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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Zitat 11/23: Schreiben – über Zweifel und Kommunikation

Guten Morgen am Montagmorgen!

Schon als ich die Lektüre beendet hatte war mir klar, dass mich dieses Buch über die Buchvorstellung hinaus in all seinen Facetten wohl noch eine Weile weiter beschäftigen würde. Denn Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ enthält so einige Passagen, die nochmal einer weiteren Betrachtung wert sind – beispielsweise da, wo sie über ihre „Arbeit“, den Prozess des Schreibens und die damit verbundenen Zweifel nachdenkt:

Es ist genau wie beim Schreiben: Das Gespräch mit anderen Menschen hört auf für eine Zeit. Das Fragen, das Zuhören, auch das Lesen, was andere Menschen geschrieben haben, dann das Vergleichen mit dem Eigenen, das Grübeln, das Durchdenken, das Zweifeln, das Erinnern: an die Kindheit, an das eigene Leben, das Märchenlesen. Alles das hört auf für eine Weile.
Dann kommt der immer weiter werdende Abstand zur Welt, nur noch zarte Spinnweben, leicht zerreißbar, verbinden die Schreibende auch mit den Menschen, die sie nun halten sollen an diesem kaum sichtbaren Faden.

Ist es nicht anmaßend, sich so ernst zu nehmen? Woher kommt die Überzeugung, gerade diese Begebenheit könnte auch nur einen einzigen Leser, eine einzige Leserin aufhorchen lassen? Woher kommt die Kraft, um die Aufmerksamkeit dieser anderen Menschen zu bitten, ihre Zeit und ihr Interesse zu beanspruchen?
Wissen sie nicht alles, sind sie nicht schon erwachsen, lebenserfahrener, sind sie nicht raffinierter im Geschmack, werden sie sich nicht langweilen, werden sie nicht spotten, heimlich oder ganz offen, werden sie die Geschichtenschreiberin nicht einfach verscheuchen?
Etwas erzählen, was nur ich weiß. Und wenn es jemand liest, weiß es noch jemand. Für die wenigen Minuten, in denen er die Geschichte liest, in der unendlichen, eisigen Welt.

Aus Helga Schubert : „Vom Aufstehen“

Zweifel, die mir zumindest auch bekannt vorkommen, auch wenn ich sie als kleiner Tagebuchblogger sicher nicht so poetisch und dezidiert auszuformulieren vermag, wie Helga Schubert es kann.
Und dennoch stehen auch bei mir diese Fragen bei jedem Beitrag im Raum:

Wer soll das überhaupt lesen wollen?
Wenn interessiert, was ich da aufschreiben möchte?
Ist es für irgend jemanden da draussen relevant?
Wie wird die Reaktion darauf sein?
Lohnt es überhaupt, daraus ein Thema zu machen?

Wobei es besonders die „persönlicheren“ Themen sind, bei denen solche Fragen auftauchen, während sie sich mir bei anderen Themenkomplexen (wie etwa bei meinen Buch oder Musik-Vorstellungen) eher nicht so aufdrängen, die ich relativ unbeirrt von Zweifeln einfach hier abstelle – wenn auch mit der kleinen Hoffnung verbunden , dass da auch für den einen oder anderen Leser „etwas dabei“ sein mag…

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An anderer Stelle (oder war es ein Interview das ich gelesen habe? – leider finde ich die betreffende Quelle nicht wieder) geht Helga Schubert zu diesem Thema sogar noch etwas mehr in die Tiefe.
Sinngemäss und aus dem Gedächtnis zitiert :

„Schreiben ist auch Kommunikation.
Einseitig zwar, weil ich als Schreiberin einer Geschichte die Reaktion meiner Leser oft nicht erfahre und nicht weis, was sie mit meinen Texten machen.

Lesen sie sie zu Ende oder legen sie sie nach ein paar Sätzen einfach beiseite?
Denken sie darüber nach – und wenn ja: was denken sie darüber?
Konnte ich mit meinen Worten etwas anstossen, anregen, bewirken – oder lag ich völlig falsch?

Und das macht die Sache auch so mühselig:
Gebe ich meinen Text aus der Hand, bin ich schon beim ersten Leser nicht mehr seine Herrin, sondern ich überlasse ihn dem Urteil desjenigen, der ihn liest, ohne weitere Einfluss darauf nehmen zu können.
Was bestenfalls zu einer positiven Rückmeldung oder zumindest zu einer wohlwollenden Zustimmung führt, zu einem stillen zustimmendem Kopfnicken oder auch zu einem Schmunzeln, schlimmstenfalls aber zu einem ablehnenden Schweigen oder gar einem bösartigen, öffentlichen Verriss, bei dem es mir nicht immer gelingt, ihn einfach an mir abperlen zu lassen. Denn offenbar war es dann wohl nicht gut genug, was ich da abgeliefert habe.
Und etwas bleibt ja auch immer hängen: Von Zustimmung genau wie von Ablehnung.

Dennoch ist es mir wichtig, von beidem zu erfahren, weil ich dann merke, dass meine Worte nicht nur in den Wind geschrieben waren….

Oh ja, auch das kenne ich!

Und das dürfte wohl auch jeder andere Blogger kennen, der sich mit seinem Geschreibsel ins Licht der Öffentlichkeit wagt. Denn wir alle haben ja auch gute Gründe unsere Tagebücher öffentlich zu führen, unsere Bilder im grösseren Rahmen als im heimischen Fotoalbum zu zeigen, über Bücher, Musik oder Politik zu schreiben, an Projekten teilzunehmen – oder was immer man in seinen Blogs so treibt.

Denn auch hier geht es ja um Kommunikation, um das Teilen eigener Wahrnehmungen, Erfahrungen und Interessen, um das Erzählen von Geschichten und um Diskussion über die eigene Meinung. Und damit letztendlich auch um Resonanz für das, was man da veröffentlicht hat, auch wenn es sicher nicht von so hoher Qualität ist, wie beispielsweise die Werke von Helga Schubert.

Wer von uns – und dazu zähle ich auch – irgendwann mal behauptet hat, er schreibe nur für sich selbst und die Reaktion darauf sei ihm egal, der dürfte – so sehe ich das inzwischen – mit seiner vorgeblichen Motivation wohl eher nicht ganz richtig liegen.
Denn wenn dieses „nur für mich alleine“ wirklich stimmen würde, dann gäbe es doch eigentlich keinen Grund, seinen Blog öffentlich zu führen und Kommentare oder zumindest „Likes“ zuzulassen, die ja auch eine Aufforderung zu einer Rückmeldung darstellen… also zu genau dem, was Frau Schubert sich auch von ihren Lesen wünscht.

Und dann kommt beim Bloggen ja auch noch eine weitere Komponente hinzu, die dabei zum tragen kommt und vermutlich für viele Blogger ausschlaggebend war, dieses Medium zu wählen:
Die Funktion als Social-Media-Plattform, die mit ihren vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten als eine treibende Kraft auch heute noch hinter vielen Blogs steht. Also die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches über die Grenzen des eigenen Blogs hinweg – zumal viele der Leser auch eigene Blogs betreiben – durch Besuche und Gegenbesuche, wechselseitige Kommentare und eine kleine Gemeinschaft, die darüber entsteht:

Wie in einem kleinen Dorf in den Weiten des Netzes, in dem man sich kennt und schätzt, in dem man Schönes und weniger Schönes teilen, daran Anteil nehmen und darüber schreiben, reden und sich möglicherweise sogar gegenseitig helfen kann:
Das ist es, was viele Blogger auch heute noch wollen und pflegen und das ist es auch, was ich mit meinem Blog suche, wozu er mir dienen soll. Auch wenn ich dabei manchmal etwas über das Ziel hinaus schiesse und mit meinem Geschreibsel gelegentlich daneben liege..

Und ich vermute mal, dass es ähnlich auch bei vielen von Euch ist, die ihr eigene Blogs betreibt?
Es sei denn, ihr seid absolute Selbstdarsteller, die vollauf von sich und ihrem Tun überzeugt sind und auf die Reaktion ihrer Umwelt keinen Pfifferling geben?

Aber mal ehrlich: Wer von uns ist das schon?

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Bleibt noch eine kleine Anekdote, die mir gut in diesen Zusammenhang zu passen scheint – eine etwas irritierende Mail, die meine Liebste und ich vor ein paar Tagen beide in unseren Mailboxen fanden, von einer Mitbloggerin, die uns mitteilen wollte, dass sie nun keine Zeit mehr für Kommentar-Runden fände und deshalb bei uns nicht mehr kommentieren werde, die selbst aber täglich ein bis zwei Blogbeiträge (viele davon scheinbar ohne jeden Bezug auf die Schreiberin und ihre Interessen) raus haut und dabei vermutlich auch weiter auf zahlreiche Rückmeldungen hofft….

Tja…
Das ist ja nun mal was anders, als langjährige Kommentatoren, die einfach im Nirwana verschwunden sind, ohne sich zu verabschieden – aber es lässt dennoch Fragen offen…


Habt eine schöne Woche und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

der sich nun auf Frau Honda den Kopf wieder freipusten lässt und noch ein wenig das schöne Wetter ausnutzen wird….


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