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„Ja, ich sehe es ein, zweierlei ist möglich, man kann entweder dieses thun oder jenes;
meine aufrichtige Meinung und mein freundschaftlicher Rat ist der:
thu es oder thu es nicht, beides wird dich verdrießen.“
Søren Kierkegaard

Vom kleinen dicken Mann
und was er mit mir zu tun hat

Guten Tag zusammen!

Erinnert ihr Euch noch an den kleinen, etwas dicklichen Typen, der am 21. April 1986 auf dem Bonner Marktplatz auf eine Leiter stieg, um eigenhändig ein Plakat zu kleben?

Sechsundreissig Jahre ist das her – und damals betrug das Rentenniveau in unserem Land noch satte 56 Prozent, sollte aber mit einer Rentenreform leicht (um 1 Prozent abgesenkt werden) was damals zu einigen Disskussionen im Lande führte und auch ein heftig umstrittenes Thema im Wahlkampf war.

Inzwischen wissen wir allerdings, dass dieses plakative Versprechen des Norbert Blüm leider nur die halbe Wahrheit war – nicht zuletzt, weil seitens der konservativ-liberalen Mehrheiten im Bundestag (Kohl war damals noch Kanzler) und auch mit Schröders Agenda 2010 immer wieder am Rentensystem rumgebastelt wurde, und mit so fragwürdigen Modellen wie der „Riester-Rente“ statt auf eine staatlich geregelte und finanzierte Altersvorsorge immer mehr auf privatwirtschaftlich organisierte Rentenmodelle gesetzt wurde, statt auch alle Selbstständigen und die grosse Gruppe der Beamten in die Rentenversicherungen mit einzubeziehen und damit für eine ausreichende und auskömmliche Finanzierung zu sorgen.
Mit den uns allen bekannten Folgen, dass für viele Menschen die Rente nach einem langen Arbeitsleben einfach nicht mehr reicht, weil sie zu wenig verdient haben, um sich eine privat finanzierte Zusatzversorgung leisten zu können. Fatal bei einem Rentenniveau von inzwischen nur noch 43 Prozent, dass im europäischen Vergleich ziemlich weit unten rangiert – und peinlich für die Parteien, die vollmundig „Wohlstand für alle“ propagieren (ein alter und immer wieder gerne aufgewärmter Wahlslogan der CDU – noch aus Ludwig Erhards Zeiten)…

Aber immerhin, es gibt sie ja noch, die gute alte Rente, allen Bestrebungen aus Politik und Wirtschaft heraus zum trotz, das Rentensystem in unserem Land noch mehr auf die tönernen Füsse einer privaten Finanzierung zu stellen.

Und den Beweis dafür halte ich seit vorgestern schwarz auf grau (was für ein schlechtes Papier!) in Händen – womit ab Sonntag ein neuer Lebensabschnitt für mich beginnt, weil ich dann vom Teilzeit- zum Vollzeit-Rentner avanciere:

Diese Kuh wäre also vom Eis (sogar fristgerecht!) und das Thema Arbeit ist damit endgültig kein Thema mehr für mich.

Allerdings eine ist es eine sehr magere Kuh, um mal im Bilde zu bleiben – wenn ich mir nämlich angucke, was an Zahlen in dem Bescheid auftaucht und überlege, dass das nun die „Belohnung“ für über vierzig Jahre Arbeitsleben sein soll.
Denn da schlägt ja nicht nur das niedrige Rentenniveau und die teils miese Bezahlung meiner Arbeit voll durch, sondern auch die Ausfallzeiten, die ich durch meine missglückte Selbstständigkeit und nicht zuletzt auch durch den auch daraus resultierenden Burn-Out samt langem rumlaborieren an der damit zusammenhängenden Depressionserkrankung hatte.
Insofern war schon mal klar, dass das Ergebnis nicht wirklich erfreulich sein kann.

Aber auch ohne diese „Handicaps“ und Brüche in meinem Lebenslauf hätte es vermutlich nicht deutlich rosiger ausgesehen:
Was mich nämlich ernsthaft ärgert und noch nachträglich an meiner Berufswahl zweifeln lässt, ist dieser Satz auf der zweiten Seite des Bescheides:

Das klingt, als ob ich als Pflegekraft je die Mörder-Mark verdient hätte…..
Habe ich aber nicht, schon gar nicht in den letzten Jahren, obschon mein Arbeitgeber im Vergleich mit anderen Pflegediensten schon „ganz gut“ bezahlt hat. Und dennoch hat jeder ungelernte Arbeitnehmer in der Industrie sicher mehr verdient als ich – auch das politisch so „gewollt“ und nie wirklich ernsthaft angegangen.
Zum „Riestern“ hat es also bei mir schon deshalb nie gereicht.

Aber gut.
Das ist nun mal so, wie es ist … und auch der Versorgungsausgleich durch meine erste Ehe schlägt da noch kräftig negativ zu Buche. Verhungern werde ich deswegen wohl trotzdem nicht müssen und mit der kleinen Zusatzrente für meine Zeit im kirchlichen Dienst zusammen wird es schon irgendwie gehen.
Auch wenn die „grossen Sprünge“ – gemessen an meinem persönlichen Rentenniveau – in Zukunft wohl deutlich kleiner ausfallen dürften als ich mir das gewünscht hätte…..

Insofern: „Danke Norbert – für Deine grossen Sprüche!“
Grosse Taten (im Sinne eines sozialeren Rentensystemes und eines ordentlich finanzierten Gesundheitssystemes mit gerechteren Löhnen) wären aber vermutlich besser gewesen……


Habt alle einen wunderbaren Tag und bleibt gesund und behütet!
Wir lesen uns :bye:

Euer Wilhelm,

(der diesen „Schlag ins Kontor“ erst langsam verdauen muss)


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- 9 Bemerkungen zu “Vom kleinen dicken Mann
und was er mit mir zu tun hat

  1. Das ist schon ein Schlag ins Gesicht, wenn man so vielen Arbeitsjahren in der Pflege als hoch qualifizierte Fachkraft dann so wenig Rente bekommt. Aber gut, wenn wir alle klatschen… sorry, aber mich macht das nur noch wütend.
    Auch wenn es uns jetzt nicht so hart trifft, weil ich ja noch arbeite (meine eigene Rente dürfte auch reichlich mager ausfallen), gefühlt ist es vermutlich wie ein Tritt in den Allerwertesten und gesellschaftliche Anerkennung sieht irgendwie anders aus.

  2. Das „Gefällt mir“ gilt natürlich nicht für den Rentenbescheid, sondern für deine Ausführungen. Ohne die Rente meines Mannes müsste ich Grundsicherung beantragen. Wie so viele Menschen, die für wenig Geld viel gearbeitet haben. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie schlecht die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sind. Das merken etliche Einrichtungen am fehlenden Personal und Nachwuchs. Wir suchen in unserer Praxis (Tarifgehalt) verzweifelt MFAs, und auch in der Praxis meines Zahnarztes wird erfolglos inseriert. Wen wundert das?
    Liebe Grüße,
    Elvira

    1. Mit der Erfahrung von heute würde ich alleine aus finanziellen Gründen wohl niemandem mehr empfehlen, meinen Beruf zu ergreifen, obwohl sich die Bezahlung ja inzwischen leicht verbessert hat.
      Aber davon konnte ich ja schon nicht mehr profitieren und die Menschen, die jetzt über vierzig sind und in der Pflege arbeiten werden das wohl auch nicht mehr – zumal es kaum jemand wirklich bis zur Regelaltersgrenze schafft, weil der Beruf so hohe körperliche und psychische Ansprüche stellt. Ich habe jedenfalls in meinen über vierzig Berufsjahren niemanden kennengelernt, der das geschafft hat….
      Die ältesten Pflegekräfte gabs dabei noch in der ambulanten Pflege, wo viele über fünfzig landen, weil sie es im Krankenhaus nicht mehr schaffen oder völlig ausgebrannt sind – und das ist der Bereich, wo auch am schlechtetsen bezahlt wird und Tarife für viele Arbeitgeber ein Fremdwort sind oder wegen der kleinen Betriebsgrösse nicht zu Anwendung kommen.
      Daran wird auch der Mindestlohn nichts ändern, der mit zur Zeit 12,80 Euro für voll Examinierte ja auch immer noch weit unter den Tarifen für Ungelernte in anderen Bereichen liegt. Aber mehr Bezahlung it oft auch schon deshalb nicht drin, weil durch die Sätze der Pflegeversicherung gedeckelt, die ohnehin ein Witz sind.

      Und das ist auch noch eine weitere Ungerechtigkeit dabei:
      Bei Dachdeckern und anderen schwer körperlich arbeitenden wird laut darüber nachgedacht, dass die ja mit 67 nicht mehr auf einem Dach rumturnen können, bei Pflegekräften wird das aber vorausgesetzt, egal wie kaputt der Beruf sie gemacht hat.

  3. Es ist eine völlig verkehrte Welt. Ich kann gut nachvollziehen, dass Frau Momo da wütend wird. Und wenn man dann bedenkt, dass die Inflation jetzt Speed aufnimmt, werden wohl viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie den Monat überbrücken sollen. Eine Änderung ist vermutlich auch nicht in Sicht, weil das Geld ja gerade in anderen Bereichen milliardenweise ausgegeben wird. Sorry, wenn ich da gerade keine leuchtenderen Farben anzubieten habe.

    1. Na, ich bin schon Realist, was das angeht. (Und inzwischen auch wieder einigermassen geerdet)
      Dennoch frage ich mich natürlich, wie Länder wie Holland es schaffen (inklusive obligatorischer Betriebsrente) auf ein Rentenniveau von bis zu 106% zu kommen und eine Grundrente von über 1200.-€ für jeden garantieren, selbst, wenn der nie in die Rentenkasse eingezahlt hat, während hier das Niveau immer weiter sinkt….
      Ein Unterschied ist allerdings schon klar: Auch Beamte und Selbständige zahlen in Holland in die Rentenkasse ein, tragen also mit zur Finanzierung bei, währen sie es hier bei uns nicht müssen – bzw. ihre Rente aus dem Saatssäckel beziehen .

      1. Hinsichtlich der Auswirkungen, dass Beamte nicht in die Rentenkasse einzahlen, kann ich nicht viel sagen. Es würde ja dagegenstehen, dass sie ihre Rente auch nicht aus dem Rentensystem bekommen. Da weiß ich nicht, was die Gegenrechnung am Ende für alle herausbringt.
        Aber dass viel zu viele Menschen am Ende ihres Lebens viel zu wenig haben, das sehe ich auch so. Da kommt doch gleich mal wieder die Idee des Bürgergeldes hoch…

  4. An der Grundrente bin auch ich vorbeigeschrabbt. Irgendwie hatte ich gehofft, dass die Beschäftigungszeiten dafür ausreichen. Sozialer Beruf plus Behinderung ergibt in unserer Gesellschaft leider keine Chance auf eine durchgehende versicherungspflichtige Beschäftigung. Andererseits hätten auch vierzig Jahre Vollbeschäftigung in meinem Beruf keine ausreichende Rente ergeben.
    Deine luftigen Aufnahmen mit hellem Frühlingsgrün sind einfach toll. Auf diese kurze Zeit im Jahr freue ich mich in jedem Frühling.

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