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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

……wären da nicht wieder die üblichen Bedenkenträger

Guten Morgen Euch allen!

Um der Verschwendung und Überproduktion von Lebensmitteln vorzubeugen, ist es dem Handel in Frankreich schon seit mehreren Jahren verboten, abgelaufene oder aus anderen Gründen nicht mehr verkäufliche Lebensmittel einfach wegzuwerfen.
Stattdessen müssen diese an die Tafeln gespendet oder anderweitig weiterverwendet werden.
Das hat sich, wie die Erfahrungen zeigen, inzwischen wohl auch in weiten Teilen bewährt, könnte also auch ein gutes Beispiel für eine ähnliche Gesetzgebung hier bei uns sein – nicht nur, um in Zeiten wie diesen die Tafeln besser auszustatten, die schon seit Monaten über einen steigenden Zulauf von Bedürftigen bei gleichzeitig sinkendem Spendenvolumen klagen, sondern auch, um die ausufernde Massenproduktion billiger Nahrungsmitteln etwas einzugrenzen…

Und tatsächlich – kaum sieben Jahre, nachdem der französische Gesetzgeber dieses Verbot in ein Gesetz gegossen hat – scheint sich endlich auch hier bei uns etwas zu bewegen:
Zaghaft zwar noch, aber immerhin – mit einer gemeinsamen Gesetzes-Initiative des FDP-Justizministers Buschmann (was mich angesichts des weiteren Gehabes dieser Partei sehr wundert) und des Grünen Landwirtschaftsministers Özdemir, die Containern (also das Retten noch geniessbarer Lebensmittel aus dem Mülltonnen von Supermärkten) straffrei stellen wollen…
Sicherlich ein erster Schritt in eine richtige Richtung, greift dieser schon lange überfällige Vorstoss der beiden Politiker aber aus meiner Sicht dennoch viel zu kurz, und zwar gleich aus mehreren Gründen:

  • weil es den Handel nicht in die Pflicht nimmt, nicht mehr verkäufliche Lebensmittel einer möglichen weiteren Verwendung zuzuführen, sondern auch weiter zulässt, dass diese einfach entsorgt werden dürfen
  • weil so nach dem Zufallsprinzip allenfalls ein kleiner Teil der Verschwendung eingedämmt wird, während der Grossteil dieser Waren ungenutzt bleiben und beispielsweise den Tafeln fehlen
  • weil es keinen Deut gegen Überproduktion und Ressourcenverschwendung hilft
  • weil es auch eine Frage der Würde ist, ob Menschen (selbst wenn es unbeschränkt erlaubt wäre) im Müll wühlen müssen, um zu Essen zu haben, statt – wie in Frankreich – freien und hygienisch einwandfreien Zugang zu diesen unverkäuflichen Waren zu bekommen
  • weil….
  • weil….

Insofern ist diese Gesetzesinitiative wohl auch kaum mehr als ein plakativer und dennoch allenfalls halbherziger Schritt, der lediglich eine gesetzliche Grauzone etwas aufhellt, aber dennoch nichts zu einer konsequenten und weitergehenden Lösung beiträgt.
Schliesslich bliebe Containern ja trotzdem noch als Hausfriedensbruch oder gar Einbruchdiebstahl strafbar, wenn die Mülltonnen des Supermarktes auf eingefriedetem Gelände stehen oder gar nur ein Vorhängeschloss dran hängt. Und es werden wohl auch in Zukunft nicht allzuviele Supermärkte sein, deren Müllbehältnisse frei zugänglich an der Strasse stehen – und auch an der riesigen Menge weggeworfener Lebensmittel würde sich damit nichts ändern.

Und ausserdem sind da ja auch noch die Bedenkenträger, die jetzt schon aufschreien, weil ihrer Meinung nach nicht sein kann, was nicht sein darf.
Allen voran mal wieder die Politiker aus der „konservativen“ Ecke mit ähnlichen heeren wie heuchlerischen Argumenten wie schon 2019:
Dass man nicht wolle….

„….dass sich Menschen in eine „unwürdige und hygienisch problematische Situation“ begeben.

NTV

Und natürlich auch wieder mal die Lobbyverbände des Einzelhandels, unter Anderem mit der gleichen fadenscheinigen Argument wie schon Anno Dunnemals,

„dass bestimmte Lebensmittel in Abfallbehältern »eine potenzielle Gesundheitsgefahr« darstellten. So könnten etwa Lebensmittel aus Warenrückrufen dabei sein, die mit Fremdkörpern wie Glas- oder Metallsplitter verunreinigt sein können“

Spiegel

Was aber sicher nur auf den allerkleinsten Teil solcher Lebensmittel zutrifft…. die vermutlich auch ohne grossen Aufwand separat zu entsorgen wären…

Kurz und gut, die Chancen stehen jetzt schon nicht gut, dass Buschmann und Özdemir mit ihrer Initiative ( nicht mal in dieser abgespeckten Form!) durchdringen könnten.
Damit bleibt wohl eine „französische Lösung“ hier in Deutschland auch weiterhin undenkbar, so sinnvoll und entlastend sie für die Umwelt und auch für die Menschen wäre, die jetzt schon kaum wissen, wie sie an Essen kommen oder es bezahlen sollen…..

Aber soweit wollten sich die beiden Minister wohl ohnehin nicht aus dem Fenster lehnen?


Habt dennoch allen einen wunderbaren Tag und bleibt gesund und behütet.
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der nebenher mit einiger Sorge die Berichterstattung aus Lützerath verfolgt, wo heute die Protestcamps gegen die Erweiterung des Tagebaues geräumt werden….


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- 13 Bemerkungen zu “……wären da nicht wieder die üblichen Bedenkenträger

  1. Da muss ich mich doch gleich informieren, wie das in Österreich ist. Soviel ich weiß gehen von großen Supermärkten und Bäckereien Spenden an die Tafeln, aber das ist nicht dasselbe wie ein Gesetz…

    1. Soweit ich weis, ich Frankreich bisher das einzige Land, wo es so einen gesetzliche Regelung gibt.
      Hier in Deutschland kooperieren auch eine ganze Reihe von Supermärkten, Bäckereien und Grosshändlern freiwillig mit den Tafeln, aber das ist lange nicht durchgängig. So handhabt beispielsweise jeder Edeka-Händler oder Rewe-Laden das anders… manche machen es, viele machen es nicht.

  2. Ach Wilhelm, manchmal oder sogar sehr oft graule ich mich darüber, in einem Land zu wohnen, wo Gesetze, Vorschriften und endlose Diskussionen das menschenwürdige Leben für so viele einfach nicht möglich macht.
    Bei manchen Parteinamen kommt mir täglich mehrmals der Kaffee hoch.

    1. Da geht es Dir genau wie mir.
      Was mich daran besonders ärgert ist die Ignoranz mancher Politiker, die immer nur Ihre Pfründe sehen , aber die nicht Verantwortung, die sIe für die Gemeinschaft tragen.

  3. Ja das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber doch immer noch kaum zu fassen. Das muss man mal laut vor sich hersprechen.

    „Da kramen nach Lebensmitteln in Mülltonnen ist nun straffrei.“

    Gaga..

  4. Mir fällt dazu ein, dass vor Jahren, eher Jahrzehnten, irgendeine Kommune mal gegenüber der Obdachlosenhilfe abgelehnt hat, Zuschüsse für warme Schlafsäcke zu zahlen, weil es unwürdig/gefährlich/gesundheitsschädlich sei, im Winter draußen zu übernachten, das kann man nicht unterstützen – es gäbe ja Notunterkünfte. (Geht bloß schlecht als Pärchen und mit Hund schon gar nicht) – weiß nicht, ob das heute auch noch so ist.
    Dafür gab es Supermärkte (oder einzelne Angestellte), die „gute“ Lebensmittel vorsichtig ganz oben in die Container gelegt haben – lange, bevor containern üblich wurde – damit sie problemlos wieder rausgeholt werden konnten!

    1. Ja, daran erinnere ich mich dunkel.
      Wobei es bezogen auf Obdachlose offenbar nicht Perfide genug sein kann, wie viele Beispiele alleine hier in Hamburg zeigen:
      Etwa, wenn es im Rahmen des „Winternotprogrammes“ nicht möglich ist, neben Übernachtungsmöglichkeiten auch tagsüber warme Aufentshaltsmöglichkeiten anzubieten, damit niemand auf der Strasse sitzen und frieren muss….

  5. Da wird gefrickelt an Symptomen von Symptomen… Wie kommt es überhaupt dazu, dass das unter Strafe gestellt war? Und es wird das eigentliche Problem, nämlich dass es in diesem reichen Land Menschen gibt, die nicht genug zu essen haben, in keiner Weise berührt – sondern eher noch zementiert, dass es billigend in Kauf genommen wird.
    Gut, besser an den Symptomen gefrickelt als gar nichts gemacht. Aber auf die lange Sicht hilft es eben nicht grundlegend weiter.

    1. Weiter oben ( unter dem Kommentar von T.) habe ich einen Artikel der Süddeutschen verlinkt, der sich mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dazu beschäftigt, welches darauf abhebt, dass das Eigentumsrecht da nach der aktuellen Gesetzeslage auf jeden Fall Vorrang hat.

      Bemerkenwert daran ist aber auch der letzte Absatz:

      Der einzige Ausweg, den das Gericht vorsichtig aufzeigt, ist der Verweis auf den Gesetzgeber. Es sei seine Sache festzulegen, was strafbar sei und was nicht. Und dann folgt ein Satz, dem man vielleicht doch eine gewisse Skepsis entnehmen kann. „Das Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat.“

      Der Ball liegt also mal wieder im Feld der Politik – und wie es jetzt aussieht, ist Özdemirs und Buschmanns Gesetzesinitiative die erste Reaktion darauf, wie sie halbherziger nicht sein könnte….

      1. „Der einzige Ausweg… [ist] …festzulegen, was strafbar sei…“ Wenn es keinen Hunger gäbe, müsste man auch nicht festlegen, dass es strafbar ist, nicht verhungern zu wollen. Das ist einfach nur makaber.

        1. JA, ist halt Juristendeutsch.
          Nur an den gesetzlichen Regeln orientiert und deshalb zwagsläufig auch ohne jegliche Empathie .

          Und ja: DAS ist wirklich makaber :-(

        2. Es ist nicht strafbar, nicht verhungern zu wollen. Es gib ja sogar einen sog. Mundraub-Paragraphen. Sorry, aber das geht mir zu weit, zumal es den Leuten, die Containern ja nicht darum geht, nicht zu verhungern. Das Ganze wäre sehr simpel lösbar, in dem die Supermärkte die Ware frei zugänglich machen würden. Dann fiele der „Bruch fremden Gewahrsams“ weg und es wäre nicht mehr strafbar.
          Abgestellt wird nicht auf die Lebensmittel. Letztlich ist es egal, was man aus den Mülltonnen nimmt. Solange die eingezäunt stehen, bleibt es nun mal Diebstahl. Und den Tatbestand will wohl ernsthaft niemand abschaffen. Ich weiß nicht, welche juristischen Klimmzüge Özdemir jetzt veranstaltet, um das straffrei zu machen. Natürlich begrüße ich das. Ich fände es auch gut, wenn wir, wie in Frankreich, eine Pflicht zum Spenden der Lebensmittel einführen würden.

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