denen Hilfe einfach verweigert wurde, obwohl sie möglich gewesen wäre.

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Sind wir eigentlich alle schon so abgestumpft, dass es lediglich ein paar trockene Pressemeldungen wert ist und fast überhaupt keinen Widerhall in anderen Medien (unser aller Blogs eingeschlossen) findet, dass da vermutlich fünfhundert Menschen vor den Augen der Küstenwache ertrunken sind, davon über hundert Kinder, ohne Chance auf Rettung?

Sind wir schon so abgestumpft, dass es uns nichts mehr angeht, was da unmittelbar vor den Grenzen unserer Europäischen Union passiert, die sich mehr und mehr abschottet und hofft, mit einem faulen , nur aufs eigene Wohl bedachten Kompromiss die Probleme des wirtschaftlichen Gefälles und der politisch oder religiös motivierten Verfolgungen in den afrikanischen und asiatischen Ländern in den Griff zu bekommen, die Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen und sich in die Hände von geldgierigen Schleusern zu begeben, um vielleicht ein besseres oder sicheres Leben zu finden?

Sind es nicht wir alle, die privilegierten Bürger der Europäischen Union, die wir durch unser Schweigen das Handeln unserer Politiker erst legitimieren, die sich die menschenunwürdigen Massnahmen ausgedacht haben, die in Zukunft das „Elend“ von uns fern halten sollen und damit auf Länder verlagern wollen, die keineswegs sicher für Menschen auf der Flucht sind: auf Anrainerstaaten des Mittelmeeres wie Tunesien, die Türkei usw., die dafür auch noch reich entlohnt werden?

Sind es nicht wir alle, die wir uns daran mitschuldig machen, weil wir die Politik einfach so gewähren lassen – immer nach dem Motto: „Aus dem Auge, aus dem Sinn?“

Und dann frage ich mich unwillkürlich, wo eigentlich der Aufschrei bleibt von denen, die das anders sehen und so nicht mittragen wollen – so wie damals, als überall in unserem Land grosse Demos liefen und das Logo der Seebrücke (das schon seit dieser Zeit und aus gutem Grund* in den Seitenleisten unserer Blogs seinen festen Platz hat) und die orangen Fahnen allenthalben zu sehen waren:

Wo bleibt der Aufschrei, der noch vor ein paar Jahren durch unser Land ging, als das Flüchtlingslager in Moria brannte?

Gilt das Motto denn nicht mehr, sichere Häfen zu schaffen, die verhindern könnten, dass sich das immer wieder aufs Neue wiederholt, was gerade vor der griechischen Küste passiert ist?
Zählen die vielen Toten denn nichts, die letztendlich auch Opfer unser aller Schweigens sind?
Zählt das Elend der Kinder nichts, die dem hilflos ausgeliefert sind, was am grünen Tisch über sie entschieden wird, wo man nur noch mit anonymen Zahlen argumentiert, die man möglichst niedrig halten will, wo man Rettungsaktionen der NGOs möglichst unterbinden will und wo stattdessen über Kontingente, Ausnahmeregelungen und andere faule Kompromisse diskutiert, aber ein verlorenes Kinderleben allenfalls als Kollateralschaden abgetan wird – wenn überhaupt?

Wo also bleibt der Aufschrei, um diesem grausamen Spiel endlich ein Ende zu bereiten?
Sind wir nicht alle gefordert, dazu endlich klar und deutlich Stellung zu beziehen und Menschlichkeit von den Politikern einzufordern?

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*) Nein, das Logo ist nicht nur Dekoration, sondern steht für unsere feste Meinung, dass sich dringend was ändern muss im Umgang mit den Menschen, die übers Meer zu uns kommen wollen.
Aussperren und Freikaufen durch milliardenschwere Zahlungen an zwielichtige Drittländer ist nun mal keine tragfähige Lösung. Das sollte nach den vielen Jahren erfolgloser Versuche in dieser Richtung inzwischen auch der dümmste Politiker gemerkt haben..


Dennoch:
Habt einen angenehmen Sonntag.
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der auch den Flüchtlingen auf dem Meer wünscht, dass sie gesund und behütet bleiben mögen und nichts mehr hofft, als dass auch für ihre Probleme endlich menschlichere Lösungen gefunden werden.


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