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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Das Sonntagszitat 50/22

Einen wunderbaren dritten Advent Euch allen!

Bei diesem Fundstück musste ich spontan zustimmend nicken, als ich es vor ein paar Tagen zum ersten Mal las – und das, obwohl es in seiner Essenz in diesem Moment schon eher ernüchternd und leicht frustrierend auf mich wirkte:

„Das Leben war damals hart, und ich musste mich den Befehlen gehorsam beugen; doch ich war zwanzig Jahre alt, ich war sorglos und sah meiner Zukunft voller Zuversicht entgegen.
Die Zukunft, von der ich damals träumte, ist inzwischen Gegenwart.
Doch wann hat die Wirklichkeit schon je dem süßen Glanz von Träumen entsprochen?
Ich muss mich heute vor niemandem mehr verantworten als vor mir selbst, und doch muss ich gehorchen – den unterschiedlichsten Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten, die auf mir lasten …
Damals war es einfacher“

aus „Irrenhaus am Ende der Welt: Die Reise der Belgica in die dunkle antarktische Nacht. “ von Julian Sancton

Denn im Grunde entspricht sein Inhalt in vielem dem, was mir mit zunehmendem Alter auch gelegentlich durch den Kopf ging:
Als junger Mann und während der Zeit meiner Ausbildung mit teils eng gesteckten Grenzen und vielen Träumen von zukünftiger Freiheit hätte ich mir nicht vorstellen können welch engen Rahmen familiäre und berufliche Pflichten in späteren Jahren stecken können – echte und vermeintliche – und welche Zwänge sich daraus ergeben würden.
Und auch der Stossseufzer „damals war alles einfacher“, der kommt mir sehr bekannt vor. Denn den habe ich gelegentlich auch getan, wenn ich mich zu den Zeiten zurück gesehnt habe, als ich nur wenig oder gar keine Verantwortung für andere Menschen ausser mir selbst tragen musste.
Insofern passt das Zitat also schon – irgendwie jedenfalls.

-_-_-_-

Aber je länger ich darüber nachdenke, um so mehr kommt auch noch ein zweiter Gedanke dazu ins Spiel:
Nämlich der, dass ich für vieles im heute ja auch selbst verantwortlich bin, zumal es ja einer ganzen Reihe von eigenen Entscheidungen bedurft hat, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin.
Entscheidungen, zu deren Konsequenzen auch die Pflichten und Verantwortlichkeiten gehören, die lange Teil meines Lebens waren und es zum Teil auch heute noch sind. (wobei ich ehrlicherweise eingestehen muss, dass davon nach dem Ende meines Berufslebens ja nicht mehr allzuviele übrig geblieben sind)

Was im Umkehrschluss ja auch bedeutet, dass es auch immer wieder Alternativen gegeben hätte, auch wenn die mir seinerzeit als nicht gangbar oder zu unattraktiv erschienen sind….
Will sagen: Niemand ( auch nicht „das Leben“) hat mich da zu etwas gezwungen, was ich nicht mehr oder weniger auch selbst gewollt hätte.

Deshalb „stimmt“ auch dieser Stossseufzer nur bedingt:
Es mag zwar zutreffen, dass mir das Leben früher einfacher erschien, so jung und unbedarft, wie ich war, aber rein objektiv betrachtet war es das vielleicht ja doch nicht.
Nur, dass ich mir damals vermutlich weniger Sorgen gemacht habe als ich das heute manchmal tue und vieles „blauäugiger“ angegangen bin, ohne mir Gedanken über die Folgen zu machen.

Anderseits aber – und das macht manches dann heute wieder einfacher, weil ich mir über viele Probleme von damals einfach keine Gedanken mehr machen muss – gibts dann ja auch noch das, was man „Lebenserfahrung“ nennt….

Und deshalb kann ich zumindest für mich die Feststellung treffen, dass ich – für meine Person gesprochen – heute eher das Fazit ziehen würde, dass das Leben damals nicht einfacher war, sondern „einfach anders“ – und dass man deshalb solche Vergleiche eigentlich nicht anstellen muss:
Was damals vielleicht ein Problem für mich war, ist heute jedenfalls schon lange keins mehr – und was mir heute als Problem erscheint, daran hätte ich gestern und vorgestern vermutlich nicht mal den Hauch eines Gedankens verschwendet……

Kurz und gut also:
Es war spannend und es bleibt spannend .
Und das ist auch ganz in Ordnung so.


In diesem Sinne:
Habt alle einen entspannten Sonntag – und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der trotz allem im Grossen und Ganzen ganz zufrieden mit dem ist, was ist……


-810-

- 8 Bemerkungen zu “Das Sonntagszitat 50/22

  1. Sehe ich auch so, früher war es anders und teilweise unbedachter aber nicht unbedingt besser. Das was das „früher“ vielleicht leichter erschienen ließ war der Umstand, dass andere Menschen Verantwortung für uns übernommen hatten auch wenn wir das vielleicht nicht immer so wahrgenommen haben). Später muss man dann mehr Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen.

    LG und noch einen schönen Sonntag, Aebby

    P.S. mir fällt nur eines ein was früher „besser“ war, die körperlichen Zipperlein waren weniger. Alles Gute für das Körperliche.

    1. Vielen Dank, Aebby für die guten Wünsche.

      Ja, Du hast wohl Recht mit Deiner Anmerkung, dass wir in jüngeren Jahren weniger Verantwortung selbst tragen mussten, weil andere dies für uns übernommen hatten. Der Aspekt ist mir natürlich auch klar.

  2. Ja, das sehe ich auch so. Es war/ist anders, ob es besser war/ist, ist wohl kaum mit Klarheit zu bestimmen, denn auch die Rahmenbedingungen waren/sind ganz Andere.
    Ich musste schon sehr, sehr früh (zu früh) Verantwortung für mich übernehmen. So ist meine Erinnerung an die Jugend und frühe Jungend nicht mit Leichtigkeit verbunden. Aber ich spüre jetzt, da unser Sohn aus dem Haus ist, dass ich „nur“ noch Verantwortung für mich selbst habe. Und das empfinde ich als Erleichterung. Und da ich mich inzwischen auch weniger nach den Wünschen des weiteren Familienkreises richte, ist auch diese Belastung „von damals“ weggefallen.

  3. Weißt du was wirklich interessant an der Entwicklung im Alter ist?

    Als ich jung war setzten mir meine Eltern einen Zapfenstreich fest. Der je nach Alter am Wochenende von 20 Uhr über 22 Uhr auf Mitternacht rutschte.
    Inzwischen komme ich selten nach Mitternacht nach Hause.

    1. Ja, klar.
      Alles, was erlaubt ist (oder in der eigenen Verantwortung liegt) hat ja auch eine ganz andere Wertigkeit als damals, als das noch anders war.
      Wobei für mich spätes nah Hause kommen nie so das Thema war, zumal ich aus beruflichen Gründenn immer schon sehr früh raus musste ( Teils mit Dienstbeginn um halb sechs oder früher). Da war ich abends immer froh, einfach früh zu Hause zu sein.

  4. Das war schon richtig philosophisch. Im nächsten Jahr werde ich Siebzig. Und natürlich habe ich schon oft darüber nachgedacht, was anders hätte besser laufen können in meinem Leben. Tatsache ist, irgendwann entscheidet man sich für einen Weg und der ist zwar nicht unumkehrbar, aber er bestimmt doch meistens für längere Zeit unser Leben. Für so manches habe ich mich, nicht gerade unter Zwang, aber fremdbestimmt entschieden, und da kommt man, wenn man Verantwortung trägt und sich dessen bewusst ist, auch so schnell nicht wieder raus. Aber ich weiß nicht, ob es besser gewesen wäre, einen anderen Weg zu gehen. Wer weiß das schon?
    Liebe Grüße – Elke

    1. Die Frage nach dem „Besser“ stelle ich mir schon lange nicht mehr, zumal sie ja auch ein Stück weit impliziert, dass das „Heute“ nicht gut ist.
      Aber dennoch überlege ich gelegentlich schon, was hätte „Anders“ laufen können, wenn ich mich an bestimmten Punkten nicht so entschieden hätte, wie ich es getan habe. Was aber letztendlich auch zu nichts führt, weil auch da viele „Wenns“ und „Abers“ am Wegesrand gelegen hätten, die ich überhaupt nicht einschätzen kann…
      Ergo ist es doch ganz gut so, wie se ist…..

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