– – tageweise unsortiertes – –
„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

„Die hart arbeitenden Menschen draussen im Lande“

Einen guten Wochenstart Euch allen!

Gestern Abend war es ja tatsächlich noch richtig spannend!
Nicht nur des Tatortes wegen oder ob der Frage, ob der Zug wohl pünktlich wäre, in dem meine Liebste aus Nürnberg zurück gefahren ist, sondern auch wegen dem, was vorher war:

Die Wahlwiederholung in Berlin.

Wobei ich diesmal die Ergebnisse gar nicht im einzelnen kommentieren möchte, obschon sich nun die Frage eröffnet, ob wohl die Frau Giffey mit ihrem hauchdünnen Vorsprung von 105 Stimmen gegenüber der drittstärksten Kraft, den Grünen, regierende Bürgermeisterin bleiben kann oder ob doch der Herr Wegner von der schwarzen Fraktion dieses Amt übernimmt.
Aber das werden wohl die nächsten Tage zeigen.

-_-_-_-

Allerdings sind mir während der Wahlberichterstattung gestern doch ein, zwei Dinge augefallen, auf die ich gerne noch mal näher eingehen würde:

Zum einen das Gebetsmühlenartige Mantra des Herrn Wegner, „Berlin habe den Wechsel gewählt“.
Damit mag er zwar insoweit Recht haben, als dass seine Partei eindeutig die meissten Stimmen bekommen hat, aber bei genauer Betrachtung eben doch keine Mehrheit der Berliner Wähler überzeugen konnte. Immerhin sind 28,2% der Wählerstimmen zwar ein Votum in diese Richtung, ergeben aber verglichen mit dem Gesamt-Ergebniss der bisherigen Regierungskoalition von 49% dennoch keine regierungfähige Mehrheit, ohne dass einer der bisherigen Koalitionspartner „abspringt“ und sich der CDU zuwendet.
Da bleibt also abzuwarten, ob es so kommt, wie der Herr Wegner es sich wünscht und (wie gestern mehrfach gemutmasst wurde) die Grünen sich bereit finden werden, mit seiner Partei ins Bett zu steigen.
Woran ich nach Wegners Äusserungen in den letzten Wochen, dass er „mit den Grünen keine Koalition eingehen“ wolle allerdings durchaus meine Zweifel habe – genau wie daran, dass Frau Giffey ihren Bürgermeisterstuhl kampflos räumen wird.
Da könnte es also sein, dass dem Herrn Wegner seine harte Kampflinie aus dem Wahlkampf noch heftig auf die Füsse fallen wird, obwohl er gestern Abend plötzlich Kreide geschluckt zu haben schien.

-_-_-_-

Sehr negativ ist mir gestern bei der „Berliner Runde“, ab Minute 13:00, auch noch ein anderer Politiker aufgefallen:

Bijan Djir-Sarai, seines Zeichens Generalsekretär der 4,6%-Partei FDP und offenbar immer noch voll im Wahlkampfmodus. Nicht nur, dass der im Verlauf der Talkrunde mehrfach androhte, dass seine Partei nun „bundespolitisch ihr Profil noch weiter schärfen“ müsse (was nicht anderes bedeuten wird, als dass sich die FDP nun noch weiter als Quertreiber in der Ampel-Koalition zu betätigen beabsichtigt) sondern auch, dass er mal wieder die Floskel vom „Hart arbeitenden Menschen draussen im Lande“ bemühteden seine Partei ja angeblich repräsentiere…
Was in mir die Frage aufwirft, ob der Mann da wohl etwas nicht richtig mitbekommen oder gar beim Rechnen in der Schule nicht aufgepasst hat?
Denn auch Bundesweit dümpelt seine Partei ja schon seit Monaten bei der 5%-Hürde herum, vertritt also allenfalls einen fast zu vernachlässigenden, kleinen Teil der Wählerinnen und Wähler.
Daraus dann den Anspruch erheben zu wollen, für eine Mehrheit zu sprechen und wichtige Entscheidungen unterminieren zu wollen halte ich persönlich für mehr als vermessen. Etwa, wenns um Geschindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen geht oder um den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, beides Dinge, wo die FDP eindeutig gegen die mehrheitliche Stimmung in der Bevölkerung argumentiert.

Und überhaupt:

Diese Floskel vom „Hart arbeitenden Menschen“:
Damit bin wohl ich, sind wohl wir, die Wähler gemeint.
Als anonyme Masse, die nichts mehr zu melden hat, wenn die Wahlen vorbei sind und allenfalls noch als Alibi-Argument herhalten darf, wenns mal nicht so läuft, wie gewisse arrogante Amtsinhaber sich das vorstellen, ansonsten aber auf Gedeih und Verderb dem ausgeliefert sind, was in deren Köpfen so herumspukt.

Diese Floskel wurde übrigens seinerzeit in den 90ern wohl von Gerhard Schröder propagiert (im Wahlkampf gegen Helmut Kohl) und seither immer wieder als Alibi aus der Versenkung geholt, wenn es um unpopuläre Entscheidungen ging – etwa in den Debatten um die Einführung der HartzIV-Gesetze durch den unsäglichen Herrn Müntefehring und seine Spiessgesellen.

Mir ist diese Worthülse jedenfalls schon damals sehr negativ aufgestossen, weil ich sie als ausgesprochen abwertend empfand, insbesondere, als sie bei den HartzIV-Debatten gebraucht wurde, um die Bevölkerung zu spalten. In diejenigen, die Arbeit und ihr Auskommen hatten und die , die (zumeist unverschuldet) durch einige Regierungs-Politiker noch zusätzlich als „faul und Arbeitsscheu“ diffamiert wurden.
Zeigte sie doch (nicht nur in diesem Zusammenhang) immer wieder überdeutlich , wie weit die Politik sich von den Menschen, uns Wählern und unseren Bedürfnissen und Wünschen entfernt hat.
Dabei sollte doch jedem Politiker klar sein, dass er ohne ein Wählervotum nicht da wäre, wo er jetzt ist – und dass er nicht mehr ist als der politische Vertreter derjenigen, die Ihn gewählt haben.

Deshalb denke ich auch, dem Herrn Djir-Sarrai hätte etwas mehr Demut und Respekt vor dem Wählervotum gestern ganz gut zu Gesicht gestanden, statt da als Vertreter einer kleinen Minderheit so auf die Kacke zu hauen. Zumal ich mich als (obschon nicht mehr hart arbeitender) „Mensch draussen im Lande“ von Typen seines Schlages auch nicht gerne als Alibi für derartig verschrobene Argumentationen missbrauchen lassen möchte, wie er sie gestern in die Diskussion eingebracht hat.

Doch leider steht ja zu befürchten, dass die gestern von ihm angekündigte Kampflinie der FDP in der Bundespolitik wohl tatsächlich zur Realität werden könnte. Mit noch mehr Blockaden, mit noch mehr unsinnigen Debatten und ohne dringend notwendige und klare Entscheidungen zügig und unverwässert auf den Weg zu bringen.

Wann war nochmal die nächste Bundestagswahl?


In diesem Sinne:
Habt alle eine wunderbare Woche und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm

der sich auch heute noch über diesen arroganten FDP-Fuzzy aufregt……


-862-

- 14 Bemerkungen zu “„Die hart arbeitenden Menschen draussen im Lande“

  1. Bereits mein Opa sagte einst „Der FDP kann man nicht trauen. Die drehen ihr Fähnchen nach dem Wind“
    Er starb 1984.
    Die Akteure wechseln, der Irrsinn bleibt. Eine Partei, die sich und ihre Bedeutung eindeutig selbst total überschätzt.
    Und würde sie jetzt in der Regierung nicht immer quer treiben, hätte sich wahrscheinlich das ein oder andere Stimmchen mehr einfangen lassen 🤔
    🌈😘😎

    1. Da hatte er wohl recht, dein Opa.

      Und ich hab noch gut im Kopf, wie die FDP sich immer gern als das „Zünglein an der Waage“ definiert hat…
      Eigentlich auch schon sehr vermessen, und etwa so, als ob der Schwanz mit dem Hund wedelt….

  2. Die FDP war nie eine Volkspartei und wird es nie werden. Das, was die im Bund macht, bzw. nicht macht, verprellt die „Hart arbeitenden Menschen draussen auf dem Land“. Profil schärfen würde bedeuten, noch mehr für die Unternehmen und Konzerne zu tun, noch mehr gegen alles zu sein, was uns heute wichtig sein müsste. Der Wähler in Berlin hat eine gute Entscheidung getroffen, in dem er die FDP zum Teufel gejagt hat.
    Ein kleiner Funken hat sich in mir entzündet: Könnte es aufgrund des schlechten Ergebnisses der SPD und der FDP passieren, dass eine Weiterführung der Koalition auf Bundesebene infragegestellt wird, dass es zu Neuwahlen kommen könnte?

    1. Möglich ist natürlich alles. Aber da hätte ich Bedenken das jetzt viele braun wählen würden. Die Unsicherheit in der Bevölkerung ist zur Zeit recht hoch 🤔
      🌈😘😎

    2. Könnte es aufgrund des schlechten Ergebnisses der SPD und der FDP passieren, dass eine Weiterführung der Koalition auf Bundesebene infragegestellt wird, dass es zu Neuwahlen kommen könnte?

      Die Frage hab ich mir gestern abend auch schon gestellt.
      Aber da spricht wohl dagegen, dass sowohl FDP als auch SPD im Bund auch starke Verluste hinnehmen müssten.
      Womit die einen womöglich ganz weg vom Fenster wären und die anderen sich ziemlich sicher in der Opposition wiederfinden würden.
      Es sei denn, Grün würde so stark, dass ein eine Grün-Rote Koalition (unter der Leitung der Grünen) möglich wäre…..
      Aber das sehe ich momentan nicht.

  3. Ich bin ja hier von allen am meisten betroffen. Um nichts in der Welt würde ich CDU wählen – aber viel schlechter könnten die Zustände in Berlin unter Wegner auch kaum noch werden. Aber ich denke, es will keine Partei mit ihm koalieren – und eine große Koalition schwarz-grün hat ja auch nicht richtig geklappt. Eigentlich klappt schon seit Jahren die Politik nicht so richtig.
    Wenn die jetzige Bürgermeisterin nur ihren Mund aufmacht, stelle ich den Fernseher leise oder gehe aus dem Zimmer – ich kann sie einfach nicht leiden. – Frau J. von den Grünen – so wurde mir von Frauen erzählt, die sie kennen – soll wohl auch Haare auf den Zähnen haben. Falls sie , die Grünen, wirklich zu einer Zusammenarbeit mit der CDU bereit sind, haben sie es – hoffentlich nicht nur bei mir – dann aber total versch…..
    Aber dass es die FDP NICHT geschafft hat, war der einzige freudige Aspekt dieser Wahl.

    1. Herr Wegner hat doch vor der Wahl groß rumgetönt, dass er nicht mit den Grünen koalieren wird. Und die Grünen müssten auch zu viele Kröten schlucken, wobei ich ja in Hamburg erlebe, dass sie durchaus in der Lage sind, das zu tun.

      1. Nur schade, dass die Kröten dabei meist so aussehen, dass von den grünen Zielen wenig übrig bleibt und sei eher zu einer nachhaltgen Verschlechterung als zu einer Verbesserung führen.
        Beispielsweise beim – inzwischen völlig unsinnig gewordenen – Bau des Kraftwerkes in Moorburg oder bei der unsäglichen Elbvertiefung, die zwar gut für den Hafen sein mag, aber ansonsten soviel Umweltschäden verursacht wie kaum ein anders Hamburger Bauprojekt in den letzten Jahren….

  4. Berlin hat den Wechsel gewählt … aha. 28% sind nicht mal ein Drittel … und von 63% Wahlbeteiligung schon mal gar nicht.
    Eigentlich müsste man glatt die Wahl wiederholen…

    1. Nur 63 % haben gewählt – da waren ja dieses Mal, im Gegensatz zur letzten Wahl, viel zu viele Stimmzettel vorbereitet. – So sinnlos werden unsere Bäume geopfert. – Mit dem großschnäuzigen CDU-Mensch will wohl keiner so recht koalieren – aber am Ende wollen die, die es zuerst am heftigsten abgeleugnet haben, dann doch. Macht stinkt eben nicht.

      1. Nein, Macht ist geil.
        Dafür kann man dann auch gerne mal lange gepflegte Prinzipien über Bord werfen.

        Ganz ehrlich:
        Mir will das nicht in den Kopf, wie leicht sich manche Politiker korrumpieren lassen, wenn am Horizont ein Pöstchen winkt:
        Aber irgendwo muss es ja auch herkommen, dass dieser Berufsstand inzwischen so einen schlechten Ruf hat.

Zu spät! Leider kannst Du hier nichts mehr anmerken.